Entscheidungsstichwort (Thema)
Terminsbestimmung nach Einspruch gegen Versäumnisurteil. Terminsbestimmung als Säumnisvoraussetzung
Leitsatz (amtlich)
a) Das Gericht darf einen Termin zur mündlichen Verhandlung über den Einspruch gegen ein Versäumnisurteil erst nach dem Eingang des Einspruchs bestimmen. Vor diesem Zeitpunkt ist die Bestimmung eines Termins auch dann unzulässig, wenn sie in einer verkündeten Entscheidung "für den Fall des Einspruchs" erfolgt.
b) Die ordnungsgemäße Terminsbestimmung ist Voraussetzung für die Säumnis der im Termin nicht erschienenen Partei. Fehlt es daran, darf gegen sie kein (zweites) Versäumnisurteil ergehen.
Normenkette
ZPO § 514 Abs. 2, §§ 345, 341 Abs. 1, §§ 341a, 335 Abs. 1 Nr. 2, §§ 218, 216 Abs. 1
Verfahrensgang
OLG Zweibrücken (Beschluss vom 15.06.2009; Aktenzeichen 8 U 119/08) |
LG Zweibrücken (Urteil vom 15.09.2008; Aktenzeichen 1 O 200/07) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des Klägers wird der Beschluss des 8. Zivilsenats des Pfälzischen OLG Zweibrücken vom 15.6.2009 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Beschwerdewert: 66.875,44 EUR
Gründe
I.
Rz. 1
Die Klägerin nimmt den Beklagten wegen einer mangelhaft ausgeführten Werkleistung auf Schadensersatz in Anspruch. Mit der am 3.8.2007 bei Gericht eingegangenen Klage beantragte sie, den Beklagten zu verurteilen, 66.875,44 EUR nebst Zinsen sowie weitere 1.880,20 EUR zu zahlen. Der Beklagte erwiderte mit einem am 27.6.2008 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz und kündigte an, die Abweisung der Klage beantragen zu wollen; darüber hinaus erhob er Widerklage auf Bezahlung seines Restwerklohns Zug-um-Zug gegen Beseitigung sachverständig festgestellter Mängel. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem LG - Einzelrichter - am 30.6.2008 erklärte der Prozessbevollmächtigte des Beklagten, nicht auftreten zu wollen. Daraufhin erging auf Antrag der Klägerin ein Versäumnisurteil gegen den Beklagten, mit dem er zur Zahlung von 66.875,44 EUR nebst Zinsen verurteilt wurde. Darüber hinaus verkündete der Einzelrichter folgenden Beschluss:
"Für den Fall des Einspruchs wird Termin zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung bestimmt auf Montag,den15.9.2008,15.00Uhr,Sitzungssaal6."
Rz. 2
Mit einem am 16.7.2008 per Telefax bei Gericht eingegangen Schriftsatz vom 15.7.2008 legte der Beklagte Einspruch gegen das Versäumnisurteil vom 30.6.2008 ein. Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 15.9.2008 erschien für ihn niemand. Das LG - Einzelrichter - stellte im Sitzungsprotokoll fest, dass die Parteien ordnungsgemäß zum Termin geladen worden seien und erließ auf Antrag der Klägerin ein "1. und 2. Versäumnisurteil", mit dem der Einspruch des Beklagten gegen das Versäumnisurteil vom 30.6.2008 verworfen und seine Widerklage abgewiesen wurden. Das Versäumnisurteil wurde dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten am 2.10.2008 zugestellt.
Rz. 3
Gegen das zweite Versäumnisurteil hat der Beklagte mit einem am 10.10.2008 beim Berufungsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und sein Rechtmittel mit einem am 2.12.2008 eingegangenen Schriftsatz begründet. Das Berufungsgericht hat die Berufung gem. § 522 Abs. 1 Satz 2, 3 ZPO durch Beschluss vom 15.6.2009 als unzulässig verworfen. Dagegen wendet sich der Beklagte mit der Rechtsbeschwerde, mit der er sein auf Abweisung der Klage gerichtetes Berufungsanliegen weiterverfolgt.
II.
Rz. 4
1. Die gem. §§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Sie wirft die von der Rechtsprechung und Literatur bisher nicht beantwortete und über den vorliegenden Einzelfall hinaus klärungsbedürftige Frage auf, ob ein Fall der Säumnis vorliegt, wenn die nicht besonders geladene Partei in einem Termin zur mündlichen Verhandlung über ihren Einspruch gegen ein erstes Versäumnisurteil nicht erscheint, der in einer zugleich mit dem Erlass des Versäumnisurteils verkündeten Entscheidung für den Fall des Einspruchs bestimmt worden war.
Rz. 5
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.
Rz. 6
a) Das Berufungsgericht hält die Berufung für unzulässig, weil der Beklagte einen Fall unverschuldeter Säumnis nicht schlüssig dargelegt habe, § 514 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 345 ZPO. Das erste Versäumnisurteil sei im Termin am 30.6.2008 in Anwesenheit des Prozessbevollmächtigten des Beklagten verkündet worden. Gegen dieses Urteil habe der Beklagte rechtzeitig Einspruch eingelegt, was wirksam auch schon vor der Zustellung des Versäumnisurteils habe geschehen können. Auf das Fehlen einer Ladung zum zweiten Verhandlungstermin am 15.9.2008 komme es nicht an. Die Ladung sei gem. § 218 ZPO entbehrlich gewesen, weil das LG in der Sitzung am 30.6.2008 für den Fall des Einspruchs in Anwesenheit des Beklagten und seines Prozessbevollmächtigten Termin zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung auf den 15.9.2008 bestimmt habe. Der Beklagte habe keine Tatsachen vorgetragen, die bei dieser Sachlage Anlass für die Annahme bieten könnten, seine Säumnis in diesem Termin sei unverschuldet gewesen.
Rz. 7
b) Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Rz. 8
Das Berufungsgericht hätte die Berufung des Beklagten nicht gem. § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO als unzulässig verwerfen dürfen. Die seine Entscheidung tragende Erwägung, der Beklagte habe einen Fall fehlender oder unverschuldeter Säumnis nicht schlüssig dargelegt, beruht auf einer fehlerhaften Anwendung des Rechts, § 576 Abs. 1 ZPO.
Rz. 9
aa) Im Ausgangspunkt zutreffend und insoweit auch von der Rechtsbeschwerde nicht beanstandet geht das Berufungsgericht davon aus, dass die Zulässigkeit des Rechtsmittels nach § 514 Abs. 2 ZPO die schlüssige Darlegung voraussetzt, ein Fall der Säumnis habe nicht vorgelegen (BGH, Urt. v. 25.11.2008 - VI ZR 317/07, NJW 2009, 687, Rz. 6; Urt. v. 22.3.2007 - IX ZR 100/06, NJW 2007, 2047 jeweils m.w.N.).
Rz. 10
bb) Rechtsfehlerhaft ist hingegen die Auffassung des Berufungsgerichts, ein Fall fehlender oder unverschuldeter Säumnis sei nicht schlüssig dargetan. Der von ihm unter Heranziehung unstreitiger und deshalb bei der Beurteilung der Schlüssigkeit zu berücksichtigender Tatsachen festgestellte Sachverhalt rechtfertigt den Vorwurf der Säumnis nicht.
Rz. 11
(1) Ein zweites Versäumnisurteil darf gem. § 345 ZPO erlassen werden, wenn der Einspruchsführer im Termin zur Verhandlung über seinen Einspruch (erneut) säumig ist, weil er nicht erscheint oder nicht zur Hauptsache verhandelt. Säumnis in diesem Sinne setzt nach allgemein für den Erlass von Versäumnisentscheidungen geltenden Grundsätzen voraus, dass der nicht erschienenen Partei der korrekt anberaumte Termin ordnungsgemäß bekannt gemacht worden war (Prütting in MünchKomm/ZPO, 3. Aufl., § 330 Rz. 10 ff., 13; Musielak/Stadler, ZPO, 6. Aufl., vor § 330 Rz. 6). Die Bekanntmachung erfolgt durch Ladung der Partei nach Maßgabe der Vorschriften in §§ 214 ff. ZPO, wobei gem. § 218 ZPO eine Ladung zu solchen Terminen entbehrlich ist, die in verkündeten Entscheidungen bestimmt worden sind. Die ordnungsgemäß verkündete Terminsbestimmung ersetzt die Ladung; sie steht ihr in ihren Wirkungen gleich (MünchKomm/ZPO/Gehrlein, 3. Aufl., § 218 Rz. 3). Fehlt es an beidem, darf - vorbehaltlich der Sonderfälle nach §§ 331 Abs. 3, 497 Abs. 2 ZPO - gem. § 335 Abs. 1 Nr. 2 ZPO kein Versäumnisurteil ergehen (Zöller/Herget, ZPO, 28. Aufl., § 335 Rz. 3; Musielak/Stadler, ZPO, 6. Aufl., vor § 330 Rz. 6; Prütting in MünchKomm/ZPO, 3. Aufl., § 335 Rz. 6 f.). Das gilt auch für das zweite Versäumnisurteil (Prütting in MünchKomm/ZPO, 3. Aufl., § 345 Rz. 8).
Rz. 12
(2) Vor diesem Hintergrund meint das Berufungsgericht, für die Säumnis des Beklagten komme es gem. § 218 ZPO auf das Fehlen einer Ladung nicht an, weil das LG in der Sitzung am 30.6.2008 in Anwesenheit des Beklagten und seines Prozessbevollmächtigten durch verkündeten Beschluss für den Fall des Einspruchs Termin zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung auf den 15.9.2008 bestimmt habe. Diese Erwägungen greifen zu kurz. Sie übergehen den von ihm selbst festgestellten Umstand, dass die Durchführung des verkündeten Termins von der Einlegung eines Einspruchs des Beklagten gegen das erste Versäumnisurteil abhängen sollte. Eine derartige Terminsbestimmung ist unzulässig. Sie entfaltet jedenfalls nicht die Wirkungen, die gem. § 218 ZPO eine ordnungsgemäße Ladung entbehrlich machen und die Säumnis der im Termin zur Verhandlung über ihren Einspruch nicht erschienenen Partei begründen könnten.
Rz. 13
(a) Das Gesetz sieht die vorsorgliche Anberaumung eines Termins zur mündlichen Verhandlung über einen noch nicht eingelegten Einspruch der säumigen Partei gegen ein (erstes) Versäumnisurteil nicht vor. Termine werden gem. § 216 Abs. 1 ZPO von Amts wegen bestimmt, wenn Anträge oder Erklärungen eingereicht werden, über die nur nach mündlicher Verhandlung entschieden werden kann. Für den Fall des Einspruchs gegen ein Versäumnisurteil setzt die Bestimmung eines Termins jedenfalls voraus, dass der Einspruch bei Gericht eingegangen ist. Das ergibt sich aus dem Regelungszusammenhang der Vorschriften in §§ 341 Abs. 1 ZPO, 341a ZPO, wonach das Gericht einen unzulässigen Einspruch ohne erneute mündliche Verhandlung durch Urteil verwerfen kann und Termin zur mündlichen Verhandlung über den Einspruch und die Hauptsache gem. § 341a ZPO nur dann bestimmen muss, wenn der Einspruch nicht als unzulässig verworfen wird. Daraus ergibt sich der gesetzgeberische Wille, dass die Bestimmung eines Termins zur mündlichen Verhandlung über den Einspruch gegen ein Versäumnisurteil erst dann erfolgen soll, wenn das Gericht die Zulässigkeit des Einspruchs geprüft und diese entweder bejaht oder nach Ausübung pflichtgemäßen Ermessens entschieden hat, über den unzulässigen Einspruch mündlich zu verhandeln. Sie hat gem. § 216 Abs. 1 ZPO zu unterbleiben, solange diese Voraussetzungen nicht erfüllt sind.
Rz. 14
(b) Voraussetzung für die Säumnis einer Prozesspartei ist die ordnungsgemäße Bestimmung des Termins, zu dem sie nicht erschienen ist (Prütting in MünchKomm/ZPO, 3. Aufl., § 330 Rz. 11; Musielak/Stadler, ZPO, 6. Aufl., vor § 330 Rz. 6 f.). Daran fehlt es, wenn das Gericht den Termin in unzulässiger Weise zu einem Zeitpunkt anberaumt hat, in dem das Verfahrensrecht eine Terminsbestimmung nicht vorsieht. Die solcherart unwirksame Terminsbestimmung wird nicht dadurch zulässig, dass sie in einer verkündeten Entscheidung erfolgt. Aus § 218 ZPO, der die Entbehrlichkeit der Ladung, nicht die Wirksamkeit der Terminsbestimmung betrifft, folgt nichts anderes. Im Übrigen wäre jedenfalls eine vor der durch den Eingang des Einspruchs geschaffenen Verfahrenslage erfolgte Ladung der Parteien ebenfalls unwirksam; ihre Nichtbefolgung könnte die Säumnis der zum Termin nicht erschienenen Partei nicht begründen, § 335 Abs. 1 Nr. 2 ZPO. Dann aber liegt es auf der Hand, dass die Wirkungen der Verkündung einer Terminsbestimmung nicht weiter reichen können als die der Ladung, die durch die Verkündung ersetzt wird.
Fundstellen