Entscheidungsstichwort (Thema)
Vollstreckbarerklärung. Österreichischer Notariatsakt. Zahlungsverpflichtung. Sofortige Zwangsvollstreckung. Zustellung. Klauselerteilung. Beglaubigte Abschrift. Schuldtitel
Leitsatz (redaktionell)
1. Zur Vollstreckbarerklärung eines österreichischen Notariatsakts.
2. Nach deutschem Recht muss neben dem die Vollstreckbarkeit aussprechenden Beschluss dem Schuldner auch eine beglaubigte Abschrift von Amts wegen zugestellt werden. Sofern dies ein deutsches Gericht veranlasst und der Schuldner noch ausreichend Zeit hatte, um der im Notariatsakt titulierten Forderung freiwillig nachzukommen, sind die Vollstreckungsvoraussetzungen gegeben.
Normenkette
AVAG § 15; EuGVÜ Art. 47; ZPO § 750
Verfahrensgang
OLG Stuttgart (Entscheidung vom 06.02.2003) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 6. Februar 2003 wird auf Kosten des Antragsgegners als unzulässig verworfen.
Beschwerdewert: 260.000 EUR.
Tatbestand
I.
Die Parteien streiten um die Vollstreckbarerklärung eines österreichischen Notariatsakts. Am 28. Juni 2000 verpflichtete sich der Antragsgegner vor dem österreichischen Notar Dr. Sch. in W., fünf Millionen österreichische Schilling an den Antragsteller und dessen Bruder zu bezahlen. Der Antragsgegner unterwarf sich im Notariatsakt wegen dieser Zahlungsverpflichtung der sofortigen Zwangsvollstreckung.
Der Antragsteller hat am 7. Juni 2001 für sich und in Vertretung für seinen Bruder beantragt, den Notariatsakt für in Deutschland vollstreckbar zu erklären. Der Notariatsakt ist zuvor nicht zugestellt worden. Das Landgericht hat dem Antrag stattgegeben und die Klauselerteilung angeordnet. Dieser Beschluß ist dem Antragsgegner nebst beglaubigter Abschrift einer Ausfertigung des Schuldtitels am 7. August 2002 in Stuttgart zugestellt worden. Die Beschwerde des Antragsgegners hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt er sein Begehren weiter.
Entscheidungsgründe
II.
Die gemäß § 15 Abs. 1 AVAG statthafte Rechtsbeschwerde ist unzulässig, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordert (§ 574 Abs. 2 ZPO).
1. Die Frage, ob und unter welchen Umständen bei einer Notariatsurkunde auf eine nach Art. 50 Abs. 3, Art. 47 Nr. 1 EuGVÜ erforderliche vorherige Zustellung des Titels verzichtet werden kann, stellt sich im Streitfall nicht. Die erforderliche Zustellung ist hier am 7. August 2002 gemeinsam mit dem die Vollstreckbarkeit anordnenden erstinstanzlichen Beschluß durch das Landgericht erfolgt.
a) Der nach Art. 47 Nr. 1 EuGVÜ erforderliche Nachweis, daß die Entscheidung zugestellt worden ist, kann auch während des Klauselerteilungsverfahrens erbracht werden (EuGH, Urt. v. 14. März 1996 C-275/94, Slg. 1996, I-1393 Rn. 19). Eine Beschwerde des Schuldners gegen die Klauselerteilung bleibt demnach erfolglos, wenn der Titel dem Schuldner gemeinsam mit dem die Vollstreckbarkeit anordnenden Beschluß zugestellt wird (in diesem Sinne bereits BGH, Beschl. v. 18. September 1997 IX ZB 79/96, IPrax 1998, 205). Die Vorschrift des Art. 47 Nr. 1 EuGVÜ soll lediglich sicherstellen, daß dem Schuldner Gelegenheit zur freiwilligen Zahlung gegeben wird (EuGH, Urt. v. 14. März 1996, aaO Rn. 15 f). Dies ist auch bei einer Zustellung während des Klauselerteilungsverfahrens gewährleistet. Ist das Verfahren auf die Beschwerde des Schuldners zum Oberlandesgericht gelangt, stellt sich die Zustellungsfrage nicht mehr; denn gemäß § 10 Abs. 1 AVAG n.F. (§ 9 Abs. 1 AVAG a.F.) muß nach deutschem Recht neben dem die Vollstreckbarkeit aussprechenden Beschluß dem Schuldner auch eine beglaubigte Abschrift von Amts wegen zugestellt werden (vgl. Schlosser, EuGVÜ Art. 47 Rn. 6). Dies gilt zumindest dann, wenn der Schuldner über eine angemessene Frist verfügt, um dem Urteil freiwillig nachzukommen, sofern die Partei, die die Vollstreckung beantragt, die Kosten eines etwa unnötigen Verfahrens trägt (EuGH, Urt. v. 14. März 1996, aaO Rn. 19).
Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt. Die Geschäftsstelle des Landgerichts hat verfügt, daß die Klausel mit der Ausfertigung des Schuldtitels zu verbinden und dem Schuldner eine beglaubigte Abschrift der mit der Ausfertigung des Schuldtitels verbundenen Klausel zuzustellen ist. Nachdem der Bundesgerichtshof die Parteien auf diesen Umstand hingewiesen hat, hat der Antragsgegner bestätigt, ihm sei der Titel gemeinsam mit dem landgerichtlichen Beschluß zugestellt worden. Die Zustellung ist durch die bei den Akten befindliche Zustellungsurkunde nachgewiesen. Schließlich hat das Beschwerdegericht unangegriffen festgestellt, daß die Zustellung des erstinstanzlichen Beschlusses wirksam ist, weil der Rechtsbeschwerdeführer zum maßgeblichen Zeitpunkt einen Wohnsitz in Stuttgart an der Zustelladresse hatte. Der Schuldner hat auch ausreichend Zeit gehabt, um der im Notariatsakt titulierten Forderung freiwillig nachzukommen; zwischen der Zustellung des Titels und der Entscheidung über die Beschwerde gegen die Klauselerteilung liegen fast sechs Monate. Da der Schuldner diese Frist nicht genutzt hat, kommt es auf die weitere Frage, ob dem Antragsteller die Kosten eines unnötigen Verfahrens aufgebürdet werden könnten, nicht an.
b) Eine während des Klauselerteilungsverfahrens im Hinblick auf Art. 47 Nr. 1 EuGVÜ durchgeführte Zustellung kann sowohl nach dem Recht des Urteilsstaates als auch nach dem Recht des Staates erfolgen, in dem die Vollstreckbarkeit des Titels beantragt wird (Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht 2. Aufl. Art. 53 Rn. 13; Schlosser, EuGVÜ Art. 47 Rn. 4). Auch der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften sieht es als ausreichend an, daß die Zustellung nur nach dem Recht des Anerkennungsstaates durchgeführt worden ist, sofern das nationale Recht einen entsprechenden nachträglichen Zustellungsnachweis zuläßt (vgl. EuGH, Urt. v. 14. März 1996, aaO Rn. 6, 16 ff). Im deutschen Recht ist dies der Fall (vgl. § 750 Abs. 1 ZPO), zumal es eine Heilung von Zustellungsmängeln erlaubt (§ 189 ZPO n.F.; § 187 ZPO a.F.).
2. Auch zur Frage, ob der österreichische Notariatsakt eine vollstreckbare Urkunde im Sinne von Art. 50 EuGVÜ darstellt, sind die prozeßrechtlichen Voraussetzungen für eine Entscheidung des BGH (§ 574 Abs. 2 ZPO) nicht gegeben. Welche Voraussetzungen eine Urkunde erfüllen muß, damit sie als vollstreckbar anzusehen ist, richtet sich nach dem Recht des Errichtungsstaates (allgemeine Meinung; vgl. Kropholler, Europäisches Zivilprozeßrecht, 6. Aufl. Art. 50 Rn. 3, 5). Das Beschwerdegericht hat festgestellt, daß ein Notariatsakt nach österreichischem Recht bereits als solcher vollstreckbar ist. Die Exekutionsbewilligung gehöre zum österreichischen Zwangsvollstreckungsverfahren. Diese Würdigung des österreichischen Rechts ist für das Rechtsbeschwerdegericht bindend (§§ 576, 560, 293 ZPO). Die Rechtsbeschwerde erhebt im Hinblick auf die Feststellung des österreichischen Rechts keine Rügen.
3. Der Beschwerdewert ergibt sich unter Berücksichtigung der am 22. November 2000 geleisteten Teilzahlung (vgl. Schneider, Streitwertkommentar 11. Aufl. Rn. 4313).
Fundstellen
Haufe-Index 2835580 |
NJW-RR 2005, 295 |
InVo 2005, 203 |
ELF 2005, 77 |
EuLF 2005, 78 |