Entscheidungsstichwort (Thema)
Bemessung der Beschwer bei Verurteilung zur Auskunftserteilung
Leitsatz (amtlich)
a) Für die Bemessung der Beschwer eines Rechtsmittels gegen die Verurteilung zur Erteilung einer Auskunft ist auf den Aufwand an Zeit und Kosten abzustellen, den die Erfüllung des titulierten Anspruchs erfordert, sowie auf etwaige Geheimhaltungsinteressen des Verurteilten, nicht aber auf den Wert des Auskunftsanspruchs.
b) Als Stundensatz für den eigenen Zeitaufwand kann der Verurteilte nur den eigenen Aufwand und daher nicht den Stundensatz geltend machen, den er Dritten für seine berufliche Tätigkeit in Rechnung stellt.
c) Ein zu berücksichtigendes Geheimhaltungsinteresse scheidet aus, wenn der Verurteilte Auskünfte der Art, zu deren Erteilung er verurteilt ist, zu Werbezwecken in seinem Internetauftritt nutzt.
Normenkette
EGZPO § 26 Nr. 8
Verfahrensgang
Tenor
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten gegen das Urteil des 23. Zivilsenats des OLG München vom 22.1.2009 wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen.
Streitwert: 5.000 EUR
Gründe
Rz. 1
I. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten ist als unzulässig zu verwerfen, da der Wert der Beschwer nicht, wie nach § 26 Nr. 8 EGZPO erforderlich, 20.000 EUR übersteigt.
Rz. 2
1. Im Falle der Einlegung eines Rechtsmittels gegen die Verurteilung zur Erteilung einer Auskunft ist für die Bemessung der Beschwer nach der ständigen Rechtsprechung des BGH auf den Aufwand an Zeit und Kosten abzustellen, den die Erfüllung des titulierten Anspruchs erfordert, sowie auf etwaige Geheimhaltungsinteressen des Verurteilten, nicht aber auf den Wert des Auskunftsanspruchs. Gegenstand des Rechtsmittels des zur Auskunft Verurteilten ist das Ziel, keine Auskunft erteilen zu müssen. Hat sein dahingehender Antrag Erfolg, spart er die Kosten, die mit der Auskunftserteilung verbunden sind. Allein diese Kostenersparnis zzgl. des Wertes eines etwaigen Geheimhaltungsinteresses ist Grundlage für die Festsetzung des Werts der Beschwer. Das etwa daneben bestehende Interesse des Verurteilten, die Durchsetzung des Hauptanspruchs zu verhindern, geht über den unmittelbaren Gegenstand der Entscheidung hinaus und hat deshalb außer Betracht zu bleiben (st.Rspr., s. nur BGHZ 128, 85, 87 ff.).
Rz. 3
2. Gemessen an diesen Grundsätzen haben die Beklagten eine den Wert von 20.000 EUR übersteigende Beschwer nicht glaubhaft gemacht.
Rz. 4
a) aa) Hinsichtlich des behaupteten Eigenaufwands der Beklagten ist schon nicht ersichtlich, wieso die Feststellung, dass von g. geschlossene Verträge mit Dritten nicht den Geschäftszweig Telekommunikation, IT, Medien und Unterhaltung betreffen, sowie die weitere Feststellung, ob einer der Beklagten den jeweiligen Vertrag veranlasst oder daran mitgewirkt hat, mehr als fünf Minuten pro Vertrag in Anspruch nehmen soll. In welchem Geschäftszweig die Verträge geschlossen wurden, ist mit einem Blick in den Vertrag zu sehen. Der Umstand, ob einer der Beklagten daran mitgewirkt oder diesen veranlasst hat, lässt sich angesichts des durchaus überschaubaren Rahmens der Vertragsabschlüsse, der sich offensichtlich nach den eigenen Angaben der Beklagten nicht annähernd im Bereich von tausend Abschlüssen bewegt, ebenfalls aus der Erinnerung schnell feststellen.
Rz. 5
Abgesehen davon ist schon nicht glaubhaft gemacht, dass nur die Beklagten selbst und nicht etwa ein Mitarbeiter die Verträge darauf durchsehen kann, in welchem Geschäftszweig der Abschluss erfolgte.
Rz. 6
bb) Verfehlt ist die Ansicht der Beklagten, sie könnten einen Aufwand von 400 EUR pro Stunde geltend machen. Sie verkennen, dass sie im Rahmen der Beschwer nur den eigenen Aufwand geltend machen können. Bei dem von ihnen geltend gemachten Stundensatz, den sie selbst als "im Drittvergleich ermittelt" bezeichnen, handelt es sich jedoch ersichtlich um den Satz, den sie ihren Auftraggebern/Vertragspartnern in Rechnung stellen würden. Dieser Stundensatz enthält damit nicht nur den eigenen Aufwand der Beklagten, sondern umfasst zusätzlich u.a. auch den Kostenaufwand des Unternehmens, der betriebswirtschaftlich in die Höhe des Stundensatzes einkalkuliert ist. Dieser nicht auf die berufliche Tätigkeit entfallende Kostenanteil muss daher zur Ermittlung des eigenen Aufwands von dem Stundensatz i.H.v. 400 EUR abgezogen werden, was hier allenfalls zur Rechtfertigung eines Stundensatzes von 100 EUR führt (s. insoweit bereits Senat, Beschl. v. 11.2.2008 - II ZR 314/06, juris Tz. 5).
Rz. 7
cc) Selbst wenn man zu den von den Beklagten bisher ermittelten 300 Vertragsabschlüssen noch weitere 200 bei den Tochterunternehmen zugunsten der Beklagten hinzunimmt, läge ihr Eigenaufwand damit allenfalls bei ca. 4.000 EUR.
Rz. 8
b) Soweit die Beklagten behaupten, für die Auswertung der Umsatzerlöse und der dahinter stehenden Geschäfte sowie für die Vorlage der entsprechenden Verträge für die Prüfung durch die Beklagten und die Rechtsanwälte fielen weitere insgesamt zwei Mann á drei Tage á zehn Stunden zu einem Stundensatz von 200 EUR an, ist dieser Aufwand ebenfalls nicht glaubhaft gemacht.
Rz. 9
Von den Beklagten ist nicht ansatzweise ausgeführt worden, welche Arbeitsschritte mit welchem Inhalt in der Finanzabteilung und dem Vertragscontrolling durchgeführt werden müssen, um die im Tenor umschriebenen Verträge zu ermitteln. Auch haben sie nicht dargetan, dass für die betriebsintern durchzuführenden Maßnahmen nicht auf personelle und sachliche Ressourcen zurückgegriffen werden kann, die ohnehin vorgehalten werden und deren Bindung anderweitige gewinnbringende Einsatzmöglichkeiten nicht vereitelt (s. zu diesem Aspekt BGH, Beschl. v. 26.10.2006 - III ZR 40/06, juris Tz. 8; v. 8.9.2009 - X ZR 81/08, juris Tz. 12).
Rz. 10
Hinzu kommt, dass auch hinsichtlich des Stundensatzes lediglich auf einen Drittvergleich abgestellt und nicht ansatzweise dargelegt wird, wieso für derartige, keine besonderen Schwierigkeiten verursachenden und keine besonderen Kenntnisse voraussetzenden Ermittlungen ein Mitarbeiter eingesetzt werden muss, der derartig qualifiziert ist, dass er einen Stundensatz von 200 EUR verdient. Dies gilt insb. hinsichtlich der Angaben zu dem Vertragspartner, dem Vertragsgegenstand sowie dem vereinbarten und bezahlten Honorar.
Rz. 11
Angesichts dessen kann an Mitarbeiterkosten allenfalls von einem Betrag von 500 EUR ausgegangen werden.
Rz. 12
c) Die Beklagten haben auch die Erforderlichkeit der Fremdkosten in Form von anwaltlicher Beratung nicht glaubhaft gemacht.
Rz. 13
Zwar gehören zu den berücksichtigungsfähigen Kosten des zur Auskunft Verpflichteten neben dem Eigenaufwand auch die Ausgaben für die Inanspruchnahme fachkundiger Dritter. Dies jedoch nur, soweit der Verpflichtete auf deren Hilfe zur Vorbereitung einer nicht ohne Weiteres zu leistenden Auskunft zurückgreifen darf (BGH, Beschl. v. 15.2.2000 - X ZR 127/99, GRUR 2000, 1111; v. 8.9.2009 - X ZR 81/08, juris Tz. 8). Die Beklagten haben die Erforderlichkeit nicht dargelegt.
Rz. 14
aa) Hinsichtlich der für ihre instanzgerichtlichen Prozessbevollmächtigten behaupteten Beratungskosten i.H.v. 6.250 EUR haben die Beklagten nicht ansatzweise substantiiert dargelegt, welche Leistung hierfür erbracht wird bzw. wurde, so dass jegliche Beurteilungsgrundlage für die Erforderlichkeit dieser Beratungsleistungen fehlt.
Rz. 15
bb) Soweit die Beklagten hinsichtlich einer Anzahl von 50 Verträgen die Erforderlichkeit anderweitiger anwaltlicher Beratung behaupten, ist weder in der Nichtzulassungsbeschwerdebegründung noch in der eidesstattlichen Versicherung nachvollziehbar erläutert, wieso eine solche erforderlich sein soll.
Rz. 16
Mit der Formulierung "mit Blick auf die Qualifikation von Geschäften nach 'Auskunft erteilen' oder 'keine Auskunft erteilen'" müsse anwaltlicher Rat eingeholt werden, wird weder begründet noch ist sonst ersichtlich, wieso hierfür die Unterstützung durch einen Anwalt benötigt wird. Liegt ein Geschäftsabschluss von g. betreffend Unternehmensberatung, Mergers und Aquisitions, Coporate Finance, Due Diligence, Venture Capital, Private Equity und Portofolio-Prüfungen in Geschäftszweigen außerhalb Telekommunikation, IT, Medien und Unterhaltung vor, der auf Veranlassung oder unter Mitwirkung der Beklagten zustande gekommen ist, so können die Beklagten die Frage unschwer selbst beantworten, dass sie die Auskunft erteilen müssen. Umgekehrt ist die Frage ebenso eindeutig zu verneinen, wenn sich ein Vertragsabschluss auf die oben genannten vier Geschäftszweige bezieht.
Rz. 17
Soweit die Beklagten anwaltlichen Beratungsbedarf "mit Blick auf die durch die Auskunftserteilung drohenden Verstöße gegen und Schadensersatzrisiken aus bestehenden Vertraulichkeitsvereinbarungen" geltend machen, fehlt insoweit ersichtlich jede Erforderlichkeit in Bezug auf die von ihnen zu erfüllende Auskunftsverpflichtung. Ebenso wenig wie im Rahmen des bei der Auskunftserteilung zu bewertenden Geheimhaltungsinteresses der Umstand Berücksichtigung findet, dass der Auskunftspflichtige sich bei Offenlegung der zu erteilenden Auskunft gegenüber Dritten haft- oder schadensersatzpflichtig machen könnte (s. hierzu BGH, Urt. v. 4.7.1997 - V ZR 208/96, NJW 1997, 3246; v. 25.1.2006 - VIII ZB 33/05, juris Tz. 5; v. 16.10.2008 - IX ZB 138/07, juris Tz. 3), ist insoweit im Zusammenhang mit der Verpflichtung zur Auskunftserteilung anwaltlicher Rat erforderlich. Die Verpflichtung zur Auskunftserteilung besteht unabhängig von derartigen Folgen im Verhältnis zu Dritten.
Rz. 18
d) Das Beschwerdevorbringen der Beklagten sowie die damit verbundene eidesstattliche Versicherung reichen ebenfalls nicht aus zur Substantiierung eines besonderen, bewertbaren Geheimhaltungsinteresses, das - einen Kostenaufwand von 4.500 EUR für die Erteilung der Auskünfte unterstellt - mit einem 15.500 EUR übersteigenden Betrag hätte bewertet werden müssen, um die Mindestbeschwer des § 26 Nr. 8 EGZPO zu erreichen.
Rz. 19
Ein Geheimhaltungsinteresse kann nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung nur dann erheblich und damit bewertbar sein, wenn die verurteilte Partei substantiiert darlegt und glaubhaft macht, dass ihr durch die Erteilung der Auskunft ein konkreter Nachteil droht (BGHZ 164, 63, 66; BGH, Beschl. v. 16.10.2008 - IX ZB 138/07, juris Tz. 3 m.w.N.). Die Beklagten haben einen derartigen konkreten Nachteil nicht glaubhaft gemacht.
Rz. 20
Die bloße Behauptung einer Wettbewerbssituation zwischen dem Kläger und g. reicht hierfür schon deshalb nicht aus, weil g. durch die namentliche Benennung ihrer Vertragspartner in ihrem Internetauftritt selbst zum Ausdruck bringen, dass ihnen an der Geheimhaltung der Namen ihrer Vertragspartner - auch im Verhältnis zu den Wettbewerbern - nichts liegt. Hinzu kommt, dass die Auskunftsverpflichtung sich auf abgeschlossene Vertragsverhältnisse aus der Vergangenheit bezieht und jeglicher Vortrag dazu fehlt und es angesichts des Unternehmensgegenstands von g. auch nicht ersichtlich ist, dass es sich bei den Vertragspartnern um Unternehmen handelt, hinsichtlich derer, etwa wegen ständiger Geschäftsbeziehungen, überhaupt eine Abwerbung in Betracht kommt.
Rz. 21
II. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren orientiert sich an der Streitwertfestsetzung für den Berufungsrechtszug und an der Bewertung des Anteils, mit dem die Beklagten unterlegen sind (s. insoweit BGH, Beschl. v. 26.10.2006 - III ZR 40/06, juris Tz. 10; v. 8.9.2009 - X ZR 81/08, juris Tz. 21).
Fundstellen
Haufe-Index 2331309 |
DStR 2010, 1247 |
DStR 2010, 13 |
NJW 2010, 10 |
EBE/BGH 2010 |
FamRZ 2010, 1071 |
NJW-RR 2010, 786 |
CR 2010, 522 |
GRUR 2010, 7 |
NZG 2010, 621 |
WM 2010, 998 |
ZIP 2010, 1368 |
JZ 2010, 380 |
MDR 2010, 766 |
MMR 2010, 503 |
RVG prof. 2010, 196 |