Entscheidungsstichwort (Thema)
Unzulässigkeit der Teilkostenentscheidung nach Beweissicherungsverfahren. Abweichender Streitgegenstand
Leitsatz (amtlich)
Erhebt der Antragsteller eine Klage, deren Streitgegenstand hinter dem Verfahrensgegenstand des selbstständigen Beweisverfahrens zurückbleibt, ist eine Teilkostenentscheidung nach § 494a Abs. 2 S. 1 ZPO grundsätzlich unzulässig.
Normenkette
ZPO § 494a
Verfahrensgang
OLG Bamberg (Beschluss vom 29.04.2003; Aktenzeichen 6 W 1/03) |
LG Coburg |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin zu 2) gegen den Beschluss des 6. Zivilsenats des OLG Bamberg v. 29.4.2003 wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin zu 2) trägt die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens aus einem Beschwerdewert von 3.971,83 EUR.
Gründe
I.
Die Antragsgegnerin zu 2) (im Folgenden: Antragsgegnerin) begehrt eine Teilkostenentscheidung nach § 494a Abs. 2 ZPO.
Die Antragsteller betrieben wegen Baumängeln ein selbstständiges Beweisverfahren u.a. gegen die Antragsgegnerin, eine Firma für Baustatik. Der Sachverständige bestätigte im Wesentlichen das Vorliegen der Mängel. Die Kosten für die Beseitigung schätzte er auf 287.989,73 DM (= 147.195,68 EUR). Ob die Mängel ganz oder teilweise auch auf eine fehlerhafte Werkleistung der Antragsgegnerin zurückzuführen sind, blieb offen, da der Umfang des ihr erteilten Auftrags im selbstständigen Beweisverfahren nicht geklärt war.
Auf Antrag der Antragsgegnerin hat das LG den Antragstellern gem. § 494a Abs. 1 ZPO eine Frist zur Klageerhebung gesetzt. Die Antragsteller haben Klage auf Zahlung von 10.000 EUR erhoben. Daraufhin hat die Antragsgegnerin beantragt, den Antragstellern gem. § 494a Abs. 2 S. 1 ZPO 93,2 % der ihr im selbstständigen Beweisverfahren entstandenen Kosten aufzuerlegen. Das LG hat den Antrag zurückgewiesen. Die sofortige Beschwerde ist erfolglos geblieben. Dagegen richtet sich die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet.
1. Das Beschwerdegericht führt aus, auch wenn die Antragsteller nur wegen eines Teils des im selbstständigen Beweisverfahren geschätzten Mängelbeseitigungsaufwands Klage erhoben hätten, sei eine Kostenentscheidung nach § 494a Abs. 2 S. 1 ZPO hinsichtlich des von der Klage nicht umfassten Rests nicht zulässig. Dagegen sprächen Wortlaut sowie Sinn und Zweck von § 494a ZPO. Das Kosteninteresse der Antragsgegnerin werde nicht beeinträchtigt. Im Hauptsacheverfahren könne über die nicht von der Klage abgedeckten Teile in entsprechender Anwendung von § 96 ZPO mitentschieden werden. Auf diese Weise würden auch Widersprüche zwischen einer Teilkostenentscheidung nach § 494a Abs. 2 S. 1 ZPO und der im Hauptsacheverfahren zu treffenden Kostenentscheidung vermieden.
2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung stand. Eine Teilkostenentscheidung nach § 494a Abs. 2 S. 1 ZPO kann nicht ergehen.
a) Die Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens gehören zu den Kosten des anschließenden Hauptsacheverfahrens. Sie werden von der darin zu treffenden Kostenentscheidung mitumfasst (BGH, Urt. v. 11.5.1989 - VII ZR 39/88, MDR 1989, 985 = Bau 1989, 601 [603] = ZfBR 1989, 200 [202]).
Ob hinsichtlich der Kosten, die auf den überschießenden Teil des selbstständigen Beweisverfahrens entfallen, eine Teilkostenentscheidung nach § 494a Abs. 2 S. 1 ZPO ergehen kann, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Für eine Teilkostenentscheidung sprechen sich aus Weise (Weise, Selbstständiges Beweisverfahren im Baurecht, 2. Aufl., Rz. 580; Oelmaier/Merl , Hdb. priv. BauR , 2. Aufl., § 17 Rz. 327; Zöller/Herget, ZPO, 24. Aufl., § 494a Rz. 4a; OLG Köln v. 12.4.2000 - 17 W 480/99, NJW-RR 2001, 1650; OLG Koblenz v. 24.1.1997 - 3 W 23/97, OLGReport Koblenz 1997, 52 = NJW-RR 1998, 68; OLG Düsseldorf v. 15.7.1997 - 7 W 40/97, OLGReport Düsseldorf 1997, 279 = NJW-RR 1998, 210). Eine Teilkostenentscheidung im Rahmen des selbstständigen Beweisverfahrens wird abgelehnt von Werner/Pastor (Werner/Pastor, Der Bauprozess, 10. Aufl., Rz. 133; Musielak/Wolst, ZPO, 3. Aufl., § 92 Rz. 1; OLG Schleswig v. 12.4.2001 - 16 W 35/01, MDR 2001, 836 = OLGReport Schleswig 2001, 338; OLG Düsseldorf BauR 2001, 1950; OLG Celle v. 28.9.2000 - 22 W 80/00, OLGReport Celle 2001, 157; OLG Düsseldorf BauR 1998, 367).
b) Erhebt der Antragsteller des selbstständigen Beweisverfahrens auf Anordnung des Gerichts nach § 494a Abs. 1 ZPO eine Klage, deren Streitgegenstand hinter dem Verfahrensgegenstand des selbstständigen Beweisverfahrens zurückbleibt, ist hinsichtlich des überschießenden Teils des selbstständigen Beweisverfahrens für eine Kostenentscheidung nach § 494a Abs. 2 S. 1 ZPO auch unter Berücksichtigung der Interessen des Antragsgegners kein Raum.
aa) Gegen eine Teilkostenentscheidung nach § 494a Abs. 2 S. 1 ZPO sprechen der Grundsatz der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung sowie Sinn und Zweck dieser Vorschrift. Im selbstständigen Beweisverfahren ist grundsätzlich kein Raum für eine Kostenentscheidung; über die Kosten ist im Hauptsacheprozess mitzuentscheiden. § 494a ZPO soll die Lücke schließen, die entsteht, wenn der Antragsteller nach der Beweisaufnahme auf eine Hauptsacheklage verzichtet. Der Antragsteller soll dadurch nicht der Kostenpflicht entgehen, die sich bei Abweisung einer solchen Klage ergeben würde (BGH, Beschl. v. 22.5.2003 - VII ZB 30/02, MDR 2003, 1130 = BGHReport 2003, 1034 = BauR 2003, 1255 [1256] = ZfBR 2003, 566 [567] = NZBau 2003, 500). Als Ausnahmevorschrift ist § 494a ZPO eng auszulegen. Er ist grundsätzlich auf die Fälle zu beschränken, in denen der Antragsteller keine Klage erhoben hat. Ein anderer Wille des Gesetzgebers lässt sich weder dem Wortlaut der Vorschrift noch den Gesetzesmaterialien (vgl. BT-Drucks. 11/8283, 47 [48]) entnehmen.
bb) Die Zulässigkeit einer Teilkostenentscheidung nach § 494a Abs. 2 S. 1 ZPO würde die Gefahr widersprüchlicher gerichtlicher Entscheidungen begründen.
Eine Teilkostenentscheidung würde regelmäßig kurz nach Erhebung der Klage und damit i.d.R. vor der abschließenden Kostenentscheidung im Hauptsacheverfahren ergehen. In welchem Umfang die Klage hinter dem Verfahrensgegenstand des selbstständigen Beweisverfahrens zurückbleibt, steht bis zur letzten mündlichen Verhandlung vor dem Tatrichter nicht endgültig fest. Änderungen gegenüber dem Zeitpunkt der Klageerhebung können sich etwa ergeben durch eine Klageerweiterung oder durch eine gegenüber dem selbstständigen Beweisverfahren andere Bewertung festgestellter Mängel und der Kosten für ihre Beseitigung. Dadurch würde die der Teilkostenentscheidung nach § 494a Abs. 2 S. 1 ZPO zu Grunde gelegte Quote unrichtig. Eine nachträgliche Korrektur durch die Kostenentscheidung des Hauptsacheverfahrens wäre nicht möglich. Entscheidungen nach § 494a Abs. 2 S. 1 ZPO sind der formellen Rechtskraft fähig (Zöller/Herget, ZPO, 24. Aufl., § 494a Rz. 4 a). Damit ist die Möglichkeit einer Abänderung durch das Gericht der Hauptsache nicht vereinbar (Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 21. Aufl., § 494a Rz. 26 Fn. 29; a.A. Ingenstau/Korbion-Joussen, VOB, 15. Aufl., Teil C, Anh. 4 Rz. 93).
cc) Das durch § 494a ZPO geschützte Kosteninteresse des Antragsgegners wird dadurch, dass diesem die Möglichkeit einer Teilkostenentscheidung genommen wird, nicht unzumutbar beeinträchtigt.
Bleibt die Hauptsacheklage hinter dem Verfahrensgegenstand des selbstständigen Beweisverfahrens zurück, können im Hauptsacheverfahren dem Antragsteller in entsprechender Anwendung von § 96 ZPO die dem Antragsgegner durch den überschießenden Teil des selbstständigen Beweisverfahrens entstandenen Kosten auferlegt werden (vgl. BGH, Beschl. v. 18.12.2002 - VIII ZB 97/02, MDR 2003, 596 = BGHReport 2003, 643 = NZBau 2003, 276 [278]). Dass diese Entscheidung regelmäßig deutlich später ergehen wird als eine Teilkostenentscheidung nach § 494a Abs. 2 S. 1 ZPO, muss der Antragsgegner hinnehmen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Fundstellen
NJW 2004, 3121 |
BGHR 2004, 1528 |
BauR 2004, 1485 |
EBE/BGH 2004, 2 |
ZAP 2004, 1090 |
ZAP 2004, 980 |
MDR 2004, 1373 |
ZfBR 2004, 785 |
BrBp 2004, 475 |
NJW-Spezial 2004, 216 |
NZBau 2004, 507 |
RENOpraxis 2004, 168 |
RVG-B 2005, 85 |
RVGreport 2004, 319 |
BauRB 2004, 299 |
JbBauR 2006, 398 |
Mitt. 2004, 573 |