Verfahrensgang
OLG München (Entscheidung vom 17.04.2023; Aktenzeichen 21 U 5703/22) |
LG Traunstein (Entscheidung vom 19.08.2022; Aktenzeichen 1 O 3581/21) |
Tenor
Der Senat beabsichtigt, die Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberlandesgerichts München - 21. Zivilsenat - vom 17. April 2023 gemäß § 552 Abs. 1 Satz 2 ZPO als unzulässig zu verwerfen, soweit sie nicht die Frage betrifft, ob die fehlende Angabe einer Nichtzugehörigkeit zu einem Sicherungsfonds zum Abschluss des Vertrages im Policenmodell führt, und sie im Übrigen gemäß § 552a Satz 1 ZPO zurückzuweisen.
Die Parteien erhalten Gelegenheit, hierzu binnen
eines Monats
Stellung zu nehmen.
Gründe
Rz. 1
I. Der Kläger begehrt die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung zweier fondsgebundener Rentenversicherungsverträge.
Rz. 2
Der Kläger beantragte bei der Beklagten am 5. September 2007 den Abschluss einer fondsgebundenen Kinderrentenversicherung mit Berufsunfähigkeitsschutz. Versicherungsbeginn war der 1. Oktober 2007. Er leistete eine anfängliche Sonderzahlung von 800 € und zahlte die laufenden Beiträge. Im Sommer 2019 wurde die Versicherung beitragsfrei gestellt.
Rz. 3
Auf seinen weiteren Antrag vom 5. September 2007 erhielt der Kläger einen Versicherungsschein über eine fondsgebundene Rentenversicherung ebenfalls mit Berufsunfähigkeitsschutz. Versicherungsbeginn war der 1. November 2007. Der Kläger leistete eine anfängliche Sonderzahlung von 5.000 € und zahlte die laufenden Beiträge. Nach Beitragsreduzierungen im Juli 2008 und im Sommer 2009 wurde die Versicherung im November 2019 ebenfalls beitragsfrei gestellt.
Rz. 4
Die beiden Versicherungen sollten zu 100 % in den "A. " investiert werden. Mit zwei Schreiben vom 7. November 2018 erklärte der Kläger den Widerruf der Verträge, den die Beklagte zurückwies. Mit Schreiben vom April und Mai 2019 erklärte der Kläger unter anderem den Widerspruch, den die Beklagte wiederum zurückwies.
Rz. 5
Mit der Klage verlangt der Kläger - soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse - in der Hauptsache Rückzahlung aller auf beide Versicherungen geleisteter Prämien und die Herausgabe gezogener Nutzungen aus den Verträgen, insgesamt einen Betrag von 27.816,07 €. Weiter begehrt er die Feststellung, dass der Beklagten aus den beiden Versicherungen keine weiteren Ansprüche gegen ihn zustehen.
Rz. 6
Die Antragsformulare enthielten unter dem Gliederungspunkt "Unterschriften" mitten in dem Feld der Unterschriften unter anderem folgende Belehrung:
"Mir ist bekannt, dass ich innerhalb einer Frist von 30 Tagen nach Abschluss des Vertrages vom Vertrag zurücktreten kann. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung der Rücktrittserklärung. …"
Rz. 7
In den "Vertragsunterlagen" findet sich außerdem folgende Belehrung:
"Sie können innerhalb einer Frist von 30 Tagen nach Abschluss des Vertrages vom Vertrag zurücktreten. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung der Rücktrittserklärung. Die Frist beginnt erst zu laufen, wenn wir Sie über Ihr Rücktrittsrecht belehrt haben und Sie die Belehrung durch Ihre Unterschrift bestätigt haben."
Rz. 8
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und das Oberlandesgericht die dagegen gerichtete Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Rz. 9
II. Das Berufungsgericht hat - soweit für die Revision noch von Bedeutung - ausgeführt, der Kläger habe nicht wirksam einen Widerspruch bzw. Rücktritt erklären können. Die Belehrung im Antragsmodell nach § 8 Abs. 5 Satz 3 VVG in der seinerzeit gültigen Fassung (im Folgenden: VVG a.F.) sei für beide Verträge noch in Ordnung gewesen. Zwar sei nach § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. ein Vertrag als im Policenmodell zustande gekommen anzusehen, wenn die nach § 10a Abs. 1 Satz 1 Versicherungsaufsichtsgesetz in der seinerzeit gültigen Fassung (im Folgenden: VAG a.F.) i.V.m. der Anlage Teil D erforderliche Verbraucherinformation unvollständig sei und die fehlende gesetzlich vorgesehene Einzelinformation im konkreten Fall einem berechtigten Informationsbedürfnis des Antragstellers diene. Dies sei hier aber nicht der Fall. Die Frage, ob die fehlende Angabe einer Nichtzugehörigkeit zu einer Sicherungseinrichtung zu einem Abschluss im Policenmodell führe, sei höchstrichterlich zwar noch nicht beantwortet, unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei aber kein berechtigtes Informationsbedürfnis des Versicherungsnehmers zu erkennen. Ein Negativattest darüber, dass die Beklagte keinem deutschen Sicherungsfonds und auch keiner ausländischen Sicherungseinrichtung angehörte, sei weder nach dem Wortlaut von Abschnitt II Nr. 1 Buchst. i) der Anlage D zum VAG a.F. noch nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift gefordert. Auch deren Entstehungsgeschichte spreche nicht für eine derartige Informationspflicht. Die Verbraucherinformation zum Fonds (Anlage Teil D zum VAG a.F., Abschnitt I Nr. 2 Buchst. e)) sei ebenfalls ausreichend.
Rz. 10
III. Die Revision ist unzulässig hinsichtlich der Rüge, die Verbraucherinformation genüge entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht den Anforderungen von Abschnitt I Nr. 2 Buchst. e) der Anlage Teil D zum VAG a.F., soweit dort Angaben "über den der Versicherung zugrundeliegenden Fonds und die Art der darin enthaltenen Vermögenswerte" vorgeschrieben seien. Die Revision ist insoweit mangels Zulassung nicht statthaft, denn das Berufungsgericht hat die Zulassung entgegen der Auffassung der Revision wirksam auf die Frage beschränkt, ob die Beklagte im Rahmen der erteilten Verbraucherinformation Angaben zur Zugehörigkeit zu einem Sicherungsfonds machen musste. Zwar enthält die Entscheidungsformel des Berufungsurteils keinen Zusatz, der die dort ausgesprochene Zulassung der Revision einschränkt. Die Beschränkung kann sich aber auch aus den Entscheidungsgründen ergeben. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass der Tenor im Lichte der Entscheidungsgründe auszulegen und deshalb von einer beschränkten Revisionszulassung auszugehen ist, wenn sich die Beschränkung aus den Gründen klar ergibt. Das ist regelmäßig anzunehmen, wenn sich die vom Berufungsgericht als zulassungsrelevant angesehene Frage nur für einen eindeutig abgrenzbaren selbstständigen Teil des Streitstoffs stellt (Senatsbeschluss vom 21. September 2022 - IV ZR 300/20, VersR 2022, 1571 Rn. 15 m.w.N.). Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Das Berufungsgericht hat die Zulassung ausschließlich mit der seiner Ansicht nach klärungsbedürftigen Frage, ob die fehlende Angabe einer Nichtzugehörigkeit zu einem Sicherungsfonds zum Abschluss des Vertrages im Policenmodell führe, begründet. Damit hat es die Zulassung ausdrücklich auf die Voraussetzungen des Abschnitts I Nr. 1 Buchst. i) der Anlage Teil D zum VAG a.F. beschränkt (vgl. Senatsbeschluss vom 27. September 2023 - IV ZR 123/21, juris Rn. 8 f.).
Rz. 11
IV. Soweit das Berufungsgericht die Revision zugelassen hat, liegen die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision im Sinne von § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht mehr vor und das Rechtsmittel hat auch keine Aussicht auf Erfolg (§ 552a Satz 1 ZPO).
Rz. 12
1. Die Frage von grundsätzlicher Bedeutung ist durch das Senatsurteil vom 26. April 2023 (IV ZR 300/22, VersR 2023, 830) geklärt. Danach musste zwar die vor Abschluss von Versicherungsverträgen nach § 10a Abs. 1 VAG a.F. vom Versicherungsunternehmen zu erteilende Verbraucherinformation gemäß Abschnitt I Nr. 1 Buchst. i) der Anlage Teil D zum VAG a.F. "Angaben über die Zugehörigkeit zu einer Einrichtung zur Sicherung der Ansprüche von Versicherten (Sicherungsfonds)" enthalten. Ein Lebensversicherer, der - wie hier die Beklagte - bereits vor Vertragsschluss seinen Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum hatte, musste in der Verbraucherinformation aber nicht angeben, dass er dem deutschen Sicherungsfonds für die Lebensversicherung im Sinne von § 124 VAG a.F. nicht angehörte (Senatsurteil vom 26. April 2023 aaO Rn. 18 ff.). Damit ist die Frage auch für den Streitfall geklärt.
Rz. 13
2. Die Revision hat - soweit sie eröffnet ist - auch in der Sache keine Aussicht auf Erfolg.
Rz. 14
Das Berufungsurteil steht in Einklang mit dem vorgenannten Senatsurteil vom 26. April 2023 (IV ZR 300/22, VersR 2023, 830). Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass die fehlende Angabe der Beklagten zu ihrer Nichtzugehörigkeit zu einem Sicherungsfonds nicht zu einem Vertragsschluss im Policenmodell führt. Gesichtspunkte, die eine abweichende Entscheidung rechtfertigen könnten, sind - auch unter Berücksichtigung des Revisionsvorbringens - nicht ersichtlich.
Rz. 15
3. Die grundsätzliche Klärung entscheidungserheblicher Rechtsfragen erst nach Einlegung der Revision steht einer Revisionszurückweisung durch Beschluss nicht im Wege (Senatsbeschluss vom 24. Januar 2023 - IV ZR 18/22, VersR 2023, 719 Rn. 14 m.w.N.).
Rz. 16
4. Ferner ist die Richtlinienkonformität des Policenmodells im Streitfall nicht entscheidungserheblich. Zum Einwand von Treu und Glauben ist auch hier eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nicht erforderlich (vgl. Senatsurteile vom 19. Juli 2023 - IV ZR 268/21, VersR 2023, 1151 Rn. 13 ff. vorgesehen für BGHZ 238, 32; vom 15. Februar 2023 - IV ZR 353/21, BGHZ 236, 163 Rn. 23 ff.).
Prof. Dr. Karczewski |
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Harsdorf-Gebhardt |
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Dr. Brockmöller |
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Dr. Bußmann |
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Dr. Bommel |
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Hinweis: Das Revisionsverfahren ist durch Rücknahme der Revision erledigt worden.
Fundstellen
Dokument-Index HI16243494 |