Leitsatz (amtlich)
Der Verfügungsberechtigte, dem gegen den Berechtigten ein Kostenerstattungsanspruch nach § 3 Abs. 3 S. 4 VermG für Maßnahmen zusteht, die er nach dem 1.7.1994 vorgenommen hat, muss sich diesem Anspruch in Fällen, in denen der Berechtigte keine Herausgabe von Nutzungen nach § 7 Abs. 7 S. 2 VermG verlangt, nicht entgegenhalten lassen, er dürfe ihm zustehende Nutzungsentgelte nicht für pauschalierte Verwaltungskosten i. S. d. § 7 Abs. 7 S. 4 Nr. 3 VermG verwenden.
Normenkette
VermG § 3 Abs. 3 S. 4
Verfahrensgang
KG Berlin (Urteil vom 10.02.2003; Aktenzeichen 26 U 79/02) |
LG Berlin |
Tenor
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 26. Zivilsenats des KG v. 10.2.2003 - 26 U 79/02 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte zur Zahlung eines Hauptsachebetrags von 61.790,72 Euro nebst Zinsen verurteilt ist.
Die Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Streitwert: 61.790,72 Euro.
Gründe
I.
Die Klägerin, frühere Verfügungsberechtigte eines mit einem Mietshaus bebauten Grundstücks in Berlin-Friedrichshain, verlangt von der Beklagten, die auf Grund des Restitutionsbescheids des Amtes zur Regelung offener Vermögensfragen v. 21.8.1997 nach Hinterlegung des Ablösebetrags seit 26.11.1997 Eigentümerin des ihr am 5.5.1998 übergebenen Grundstücks geworden ist, Kostenerstattung für Instandsetzungsmaßnahmen im Zeitraum v. 1.7.1994 bis 30.4.1998i. H. v. insgesamt 138.970,48 DM (= 71.054,48 Euro). Das LG hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht hat ihr i. H. v. 62.302,01 Euro nebst Zinsen entsprochen und die weiter gehende Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Die Beklagte begehrt mit ihrer Beschwerde die Zulassung der Revision.
II.
Die Beschwerde ist nicht begründet. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 ZPO).
1. Die Beschwerde hält die Frage für rechtsgrundsätzlich, ob die Klägerin als Verfügungsberechtigte in einem Fall, in dem der Berechtigte keine Herausgabe der Nutzungen nach § 7 Abs. 7 S. 2 VermG verlangt hatte, befugt war, in ihre Abrechnung für die Zeit ab 1.7.1994 Verwaltungskosten i. S. d. § 7 Abs. 7 S. 4 Nr. 3 VermG i. H. v. 65.587,70 DM einzustellen, so dass den hier geltend gemachten Instandsetzungsaufwendungen in dieser Höhe keine Nettomieteinnahmen mehr gegenüberstanden. Diese Frage lässt sich jedoch auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des BGH, der das Berufungsgericht gefolgt ist, ohne weiteres bejahen.
a) Nach der dem Vermögensgesetz zu Grunde liegenden Konzeption wird ein entzogener Vermögenswert durch die Restitution mit Wirkung ex nunc zurückübertragen. Ungeachtet des Umstands, dass schon vor der Rückgabe eines solchen Vermögenswerts zwischen dem Berechtigten und dem Verfügungsberechtigten Rechtsbeziehungen bestehen, die jedenfalls ab Stellung des Restitutionsantrags (§ 30 VermG) Züge einer gesetzlichen Treuhand aufweisen, führt erst der bestandskräftige Rückgabebescheid eine Änderung der Güterzuordnung des rückgabebelasteten Vermögenswerts herbei. Dieser vermögensrechtlichen Zuordnung entspricht es, dass die bis zur Rückgabeentscheidung gezogenen Nutzungen grundsätzlich dem Verfügungsberechtigten verbleiben, dieser aber auch die bis zu diesem Zeitpunkt entstandenen gewöhnlichen Erhaltungskosten zu tragen hat (vgl. BGH v. 16.12.1994 - V ZR 177/93, BGHZ 128, 210 [211 ff.] = MDR 1995, 898; Urt. v. 12.6.1997 - III ZR 105/96, BGHZ 136, 57 [65]; Urt. v. 20.11.1997 - III ZR 39/97, BGHZ 137, 183 [186]; v. 19.3.1998 - III ZR 145/97, VIZ 1998, 323).
b) Diese grundsätzliche Konzeption ist - soweit es um die hier zu beurteilende Konstellation geht - in zweierlei Hinsicht von Ausnahmen durchbrochen.
aa) Wird der entzogene Vermögenswert erst auf der Grundlage eines nach dem 30.6.1994 bestandskräftig gewordenen Restitutionsbescheids zurückgegeben, kann der Berechtigte vom Verfügungsberechtigten die Herausgabe der diesem ab dem 1.7.1994 zustehenden Entgelte aus einem Miet-, Pacht- oder sonstigen Nutzungsverhältnis verlangen (§ 7 Abs. 7 S. 2 VermG). Macht der Berechtigte diesen Anspruch geltend, so kann der bisherige Verfügungsberechtigte die ihm seit dem 1.7.1994 entstandenen Kosten aufrechnen, die in § 7 Abs. 7 S. 4 Nr. 1 bis 3 VermG aufgeführt sind. Hierzu rechnen - neben Kosten auf Grund von Rechtsgeschäften zur Erhaltung des Vermögenswerts i. S. d. § 3 Abs. 3 VermG - auch (pauschalierte) Verwaltungskosten in Höhe der in § 26 Abs. 2 und 3 der Zweiten Berechnungsverordnung in der jew. geltenden Fassung bezeichneten Höchstbeträge, soweit über die Rückgabe des Vermögenswerts - wie hier - am 9.7.1995 noch nicht bestandskräftig entschieden war (§ 41 Abs. 1 VermG). Der Einbeziehung der Verwaltungskosten in die aufrechenbaren Positionen liegt die Erwägung zu Grunde, dass es weder von den kommunalen Wohnungsunternehmen noch von den öffentlichen Haushalten der neuen Länder finanziell zu verkraften und auch sachlich nicht gerechtfertigt wäre, wenn die Wohnungsunternehmen die Wohnungen bis zur Rückgabe an den berechtigten Alteigentümer in dessen Interesse kostenlos verwalten müssten (vgl. BGH, Urt. v. 4.2.1999 - III ZR 268/97, BGHZ 140, 355 [359]). Mit der Aufrechnungslösung in § 7 Abs. 7 S. 4 VermG wird der Berechtigte davor geschützt, dass er dem Verfügungsberechtigten ein Defizit auszugleichen hat, das sich bei einer Gegenüberstellung von Nutzungsentgelten auf der einen Seite und Betriebs-, Erhaltungs- und Verwaltungskosten auf der anderen Seite seit dem 1.7.1994 ergibt (vgl. BGH, Urt. v. 20.11.1997 - III ZR 39/97, BGHZ 137, 183 [187]). Im Ergebnis erhält der Verfügungsberechtigte für seine Tätigkeit über die pauschalierten Verwaltungskosten eine Vergütung daher nur in dem Umfang, in dem diese durch die ihm zustehenden Nutzungsentgelte unter Berücksichtigung der Betriebskosten und der gewöhnlichen Erhaltungskosten gedeckt werden kann. Gleichwohl wird mit der Aufrechnungslösung dem Grunde nach anerkannt, dass ein Verfügungsberechtigter bei einer über den 30.6.1994 hinausreichenden Verzögerung der Restitution nicht (mehr) unentgeltlich tätig sein muss, wie es für den davor liegenden Zeitraum ausnahmslos gilt.
bb) Der Grundsatz, dass der Verfügungsberechtigte den Vermögenswert bis zur Restitution aus eigenem Recht und auf eigene Kosten bewirtschaftet, wird ferner in den Fällen durchbrochen, in denen er für seine Aufwendungen nach § 3 Abs. 3 S. 4 VermG Kostenerstattung verlangen kann. Diese Bestimmung gilt nach der diese Vorschrift erweiternden Auslegung des Senats nicht nur für noch nicht amortisierte Kosten von Instandsetzungsmaßnahmen i. S. d. § 3 Abs. 3 S. 3 VermG, die den Verfügungsberechtigten als Vermieter zu einer Mieterhöhung berechtigen, sondern in allen Fällen, in denen Maßnahmen nach § 3 Abs. 3 S. 2, 4 und 5 VermG vorgenommen werden, soweit diese über die gewöhnlichen Erhaltungskosten hinausgehen (vgl. BGH, Urt. v. 12.6.1997 - III ZR 105/96, BGHZ 136, 57 [63 f.]; Urt. v. 20.11.1997 - III ZR 39/97, BGHZ 137, 183 [187 f.]; v. 17.5.2001 - III ZR 283/00, BGHReport 2001, 628 = WM 2001, 1346 [1347]; v. 4.4.2002 - III ZR 4/01, BGHZ 150, 237 [241] = BGHReport 2002, 581). Die wirtschaftliche Berechtigung dieses Anspruchs beruht auf dem Gedanken, dass es insoweit um den Ersatz von außerordentlichen Aufwendungen geht, die - wäre die Restitution bereits durchgeführt worden - grundsätzlich auch beim Berechtigten angefallen wären, ohne dass sie - wie gewöhnliche Erhaltungskosten - aus den dem Verfügungsberechtigten verbleibenden Nutzungsentgelten zu finanzieren sind. Kostenerstattung für eine solche Maßnahme kann daher nach § 3 Abs. 3 S. 4 VermG auch dann beansprucht werden, wenn die Maßnahme vom Verfügungsberechtigten nach dem 30.6.1994 vorgenommen worden ist. Die Regelung des § 7 Abs. 7 S. 4 Nr. 2 VermG, nach der Kosten auf Grund von Rechtsgeschäften zur Erhaltung des Vermögenswerts i. S. d. § 3 Abs. 3 VermG (nur) aufrechenbar sind, bringt den Kostenerstattungsanspruch in direkter oder entsprechender Anwendung des § 3 Abs. 3 S. 4 VermG nicht zu Fall (vgl. BGH, Urt. v. 14.7.2000 - V ZR 328/99, VIZ 2000, 673 f.), sondern ist nur vor dem Hintergrund verständlich, dass dem Verfügungsberechtigten in dem Rahmen, den die Aufrechnungslösung mit sich bringt, auch Ersatz für gewöhnliche Erhaltungskosten zu leisten ist, wenn der Berechtigte ihm durch das Herausgabeverlangen hinsichtlich der Nutzungen die wirtschaftliche Grundlage für seine Aufwendungen nimmt. Danach besteht zwischen Ansprüchen auf Kostenerstattung nach § 3 Abs. 3 S. 4 VermG und der Gegenüberstellung von Nutzungen und Kosten nach § 7 Abs. 7 S. 2, 4 VermG, die nur zu Zahlungsansprüchen des Berechtigten, nicht aber zu Ersatzansprüchen des Verfügungsberechtigten führen kann, kein unmittelbarer Zusammenhang, für den der von der Beschwerde angeführte Umstand eine Rolle spielen könnte, der Berechtigte habe die Herausgabe von Nutzungen nicht verlangt. Nicht erst das Verlangen des Berechtigten löst (im Nachhinein) die grundsätzliche Vergütungspflicht aus, sondern diese besteht aus den oben (zu aa) angegebenen sachlichen Gründen. Da der Anspruch nach § 3 Abs. 3 S. 4 VermG unabhängig von einer möglichen Anspruchslage nach § 7 Abs. 7 S. 2 VermG besteht, wird dieser Anspruch auch nicht von dem Umstand berührt, dass die Nutzungen seit dem 1.7.1994 die dem Verfügungsberechtigten entstandenen Verwaltungskosten ganz oder teilweise zu decken vermögen. Im Rahmen der Aufrechnungslösung muss der Verfügungsberechtigte es zwar hinnehmen, bei nicht ausreichenden Nutzungsentgelten für seine Tätigkeit keine Vergütung im Wege pauschalierter Verwaltungskosten zu erhalten. Er muss jedoch nicht auf eine Vergütung verzichten, wenn die ihm zustehenden Nutzungen die Verwaltungskosten ganz oder teilweise decken, nur weil ungedeckte Aufwendungen verbleiben, für die Kostenerstattung nach § 3 Abs. 3 S. 4 VermG verlangt werden kann.
Der Senat hat in Bezug auf den Erstattungsanspruch des § 3 Abs. 3 S. 4 VermG zwar ausgeführt, der Verfügungsberechtigte müsse sich dasjenige anrechnen lassen, was an Kosten amortisiert worden sei (vgl. BGH v. 4.4.2002 - III ZR 4/01, BGHZ 150, 237 [242] = BGHReport 2002, 581). Das hat das Berufungsgericht indes nicht verkannt. Zwar hat die Klägerin nicht konkret in Bezug auf die jeweiligen Instandsetzungsmaßnahmen angegeben, inwieweit eine Amortisierung eingetreten ist, sondern hat eine - im Rahmen des verfolgten Anspruchs nach § 3 Abs. 3 S. 4 VermG nicht gebotene - Gesamtabrechnung für die Immobilie für die Zeit ab 1.7.1994 vorgenommen. Das Berufungsgericht hat dieser Abrechnung jedoch entnommen, dass die eingegangenen Nutzungsentgelte - trotz einiger zu Lasten der Klägerin vorgenommener Korrekturen - nicht ausgereicht haben, die Betriebs-, die gewöhnlichen Erhaltungs- und die Verwaltungskosten abzudecken. Danach verbleiben für eine Amortisierung der für die Instandsetzungsmaßnahmen aufgewendeten Kosten im Ergebnis keine Mittel.
2. Die Revision muss auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen werden.
a) Das Berufungsurteil steht zwar mit dem - später ergangenen - Urteil des BGH v. 26.2.2003 (BGH v. 26.2.2003 - VIII ZR 262/02, MDR 2003, 765 = BGHReport 2003, 629 = NJW 2003, 1743) nicht in Einklang, wonach der Berufungsantrag auch nach neuem Recht in das Berufungsurteil aufzunehmen ist. Das bedeutet aber nicht in jedem Fall, dass der Antrag des Berufungsklägers wörtlich wiederzugeben ist. Vielmehr kann es genügen, wenn aus dem Zusammenhang sinngemäß deutlich wird, was der Berufungskläger mit seinem Rechtsmittel erstrebt hat. So kann bei der Berufung des Klägers mit unverändertem Weiterverfolgen des erstinstanzlichen Sachantrags gegen ein klageabweisendes Urteil die Erwähnung dieser Tatsache genügen. Dass es sich auch vorliegend so verhalten hat, ergibt sich aus der zulässigen Bezugnahme auf das landgerichtliche Urteil, aus seiner inhaltlichen Wiedergabe im Rahmen der Entscheidungsgründe und der nicht notwendigen Angabe der jeweiligen Beschwer der Parteien im Tenor des Urteils. Da sich der Sach- und Streitstand auch im Übrigen aus den Entscheidungsgründen in einem für die Beurteilung der aufgeworfenen Rechtsfrage ausreichenden Maße ergibt (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 7.5.2003 - VIII ZR 219/02, BGHReport 2003, 896), bedarf es der Revisionszulassung nicht.
b) Der Senat hält eine Zulassung der Revision auch nicht wegen der erhobenen Gehörsrüge für geboten. Die Beklagte macht insoweit geltend, das Berufungsgericht habe ihr Bestreiten der in Rede stehenden Instandsetzungsarbeiten in Bezug auf deren Durchführung, ihre Erforderlichkeit und ihre angemessene Honorierung nicht für zu pauschal halten dürfen. Das trifft nicht zu. Indem die Beklagte, in deren Verfügung und Verwaltung das Anwesen seit Jahren steht, davon abgesehen hat, sich gezielt mit den von der Klägerin vorgelegten Belegen über diese Maßnahmen auseinander zu setzen, obwohl ihr dies möglich gewesen wäre, hat sie selbst davon abgesehen, den Prozess aus ihrer Sicht in angemessener Weise zu fördern.
3. Der Senat ist im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde befugt, den Verurteilungsbetrag von 62.302,01 Euro (= 121.852,14 DM) gem. § 319 Abs. 1 ZPO wegen eines dem Berufungsgericht unterlaufenen offensichtlichen Rechenfehlers auf 61.790,72 Euro zu berichtigen.
Fundstellen
Haufe-Index 1081074 |
BGHR 2004, 314 |
VIZ 2004, 121 |
WM 2004, 2076 |
NJ 2004, 226 |
GuT 2004, 18 |