Verfahrensgang
Tenor
Der Senat beabsichtigt, die Revision gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart - 7. Zivilsenat - vom 28. Mai 2020 gemäß § 552a Satz 1 ZPO auf Kosten der Klägerin zurückzuweisen.
Die Parteien erhalten Gelegenheit, hierzu binnen
eines Monats
Stellung zu nehmen.
Gründe
Rz. 1
I. Die Klägerin begehrt von der Beklagten Rückzahlung von Versicherungsprämien einer im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung abgeschlossenen Lebensversicherung und Herausgabe von Nutzungen nach erklärtem Widerspruch.
Rz. 2
Im Jahr 2003 schloss der damalige Arbeitgeber der Klägerin für diese auf der Grundlage eines Gruppenversicherungsvertrages eine Direktversicherung in Form einer Lebensversicherung mit der Beklagten ab. Die Klägerin erhielt eine "Bescheinigung für die Versicherte" vom 22. September 2003, in der ihr damaliger Arbeitgeber als Versicherungsnehmer und sie als versicherte Person genannt sind, sowie eine "Versicherungszusage" ihres Arbeitgebers vom 20. Oktober 2003.
Rz. 3
Nachdem das Arbeitsverhältnis im Jahr 2017 beendet worden war, wurde der Versicherungsvertrag gemäß dem Versicherungsschein vom 14. August 2017 von der Klägerin als neuer Versicherungsnehmerin beitragsfrei fortgeführt.
Rz. 4
Mit Schreiben vom 18. September 2018 erklärte die Klägerin den Widerspruch gegen das Zustandekommen des Versicherungsvertrages, den die Beklagte zurückwies.
Rz. 5
Die Klägerin ist der Auffassung, die Widerspruchsfrist gemäß § 5a VVG a.F. sei nicht in Gang gesetzt worden, weil ihr vormaliger Arbeitgeber nicht ordnungsgemäß über ein Widerspruchsrecht belehrt worden sei. Dieses könne sie aus übergegangenem Recht geltend machen.
Rz. 6
Mit der Klage verlangt sie in der Hauptsache Rückzahlung der Versicherungsbeiträge und Herausgabe von Nutzungen, insgesamt 8.661,28 € nebst Zinsen.
Rz. 7
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung zurückgewiesen.
Rz. 8
Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.
Rz. 9
II. Nach Auffassung des Berufungsgerichts, dessen Entscheidung unter anderem in VersR 2020, 1165 veröffentlicht ist, steht der Klägerin ein Anspruch gegen die Beklagte auf Erstattung der geleisteten Prämien sowie auf Herausgabe gezogener Nutzungen gemäß den §§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1, 818 Abs. 1 und 2 BGB nicht zu. Die Klägerin habe dem Zustandekommen des Lebensversicherungsvertrages im Jahr 2018 nicht wirksam widersprechen können. Ein originäres Widerspruchsrecht gemäß § 5a Abs. 1 VVG in der Fassung vom 1. August 2001 habe ihr bei Abschluss des Versicherungsvertrages mit der Beklagten im Jahr 2003 bereits deswegen nicht zugestanden, weil sie nicht Versicherungsnehmerin gewesen sei. Ein Widerspruchsrecht der Klägerin habe auch nicht mit Blick auf die (beitragsfreie) Fortführung der Versicherung nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Juni 2017 bestanden. Zwar sei sie in der Folge selbst Versicherungsnehmerin geworden. Dies beruhe indes nicht auf dem Abschluss eines neuen Versicherungsvertrages. Daher sei sie nicht über ein etwaiges Widerspruchsrecht zu belehren gewesen; ihr habe ein solches infolge des bloßen Übergangs der Eigenschaft des Versicherungsnehmers vom Arbeitgeber auf sie nicht zugestanden.
Rz. 10
Auch habe kein Widerspruchsrecht der Klägerin aus übergegangenem Recht bestanden. Selbst wenn ihrem vormaligen Arbeitgeber bei Abschluss des gegenständlichen Vertrages im Jahr 2003 ein Recht zum Widerspruch gemäß § 5a Abs. 1 VVG zugestanden habe, würde im Verhältnis zwischen dem vormaligen Arbeitgeber als Versicherungsnehmer und der Beklagten § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. greifen. Danach sei das Widerspruchsrecht ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie und damit im Jahr 2004 erloschen. Dies gelte auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. richtlinienkonform einschränkend auszulegen sei. Die Regelung der Dritten Richtlinie Lebensversicherung, aufgrund derer die Bestimmung des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. nicht zur Anwendung kommen könne, weise einen eindeutigen und unmissverständlichen Bezug zur Information des Verbrauchers in der "Verbraucher"-Information und damit zu einem hiermit vornehmlich bezweckten Schutz des Verbrauchers auf. Daher könne die vorgenannte Rechtsprechung nur solche Fälle betreffen, in denen die beschriebene Gefährdungssituation bestehe. Das sei bei Abschluss eines Versicherungsvertrages durch einen Nicht-Verbraucher - wie hier durch den früheren Arbeitgeber der Klägerin - nicht der Fall.
Rz. 11
III. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision im Sinne von § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor, und das Rechtsmittel hat auch keine Aussicht auf Erfolg (§ 552a Satz 1 ZPO).
Rz. 12
1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist die Zulassung der Revision nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO geboten.
Rz. 13
a) Das Berufungsgericht hat die Revision mit der Begründung zugelassen, der Sache komme "mit Blick auf die Frage der Anwendbarkeit von § 5a Abs. 2 S. 4 VVG a.F. in Ansehung der Entscheidung des BGH, Urteil vom 07.05.2014 - IV ZR 76/11 grundsätzliche Bedeutung zu". Diese allgemein gehaltene Fragestellung ist unter Berücksichtigung der Gründe des Berufungsurteils so zu verstehen, dass das Berufungsgericht höchstrichterlich klären lassen will, ob die vom Senat vorgenommene richtlinienkonforme einschränkende Auslegung des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. (Senatsurteil vom 7. Mai 2014 - IV ZR 76/11, BGHZ 201, 101 Rn. 17 ff.) auch dann einschlägig ist, wenn der Versicherungsnehmer - wie hier nach Ansicht des Berufungsgerichts der damalige Arbeitgeber der Klägerin - nicht Verbraucher im Sinne der Richtlinie 92/96/EWG des Rates vom 10. November 1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (Lebensversicherung) sowie zur Änderung der Richtlinien 79/267/EWG und 90/619/EWG (Dritte Richtlinie Lebensversicherung, ABl. L 360 S. 1) ist. Der Streitfall gibt keinen Anlass zu einer grundsätzlichen Klärung dieser Frage.
Rz. 14
b) Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache zu, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (BGH, Beschluss vom 27. März 2003 - V ZR 291/02, BGHZ 154, 288 unter 1 a [juris Rn. 5] m.w.N.). Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage dann, wenn sie zweifelhaft ist, also über Umfang und Bedeutung einer Rechtsvorschrift Unklarheiten bestehen. Derartige Unklarheiten bestehen unter anderem dann, wenn die Rechtsfrage vom Bundesgerichtshof bisher nicht entschieden ist und von einigen Oberlandesgerichten unterschiedlich beantwortet wird oder wenn in der Literatur unterschiedliche Meinungen vertreten werden (BGH, Beschluss vom 13. Oktober 2021 - VII ZR 164/21, juris Rn. 12 m.w.N.). In diesem Sinne klärungsbedürftig ist die oben genannte Rechtsfrage nicht. Es ist weder konkret dargetan noch sonst ersichtlich, dass sie von anderen Oberlandesgerichten unterschiedlich beantwortet wird oder in der Literatur umstritten ist. Zudem ist die Frage - wie im Folgenden aufgezeigt wird - im Streitfall nicht entscheidungserheblich.
Rz. 15
2. Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg. Das Berufungsgericht hat im Ergebnis zutreffend angenommen, dass die Klägerin keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Erstattung der geleisteten Prämien und auf Herausgabe gezogener Nutzungen aus ungerechtfertigter Bereicherung hat.
Rz. 16
a) Es hat zunächst rechtsfehlerfrei ein originäres Widerspruchsrecht der Klägerin bei Abschluss der Direktversicherung verneint, weil sie damals nicht Versicherungsnehmerin, sondern versicherte Person war. Auch ein eigenes Widerspruchsrecht der Klägerin mit Blick auf die beitragsfreie Fortführung des Versicherungsvertrages hat das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler ausgeschlossen (vgl. Senatsbeschluss vom 21. Dezember 2016 - IV ZR 365/13, juris Rn. 15). Dagegen wendet sich die Revision - zu Recht - nicht.
Rz. 17
b) Die geltend gemachten Bereicherungsansprüche kann die Klägerin entgegen der Ansicht der Revision auch nicht aus einem auf sie übergegangenen Widerspruchsrecht ihres vormaligen Arbeitgebers ableiten.
Rz. 18
aa) Für das Revisionsverfahren ist zugunsten der Klägerin zu unterstellen, dass ihr früherer Arbeitgeber nicht über ein Widerspruchsrecht gemäß § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. belehrt wurde. Dabei kann dahinstehen, ob er bereits bei Abschluss des Gruppenversicherungsvertrages oder erst bei Abschluss der Direktversicherung für die Klägerin keine ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung erhielt. Ob ein etwa daraus folgendes Widerspruchsrecht des früheren Arbeitgebers der Klägerin über die Jahresfrist des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. hinaus fortbestand, kann ebenfalls offenbleiben.
Rz. 19
bb) Jedenfalls hat die Klägerin - worauf die Revisionserwiderung zu Recht hinweist - nicht dargetan, dass mit dem Übergang der Versicherungsnehmereigenschaft auf sie im Jahr 2017 auch ein etwaiges Widerspruchsrecht ihres vormaligen Arbeitgebers auf sie überging.
Rz. 20
(1) Dagegen spricht bereits die von der Klägerin vorgelegte Versorgungszusage, in der es unter der Überschrift "Vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses" unter anderem heißt:
"Scheiden Sie vor Eintritt des Versicherungsfalles mit einer unverfallbaren Anwartschaft aus unseren Diensten aus, so erklären wir bereits jetzt sowohl Ihnen als auch der A. Lebensversicherungs-AG, daß Ihre Versorgungsansprüche aus dieser Zusage auf die Leistungen begrenzt sind, die aufgrund unserer und Ihrer Beitragszahlung aus dem Versicherungsvertrag fällig werden. … Die Versicherung wird auf Sie übertragen. Sie kann von Ihnen als Einzelversicherung nach dem hierfür im Zeitpunkt Ihres Ausscheidens vorhandenen Tarif gegen laufende Beitragszahlung … fortgeführt werden, soweit sie nicht bereits ausfinanziert ist.
…
Nach Ihrem Ausscheiden ist eine Abtretung, Beleihung und ein Rückkauf der übertragenen Versicherung durch Sie gemäß § 2 Absatz 2 Sätze 4 und 5 BetrAVG insoweit unzulässig, als die Versicherung auf von uns als Versicherungsnehmer gezahlten Beiträgen beruht."
Rz. 21
Die Revisionserwiderung weist mit Recht darauf hin, dass die Parteien des Arbeitsverhältnisses nach dem eindeutigen Wortlaut dieser Vereinbarung, die der Senat mangels Erforderlichkeit weiterer Feststellungen selbst auslegen kann (vgl. BGH, Urteil vom 18. Dezember 2015 - V ZR 191/14, NJW 2016, 1242 Rn. 26), davon ausgingen, dass der Versicherungsvertrag nach einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses in jedem Fall fortgeführt werden und eine Auflösung der Versicherung sowie insbesondere eine Rückforderung der von dem Arbeitgeber geleisteten Versicherungsbeiträge durch die Klägerin ausgeschlossen sein sollte. Dies schließt eine Übertragung eines möglicherweise fortbestehenden Widerspruchsrechts, nach dessen Ausübung die Klägerin den zu ihren Gunsten abgeschlossenen Versicherungsvertrag mit Wirkung von Anfang an rückgängig machen und die von dem Arbeitgeber geleisteten Versicherungsbeiträge zurückverlangen könnte, aus.
Rz. 22
(2) Die Übertragung eines "ewigen" Lösungsrechts wäre zudem mit dem Versorgungszweck einer im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung abgeschlossenen Lebensversicherung, der durch das gesetzliche Verbot einer Abtretung, Beleihung oder Inanspruchnahme des Rückkaufswerts durch den ausgeschiedenen Arbeitnehmer (§ 2 Abs. 2 Satz 4 und 5 BetrAVG) abgesichert wird, unvereinbar. Durch die Verfügungsbeschränkungen des § 2 BetrAVG soll im Rahmen des rechtlich Möglichen die bestehende Anwartschaft für den Versorgungszweck erhalten bleiben. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen durch § 2 Abs. 2 Satz 5 BetrAVG in Ergänzung von § 2 Abs. 2 Satz 4 BetrAVG gerade dem ausgeschiedenen Arbeitnehmer Verfügungen, die den Versorgungszweck gefährden können, untersagt werden. Der Gesetzgeber wollte verhindern, dass der Arbeitnehmer die Anwartschaft liquidiert und für andere Zwecke verwendet (Senatsurteil vom 8. Juni 2016 - IV ZR 346/15, r+s 2016, 416 Rn. 28; BGH, Beschluss vom 5. Dezember 2013 - IX ZR 165/13, r+s 2014, 189 Rn. 2). Eine derartige Liquidation der Anwartschaft läge auch in der Geltendmachung eines auf Rückzahlung der durch den Arbeitgeber geleisteten Beiträge gerichteten Bereicherungsanspruchs nach einem Widerspruch gemäß § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. Mit der gesetzlichen Konzeption der Direktversicherung zur betrieblichen Altersversorgung wäre es nicht zu vereinbaren, wenn der ausgeschiedene Arbeitnehmer den Widerspruch gegen das Zustandekommen des Vertrages erklären und auf diese Weise nicht nur den Rückkaufswert, sondern die gesamten Beitragszahlungen sowie daraus gezogene Nutzungen für sich vereinnahmen könnte.
Mayen |
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Harsdorf-Gebhardt |
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Dr. Bußmann |
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Dr. Bommel |
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Rust |
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Hinweis: Das Revisionsverfahren ist durch Zurücknahme der Revision erledigt worden.
Fundstellen
Haufe-Index 15124368 |
NJW-RR 2022, 684 |