Leitsatz (amtlich)
Zur Beschwerdeberechtigung eines Beteiligten, der sich gegen einen - bezifferten - Feststellungsausspruch über den im Rahmen des Verfahrens über den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich vorbehaltenen schuldrechtlichen Ausgleich eines Versorgungsanrechts wendet.
Normenkette
FGG § 20 Abs. 1
Verfahrensgang
OLG Hamm (Beschluss vom 08.08.2000) |
AG Lippstadt |
Tenor
Auf die weitere Beschwerde des Antragstellers wird der auf die mündliche Verhandlung v. 8.8.2000 ergangene Beschluss des 7. Senats für Familiensachen des OLG Hamm dahin abgeändert, dass AbS. 3 des Beschlussausspruchs folgende Fassung erhält:
"Wegen eines übersteigenden Ausgleichsanspruchs bleibt der Ehefrau der schuldrechtliche Versorgungsausgleich vorbehalten."
Die weitere Beschwerde der Antragsgegnerin wird zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde tragen die Parteien je zur Hälfte. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Beschwerdewert: 511 EUR
Gründe
I.
Der am 9.3.1938 geborene Ehemann (Antragsteller) und die am 20.6.1938 geborene Ehefrau (Antragsgegnerin) haben am 22.8.1969 geheiratet. Auf den am 20.3.1998 zugestellten Scheidungsantrag des Ehemannes hat das Amtsgericht - Familiengericht - durch Verbundurteil die Ehe geschieden (insoweit rechtskräftig) und den Versorgungsausgleich geregelt. Es hat ausgehend von Rentenanwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung des Ehemannes i. H. v. 2.162,08 DM und solchen der Ehefrau i. H. v. 331,38 DM, jeweils monatlich und bezogen auf das Ende der Ehezeit (1.8.1969 bis 28.2.1998, § 1587 Abs. 2 BGB) vom Versicherungskonto des Ehemannes bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA, weitere Beteiligte) Rentenanwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung i. H. v. monatlich 915,35 DM, bezogen auf den 28.2.1998, auf das ebenfalls bei der BfA geführte Versicherungskonto der Ehefrau übertragen. Ein Betriebsrentenanrecht des Ehemannes bei der Gustav J. GmbH hat es hierbei nicht berücksichtigt.
Gegen die Entscheidung zum Versorgungsausgleich hat die Ehefrau Beschwerde eingelegt, mit der sie die Einbeziehung des Betriebsrentenanrechts begehrt hat.
Das OLG ist davon ausgegangen, dass es sich bei der von der Gustav J. GmbH gezahlten Rente um ein dem Versorgungsausgleich unterliegendes Anrecht i. S. d. § 1587a Abs. 2 Nr. 4 BGB handele, das unverfallbar geworden sei und auf Grund der bestehenden Dynamisierungsregelung als volldynamisch angesehen werden müsse. Der nach § 1587a Abs. 2 Nr. 4b BGB zu ermittelnde Ehezeitanteil belaufe sich nach dem Verhältnis der in die Ehezeit fallenden Betriebszugehörigkeit zu der insgesamt zurückgelegten tatsächlichen Betriebszugehörigkeit auf 9.781,25 DM monatlich. Hiervon sei die Hälfte zu Gunsten der Ehefrau auszugleichen. Das OLG hat diesen Ausgleich durch erweitertes Splitting in Höhe des zulässigen Höchstwertes von (im Jahre 1998) 72,80 DM durchgeführt und insgesamt Anwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung i. H. v. monatlich 988,15 DM, bezogen auf den 28.2.1998, auf das Versicherungskonto der Ehefrau übertragen. Ferner hat es im EntscheidungsS. ausgesprochen, dass wegen der restlichen Anwartschaft i. H. v. 4.817,82 DM (9.781,25 DM : 2 = 4.890,62 DM - 78,20 DM) für die Ehefrau der schuldrechtliche Versorgungsausgleich vorbehalten bleibe. Eine Verpflichtung zur Einzahlung von Beiträgen zur Begründung entsprechender Rentenanwartschaften hat es verneint, weil die Ehefrau bereits eine Vollrente wegen Alters aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezog.
Gegen diese Entscheidung haben beide Parteien - zugelassene - weitere Beschwerde eingelegt. Der Ehemann erstrebt den Wegfall des Ausspruchs, dass der schuldrechtliche Versorgungsausgleich in der vorgenannten Höhe vorbehalten werde. Die Ehefrau möchte die Abänderung des Ausspruchs dahin erreichen, dass sich der schuldrechtliche Versorgungsausgleich auf einen Betrag von monatlich 5.625 DM bezieht.
II.
A) Der angefochtene Beschluss ermöglicht eine Sachentscheidung des Senats. Zwar ist er - obwohl auf Grund mündlicher Verhandlung ergangen - entgegen §§ 621a Abs. 1 S. 2, 329 Abs. 1 ZPO nicht verkündet, sondern den Beteiligten zugestellt worden. Trotz dieses Verfahrensfehlers handelt es sich jedoch um eine instanzbeendende, rechtsmittelfähige Entscheidung. Denn die Verlautbarung durch Zustellung war von dem OLG beabsichtigt und durfte von den Beteiligten auch als derart beabsichtigt verstanden werden (vgl. Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 21. Aufl., § 310 Rz. 4; Zöller/Vollkommer, ZPO, 24. Aufl., § 310 Rz. 7; Thomas/Putzo, ZPO, 25. Aufl., § 310 Rz. 5). Eine Rüge ist insofern nicht erhoben worden.
B) Die weiteren Beschwerden beider Parteien sind zulässig. Ihnen fehlt insbesondere nicht die Beschwerdeberechtigung. Zwar wirkt sich der insofern allein noch im Streit befindliche Ausspruch über den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich des Anrechts, das der Ehemann bei der Gustav J. GmbH erworben hat, auf den im vorliegenden Verfahren geregelten öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich nicht aus. Gleichwohl sind die Parteien durch die angefochtene Entscheidung jeweils in ihrer Rechtsstellung beeinträchtigt. Insoweit erforderlich, aber auch genügend ist, dass der Entscheidungssatz des angefochtenen Beschlusses unmittelbar in ein dem Beschwerdeführer zustehendes Recht eingreift, wobei diese Beeinträchtigung auch in einer ungünstigen Beeinflussung oder Gefährdung desselben liegen kann (vgl. Keidel/Kuntze/Winkler/Kahl, Freiwillige Gerichtsbarkeit, 15. Aufl., § 20 FGG Rz. 12). Eine derartige Beeinträchtigung ist zu bejahen, wenn im Verfahren zur Regelung des öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleichs der Betrag, dessen Ausgleich aus den in § 1587 f BGB genannten Gründen nicht möglich ist, genau ermittelt und zum Gegenstand eines besonderen Feststellungsausspruchs gemacht wird. Denn in solchen Fällen besteht die Gefahr, dass die Beteiligten bei einer späteren Durchführung des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs den vermeintlich rechtskräftig gewordenen Ausspruch zur Grundlage des Anspruchs auf die (schuldrechtliche) Geldrente machen, obwohl der Feststellung eine Bindungswirkung nicht zukommt (BGH v. 26.10.1994 - XII ZB 114/93, MDR 1995, 1235 = FamRZ 1995, 293; und v. 29.3.1995 - XII ZB 156/92, MDR 1995, 1235 = FamRZ 1995, 1481 [1482]).
C) Die weitere Beschwerde des Ehemannes hat in der Sache auch Erfolg. Sie führt zu einer Abänderung des Beschlussausspruchs dahin, dass der Betrag, in dessen Höhe das OLG den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich vorbehalten hat, entfällt. An der betreffenden Feststellung besteht kein schutzwürdiges rechtliches Interesse.
Eine (zuerkennende) Entscheidung über den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich muss, wie das OLG zutreffend ausgeführt hat, im vorliegenden Verfahren ausscheiden, denn ein hierauf zielender, erstmals in der Beschwerdeinstanz gestellter Antrag ist nicht zulässig (BGH v. 7.3.1990 - XII ZB 14/89, MDR 1990, 918 = FamRZ 1990, 606 [607] m. w. N.). Eine solche Entscheidung kann auch nicht im Wege einer Regelung der künftigen Ausgleichsleistung erfolgen. Dies liefe dem erkennbaren Willen des Gesetzes zuwider, nach dem die Entscheidung über den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich bis zu seiner Durchführung hinausgeschoben bleiben soll (BGH v. 7.12.1983 - IVb ZB 553/80, MDR 1984, 474 = FamRZ 1984, 251 [253]).
Für die Regelung des im vorliegenden Verfahren allein maßgeblichen öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleichs kommt es auch nicht darauf an, in welcher Höhe noch ein dem schuldrechtlichen Versorgungsausgleich zugängliches Anrecht des Ehemannes aus seiner Betriebsversorgung verbleibt. Über den gem. § 1587g BGB durch eine Geldrente noch auszugleichenden Betrag ist vielmehr erst in dem gem. § 1587 f BGB auf Antrag einzuleitenden Verfahren ohne Bindung an den im vorliegenden Verfahren errechneten Wert zu befinden. Feststellungen über die Höhe dieses Wertes im gegenwärtigen Verfahren zu treffen, ist für die Beteiligten deshalb letztlich ohne Nutzen (BGH v. 26.10.1994 - XII ZB 114/93, MDR 1995, 1235 = FamRZ 1995, 293 [295]; v. 29.3.1995 - XII ZB 156/92, MDR 1995, 1235 = FamRZ 1995, 1481 [1482]; und v. 26.10.1994 - XII ZB 126/92, MDR 1995, 932 = FamRZ 1995, 157 [158]).
Hinzu kommt, dass die für den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich vorgesehene Härteklausel des § 1587h Abs. 1 BGB, auf die sich der Ehemann im Beschwerdeverfahren bereits berufen hat, die Prüfung verlangt, ob und inwieweit der Berechtigte den nach seinen Lebensverhältnissen angemessenen Unterhalt aus seinen Einkünften und seinem Vermögen bestreiten kann und die Gewährung des Versorgungsausgleichs für den Verpflichteten bei Berücksichtigung der beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse eine unbillige Härte bedeuten würde. Diese Prüfung macht die Berücksichtigung der Entwicklung erforderlich, welche die wirtschaftlichen Verhältnisse der Ehegatten bis zur Geltendmachung des Ausgleichsanspruchs nehmen. Deshalb ist bei der Anwendung der Härteklausel auf diesen Zeitpunkt abzustellen (BGH v. 7.12.1983 - IVb ZB 553/80, MDR 1984, 474 = FamRZ 1984, 251 [253]).
Besondere Gründe, die gleichwohl ausnahmsweise ein schutzwürdiges rechtliches Interesse an der getroffenen Feststellung im Rahmen des vorliegenden Verfahrens rechtfertigen könnten, sind vom OLG weder festgestellt worden noch sonst ersichtlich.
D) Die weitere Beschwerde der Ehefrau ist nicht begründet.
1. Das verfolgte Ziel einer Höherbewertung des Ehezeitanteils der Anwartschaft des Ehemannes auf Betriebsversorgung kann die Ehefrau im Rahmen des vorliegenden Verfahrens nicht erreichen. In welcher Höhe ein nach öffentlich-rechtlichem Teilausgleich verbleibendes Anrecht noch schuldrechtlich auszugleichen ist, kann nicht mit Bindungswirkung für das Verfahren über den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich entschieden werden. Vielmehr wird erst in jenem Verfahren über die Höhe des Anrechts zu befinden sein. Deshalb bedarf es vorliegend auch keiner Entscheidung, ob das Anrecht in voller Höhe in den Versorgungsausgleich einzubeziehen ist, weil es - wie die Ehefrau meint - insgesamt in der Ehezeit erworben wurde, oder ob zur Ermittlung des auszugleichenden Betrages die vom OLG herangezogene zeitratierliche Berechnung vorzunehmen ist.
2. Da die Beschwerde der Ehefrau keinen Erfolg hat, scheidet die von ihr beantragte Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das OLG aus. Eine - nach Zurückverweisung - angestrebte Abfindung nach § 1587l BGB kann die Ehefrau im Übrigen schon deshalb nicht verlangen, weil kein abfindbarer künftiger Ausgleichsanspruch mehr vorliegt, nachdem beide Parteien bereits Altersrente beziehen (vgl. Johannsen/Henrich/Hahne, Eherecht, 4. Aufl., § 1587l Rz. 5 BGB). Die Voraussetzungen einer Realteilung (§ 1 Abs. 2 VAHRG) des Anrechts sind nicht festgestellt. Zwar kann eine Realteilung grundsätzlich auch dann durchgeführt werden, wenn der Versorgungsträger ihr - was im vorliegenden Fall allein in Betracht kommt - nur im Einzelfall zustimmt (vgl. BGH, Beschl. v. 25.9.1996 - XII ZB 39/95, MDR 1997, 165 = FamRZ 1997, 169 [170 f.]). Dass der Versorgungsträger die entsprechende Zustimmung erteilt hat, ist aber nicht festgestellt worden.
Fundstellen
Haufe-Index 1157816 |
BGHR 2004, 1087 |
FamRZ 2004, 1024 |
FuR 2005, 26 |
NJW-RR 2004, 865 |
FPR 2004, 388 |
MDR 2004, 883 |
JWO-FamR 2004, 188 |