Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Versäumung der Berufungsbegründungsfrist. Nichtzulassungsbeschwerde. Berufungsgericht:
Leitsatz (amtlich)
Über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist hat grundsätzlich das Berufungsgericht zu entscheiden. Das gilt auch dann, wenn die Berufung schon als unbegründet zurückgewiesen und der Antrag nach Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde gestellt worden ist.
Normenkette
ZPO § 237
Verfahrensgang
OLG München (Beschluss vom 11.07.2012; Aktenzeichen 32 U 1162/12) |
LG München II (Urteil vom 16.01.2012; Aktenzeichen 11 O 4372/11) |
Tenor
Über den Antrag des Klägers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist hat das Berufungsgericht zu entscheiden.
Gründe
I.
Rz. 1
Der Kläger nimmt die Beklagte wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht auf Ersatz materiellen und immateriellen Schadens in Anspruch. Das LG hat die Klage mit Urteil vom 16.1.2012 abgewiesen. Dieses Urteil ist dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 29.2.2012 zugestellt worden. Mit einem am 22.3.2012 beim OLG eingegangenen Schriftsatz hat der Kläger Berufung eingelegt. Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 25.3.2012 hat er beantragt, die Berufungsbegründungsfrist bis zum 31.5.2012 zu verlängern. Durch Verfügung des Senatsvorsitzenden vom 25.4.2012 ist die Berufungsbegründungsfrist bis zum 29.5.2012 verlängert worden. Die Berufungsbegründung ist per Fax am 30.5.2012 bei Gericht eingegangen. Das OLG hat die Berufung durch Beschluss vom 11.7.2012 gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Dagegen hat der Kläger Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt und diese fristgerecht begründet. Auf gerichtlichen Hinweis, dass nach Aktenlage die Berufungsbegründungsfrist versäumt sei, hat der Kläger sowohl beim OLG als auch beim BGH Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zur Begründung hat er geltend gemacht, die Fristversäumung beruhe auf einem Büroversehen einer Büromitarbeiterin seines Prozessbevollmächtigten. Der Senatsvorsitzende des Berufungsgerichts hat den Parteien durch Verfügung vom 16.1.2013 mitgeteilt, dass eine Entscheidung über die Wiedereinsetzung "derzeit nicht erfolgen" könne; durch eine Wiedereinsetzung käme der hier verfahrensbeendende Beschluss gem. § 522 Abs. 2 ZPO nicht in Wegfall, da er auf einer anderen Grundlage beruhe als auf einer Fristversäumung. Im Hinblick auf diese Verfügung bittet der Kläger den BGH, über sein Wiedereinsetzungsgesuch zu befinden.
II.
Rz. 2
1. Über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hat gem. § 237 ZPO das Gericht zu entscheiden, dem die Entscheidung über die nachgeholte Prozesshandlung zusteht, bei Versäumung der Berufungsbegründungsfrist also das Berufungsgericht. Das gilt grundsätzlich auch dann, wenn über den Wiedereinsetzungsantrag nach Beendigung der betreffenden Instanz zu entscheiden ist (vgl. BGH, Urt. v. 3.6.1987 - VIII ZR 154/86, BGHZ 101, 134 [141]; Beschl. v. 7.10.1981 - IVb ZB 825/81, VersR 1982, 95 [96]), mithin auch in dem Fall, dass das Berufungsverfahren abgeschlossen ist. Etwas anders gilt - aus Gründen der Prozesswirtschaftlichkeit - zwar dann, wenn nach dem Akteninhalt Wiedereinsetzung ohne Weiteres zu gewähren ist. In einem solchen Fall ist das mit der Sache befasste Revisionsgericht ausnahmsweise befugt, selbst zu entscheiden und dem für den Berufungsrechtszug gestellten Wiedereinsetzungsantrag stattzugeben (vgl. BGH v. 22.9.1992 - VI ZB 22/92, VersR 1993, 500 [501 m.w.N.]; BGH, Beschl. v. 19.6.1996 - XII ZB 89/96, NJW 1996, 2581; BeckOK ZPO/Wendtland, § 237 Rz. 6 [Stand: 30.10.2012]; HK-ZPO/Saenger, 5. Aufl., § 237 Rz. 3 m.w.N.). Die Voraussetzungen hierfür sind vorliegend aber nicht gegeben.
Rz. 3
2. Der Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist steht entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht entgegen, dass die Berufung inzwischen als unbegründet zurückgewiesen worden ist. Da die Zulässigkeit der Berufung eine Prozessvoraussetzung ist, von der das gesamte weitere Verfahren nach Einlegung der Berufung, mithin auch das Verfahren der Revisionsinstanz, in seiner Rechtswirksamkeit abhängt, ist sie vom Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen (BGH, Urt. v. 31.1.1952 - IV ZR 104/51, BGHZ 4, 389 [395]; v. 4.11.1981 - IVb ZR 625/80, VersR 1982, 187 [188]; v. 10.2.2011 - III ZR 338/09, NJW 2011, 926 Rz. 7 m.w.N.). Sollte dem Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist gewährt werden, wäre seine Berufung zulässig. Über die Nichtzulassungsbeschwerde gegen den die Berufung gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückweisenden Beschluss wäre sachlich zu entscheiden. Hätte der Wiedereinsetzungsantrag keinen Erfolg, wäre die Berufung unzulässig und das landgerichtliche Urteil wäre rechtskräftig. In diesem Fall wäre das Revisionsgericht gehindert, über die Nichtzulassungsbeschwerde in der Sache zu entscheiden. Die Nichtzulassungsbeschwerde müsste vielmehr mit der Maßgabe zurückgewiesen werden, dass die Berufung gegen das Urteil des LG als unzulässig verworfen wird.
Fundstellen
Haufe-Index 3657351 |
NJW 2013, 8 |
EBE/BGH 2013 |
FamRZ 2013, 784 |
FuR 2013, 463 |
NJW-RR 2013, 702 |
JZ 2013, 323 |
MDR 2013, 544 |
NJ 2013, 5 |
VersR 2013, 735 |
PAK 2013, 168 |