Entscheidungsstichwort (Thema)

Verjährung des Kostenerstattungsanspruchs. Rechtskräftigwerden der Kostengrundentscheidung

 

Leitsatz (amtlich)

Die Verjährungsfrist des prozessualen Kostenerstattungsanspruchs aufgrund einer rechtskräftigen Kostengrundentscheidung beträgt 30 Jahre (§ 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB).

 

Normenkette

BGB § 197 Abs. 1 Nr. 3

 

Verfahrensgang

OLG Stuttgart (Beschluss vom 15.11.2005; Aktenzeichen 8 W 513/05, 8 W 514/05)

LG Ravensburg (Beschluss vom 23.09.2005; Aktenzeichen 4 O 1368/98)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 8. Zivilsenats des OLG Stuttgart vom 15.11.2005 wird hinsichtlich beider Kostenfestsetzungsbeschlüsse des LG Ravensburg vom 23.9.2005 auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 11.574,32 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I.

Durch seit dem 18.5.2000 rechtskräftiges Urteil vom 17.8.1999 verurteilte das OLG den Kläger zur Tragung der in diesem Rechtsstreit entstandenen erst- und zweitinstanzlichen Kosten. Deren Festsetzung hat der Beklagte am 22.8.2005 für die erste und am 12.9.2005 für die zweite Instanz beantragt. Gegen beide Anträge erhebt der Kläger die Einrede der Verjährung. Der Beklagte hält seinen Anspruch nicht für verjährt und meint, der Einwand der Verjährung könne nicht im Kostenfestsetzungsverfahren, sondern nur mit einer Vollstreckungsgegenklage geltend gemacht werden.

Das LG hat die dem Beklagten zu erstattenden Kosten in gesonderten Beschlüssen für die erste Instanz auf 5.035,41 EUR und für die zweite Instanz auf 6.538,91 EUR festgesetzt. Die dagegen erhobenen sofortigen Beschwerden des Klägers hat das OLG zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die von dem OLG zugelassene Rechtsbeschwerde, mit welcher der Kläger eine Zurückweisung beider Kostenfestsetzungsanträge erreichen möchte. Der Beklagte beantragt die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde.

II.

Die zulässige Rechtsbeschwerde bleibt ohne Erfolg.

1. Die Einrede der Verjährung ist allerdings ein materiell-rechtlicher Einwand gegen den mit dem Kostenfestsetzungsantrag geltend gemachten prozessualen Kostenerstattungsanspruch. Materiell-rechtliche Einwände gegen den Kostenerstattungsanspruch sind im Kostenfestsetzungsverfahren grundsätzlich nicht zu berücksichtigen (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 64. Aufl., § 104 Rz. 11, 13 - Verjährung; Belz in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 104 Rz. 25; Wieczorek/Schütze/Steiner, ZPO, 3. Aufl., § 104 Rz. 12; Zöller/Herget, ZPO, 25. Aufl., § 104 Rz. 21 - Materiell-rechtliche Einwendungen). Das Kostenfestsetzungsverfahren ist auf eine formale Prüfung der Kostentatbestände und auf die Klärung einfacher Rechtsfragen des Kostenrechts zugeschnitten und deshalb auch dem Rechtspfleger übertragen. Die Klärung von zwischen den Parteien streitigen Tatsachen und von komplizierten Rechtsfragen ist in diesem Verfahren nicht vorgesehen und mangels der dafür notwendigen verfahrensrechtlichen Instrumente auch nicht sinnvoll möglich. Solche Einwände sind mit der Vollstreckungsgegenklage geltend zu machen (RGZ 75, 199 [201]; Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl., § 104 Rz. 14). Eine solche Klage erfordert allerdings einen ggü. dem Kostenfestsetzungsverfahren ungleich größeren Aufwand. Den Kostenerstattungsschuldner auf diesen Weg zu verweisen, ist deshalb auch unter dem Gesichtspunkt einer (prozessualen) Gleichbehandlung bei solchen materiell-rechtlichen Einwänden nicht erforderlich, die keine Tatsachenaufklärung erfordern und sich mit den im Kostenfestsetzungsverfahren zur Verfügung stehenden Mitteln ohne Weiteres klären lassen. Solche Einwände können deshalb ausnahmsweise auch im Kostenfestsetzungsverfahren erhoben und beschieden werden (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 64. Aufl., § 104 Rz. 12; Belz in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 104 Rz. 26; Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl., § 104 Rz. 15; Wieczorek/Schütze/Steiner, ZPO, 3. Aufl., § 104 Rz. 12; Zöller/Herget, ZPO, 25. Aufl., § 104 Rz. 21 - Materiell-rechtliche Einwendungen). Dazu kann auch die Frage der Verjährung gehören (OLG Karlsruhe v. 2.1.1996 - 4 W 109/95, MDR 1996, 750; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 64. Aufl., § 104 Rz. 13 - Verjährung). So liegt es hier. Die der von dem Kläger erhobenen Einrede der Verjährung zugrunde liegenden Tatsachen sind unstreitig. Es geht allein um die Frage, ob der Kostenerstattungsanspruch i.S.v. § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB, der hier gem. Art. 229 § 6 Abs. 1 EGBGB Anwendung findet, rechtskräftig festgestellt ist. Diese Frage kann auch im Kostenfestsetzungsverfahren geklärt werden.

2. Sie ist mit dem Beschwerdegericht zu bejahen.

a) Nach nahezu unbestrittener Ansicht verjährt der prozessuale Kostenerstattungsanspruch nach Rechtskräftigwerden der Kostengrundentscheidung in 30 Jahren (a.M., soweit ersichtlich, nur OVG NW NJW 1971, 1767: Verjährung nach § 196 Abs. 1 Nr. 15 BGB a.F., was heute der regelmäßigen Verjährungsfrist nach § 195 BGB entspräche). Unterschiede bestehen lediglich in der - nicht immer (OLG Karlsruhe v. 2.1.1996 - 4 W 109/95, MDR 1996, 750; OLG Dresden JW 1938, 3161; Gerold/Schmidt/Madert/Müller-Rabe, RVG, 16. Aufl., § 8 Rz. 71; Schmidt, Anm. zu OVG NW NJW 1971, 1767, ibid.) - gegebenen Begründung dieses Ergebnisses. In der Zeit vor dem 1.1.2002 wurde teilweise auf die regelmäßige Verjährungsfrist nach § 195 BGB a.F. verwiesen (OLG Frankfurt v. 15.1.1988 - 6 W 363/87, AnwBl. 1989, 106; MDR 1977, 665; OLG Koblenz v. 9.1.1986 - 11 WF 1436/85, Rpfleger 1986, 319; OLG München NJW 1971, 1755; VGH München Rpfleger 2004, 65; unter Hinweis auch auf § 218 BGB auch: OLG Naumburg OLG-NL 2002, 69; Belz in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., Vor § 91 Rz. 8), was heute indessen zur Anwendung der kürzeren Verjährungsfrist gem. § 195 BGB führte (VGH München Rpfleger 2004, 65). Nach der seinerzeit und auch heute herrschenden Ansicht folgt die Verjährungsfrist von 30 Jahren aber als sog. Vollstreckungsverjährung aus § 218 BGB a.F. bzw. jetzt § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB (KG JW 1938, 2488; DR 1940, 338; DR 1943, 154; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 64. Aufl., § 104 Rz. 13 - Verjährung; Erman/Schmidt-Räntsch, BGB, 11. Aufl., § 197 Rz. 12; Hartmann, Kostengesetze, 35. Aufl., § 8 RVG Rz. 24; Hk-ZPO/Gierl, Vor §§ 91-107 Rz. 12; Grothe in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., § 197 Rz. 16; Palandt/Heinrichs, BGB, 65. Aufl., § 197 Rz. 11; Zöller/Herget, ZPO, 25. Aufl., § 104 Rz. 21 - Verjährung; wohl auch: Staudinger/Peters, BGB, 2004, § 197 Rz. 29b; unter Hinweis auf § 195 BGB a.F. OLG Naumburg OLG-NL 2002, 69; Belz in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., Vor § 91 Rz. 8).

b) Dem folgt der Senat, was hier zu einer Verjährungsfrist von 30 Jahren führt.

aa) Für den prozessualen Kostenerstattungsanspruch ist eine besondere Verjährungsfrist nicht bestimmt. Für ihn gilt deshalb zunächst auch die regelmäßige Verjährungsfrist des § 195 BGB. Da der Anspruch aber, aufschiebend bedingt, erst mit der Erhebung der Klage oder der Einleitung anderer Verfahren entsteht (BGH, Urt. v. 8.1.1976 - III ZR 146/73, WM 1976, 460; NJW 1992, 2575; RGZ 145, 13 [15]; Musielak/Wolst, § 91 Rz. 14), ist seine Verjährung zunächst nach § 204 Abs. 1 und 2 BGB bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der rechtskräftigen Entscheidung, der anderweitigen Beendigung oder einem auf seinem Nichtbetreiben durch die Parteien beruhenden Stillstand des Verfahrens gehemmt. Wird das Verfahren, wie hier, mit einer rechtskräftigen Entscheidung abgeschlossen, wird rechtskräftig nicht nur über die Hauptsache entschieden. Vielmehr wird mit der Entscheidung über die Kosten des Verfahrens auch rechtskräftig festgestellt, ob und in welchem Umfang eine Partei verpflichtet ist, der anderen Partei die ihr entstandenen Kosten des Verfahrens zu erstatten. Damit wird der Kostenerstattungsanspruch i.S.v. § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB rechtskräftig festgestellt (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 64. Aufl., § 104 Rz. 13 - Verjährung; Erman/Schmidt-Räntsch, BGB, 11. Aufl., § 197 Rz. 12; Zöller/Herget, ZPO, 25. Aufl., § 104 Rz. 21 - Verjährung). Eine in diesem Sinne rechtskräftige Feststellung liegt nämlich nach allgemeiner Meinung nicht erst vor, wenn der Schuldner zu einer bezifferten Zahlung oder zu einer bestimmten anderen Leistung verurteilt worden ist; es genügt ein Urteil oder eine andere Entscheidung, die seine Leistungspflicht rechtskräftig feststellt (BGH, Urt. v. 3.11.1988 - IX ZR 203/87, MDR 1989, 250 = NJW-RR 1989, 215; RGZ 84, 370 [373 f.]; Bamberger/Roth/Henrich, BGB, § 197 Rz. 14; Erman/Schmidt-Räntsch, BGB, 11. Aufl., § 197 Rz. 10; Grothe in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., § 197 Rz. 14; Soergel/Niedenführ, BGB, 13. Aufl., § 197 Rz. 25; Staudinger/Peters, BGB, 2004, § 197 Rz. 24). Eine solche Feststellung erfolgt durch die Kostengrundentscheidung.

bb) Das kann dazu führen, dass sich die Verjährungsfrist für einen Kostenerstattungsanspruch im Einzelfall beträchtlich verlängert, etwa dann, wenn kurz vor Ablauf der Verjährungsfrist von 30 Jahren ein Kostenfestsetzungsbeschluss beantragt wird, dessen rechtskräftiger Erlass eine neue Verjährungsfrist von 30 Jahren auslöst. Diese Folge ist aber keine Besonderheit bei der Durchsetzung von Kostenerstattungsansprüchen. Sie kann vielmehr bei jedem Anspruch eintreten, der zunächst nicht zum Gegenstand eines Leistungs-, sondern, unter den Voraussetzungen des § 256 ZPO, eines Feststellungsantrags gemacht wird. Der Rechtsbeschwerde ist allerdings einzuräumen, dass die Geltendmachung des prozessualen Kostenerstattungsanspruchs anders als die Geltendmachung etwa komplizierter Schadensersatzforderungen in aller Regel keinen besonderen Aufwand erfordert und innerhalb von drei Jahren nach dem Eintritt der Rechtskraft der Kostengrundentscheidung möglich ist. Entgegen ihrer Ansicht rechtfertigt das aber keine einschränkende Auslegung des § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB. Diese Konsequenz entspricht vielmehr dem Willen des Gesetzgebers. Dies wird in § 212 Abs. 1 Nr. 2 BGB deutlich, wonach nicht nur jeder Vollstreckungsversuch, sondern schon jeder Vollstreckungsantrag einen Neubeginn der langen Verjährungsfrist von 30 Jahren nach § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB auslöst, auch wenn der Vollstreckungsversuch kurz vor deren Ablauf erfolgt. Um sicherzustellen, dass auch für den Anspruch auf Ersatz von Vollstreckungskosten, die nach § 788 ZPO nicht besonders tituliert zu werden brauchen, eine Verjährungsfrist von 30 Jahren gilt, hat der Gesetzgeber dies mit § 197 Abs. 1 Nr. 6 BGB in der Fassung von Art. 7 des Gesetzes zur Anpassung von Verjährungsvorschriften an das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 9.12.2004 (BGBl. I, 3214) ausdrücklich klargestellt (Begründung des Regierungsentwurfs in BT-Drucks. 15/3653, 17). Dieser Wertung widerspräche es, den durch eine Kostengrundentscheidung titulierten prozessualen Kostenerstattungsanspruch einer anderen Verjährungsfrist zu unterwerfen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Fundstellen

NJW 2006, 1962

BGHR 2006, 941

FamRZ 2006, 854

JurBüro 2006, 370

WM 2006, 1698

AnwBl 2006, 146

InVo 2006, 357

MDR 2006, 1316

AGS 2007, 219

GuT 2006, 156

RVGreport 2006, 233

ZGS 2006, 206

ZVI 2006, 203

KammerForum 2006, 194

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