Entscheidungsstichwort (Thema)
Gestaltung des Kanzleibriefbogens. Kooperation
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine Kooperation – verstanden als eine auf Dauer angelegte und durch tatsächliche Ausübung verfestigte Zusammenarbeit – zwischen Rechtsanwälten und nicht sozietätsfähigen Personen ist grundsätzlich zulässig.
2. Die Kundgabe einer solchen Kooperation auf dem Briefkopf einer Rechtsanwaltskanzlei verstößt nicht gegen § 8 S.1 BORA, sondern ist von dem anwaltlichen Werberecht als Form der Berufsausübungsfreiheit gedeckt. Dies gilt zumindest dann, wenn die Kooperation nicht in einer tatsächlichen Bürogemeinschaft ausgeübt wird.
Normenkette
BORA § 8; BRAO §§ 43b, 59b Abs. 2-3; GG Art. 12
Verfahrensgang
AGH Hagen (Beschluss vom 07.11.2003; Aktenzeichen 2 ZU 10/03) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des 2. Senats des AGH für das Land Nordrhein-Westfalen v. 7.11.2003 wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen und den Antragstellern die ihnen im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.
Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 12.500 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragsteller betreiben in H. eine gemeinsame Anwaltskanzlei. In der rechten Randleiste des von ihnen verwendeten Kanzleibriefbogens werden im oberen Bereich die der Anwaltskanzlei angehörenden Rechtsanwälte namentlich aufgeführt. Darunter, deutlich abgesetzt und unter der Überschrift "Kooperationspartner" befindet sich neben den Namen zweier Steuerberater der Name eines Architekten mit der Angabe der Berufsbezeichnung "Architekt BDA, Dipl. Ing. von der SIHK öffentlich bestellter u. vereidigter Sachverständiger für Schäden an Gebäuden". In der Fußzeile findet sich weiterhin an der linken S. ein Anschriftenfeld, in welchem zunächst die Anschrift der Rechtsanwaltskanzlei, rechts daneben die Anschrift des kooperierenden Steuerberaterbüros und separat darunter die (anders lautende) Anschrift des sachverständigen Architekten aufgeführt sind.
Mit Schreiben v. 22.7.2003 hat der Vorstand der Antragsgegnerin den Antragstellern den "belehrenden Hinweis" erteilt, dass die Angabe des Architekten als Kooperationspartner in der Randleiste des verwendeten Briefbogens berufsrechtlich nicht zulässig sei. Zwar sei eine Kooperation mit einem nicht sozietätsfähigen Berufsträger durchaus möglich. Jedoch werde deren Kundgabe nach außen nicht durch § 8 BORA gedeckt. Unter "Kooperation" im Sinne dieser Bestimmung könne nur eine Zusammenarbeit mit sozietätsfähigen Berufsträgern verstanden werden. Anderenfalls würde die lockerste Form der Zusammenarbeit, nämlich die Kooperation, ggü. anderen Formen der Zusammenarbeit, etwa der Bürogemeinschaft, privilegiert, da § 8 BORA die Kundgabe der beruflichen Zusammenarbeit im Falle der Bürogemeinschaft nur mit sozietätsfähigen Personen erlaube. Zudem werde bei Kundgabe einer Kooperation mit nicht sozietätsfähigen Personen das rechtsuchende Publikum irregeführt, da der nicht sozietätsfähige Kooperationspartner weder der Pflicht zur Verschwiegenheit noch den damit korrespondierenden Aussageverweigerungsrechten und Beschlagnahmeverboten unterfalle. Das Schreiben schließt mit einer Rechtsmittelbelehrung, in der die Antragsteller auf die Möglichkeit eines Antrags auf gerichtliche Entscheidung gem. § 223 BRAO hingewiesen werden.
Die Antragsteller haben gegen den Bescheid Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt. Der AGH hat daraufhin den belehrenden Hinweis der Antragsgegnerin v. 22.7.2003 aufgehoben. Hiergegen richtet sich die - zugelassene - sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin. Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.
II.
Die sofortige Beschwerde ist nach § 223 Abs. 3 BRAO statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt worden; sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
1. Die Antragsteller waren zur Einleitung des gerichtlichen Verfahrens befugt. Das Schreiben der Antragsgegnerin v. 22.7.2003 ging über eine bloße Belehrung (vgl. § 73 Abs. 2 Nr. 1 BRAO) hinaus. Es handelte sich bei dem angefochtenen Schreiben - wie auch die angefügte Rechtsmittelbelehrung deutlich macht - um eine hoheitliche Maßnahme, die geeignet war, die Antragsteller in ihren Rechten einzuschränken und über die der AGH daher sachlich entscheiden durfte (BGH, Beschl. v. 17.12.2001 - AnwZ(B) 12/01, NJW 2002, 608).
2. Der AGH hat zu Recht einen Verstoß gegen § 43b BRAO, § 8 BORA verneint.
a) Gemäß § 8 S. 1 BORA darf auf eine berufliche Zusammenarbeit nur hingewiesen werden, wenn sie in einer Sozietät, in sonstiger Weise (Anstellungsverhältnis, freie Mitarbeit) mit sozietätsfähigen Personen i.S.d. § 59a BRAO oder in einer auf Dauer angelegten und durch tatsächliche Ausübung verfestigten Kooperation erfolgt. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin ist diese Bestimmung nicht so zu deuten, dass danach nur der Hinweis auf eine Kooperation mit sozietätsfähigen Personen zulässig ist.
aa) Zwar mag die grammatische Auslegung des § 8 S. 1 BORA zu keinem eindeutigen Ergebnis führen. Gegen die Annahme, dass § 8 S. 1 BORA nur die Kundgabe von Kooperationen mit sozietätsfähigen Personen gestattet, spricht jedoch zum einen dessen Entstehungsgeschichte (vgl. hierzu im Einzelnen die Darstellung bei Römermann in Hartung/Holl, Anwaltliche Berufsordnung, 2. Aufl., § 8 BerufsO Rz. 7 ff.). Der Diskussionsvorschlag einer Berufsordnung für Rechtsanwälte der Bundesrechtsanwaltskammer (abgedr. in BRAK 1995, 12 ff.) sah neben der Bestimmung des § 14, dem der heutige § 8 BORA inhaltlich weitgehend entspricht, in § 16 Abs. 4 (Briefbögen) vor, dass Hinweise auf eine Zusammenarbeit mit Angehörigen nicht sozietätsfähiger Berufe sowie auf Bürogemeinschaften unzulässig sind. Diese Regelung wurde von der Satzungsversammlung indes mehrheitlich abgelehnt (vgl. hierzu Römermann in Hartung/Holl, Anwaltliche Berufsordnung, 2. Aufl., § 8 BerufsO Rz. 7 ff.). Damit entsprach es gerade nicht dem Willen des Satzungsgebers, Hinweise auf eine Zusammenarbeit mit nicht sozietätsfähigen Personen generell zu untersagen.
bb) Zum anderen widerspricht die von der Antragsgegnerin in ihrem "belehrenden Hinweis" vorgenommene Deutung des § 8 S. 1 BORA einer am Grundrecht der Berufsfreiheit ausgerichteten Auslegung dieser Bestimmung.
Gestaltung und Verwendung des Briefkopfes oder -bogens einer Anwaltskanzlei stellt hier ein werbendes Verhalten dar, das darauf abzielt, den Verkehr für die Inanspruchnahme von Leistungen dieser Kanzlei zu gewinnen (BGH, Urt. v. 17.4.1997 - I ZR 219/94, BRAK 1997, 267 = MDR 1998, 67 = NJW 1997, 3236 [3237]; Beschl. v. 12.2.2001 - AnwZ (B) 11/00, MDR 2001, 657 = BGHReport 2001, 355 = NJW 2001, 1573 [1574]; Beschl. v. 23.9.2002 - AnwZ(B) 67/01, MDR 2003, 360 = BGHReport 2003, 206 = NJW 2003, 346). Als solches ist es Bestandteil der Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG). Das ist bei der Anwendung und Auslegung der die anwaltlichen Werbemaßnahmen einschränkenden Bestimmungen der § 43b, § 59b Abs. 2 Nr. 3 BRAO i.V.m. §§ 8 ff. BORA mit der Maßgabe zu berücksichtigen, dass in jedem Einzelfall nicht die Gestaltung der Anwaltswerbung, sondern deren Einschränkung einer besonderen Rechtfertigung bedarf (BGH v. 1.3.2001 - I ZR 300/98, BGHZ 147, 71 [74 f.] = MDR 2001, 898 = BGHReport 2001, 574 m. Anm. Zuck; Beschl. v. 17.12.2001 - AnwZ(B) 12/01, NJW 2002, 608 [609]).
Hinreichende Gründe des Gemeinwohls (BVerfG v. 29.10.2002 - 1 BvR 525/99, BVerfGE 106, 181 [191 f.] = GesR 2003, 10), die ein Verbot rechtfertigen könnten, auf Kooperationen mit Angehörigen nicht sozietätsfähiger Berufe hinzuweisen, vermag der Senat indes nicht zu erkennen. Es entspricht allgemeiner Auffassung - auch der der Beschwerdeführerin - dass Kooperationen zwischen Rechtsanwälten und nicht sozietätsfähigen Personen grundsätzlich zulässig sind (Feuerich/Weyland, BRAO, 6. Aufl., § 59a Rz. 40; Hartung in Henssler/Prütting, BRAO, 2. Aufl., § 59a Rz. 125; Römermann in Hartung/Holl, Anwaltliche Berufsordnung, 2. Aufl., vor § 59a Rz. 161). Eine Zusammenarbeit mit Angehörigen nicht sozietätsfähiger Berufe, etwa eines im Arzthaftungsrecht tätigen Anwalts mit einem Mediziner oder eines im Baurecht tätigen Rechtsanwalts mit einem Bausachverständigen, erscheint auch sinnvoll und dient den Interessen der Rechtsuchenden an einer sachgerechten und qualifizierten Beratung in entsprechenden Rechtsangelegenheiten. Ist jedoch eine Form der Berufsausübung zulässig, so ist deren Kundgabe auch grundsätzlich durch das anwaltliche Werberecht gedeckt (BGH, Beschl. v. 12.2.2001 - AnwZ(B) 11/00, MDR 2001, 657 = BGHReport 2001, 355 = NJW 2001, 1573 [1574]). Bei verfassungskonformer Auslegung ist daher der Begriff der Kooperation in § 8 S. 1 BORA so zu verstehen, dass er auch eine auf Dauer angelegte und verfestigte Zusammenarbeit mit nicht sozietätsfähigen Personen erfasst (i.E. Feuerich/Weyland, BRAO, 6. Aufl., § 8 BORA Rz. 6, 7; Hartung in Henssler/Streck, Sozietätsrecht, Kap. J Rz. 48; Kleine-Cosack, BRAO, 4. Aufl., § 8 BORA Rz. 5 a.E; Römermann in Hartung/Holl, Anwaltliche Berufsordnung, 2. Aufl., § 8 BORA Rz. 67).
c) Das von der Beschwerdeführerin hiergegen angeführte Argument, eine solche Deutung führe zu einer ungerechtfertigten "Privilegierung" der Kooperation ggü. der Bürogemeinschaft, geht fehl. Eine Bürogemeinschaft, bei der Räume, Personal und sonstige Betriebsmittel gemeinsam genutzt werden, stellt besondere Anforderungen an die Wahrung der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht. Der Gesetzgeber hat daher im Interesse des rechtsuchenden Publikums in § 59a Abs. 4 BRAO die Bürogemeinschaften den Sozietäten gleichgestellt, damit sichergestellt ist, dass die mit einem Rechtsanwalt in einem Büro Tätigen in gleicher Weise wie der Rechtsanwalt selbst der Verschwiegenheit und den damit korrespondierenden Aussageverweigerungsrechten und Beschlagnahmeverboten unterfallen (Feuerich/Weyland, BRAO, 6. Aufl., § 59a Rz. 28). Bei einer Kooperation, die - wie hier - nicht mit einer Bürogemeinschaft verbunden ist, greift dieser Gesichtspunkt nicht. Zwar wird der Rechtsanwalt vor Einschaltung des Kooperationspartners stets mit Blick auf seine Verschwiegenheitspflicht das Einverständnis seines Mandanten einzuholen haben. Insoweit liegt jedoch der Fall nicht anders als bei Beauftragung eines Sachverständigen, mit dem der Rechtsanwalt in keinem Kooperationsverhältnis steht. Es liegen daher - worauf bereits der AGH zutreffend hingewiesen hat - unterschiedlich gelagerte Sachverhalte vor, bei denen sich eine vergleichende Betrachtung im Sinne einer "Privilegierung" oder "Schlechterstellung" verbietet. Im Übrigen steht es auch Mitgliedern einer Bürogemeinschaft i.S.d. § 59a Abs. 4 BRAO frei, außerhalb der Bürogemeinschaft eine Kooperation mit nicht sozietätsfähigen Personen einzugehen und auf diese im Rechtsverkehr hinzuweisen.
d) Schließlich kann auch nicht die von der Antraggegnerin befürchtete Gefahr einer Irreführung des rechtsuchenden Publikums festgestellt werden. Dass ein Architekt nicht in gleicher Weise wie ein Rechtsanwalt der Pflicht zur Verschwiegenheit unterliegt, kann - wie der AGH zutreffend ausgeführt hat - in der Bevölkerung als allgemein bekannt vorausgesetzt werden. Nichts Anderes gilt mit Blick auf die Übrigen als Kooperationspartner in Betracht kommenden nicht sozietätsfähigen Berufsgruppen.
Fundstellen
BB 2005, 2040 |
DStZ 2005, 724 |
NJW 2005, 2692 |
Inf 2005, 682 |
NWB 2006, 240 |
BGHR 2005, 1427 |
BauR 2005, 1683 |
FA 2005, 316 |
IBR 2005, 560 |
AnwBl 2005, 650 |
BRAK-Mitt. 2005, 235 |
BauRB 2005, 336 |
DS 2005, 262 |
KammerForum 2005, 270 |