Leitsatz (amtlich)
Zur rechtlichen Einordnung eines Vertrags über die Verschaffung des Zugangs zum Internet (Access-Provider-Vertrag).
Normenkette
BGB § 611
Verfahrensgang
OLG Nürnberg (Urteil vom 13.07.2004; Aktenzeichen 9 U 1711/02) |
LG Nürnberg-Fürth |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 9. Zivilsenats und Senats für Familiensachen des OLG Nürnberg v. 13.7.2004 - 9 U 1711/02, wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).
Streitwert: 467.566,41 EUR.
Gründe
I.
Die Beklagte stellte Kunden der V.-Banken einen Zugang zum Internet bereit. Zur dafür erforderlichen Herstellung der Verbindung in das Telekommunikationsnetz bediente sie sich auf Grund eines Vertrages v. 8.4.1999 der Klägerin, die ihrerseits zu diesem Zweck eine Einwahlplattform der I. GmbH nutzte. Diese wiederum stand mit der D. T. AG in einem Vertragsverhältnis, die letztlich die Verbindung zum Telekommunikationsnetz für die Öffentlichkeit herstellte. Die Klägerin betrieb gleichfalls einen Zugang zum Internet, den sie eigenen Endkunden anbot. Die den Kunden der Beklagten und ihrer Mitgliedsbanken für die Einwahl in das Internet bereit gestellte Nr. 01910-... nutzten auch diese Kunden der Klägerin.
Das Vertragsverhältnis der Parteien endete mit Ablauf des 31.12.1999. Die Beklagte verwendet seither eine andere Einwahlplattform, um ihren Kunden den Internetzugang zu ermöglichen. Gleichwohl war für diese Nutzer der Zugang unter Nr. 01910-... zunächst nicht gesperrt. Die Klägerin veranlasste die Löschung der Zugangsberechtigung dieser Nutzer in einem aufwändigen Verfahren, das erst im April 2000 abgeschlossen war. Sie verlangt von der Beklagten Ersatz der dafür erbrachten Aufwendungen und der Telekommunikationskosten, die durch den über den 31.12.1999 fortdauernden Gebrauch der Nr. 01910-... durch die Beklagtenkunden verursacht wurden.
Die Klage blieb in den Vorinstanzen ohne Erfolg. Die Klägerin hat Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Berufungsurteil erhoben.
II.
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist zurückzuweisen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und eine Entscheidung des Revisionsgerichts auch zur Rechtsfortbildung oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht erforderlich ist (§ 543 Abs. 2 ZPO).
1. Die Beschwerde meint, es stelle sich die grundsätzliche Frage nach der Rechtsnatur eines Vertrages über die Verschaffung des Zugangs zum Internet (Access-Provider-Vertrag). Sie ist der Ansicht, ein solcher Vertrag richte sich nach den mietrechtlichen Vorschriften. Hieraus zieht sie den Schluss, es obliege dem Kunden des Providers im Rahmen der Rückgabepflicht (§ 546 Abs. 1 BGB), die erforderlichen Maßnahmen dazu zu treffen, dass Dritte, denen der Kunde den Zugang eröffnet habe, nicht mehr auf die Anlagen des Providers zugreifen könnten.
2. Dem ist nicht zu folgen.
a) Der Senat neigt der in der Literatur wohl überwiegend vertretenen Auffassung zu, die den Access-Provider-Vertrag schwerpunktmäßig als Dienstvertrag einordnet (Spindler, CR 2004, 203 [207 f.]: mit Tendenz zur Verselbständigung des Vertragstyps; Spindler in Vertragsrecht der Internetprovider, 2. Aufl., 2004, Teil IV Rz. 93; Ernst, Vertragsgestaltung im Internet, 2003, Rz. 547; Redeker, ITRB 2003, 82 [83]; Petri/Göckel, CR 2002, 329 [331 f.]; Härting, CR 2001, 37 [38]; Wischmann, MMR 2000, 461 [465], mit werkvertraglicher Komponente; anders: überwiegend werkvertraglicher Natur: z.B. Roth in Loewenheim/Koch, Praxis des Online-Rechts, 2001, S. 66; Heun in Bartsch/Lutterbeck, Neues Recht für neue Medien, 1998, S. 253; Mietvertrag: z.B.: Börner, Der Internet-Rechtsberater, 2. Aufl., 2002, S. 53 f.; Cichon, Internetverträge, 2000, S. 19 ff.; Vertrag eigener Art mit dienst-, werk- und mietvertraglichen Komponenten: Schuppert in Spindler, Vertragsrecht der Internet-Provider, 2. Aufl., 2004, Teil II Rz. 5, 15 ff.; Kloos/Wagner, CR 2002, 865 [868 ff.]; Koch, Internet-Recht, 1998, S. 36).
aa) Gegen die Qualifizierung als Mietvertrag spricht, dass dem Kunden mit der Nutzung des Rechners des Providers nicht gedient ist. Der Schwerpunkt der Leistung liegt vielmehr bei dem Transport von Daten in das und aus dem Internet. Dass der Kunde hierfür den Rechner des Anbieters benötigt, ist ihm gleichgültig, so dass nicht die Nutzung einer Sache im Vordergrund steht (Spindler, CR 2004, 203 [207 f.]; Spindler in Vertragsrecht der Internetprovider, 2. Aufl., 2004, Teil II, Rz. 92; Petri/Göckel, CR 2002, 329 [331]; Härting, CR 2001, 37 [38]; Wischmann, MMR 2000, 461 [463]). Dies unterscheidet den Zugangsverschaffungsvertrag auch von dem Sachverhalt, der dem von der Beschwerde angeführten Beschluss des XII. Zivilsenats v. 28.10.1992 (BGH, Beschl. v. 28.10.1992 - XII ZR 92/91, CR 1993, 506 = CR 1993, 305 = NJW-RR 1993, 178) zu Grunde lag. Dort war Gegenstand des Vertrags die Fernnutzung eines Großrechners, die mietrechtlich eingeordnet wurde. Es ging nicht um die Durchleitung von Daten, sondern um die Nutzbarmachung der Rechenkapazitäten des Anbieters.
bb) Die werkvertraglichen Regelungen der §§ 631 ff. BGB werden dem Bild der geschuldeten Leistungen gleichfalls nicht gerecht. Die Leitungskapazitäten des Providers sind begrenzt, und die Übertragungsgeschwindigkeit schwankt je nach Netzauslastung gleichfalls. Der Anbieter kann daher nicht einen bestimmten Erfolg, das jederzeitige Zustandekommen einer Verbindung in das Internet mit einer bestimmten Datenübertragungsgeschwindigkeit, versprechen, und der Kunde kann einen solchen Erfolg nicht erwarten (Spindler, CR 2004, 203 [207 f.]; Spindler, Vertragsrecht der Internet-Provider, 2. Aufl., 2004, Teil II Rz. 89; Ernst, Vertragsgestaltung im Internet, 2003, Rz. 546; Petri/Göckel, CR 2002, 329 [331]; Härting, CR 2001, 37 [38]; Wischmann, MMR 2000, 461 [464 f.]). Der Provider schuldet daher nur die Bereithaltung des Anschlusses und das sachgerechte Bemühen um die Herstellung der Verbindung in das Internet.
cc) Für die Zuordnung des Zugangsverschaffungsvertrags zum Dienstleistungsrecht spricht neben dem vorgenannten Aspekt die Parallele zu den Telefonfestnetz- und Mobilfunkverträgen, die der Senat als Dienstleistungsverträge qualifiziert (BGH, Urt. v. 4.3.2004 - III ZR 96/03, BGHZ 158, 201 [203] = CR 2004, 355 = MDR 2004, 620 m. Anm. Schlegel = BGHReport 2004, 826 m. Anm. Tiedemann; Urt. v. 22.11.2001 - III ZR 5/01, MDR 2002, 264 = BGHReport 2002, 89 m. Anm. Glauben = NJW 2002, 361 [362]; Urt. v. 2.7.1998 - III ZR 287/97, MDR 1998, 1210 = CR 1998, 664 = NJW 1998, 3188 [3191 f.]). Die von dem Provider geschuldeten Leistungen, dem Kunden den Zugang zum Internet zu eröffnen und ihm den Austausch von Daten zu ermöglichen, unterscheiden sich nicht wesentlich von denjenigen, die der Anbieter von Telefonnetzen für die Öffentlichkeit zu erbringen hat. Auch dieser schuldet die Herstellung von Verbindungen zwischen dem Kunden und Dritten sowie den Transport von Informationen.
b) Für die Entscheidung des hier zu beurteilenden Falls kommt es darauf jedoch nicht an. Die Zuordnung des Vertrages über die Verschaffung des Internetzugangs zu einem bestimmten Vertragstyp des Bürgerlichen Gesetzbuchs gibt die Beantwortung der Frage, ob dem Anbieter oder dem Abnehmer nach Beendigung des Rechtsverhältnisses die Sperre des Zugangs für Kunden des Abnehmers obliegt, ohnehin nicht vor. Dessen ungeachtet war es jedenfalls auf Grund der Besonderheiten des vorliegenden Sachverhalts Angelegenheit der Klägerin, eine solche Zugangssperre für die Kunden der Beklagten und ihrer Mitgliedsbanken einzurichten.
Es beruhte auf den Eigentümlichkeiten des Geschäfts der Klägerin, dass die Rufnummer 01910-... nicht einfach abgeschaltet werden konnte. Über diese Nummer verschaffte die Klägerin nicht nur den Kunden der Beklagten und ihrer Mitgliedsbanken die Einwahl in das Internet, sondern auch ihren eigenen Endnutzern. Damit diese nicht von dem Zugriff auf das Internet ausgeschlossen wurden, war es erforderlich, speziell die Daten der Nutzer der Beklagten zu löschen. Da die Notwendigkeit, den Zugang für deren Kunden auf diese Weise zu sperren, allein den Interessen der Klägerin diente, traf sie bei einer an Treu und Glauben orientierten Auslegung des vorliegenden Access-Provider-Vertrags unabhängig von der allgemeinen rechtlichen Qualifizierung derartiger Verträge die Obliegenheit, die Maßnahmen, die zur Sperrung der Nutzer der Beklagten bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung des Internetzugangs für die eigenen Endkunden notwendig waren, selbst durchzuführen.
Überdies stand nach den Feststellungen des Berufungsgerichts allein die Klägerin in vertraglichen Beziehungen zur I. GmbH, deren Mitwirkung an der Löschung der Beklagtenkunden als Zugangsberechtigte notwendig war. Allein die Klägerin hatte deshalb die notwendigen rechtlichen Befugnisse, auf die Durchführung der dafür erforderlichen Schritte hinzuwirken. Die gegen die Feststellungen des Berufungsgerichts erhobenen Rügen der Beschwerde enthalten keine Gründe, die die Zulassung der Revision rechtfertigen könnten.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gem. § 544 Abs. 4 S. 2 Halbs. 2 ZPO ab.
Fundstellen
Haufe-Index 1349977 |
BB 2005, 1187 |
BGHR 2005, 954 |
EBE/BGH 2005, 162 |
CR 2005, 816 |
EWiR 2005, 627 |
JurBüro 2005, 501 |
ZAP 2005, 816 |
ZIP 2005, 951 |
VuR 2005, 318 |
ZUM 2005, 558 |
GuT 2005, 175 |
K&R 2005, 326 |
MMR 2005, 373 |