Wann Rücktritt von Lebensversicherung nach 10 Jahren möglich

Enthalten die Antragsformulare einer Lebensversicherung keine ausreichenden Belehrungen zum Widerspruch und zum Rücktritt, kann ein Versicherungsnehmer auch noch nach zehn Jahren vom Vertrag zurücktreten.

Drei fondsgebundene Rentenversicherungen hatte ein Versicherungsnehmer in den Jahren 2005 und 2006 abgeschlossen. Zehn Jahre später, im Jahr 2016, erklärte er die Anfechtung sowie vorsorglich einen Widerspruch/Rücktritt und forderte von der Versicherung die Rückzahlung der von ihm geleisteten Versicherungsbeiträge, die sich auf etwa 40.000 Euro beliefen. Er begründete dies mit nicht ausreichenden Informationen in den Versicherungsanträgen zu Widerspruch und Rücktritt.

Versicherer will nur deutlich niedrigeren Rückkaufswert zurückzahlen

Die Versicherung weigerte sich, den Widerspruch anzuerkennen. Sie bot dem Versicherungsnehmer lediglich an, ihm den deutlich niedrigeren Rückkaufswert der Verträge zu erstatten, bei dem beispielsweise die Kosten für den Abschluss des Vertrags abgezogen werden. Von den 40.000 Euro an gezahlten Beiträgen wären so nach Berechnung der Versicherung nur 24.000 Euro für den Versicherungsnehmer übriggeblieben, also nur 60 Prozent seiner insgesamt geleisteten Prämienzahlungen.

Der Versicherungsnehmer machte nach der Ablehnung der Versicherung seine Ansprüche gerichtlich geltend und erhielt weitgehend Recht. Die Verträge seien nach dem sogenannten Policenmodell abgeschlossen worden, bei dem der potenzielle Versicherungsnehmer den Antrag auf Abschluss des Versicherungsvertrages stellt, ohne dass ihm die Versicherungsbedingungen oder sonstige Verbraucherinformationen vorliegen.

Die beiden entscheidenden Punkte dafür, dass der Versicherungsnehmer vom Vertrag zurücktreten konnte:

  • Der Versicherungsschein habe keine drucktechnisch hervorgehobene und inhaltlich zutreffende Widerspruchsbelehrung enthalten. Deshalb sei das Widerspruchsrecht angesichts der Europarechtswidrigkeit von § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. auch nicht verfristet.
  • Zudem habe die Vorderseite des Antragsformulars keine ausreichende Rücktrittsbelehrung enthalten.

Der von der Versicherung verwendete Passus: „Mir ist bekannt, dass ich innerhalb einer Frist von 30 Tagen nach Zustellung der Versicherungspolice zurücktreten kann. Die Frist beginnt erst zu laufen, wenn ich den Versicherungsschein erhalten habe“, sei keine Belehrung, sondern setze eine Kenntnis bereits voraus.

Widerspruchsfrist hat nicht zu laufen begonnen

Die Widerspruchsfrist hat damit für den Versicherungsnehmer nicht zu laufen begonnen. Das Widerspruchsrecht bestand deshalb auch nach Ablauf der Jahresfrist des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. fort.

Die beklagte Versicherung kann sich nicht nach den Grundsätzen von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB auf die Verwirkung eines solchen Widerspruchsrechts durch den Kläger berufen.

Versicherung darf bei Rückzahlung Kosten für Versicherungsschutz abziehen

Einen Anspruch auf eine hundertprozentige Rückzahlung der geleisteten Beiträge hat der Versicherungsnehmer dennoch nicht. Die Versicherung kann die Aufwendungen für den in den zehn Jahren geleisteten Versicherungsschutz geltend machen und die Rückzahlung um diesen Betrag kürzen. Dagegen darf sie die entstandenen Verwaltungskosten und die gezahlten Provisionen nicht abziehen.

(OLG Rostock, Urteil v. 8.3.2022, 4 U 51/21)


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Schlagworte zum Thema:  Versicherung, Rücktritt, Widerruf