Leitsatz (amtlich)
Werden in der Kopfleiste des Briefbogens einer Anwaltskanzlei blickfangmäßig die Namen der Sozietätsmitglieder zusammen mit den Berufsbezeichnungen Rechtsanwälte, Steuerberater und Patentanwalt herausgestellt, so wird damit zum Ausdruck gebracht, daß es sich um eine Kanzlei handelt, in der zumindest ein Sozietätsmitglied über die Zusatzqualifikation Steuerberater und Patentanwalt verfügt. Weisen demgegenüber nur Kooperationspartner der Kanzlei eine derartige Qualifikation auf, so wird die Gefahr einer Irreführung der angesprochenen Verkehrskreise über die berufliche Qualifikation der Sozietätsmitglieder nicht dadurch ausgeräumt, daß die Berufsbezeichnungen Steuerberater und Patentanwalt am rechten Rand des Briefkopfes durch Namensnennung der Kooperationspartner unter Hinzufügung ihrer beruflichen Stellung erläutert werden.
Normenkette
BRAO § 43 b; BORA § 8 ff.
Verfahrensgang
AGH Hamburg (Beschluss vom 12.10.2001) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers zu 2 gegen den Beschluß des 2. Senats des Anwaltsgerichtshofs in der Freien und Hansestadt Hamburg vom 12. Oktober 2001 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller zu 2 hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen und der Antragsgegnerin die ihr im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.
Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 10.225,84 EUR (20.000 DM) festgesetzt.
Tatbestand
I.
Die Antragsteller sind Mitglieder der überörtlichen Anwaltssozietät I. H. N. Z. mit Kanzleien in Hamburg und Rostock. Die Kanzlei der Antragsteller befindet sich in Hamburg. Die Sozietät arbeitet mit dem Steuerberater B. (Kanzleisitz in Hamburg) und dem Patentanwalt J. (Kanzleisitz in Parchim) zusammen. Auf diese Zusammenarbeit weist die Anwaltskanzlei auf den von ihr verwendeten Briefbögen mit folgendem Briefkopf hin:
I. H. N.Z. |
RECHTSANWÄLTE STEUERBERATER* PATENTANWALT* |
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HAMBURG • ROSTOCK |
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Hamburg |
Rostock |
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B. H. |
U. I. |
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O. N. |
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M. Z. |
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G. |
I.straße |
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Hamburg |
Rostock |
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Telefon |
Telefon |
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Telefax |
Telefax |
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Gerichtsfach |
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eMail: |
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*in Kooperation |
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G. B. |
R. J. |
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Steuerberater |
Patentanwalt |
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M.straße |
B.allee |
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Hamburg |
Parchim |
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Telefon |
Telefon |
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Telefax |
Telefax |
Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller zu 2 mit Schreiben vom 13. Januar 2000 mitgeteilt, daß die Gestaltung des Sozietätsbriefbogens unzulässig sei, weil hierdurch der unzutreffende Eindruck erweckt werde, zu den Mitgliedern der Sozietät gehörten auch Steuerberater und ein Patentanwalt. Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller zu 2 bis zum 4. Februar 2000 Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben mit der Maßgabe, daß dann, wenn der Antragsteller zu 2 binnen dieser Frist erkläre, eine „irreführungsfreie” Gestaltung des Briefkopfes zu wählen, von der Einleitung eines Aufsichtsverfahrens Abstand genommen werde.
Dagegen haben die Antragsteller Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt. Der Anwaltsgerichtshof hat den Antrag zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die zugelassene sofortige Beschwerde des Antragstellers zu 2.
Entscheidungsgründe
II.
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers zu 2 ist nach § 223 Abs. 3 BRAO statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt worden.
Der Antragsteller war auch zur Einleitung des gerichtlichen Verfahrens befugt. Das Schreiben der Antragsgegnerin vom 13. Januar 2000 ging über eine bloße Belehrung (vgl. § 73 Abs. 2 Nr. 1 BRAO) hinaus. Dem Antragsteller zu 2 wurde für den Fall, daß innerhalb der gesetzten Frist nicht eine den Beanstandungen der Antragsgegnerin Rechnung tragende Änderung des Briefkopfes zugesagt wird, die Einleitung eines Aufsichtsverfahrens (Rügeverfahren, Einleitung eines anwaltsgerichtlichen Verfahrens) angekündigt. Damit handelt es sich bei dem angefochtenen Schreiben der Antragsgegnerin um eine hoheitliche Maßnahme, die geeignet war, die Antragsteller in ihren Rechten einzuschränken (vgl. Senatsbeschlüsse vom 18. November 1996 – AnwZ (B) 20/96 – NJW-RR 1997, 759 und vom 17. Dezember 2001 – AnwZ (B) 12/01 – NJW 2002, 608 sowie Feuerich/Braun, BRAO 5. Aufl. § 73 Rn. 19 ff).
III.
Die Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Die Antragsgegnerin hat zu Recht den vom Antragsteller zu 2 und den übrigen Sozietätsmitgliedern verwendeten Briefkopf beanstandet.
In der Kopfzeile des Briefbogens sind die Namen der Rechtsanwälte aufgeführt, die Mitglieder der überörtlichen Sozietät sind. Die in der darunterliegenden Zeile neben der Berufsbezeichnung „Rechtsanwälte” in derselben Drucktype aufgeführten Berufsangaben „Steuerberater” und „Patentanwalt” treffen für keinen der in der Kopfzeile genannten Kanzleimitglieder zu. Die Antragsgegnerin und ihr folgend der Anwaltsgerichtshof halten die von den Antragstellern gewählte Ausgestaltung des Briefkopfes deshalb für unzulässig, weil er beim rechtsuchenden Publikum zu Fehlschlüssen über die wahren Berufe der Anwaltssozien und zu der unzutreffenden Annahme führen könne, mindestens ein Steuerberater und ein Patentanwalt seien Mitglieder der Anwaltssozietät. Dieser Bewertung folgt der Senat.
1. Die Gestaltung und Verwendung des Briefkopfes oder -bogens einer Anwaltskanzlei stellt ein werbendes Verhalten dar, das darauf abzielt, den Verkehr für die Inanspruchnahme von Leistungen dieser Kanzlei zu gewinnen (vgl. BGH, Urteil vom 17. April 1997 – I ZR 219/94 – NJW 1997, 3236, 3237; Senatsbeschluß vom 12. Februar 2001 – AnwZ (B) 11/00 – NJW 2001, 1573, 1574; AGH Nordrhein-Westfalen, BRAK-Mitt. 2001, 92 f). Als solches ist es Bestandteil der Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG). Das ist bei der Anwendung und Auslegung der die anwaltlichen Werbemaßnahmen einschränkenden Bestimmungen der § 43 b, § 59 b Abs. 2 Nr. 3 BRAO i.V.m. §§ 8 ff BORA mit der Maßgabe zu berücksichtigen, daß in jedem Einzelfall nicht die Gestaltung der Anwaltswerbung, sondern deren Einschränkung einer besonderen Rechtfertigung bedarf (vgl. BGHZ 147, 71, 74 f; Senatsbeschluß vom 17. Dezember 2001 aaO S. 609). § 43 b BRAO, wonach der Rechtsanwalt über seine berufliche Tätigkeit in Form und Inhalt sachlich zu unterrichten hat, steht aber einer irreführenden Werbung entgegen (vgl. BVerfG, Beschluß vom 17. April 2000 – 1 BvR 721/99 – NJW 2000, 3195).
2. Eine Gesamtbetrachtung des von der Antragsgegnerin beanstandeten Briefbogens ergibt, daß eine Irreführung des rechtsuchenden Publikums in rechtlich relevanter Weise zu befürchten ist (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 25. April 1996 – I ZR 106/94 – NJW 1996, 2308).
a) In der Kopfleiste des Briefbogens, die quer über die gesamte Seite gezogen ist, werden die Namen der Kanzleimitglieder zusammen mit den Berufsbezeichnungen Rechtsanwälte, Steuerberater und Patentanwalt blickfangmäßig herausgestellt. Da die unter den Namen der Kanzleimitglieder befindlichen Berufsbezeichnungen diesen Personen zugeordnet werden, enthält die Kopfleiste, für sich genommen, die eindeutige Aussage, daß die Anwaltskanzlei durch ihre Sozien neben anwaltlichen Leistungen auch solche Leistungen anbietet und erbringt, die zu dem Tätigkeitsbereich eines Steuerberaters oder Patentanwalts gehören, und zwar an den Kanzleisitzen Hamburg oder Rostock. Dies ist aber unrichtig, weil nur die in einem bloßen Kooperationsverhältnis mit der Kanzlei stehenden Personen mit Kanzleisitz in Hamburg und Parchim die in der Kopfleiste genannten Qualifikationen als Steuerberater und Patentanwalt aufweisen.
Arbeiten Rechtsanwälte mit Angehörigen anderer Berufe wie Steuerberatern und Patentanwälten in Form einer auf Dauer angelegten und durch tatsächliche Ausübung verfestigten Kooperation zusammen, sind sie zwar berechtigt, hierauf unter Angabe der jeweiligen Berufsbezeichnungen auf den Briefbögen aufmerksam zu machen (§§ 10 Abs. 2, 8 Satz 1 BORA). Dies darf jedoch nicht in der Weise geschehen, daß den Mitgliedern der Kanzlei besondere Befähigungen zugewiesen werden, die nur die Kooperationspartner aufweisen.
b) Die Aussage, die in der Kopfleiste des Briefbogens enthalten ist, wird nicht in ausreichender Weise durch die weitere Gestaltung des Bogens richtiggestellt. Zwar sind die unter den Namen der Sozietätsmitglieder angegebenen Berufsbezeichnungen Steuerberater und Patentanwalt mit einem Stern versehen. Dies ist als Hinweis darauf zu verstehen, daß auf dem Briefbogen selbst noch weitere Erläuterungen zu diesen Berufsangaben erteilt werden. Geht ein aufmerksamer und über die verschiedenen Formen der beruflichen Zusammenarbeit von Rechtsanwälten untereinander oder mit Angehörigen anderer Berufe hinreichend informierter Leser diesem Hinweis nach, so wird er allerdings durch den fettgedruckten und unterstrichenen Hinweis „in Kooperation” davon in Kenntnis gesetzt, daß insoweit nur der Steuerberater B. mit Sitz in Hamburg und der Patentanwalt J. mit Sitz in Parchim die entsprechende Qualifikation besitzen. Dies reicht aber nicht aus. Hinter der blickfangmäßig herausgestellten, den gesamten Bogen quer einnehmenden Kopfleiste treten die unter einem durchgehenden Querstrich auf der rechten Hälfte des Bogens wiedergegebenen, in kleiner Schrift gehaltenen Informationen zurück. Aufgrund dessen werden sich vielfach jedenfalls diejenigen potentiellen Mandanten der Kanzlei, denen nicht an der Zusammenarbeit mit einem bestimmten Sozietätsmitglied gelegen ist und denen daher gleichgültig ist, welches der aufgeführten Kanzleimitglieder über welche spezielle Zusatzqualifikation verfügt, mit den Angaben in der Kopfleiste begnügen. Aber auch für die übrigen Rechtsuchenden ist die Gefahr einer Irreführung nicht ausgeräumt. Denn für die nicht juristisch vorgebildeten Verkehrskreise ist der Begriff des Kooperationspartners in seiner inhaltlichen Bedeutung nicht derart ausgeprägt, daß ihnen aufgrund der gegebenen Erklärung hinreichend deutlich vor Augen steht, es mit einer Anwaltskanzlei zu tun zu haben, bei der kein einziges Mitglied die besonders herausgestellte Zusatzqualifikation Steuerberater und Patentanwalt aufweist.
Im übrigen ist zu berücksichtigen, daß es den Antragstellern ohne weiteres möglich und zumutbar ist, durch eine andere Gestaltung des Briefbogens herauszustellen, daß sie sich die besonderen Kenntnisse und Fähigkeiten der Kooperationspartner zunutze machen können; dies kann in einer Weise geschehen, die ihre werblichen Interessen unbeeinträchtigt läßt. Die in der Beanstandung der Antragsgegnerin liegende Einschränkung der Berufsausübungsfreiheit der Antragsteller ist daher so geringfügig, daß insbesondere auch von einer Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht gesprochen werden kann.
IV.
Der Senat konnte über die Beschwerde ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten ausdrücklich auf sie verzichtet haben (§ 42 Abs. 6 Satz 1 i.V.m. § 40 Abs. 2 Satz 2 BRAO).
Unterschriften
Deppert, Schlick, Otten, Frellesen, Salditt, Schott, Kappelhoff
Fundstellen
DB 2003, 1216 |
DStRE 2003, 894 |
NJW 2003, 346 |
NWB 2003, 336 |
BGHR 2003, 206 |
BGHR |
EWiR 2003, 323 |
Nachschlagewerk BGH |
AnwBl 2003, 172 |
MDR 2003, 360 |
BRAK-Mitt. 2003, 31 |
KammerForum 2003, 153 |
LMK 2003, 16 |
Mitt. 2003, 239 |
WPK-Mitt. 2003, 135 |