Entscheidungsstichwort (Thema)
Genereller sektoraler Produktivitätsfaktor II
Leitsatz (amtlich)
1. § 9 ARegV findet auch nach der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 2. September 2021 (Abgrenzung, EuGH, Urteil vom 2. September 2021 - C-718/18, juris Rn. 112 ff.) weiterhin Anwendung (Bestätigung von BGH, Beschluss vom 8. Oktober 2019 - EnVR 58/18, RdE 2020, 78 - Normativer Regulierungsrahmen). Angesichts der durch das Unionsrecht geforderten Unabhängigkeit der Bundesnetzagentur von externen Weisungen anderer öffentlicher oder privater Stellen ist diese Regelung wo auch immer möglich und bis zu der den Gerichten durch den Willen des nationalen Gesetzgebers gezogenen Grenze im Sinne einer Gewährleistung und Sicherung dieser Unabhängigkeit auszulegen.
2. § 9 Abs. 3 Satz 1 ARegV enthält keine "Ausschlussfrist" mit der Folge, dass ein genereller sektoraler Produktivitätsfaktor nach Beginn der Regulierungsperiode nicht mehr festgesetzt werden dürfte.
Normenkette
EnWG § 21a Abs. 4 S. 7; ARegV § 9 Abs. 1, 3 S. 1
Verfahrensgang
OLG Düsseldorf (Entscheidung vom 18.12.2019; Aktenzeichen VI-3 Kart 609/18 (V)) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde der Bundesnetzagentur und unter Zurückweisung der Rechtsbeschwerde der Betroffenen wird der Beschluss des 3. Kartellsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 18. Dezember 2019 aufgehoben.
Die Beschwerde gegen den Beschluss der Bundesnetzagentur vom 21. Februar 2018 wird zurückgewiesen.
Die Betroffene trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren einschließlich der notwendigen Auslagen der Bundesnetzagentur.
Gründe
Rz. 1
A. Mit Beschluss vom 21. Februar 2018 hat die Bundesnetzagentur den generellen sektoralen Produktivitätsfaktor für Betreiber von Gasversorgungsnetzen gemäß § 9 Abs. 3 ARegV (nachfolgend: Produktivitätsfaktor) für die dritte Regulierungsperiode auf 0,49 % festgelegt.
Rz. 2
Vor der Entscheidung holte die Bundesnetzagentur zur Ermittlung des Produktivitätsfaktors ein Gutachten ein, das die Anwendung zweier unterschiedlicher Methoden empfahl. Auf Grundlage dieses Gutachtens und nach Erhebung von Daten bei den Netzbetreibern aus der Gewinn- und Verlustrechnung, zum Sachanlagevermögen und zum Personalaufwand für die Jahre 2006 bis 2016 ermittelte die Bundesnetzagentur mithilfe eines Törnqvist-Indexes, der die Produktivität von Unternehmen als Verhältnis zwischen Ausbringungsmengen (Output) und den hierfür benötigten Produktionsfaktoren (Input) auf der Grundlage von Daten aus der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung abbildet, einen Produktivitätsfaktor von 0,49 %. Nach einem weiteren, als Malmquist-Methode bezeichneten Verfahren, bei dem die Änderungen statischer Effizienzwerte von Unternehmen für unterschiedliche Perioden verglichen werden, ermittelte die Bundesnetzagentur anhand der Daten der für die ersten drei Regulierungsperioden durchgeführten Effizienzvergleiche einen Produktivitätsfaktor von 0,92 %. Da die Bundesnetzagentur keine der beiden Methoden als überlegen ansah, setzte sie zugunsten der Netzbetreiber den niedrigeren Wert fest.
Rz. 3
Die Betroffene, die ein Gasversorgungsnetz betreibt, hat - wie auch zahlreiche weitere Netzbetreiber - die Festlegung mit der Beschwerde angegriffen.
Rz. 4
Das sachverständig beratene Beschwerdegericht hat den Beschluss der Bundesnetzagentur aufgehoben und die Bundesnetzagentur zur Neubescheidung verpflichtet. Dagegen wenden sich die Bundesnetzagentur und die Betroffene mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde. Die Bundesnetzagentur strebt die Zurückweisung der Beschwerde der Betroffenen an. Die Betroffene begehrt, die Bundesnetzagentur zur Neubescheidung unter Berücksichtigung weiterer, vom Beschwerdegericht abweichend beurteilter rechtlicher Gesichtspunkte zu verpflichten.
Rz. 5
B. Die zulässige Rechtsbeschwerde der Bundesnetzagentur ist begründet, während die nach den dafür geltenden Maßstäben (BGH, Beschluss vom 9. Juli 2019 - EnVR 52/18, RdE 2019, 456 Rn. 76 mwN - Eigenkapitalzinssatz II) zulässige Rechtsbeschwerde der Betroffenen ohne Erfolg bleibt.
Rz. 6
I. Das Beschwerdegericht hat angenommen, die angefochtene Festlegung sei rechtswidrig, da die Bundesnetzagentur die Höhe des Produktivitätsfaktors rechtsfehlerhaft ermittelt habe.
Rz. 7
Allerdings sei die von der Bundesnetzagentur zur Ermittlung der gesamtwirtschaftlichen Produktivitätsentwicklung mithilfe des Törnqvist-Indexes angewandte Residualbetrachtung mit § 9 Abs. 1 und 3 Satz 1 ARegV vereinbar. Die Bundesnetzagentur habe fehlerfrei den gesamtwirtschaftlichen Produktivitätsfortschritt und die Änderung der gesamtwirtschaftlichen Einstandspreise durch den vom Statistischen Bundesamt ermittelten Verbraucherpreisgesamtindex abgebildet. § 9 Abs. 1 ARegV verlange keine getrennte Ermittlung von vier Einzelwerten zum gesamtwirtschaftlichen und netzwirtschaftlichen Produktivitätsfortschritt sowie zur gesamtwirtschaftlichen und netzwirtschaftlichen Einstandspreisentwicklung. Der Verordnungsgeber gehe vielmehr davon aus, dass die Inflationsrate die Differenz zwischen der Inputpreis- und der Produktivitätsentwicklung in der Gesamtwirtschaft ausdrücke.
Rz. 8
Die Bundesnetzagentur habe den Index der durchschnittlichen Netzentgelte rechtmäßig als Deflator der Umsatzerlöse zur Ermittlung preisbereinigter Ausbringungsmengen ausgewählt. Die Bestimmung des Produktivitätsfaktors sei jedoch rechtswidrig, weil der von der Bundesnetzagentur ermittelte Wert nicht robust gegenüber Veränderungen des betrachteten historischen Zeitraums (Stützintervalls) sei. Die Einschätzung der Bundesnetzagentur, der der Ermittlung des Produktivitätsfaktors bei Anwendung des Törnqvist-Indexes zugrundeliegende Zeitraum von 2006 bis 2016 gewährleiste zuverlässige Ergebnisse, beruhe auf einem Ermittlungs- und Ermessensdefizit. Die Bundesnetzagentur habe fehlerhaft die Ursachen der starken Schwankungen der sich für verschiedene, von ihr in Betracht gezogene kürzere Stützintervalle ergebenden sektoralen Produktivitätsfaktoren nicht untersucht. Für die Einbeziehung des Jahres 2006 in die Betrachtung fehle es an einer hinreichenden Begründung, da die Bundesnetz-agentur dieses Jahr wegen einer unzuverlässigen Datenbasis zunächst nicht berücksichtigt habe. Die Bundesnetzagentur habe sich außerdem zu wenig mit den Auswirkungen des Jahres 2006 als erstem Jahr der Entgeltregulierung und dem in diesem Jahr durch die Verschiebung von Investitionen durch Netzbetreiber in das Basisjahr aufgetretenen Sondereffekt (Basisjahreffekt) auseinandergesetzt. Sie habe schließlich nicht ausreichend begründet, weshalb sie bei der (später erfolgten) Festlegung des Produktivitätsfaktors für den Strombereich die Plausibilisierung abweichend vom Gasbereich vorgenommen habe.
Rz. 9
Rechtswidrig sei es ferner, dass die Bundesnetzagentur bei der Berechnung der Abschreibungen als Bestandteil der Einstandsfaktoren handelsrecht-liche anstatt der in §§ 6, 6a GasNEV vorgegebenen kalkulatorischen Grundsätze angewendet habe. Sie habe grundsätzlich keinen Entscheidungsspielraum, ob sie handelsrechtliche oder kalkulatorische Grundsätze heranziehe, sofern der Verordnungsgeber bei bestimmten Kostenanteilen wie den Abschreibungen mit §§ 6, 6a GasNEV einen kalkulatorischen Ansatz vorgegeben habe; diese Vorgaben seien vielmehr nicht nur im Rahmen der Kostenprüfung, sondern auch bei der Berechnung des Produktivitätsfaktors maßgeblich.
Rz. 10
Ferner sei die Ermittlung des Produktivitätsfaktors anhand des Törnqvist-Indexes deshalb zu beanstanden, weil die Bundesnetzagentur einen jährlich aktualisierten Zins für das Fremdkapital herangezogen habe. Obwohl § 9 ARegV keine ausdrückliche Beschränkung auf kalkulatorische Werte vorsehe, fuße die Ermittlung des Produktivitätsfaktors als Bestandteil der Regulierungsformel auf den einschlägigen Vorgaben der Anreizregulierungsverordnung und der Netzentgeltverordnungen. Daher bestünden zwar keine Bedenken, dass die Bundesnetzagentur für die Entwicklung des Inputfaktors "Zinsen und ähnliche Aufwendungen" die in § 7 Abs. 7 GasNEV aufgeführten Zinsreihen herangezogen habe. Fehlerhaft sei es aber, dass sie einen jährlichen Durchschnitt dieser Zinsreihen anstatt eines auf mehrere Kalenderjahre bezogenen Durchschnitts (rollierenden Mittelwerts) gebildet habe.
Rz. 11
Bei der Berechnung des Malmquist-Indexes, den die Bundesnetzagentur zur Plausibilisierung des durch den Törnqvist-Index ermittelten Werts herangezogen habe, habe sie es ermessensfehlerhaft unterlassen, entsprechend § 12 Abs. 3 und 4a ARegV eine Bestabrechnung vorzunehmen. Das Prinzip der Bestabrechnung sei auf die Festlegung des Produktivitätsfaktors anzuwenden, um den berechtigten Interessen der Netzbetreiber an einer rechtssicheren und nachvollziehbaren Berechnung des Faktors zu entsprechen.
Rz. 12
II. Diese Bewertung hält den Angriffen der Rechtsbeschwerde der Betroffenen, nicht aber denjenigen der Rechtsbeschwerde der Bundesnetzagentur stand. Der Senat hat bereits in drei anderen Verfahren entschieden, dass die angefochtene Festlegung der Bundesnetzagentur entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts nicht zu beanstanden ist (BGH, Beschlüsse vom 26. Januar 2021 - EnVR 7/20, BGHZ 228, 286 Rn. 14 ff. - Genereller sektoraler Produktivitätsfaktor; - EnVR 101/19, ZNER 2021, 392 Rn. 14 ff.; - EnVR 72/19, juris Rn. 14 ff.). Das Vorbringen der Rechtsbeschwerde der Betroffenen führt nicht zu einer abweichenden Beurteilung.
Rz. 13
1. Nach § 21a Abs. 2 Satz 1 EnWG werden in der Anreizregulierung für eine Regulierungsperiode unter Berücksichtigung von Effizienzvorgaben Obergrenzen für die Höhe der Netzzugangsentgelte oder die Gesamterlöse aus Netzzugangsentgelten vorgegeben. Die Vorgaben für die Entwicklung oder Festlegung der Obergrenze innerhalb einer Regulierungsperiode müssen nach § 21a Abs. 4 Satz 7 EnWG den Ausgleich der allgemeinen Geldentwertung unter Berücksichtigung eines Produktivitätsfaktors vorsehen. Dieser ist nach der auf der Grundlage von § 21a Abs. 6 EnWG von der Bundesregierung erlassenen Regulierungsformel in Anlage 1 zu § 7 ARegV ein Korrekturfaktor für den durch das Statistische Bundesamt veröffentlichten Verbraucherpreisgesamtindex. Durch ihn soll gewährleistet werden, dass bei der Bestimmung der Erlösobergrenzen berücksichtigt wird, ob und gegebenenfalls in welchem Maße sich die Produktivität der Netzbetreiber abweichend von der Gesamtwirtschaft entwickelt. Der Produktivitätsfaktor wird gemäß § 9 Abs. 1 ARegV ermittelt aus der Abweichung des netzwirtschaftlichen Produktivitätsfortschritts vom gesamtwirtschaftlichen Produktivitätsfortschritt und der gesamtwirtschaftlichen Einstandspreisentwicklung von der netzwirtschaftlichen Einstandspreisentwicklung. Diese Regelung findet auch vor dem Hintergrund der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (nachfolgend: Gerichtshof) vom 2. September 2021 (C-718/18, juris Rn. 112 ff.) weiterhin Anwendung.
Rz. 14
a) Zwar hat der Gerichtshof entschieden, dass die Bundesrepublik Deutschland Art. 41 Abs. 1 Buchst. a und Abs. 6 Buchst. a und b der Richtlinie 2009/73/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/55/EG (nachfolgend: Richtlinie) nicht ordnungsgemäß umgesetzt hat, weil § 24 Satz 1 EnWG der Bundesregierung unmittelbar bestimmte Zuständigkeiten überträgt, die nach der Richtlinie ausschließlich der Regulierungsbehörde vorbehalten sind. Die Unabhängigkeit, die der Regulierungsbehörde im Rahmen der durch Art. 41 der Richtlinie ausschließlich ihr übertragenen Aufgaben und Befugnisse verliehen wird, kann nicht durch Rechtsakte wie die von der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrats auf der Grundlage von § 24 EnWG erlassenen Rechtsverordnungen beschränkt werden. Dies gilt auch für die auf der Grundlage von § 21a Abs. 6 EnWG erlassene Regulierungsformel in Anlage 1 zu § 7 ARegV und die Bestimmung des Produktivitätsfaktors gemäß § 9 ARegV. Diese Vorschriften sind aber - wie der Senat in anderem Zusammenhang bereits entschieden hat - grundsätzlich weiterhin anwendbar (BGH, Beschluss vom 8. Oktober 2019 - EnVR 58/18, RdE 2020, 78 Rn. 60 ff., 70 ff. - Normativer Regulierungsrahmen). Das stellen weder die Betroffene noch die Bundesnetz-agentur in Frage.
Rz. 15
b) Allerdings haben die nationalen Gerichte und Behörden den Anwendungsvorrang des Unionsrechts zu beachten (vgl. nur EuGH, Urteil vom 4. Dezember 2018 - C-378/17, NZA 2019, 27 Rn. 35 ff. - Minister for Justice and Equality). Im Zusammenhang mit der Umsetzung von Richtlinien in das nationale Recht verlangt der Grundsatz der unionsrechtskonformen Auslegung, dass die nationalen Gerichte unter Berücksichtigung des gesamten nationalen Rechts und unter Anwendung ihrer Auslegungsmethoden alles tun, was in ihrer Zuständigkeit liegt, um die volle Wirksamkeit der fraglichen Richtlinie zu gewährleisten und zu einem Ergebnis zu gelangen, das mit dem von der Richtlinie verfolgten Ziel übereinstimmt (vgl. nur EuGH, Urteil vom 4. Juli 2006 - C-212/04, Slg. 2006, I-6057 Rn. 111 - Andeneler; BGH, RdE 2020, 78 Rn. 64 f. - Normativer Regulierungsrahmen). Dieser von der Rechtsprechung des Gerichtshofs geprägte Grundsatz der richtlinienkonformen Auslegung verlangt von den nationalen Gerichten mehr als eine bloße Auslegung im engeren Sinne. Er erfordert auch, das nationale Recht, wo dies nötig und möglich ist, richtlinienkonform fortzubilden (st. Rspr., BGH, Urteil vom 28. Oktober 2015 - VIII ZR 158/11, BGHZ 207, 209 Rn. 37 mwN). Angesichts der durch das Unionsrecht geforderten Unabhängigkeit der Bundesnetzagentur von externen Weisungen anderer öffentlicher oder privater Stellen sind daher die genannten Regelungen wo auch immer möglich und bis zu der den Gerichten durch den Willen des nationalen Gesetzgebers gezogenen Grenze (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 23. Mai 2016 - 1 BvR 2230/15, NJW-RR 2016, 1366 Rn. 34 ff.; vom 31. Oktober 2016 - 1 BvR 871/13, NVwZ 2017, 617 Rn. 34) im Sinne einer Gewährleistung und Sicherung dieser Unabhängigkeit auszulegen. Eine gerichtliche Überprüfung erfolgt in Einklang mit der Rechtsprechung des Senats (BGH, RdE 2020, 78 Rn. 60 ff. - Normativer Regulierungsrahmen) daher im Grundsatz nur noch in Bezug auf den nach diesen Maßstäben fortgeltenden nationalen Regulierungsrahmen sowie anhand unionsrechtlicher Vorgaben.
Rz. 16
2. Das Unionsrecht fordert daher eine Auslegung der Anreizregulierungsverordnung dahin, dass der Unabhängigkeit der Bundesnetzagentur soweit als möglich Geltung verschafft wird. Dem entspricht die bereits getroffene und ausführlich begründete Entscheidung des Senats, dass die Festlegung des Produktivitätsfaktors auch unter Berücksichtigung der dazu in der Anreizregulierungsverordnung enthaltenen und nach dem Ausgeführten im Grundsatz weiterhin anwendbaren Regelungen inhaltlich nicht vollständig rechtlich determiniert ist. Eine von der Bundesnetzagentur bei der Wahl der Methode oder bei der Anwendung der gewählten Methode getroffene Auswahlentscheidung kann von Rechts wegen nur dann beanstandet werden, wenn sich feststellen lässt, dass der gewählte methodische Ansatz von vornherein ungeeignet ist, die Funktion zu erfüllen, die ihm nach dem durch die Entscheidung der Regulierungsbehörde auszufüllenden gesetzlichen Rahmen zukommt, oder wenn ein anderes methodisches Vorgehen unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände so deutlich überlegen ist, dass die getroffene Auswahlentscheidung nicht mehr als mit den gesetzlichen Vorgaben vereinbar angesehen werden kann. Dieser eingeschränkte Prüfungsmaßstab folgt aus den Grenzen der rechtlichen Determinierung und Determinierbarkeit der Aufklärung und Bewertung komplexer ökonomischer Zusammenhänge im Allgemeinen und der regulatorischen Aufgaben im Besonderen und ist deshalb sowohl mit Art. 19 Abs. 4 GG als auch mit dem Anspruch auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes vereinbar (BGHZ 228, 286 Rn. 28 - Genereller sektoraler Produktivitätsfaktor; vgl. auch BGH, Beschluss vom 3. März 2020 - EnVR 26/18, ZNER 2020, 234 Rn. 33, 36 bis 38 - Eigenkapitalzinssatz III mwN; BVerfG, Beschluss vom 29. Juli 2021 - 1 BvR 1588/20 ua, juris). An diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab, bei dem - anders als die Betroffene meint - auch ein Beurteilungsspielraum für tatsächliche Fragen bestehen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Juli 2014 - EnVR 59/12, RdE 2014, 495 Rn. 24 - Stromnetz Berlin GmbH), hält der Senat unter Berücksichtigung des Vorbringens der Betroffenen im vorliegenden Verfahren fest.
Rz. 17
a) Wie die Betroffene im Rechtsbeschwerdeverfahren selbst ausführt, stößt die Abschätzung des künftig möglichen branchenspezifischen Produktivitätsfortschritts trotz aller auch internationaler Erkenntnisbemühungen auf erhebliche Schwierigkeiten und hat sich als eine der schwierigsten Fragen bei der Anreizregulierung erwiesen. Der Produktivitätsfaktor ist eine regulatorische Größe, die wegen ihres prognostischen Charakters und der für die Prognose zur Verfügung stehenden statistischen und sonstigen empirischen Grundlagen nicht gemessen und somit nicht exakt bestimmt, sondern nur abgeschätzt werden kann. Für eine solche Abschätzung kommen typischerweise - und so auch hier - mehrere ökonometrische Methoden in Betracht, die unterschiedliche Datengrundlagen verwenden und die insbesondere in Abhängigkeit von der Verfügbarkeit, Genauigkeit und Verlässlichkeit der vorhandenen oder von der Regulierungsbehörde zu erhebenden Daten zu unterschiedlichen Ergebnissen führen können (BGHZ 228, 286 Rn. 18 - Genereller sektoraler Produktivitätsfaktor).
Rz. 18
b) Mit den Erwägungen des Senats in Bezug auf die Grenzen der rechtlichen Determinierung und Determinierbarkeit der Aufklärung und Bewertung komplexer ökonomischer Zusammenhänge im Allgemeinen und der regulatorischen Aufgaben im Besonderen setzt sich die Rechtsbeschwerde der Betroffenen nicht auseinander. Sie greift vielmehr auf die für die Eingriffsverwaltung anerkannten Grundsätze zurück und verkennt dabei, dass die vom Senat entwickelten und vom Bundesverfassungsgericht nicht beanstandeten Maßstäbe (BGH, ZNER 2020, 234 Rn. 37 f. - Eigenkapitalzinssatz III; BVerfG, Beschluss vom 29. Juli 2021 - 1 BvR 1588/20 ua, juris) sich aus der unionsrechtlich gebotenen und verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Stellung der Regulierungsbehörde und dem Umstand ableiten, dass sich die komplexen Ziele der Netzentgeltregulierung nicht im Voraus durch abstrakte normative Vorgaben erreichen lassen.
Rz. 19
3. Nach diesen Maßstäben hält die Beurteilung des Beschwerdegerichts, der von der Bundesnetzagentur anhand eines Törnqvist-Indexes festgesetzte Produktivitätsfaktor in Höhe von 0,49 % sei nach einem grundsätzlich rechtmäßigen Verfahren bestimmt, im Ergebnis jedoch rechtswidrig, weil das zugrunde liegende Stützintervall (der für die Prognose betrachtete Zeitraum der Jahre 2006 bis 2016) zu wenig robust sei, die Bundesnetzagentur die Ursachen der Schwankungen im Vergleich zu anderen möglichen Stützintervallen nicht untersucht habe und das Jahr 2006 auf der gegebenen Grundlage nicht hätte in die Betrachtung einbezogen werden dürfen, der rechtlichen Nachprüfung nicht stand (BGHZ 228, 286 Rn. 30 ff. - Genereller sektoraler Produktivitätsfaktor).
Rz. 20
a) Entgegen der Ansicht der Betroffenen hat das Beschwerdegericht rechtsfehlerfrei das Vorgehen der Bundesnetzagentur gebilligt, bei der Ermittlung des Produktivitätsfaktors auf die getrennte Ermittlung des gesamtwirtschaftlichen Produktivitätsfortschritts und der gesamtwirtschaftlichen Einstandspreisentwicklung zu verzichten und stattdessen - der Empfehlung des von ihr eingeholten Sachverständigengutachtens folgend - im Wege einer Residualbetrachtung die Entwicklung des Verbraucherpreisgesamtindexes heranzuziehen (BGHZ 228, 286 Rn. 33 ff. - Genereller sektoraler Produktivitätsfaktor). Daran hält der Senat fest. Das Beschwerdegericht hat zu Recht die Entscheidung der Bundesnetzagentur für eine Residualbetrachtung an den Maßstäben gemessen, die für die Überprüfung der Ausfüllung eines Beurteilungsspielraums gelten. Es hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Vorgehensweise der Bundesnetzagentur weder dem Stand der Wissenschaft widerspricht, noch aus anderen Gründen, insbesondere wegen einer greifbar überlegenen methodischen Alternative - wie etwa der von der Betroffenen favorisierten Differenzmethode - zu beanstanden ist.
Rz. 21
b) Ohne Erfolg rügt die Betroffene mit der Rechtsbeschwerde, dass die Bundesnetzagentur im Rahmen des Törnqvist-Indexes die auf der Grundlage der Monitoringberichte ermittelten durchschnittlichen Netzentgelte der Haushalts-, Gewerbe- und Industriekunden in den Jahren 2006 bis 2016 als Deflator für die Umsatzerlöse verwendet und dabei aus Statistiken des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft e.V. (nachfolgend: BDEW-Statistiken) abgeleitete konstante Verbrauchsanteile von 30 %, 15 % und 55 % anstatt der tatsächlichen jährlichen Anteile zugrunde gelegt hat (Festlegung S. 21; vgl. BGHZ 228, 286 Rn. 53 bis 57, 78 bis 91 - Genereller sektoraler Produktivitätsfaktor).
Rz. 22
aa) Das Beschwerdegericht hat sachverständig beraten festgestellt, dass die Auswahl des Deflators nicht zu beanstanden ist, obwohl der Deflator der Netzentgelte starken Schwankungen unterliegt. Eigene Simulationen des Sachverständigen hätten ergeben, dass der Deflator der Umsatzerlöse einen maßgeblichen Einfluss auf das Endergebnis habe. Dies sei im Hinblick auf den weit überwiegenden Anteil der Umsatzerlöse am Bruttoproduktionswert durchaus nachvollziehbar. Die im Zeitablauf stark schwankenden preisbereinigten Umsatzerlöse führten zu starken Schwankungen des Outputs und damit des Produktivitätsfortschritts. Diese Schwankungen schlügen sich in einem entsprechend volatilen Produktivitätsfaktor nieder. Deutlich volatiler als der Index der Netzentgelte insgesamt seien die von den Industriekunden gezahlten Netzentgelte. Die Volatilität der Netzentgelte sei allerdings auf regulatorisch bedingte Gegebenheiten zurückzuführen. Die Bundesnetzagentur habe plausibel dargelegt, dass die durchgeleiteten Gasmengen keinen greifbar geeigneteren Deflator darstellten. Der Bundesnetzagentur falle weder ein Ermittlungs- noch ein Ermessensdefizit zur Last.
Rz. 23
Weiter hat das Beschwerdegericht ausgeführt, auch die Entscheidung der Bundesnetzagentur, die Anteile der einzelnen Kundengruppen an den durchschnittlichen Netzentgelten als konstant zu unterstellen, sei nicht zu beanstanden. Die als Deflator herangezogenen durchschnittlichen Netzentgelte seien mit dem Anteil gewichtet worden, den Haushalts-, Gewerbe- und Industriekunden jeweils an den Gesamterlösen der Gasversorgungsnetzbetreiber hätten. Die Bundesnetzagentur habe die jährlichen Schwankungen der entsprechenden Verbrauchsanteile untersucht und wegen ihres geringen Umfangs die auf den Verbrauchsanteilen beruhenden Gewichte konstant gesetzt. Sie orientiere sich insoweit an der Vorgehensweise des Statistischen Bundesamts, das bei der Bildung von Preisindizes von einer jahresscharfen Anpassung der Gewichte absehe. Sofern die volkswirtschaftlichen Preisindizes, die die Bundesnetzagentur zur Deflationierung der sonstigen Bestandteile des Outputs und Inputs herangezogen habe, konstante Gewichte beinhalteten, sei es konsequent, auch den Preisindex der Netzentgelte anhand konstanter Gewichte zu bilden.
Rz. 24
bb) Es trifft entgegen der Annahme der Betroffenen mithin schon nicht zu, dass keine Feststellungen zur Geeignetheit der von der Bundesnetzagentur verwendete Methode zur Deflationierung der Umsätze vorliegen. Das Beschwerdegericht geht - wie der Senat bereits ausgeführt hat (BGHZ 228, 286 Rn. 83 f. - Genereller sektoraler Produktivitätsfaktor) - ausdrücklich davon aus, dass die Auswahl des Deflators nicht zu beanstanden und die Volatilität der Netzentgelte auf regulatorisch bedingte Gegebenheiten zurückzuführen sei.
Rz. 25
cc) Auch die Rüge der Betroffenen, dass die Bundesnetzagentur die zur Ermittlung des Deflators benötigten Netzentgelte nicht den Monitoringberichten hätte entnehmen dürfen, hat keinen Erfolg (BGHZ 228, 286 Rn. 19 bis 24, 146 - Genereller sektoraler Produktivitätsfaktor). Eine (erneute) Datenerhebung durch die Bundesnetzagentur war entgegen der Ansicht der Betroffenen nicht geboten. Mit diesem Vorbringen wird allenfalls behauptet, dass sich auf einer anderen Datengrundlage offensichtlich zuverlässigere Erkenntnisse hätten gewinnen lassen. Dies reicht - wie der Senat bereits entschieden hat - jedoch nicht aus. Es liegt auf der Hand, dass die Belastbarkeit der Ergebnisse nahezu jedes methodischen Ansatzes durch zusätzliche Datenerhebungen verbessert werden könnte. Mit dem Hinweis darauf ist aber nicht dargelegt, dass die Bundesnetz-agentur durch den Rückgriff auf die von ihr im Rahmen der Monitoringberichte bereits erhobenen Daten ihren methodischen Spielraum rechtsfehlerhaft ausgeübt hat. Sie hat die Erkenntnisse aus den für die Monitoringberichte bereits erhobenen Daten genutzt und damit den für die zusätzliche Datenerhebung erforderlichen Aufwand vermieden. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass ein Rückgriff auf diese Daten die im Rahmen der Abschätzung des Bruttoproduktionswerts vorgenommene Preisbereinigung der Umsatzerlöse nicht sachgerecht erlaubte, sind weder aufgezeigt noch ersichtlich. Soweit die Betroffene in der Stellungnahme vom 30. September 2021 behauptet, für die Datenerhebung im Rahmen der Monitoringberichte gebe es keine vorgegebene Systematik und kein einheitliches Vorgehen, ist dies weder im Einzelnen begründet noch zeigt sie auf, dass sie dies erstinstanzlich geltend gemacht habe, § 88 Abs. 2, 4 EnWG. Diese Behauptung steht im Übrigen auch im Widerspruch zu ihrem Vortrag, es sei im fraglichen Zeitraum zu Änderungen in der Erhebungssystematik gekommen.
Rz. 26
dd) Schließlich greift auch die Rüge der Betroffenen nicht durch, die Bundesnetzagentur habe in Bezug auf die Höhe der Netzentgelte und die Gewichtung der Verbrauchsanteile methodisch inkorrekt auf unterschiedliche Datengrundlagen zurückgegriffen; hätte sie die Daten für die Verbrauchsanteile ebenfalls den Monitoringberichten entnommen, hätten sich erhebliche Schwankungen ergeben, die sie zu einer jahresscharfen Gewichtung gezwungen hätten.
Rz. 27
(1) Die Betroffene zeigt nicht auf, dass sie den in der Stellungnahme vom 30. September 2021 enthaltenen umfangreichen Vortrag, die Anteile der Kundengruppen seien in den Monitoringberichten 2006 bis 2016 anders als in den BDEW-Statistiken deutlichen Schwankungen unterworfen, erstinstanzlich gehalten hat. Sie hat im Beschwerdeverfahren ausweislich des angefochtenen Beschlusses vielmehr nur gerügt, die Datenquellen seien nicht offengelegt worden und die Bundesnetzagentur habe für die Gewichtung der Netzentgelte eine andere Datenquelle verwendet als für die Netzentgelte selbst. Ersteres trifft schon nicht zu, nachdem die Bundesnetzagentur ihre Quellen in der Festlegung genannt hat (Festlegung S. 21 Fußnoten 19 und 20). Letzteres steht nach den dafür geltenden Maßgaben (BGHZ 228, 286 Rn. 19 ff. - Genereller sektoraler Produktivitätsfaktor) grundsätzlich im Ermessen der Bundesnetzagentur. Der erstmals im Rechtsbeschwerdeverfahren gehaltene Vortrag, die Anteile der Kundengruppen seien in den Monitoringberichten 2006 bis 2016 anders als in den BDEW-Statistiken deutlichen Schwankungen unterworfen, kann danach gemäß § 88 Abs. 2, 4 EnWG nicht berücksichtigt werden.
Rz. 28
(2) Abgesehen davon greift der Einwand auch in der Sache nicht durch. Die Betroffene macht nicht geltend, dass sich bei einer Berechnung nach konstanten Anteilen auf der Grundlage der Monitoringberichte andere als die von der Bundesnetzagentur verwendeten konstanten Anteile ergeben hätten oder dies ein der Betroffenen günstigeres Ergebnis zur Folge gehabt hätte. Dass sich die von der Rechtsbeschwerde erstmals auf dieser Grundlage behaupteten Anteile der Haushalts-, Industrie- und Gewerbekunden so stark verändert hätten, dass nach den dafür geltenden Maßgaben (vgl. BGHZ 228, 286 Rn. 55 - Genereller sektoraler Produktivitätsfaktor) eine jahresscharfe Gewichtung der Verbrauchsanteile zwingend erforderlich gewesen wäre und der von der Bundesnetzagentur aus Gründen eines mit der Vorgehensweise des Statistischen Bundesamts konsistenten Vorgehens gewählte methodische Ansatz nicht mehr als mit den gesetzlichen Vorgaben vereinbar angesehen werden könnte, kann dem Vortrag der Betroffenen nicht entnommen werden.
Rz. 29
c) Entgegen der Annahme des Beschwerdegerichts fehlt es weder an einer hinreichenden Begründung für die Einbeziehung des Jahres 2006 in das gewählte Stützintervall, noch wurde die Betroffene - wie diese meint - nicht ausreichend dazu angehört.
Rz. 30
aa) Die Bundesnetzagentur hat sich an dem Ziel orientiert, den längsten möglichen Zeitraum, für den Daten verfügbar sind, als Stützintervall heranzuziehen, um den Einfluss temporärer Effekte zu mindern. Aus dem Umstand, dass die Bundesnetzagentur den Produktivitätsfaktor nach § 9 Abs. 3 Satz 1 ARegV vor Beginn der Regulierungsperiode, im Streitfall also vor dem 1. Januar 2018 zu ermitteln hatte, ergibt sich, dass 2016 das letzte Jahr ist, das nach der verfügbaren Datenlage vollständig in die Betrachtung einbezogen werden kann (BGHZ 228, 286 Rn. 65 - Genereller sektoraler Produktivitätsfaktor). Dabei hat die Bundesnetzagentur im Einzelnen angegeben, warum sie die Qualität der Daten, insbesondere auch der des Jahres 2006, für ausreichend erachtet. Der Senat hält unter Berücksichtigung des Vorbringens der Betroffenen im hiesigen Verfahren daran fest, dass sie damit den Begründungsanforderungen genügt hat (BGHZ 228, 286 Rn. 59 bis 67 - Genereller sektoraler Produktivitätsfaktor).
Rz. 31
bb) Abgesehen davon greift auch der Einwand der Rechtsbeschwerde der Betroffenen nicht durch, es habe keine ausreichende Anhörung stattgefunden und es stelle sich die Frage, wie Daten von lediglich 40 Unternehmen den gesamten Datensatz hätten in einer Weise verbessern können, "dass sich dieser von einer völligen Unbrauchbarkeit hin zu einer Plausibilisierungsrate von 99 % entwickelt haben" solle. Dass der Datensatz von der Bundesnetzagentur zunächst als "völlig unbrauchbar" angesehen worden sei, trifft schon nicht zu. Die Bundesnetzagentur hat laut dem am 12. Oktober 2017 veröffentlichten Konsultationsentwurf zur Festlegung des Produktivitätsfaktors bei den Betreibern von Gasversorgungsnetzen Daten aus der Gewinn- und Verlustrechnung für den Zeitraum 2006 bis 2016 abgefragt und diese auf Plausibilität überprüft (Konsultationsentwurf S. 12 f.). Dabei hat sie 700 von 727 Datensätzen als plausibel und vollständig eingestuft. Hintergrund für den Zeitraum der Abfrage war, dass erstmalig 2006 ein Jahresabschluss von allen Netzbetreibern anzufertigen war (Konsultation S. 15). In der Konsultationsfassung ging die Bundesnetzagentur noch davon aus, dass es sachgerecht sei, auf den Zeitraum 2007 bis 2016 abzustellen, weil für 2006 "entgegen der o.g. Beschreibung" vermehrt keine Daten hätten geliefert werden können und die vorgelagerten Netzkosten regelmäßig nicht in der Gewinn- und Verlustrechnung enthalten gewesen seien (Konsultation S. 15). In dem sechs Wochen später am 24. November 2017 veröffentlichten Papier zur Nachkonsultation, das somit wiederum allen Marktteilnehmern zugänglich war, führt die Bundesnetzagentur aus, den Stellungnahmen sei zu entnehmen, dass die Marktteilnehmer grundsätzliche Vorteile in der Einbeziehung des Jahres 2006 sähen und kritisch hinterfragt worden sei, wie mit möglichen verzerrenden Einflüssen, insbesondere den Aufwendungen für vorgelagerte Netze, umgegangen werden solle (Nachkonsultation S. 2). Die betroffenen Netzbetreiber hätten der Bundesnetzagentur weitere Daten des Jahres 2006 übermitteln können. Diese Daten seien nach einer Plausibilisierung in die Berechnung des Produktivitätsfaktors implementiert worden. Die Beschlusskammer halte es daher für dringend geboten, diese Daten ebenfalls für die genannte Berechnung zu verwenden, wobei dem fehlenden Ausweis der vorgelagerten Netzkosten durch die Bereinigung der Umsatzerlöse und der Aufwendungen für bezogene Leistungen um die Aufwendungen für vorgelagerte Netze Rechnung getragen werde (Nachkonsultation S. 3).
Rz. 32
d) Der Senat hat bereits entschieden, dass die Bundesnetzagentur mit der Entscheidung für das längste nach der Datenlage zur Verfügung stehende Stützintervall unter Einschluss des Jahres 2006 von ihrem Beurteilungsspielraum entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts nicht fehlerhaft Gebrauch gemacht hat (BGHZ 228, 286 Rn. 58 ff. - Genereller sektoraler Produktivitätsfaktor). Daran hält er auch im Licht der im Rechtsbeschwerdeverfahren von der Betroffenen erhobenen Einwände fest. Die Rüge der Betroffenen, das Jahr 2006 habe nicht in das Stützintervall einbezogen werden dürfen, ist nicht begründet.
Rz. 33
aa) Die Betroffene macht geltend, 2006 stelle ein "Ausreißerjahr" dar, weil in diesem Jahr keine mit den Folgejahren vergleichbaren Rahmenbedingungen bestanden hätten und damit die Prognosegüte des festgelegten Produktivitätsfaktors verzerrt werde. Das ergebe sich daraus, dass die Netzentgelte erst im und für das Jahr 2007 genehmigt worden seien. Die Analysen der Betroffenen zeigten, dass auf der Inputseite die geleisteten Arbeitsstunden und das Bruttoanlagevermögen sowie die Vorleistungen und auf der Outputseite die Umsatzerlöse und die Netzentgelte in den Jahren 2006 zu 2007 die negativsten Veränderungsraten des gesamten Zeitverlaufs aufwiesen, was den Strukturbruch belege. Die Netzentgelte seien von 2006 auf 2007 unter anderem wegen des Systemwechsels auf das sogenannte Zweivertragsmodell stark gesunken. Wegen der Mehrerlösabschöpfung seien die Umsatzerlöse in den Jahren 2006 und 2010 bis 2012 verfälscht.
Rz. 34
bb) Die Bundesnetzagentur ist dem bereits in der Festlegung entgegengetreten (Festlegung S. 18 ff.). Angesichts der ab dem Jahr 2006 geltenden Verpflichtung zur Erstellung eines separaten Tätigkeitsberichts gemäß § 10 EnWG aF i.V.m. § 114 EnWG aF sowie des Ziels, einen möglichst langen Zeitraum zu berücksichtigen, hat sie ein Stützintervall vom Beginn der Regulierung 2006 bis 2016 für sachgerecht gehalten. Sie hat im Einzelnen aufgezeigt, dass die Schwankungen der totalen Faktorproduktivität, des Bruttoanlagevermögens, der geleisteten Arbeitsstunden, der Vorleistungen und des preisbereinigten Bruttoproduktionswerts sich auch im Vergleich mit anderen Entwicklungen innerhalb der übrigen Jahre im Stützintervall in einem nicht völlig ungewöhnlichen Bereich bewegen und insgesamt plausibel erscheinen. Sie hat sich aus diesem Grund, und weil es sich bei allen in die Berechnung eingehenden Daten um umfangreich plausibilisierte Daten aus den Jahresabschlüssen der Gasnetzbetreiber handele und mögliche strukturelle Veränderungen daher die tatsächlichen Gegebenheiten abbildeten, für das längst mögliche Stützintervall entschieden (Festlegung S. 19 f.).
Rz. 35
cc) Das ist nicht zu beanstanden. Die Bundesnetzagentur hat - wie der Konsultationsprozess zeigt - den bestehenden Konflikt zwischen der Anwendung eines aus ihrer Sicht grundsätzlich vorzugswürdigen möglichst langen Zeitraums und der Eignung des Jahres 2006 für die Prognose erkannt. Sie hat ihn nach Prüfung und Anhörung der Marktteilnehmer gelöst und sich für das längst mögliche Stützintervall mit der Begründung entschieden, dass einer fehlenden Vergleichbarkeit durch die Bereinigung der Positionen "Umsatz" und "Aufwendungen für bezogene Leistungen" um die Position "Aufwendungen für vorgelagerte Netze" habe Rechnung getragen werden können. Etwaige Abwägungsfehler (vgl. BGHZ 228, 286 Rn. 157 - Genereller sektoraler Produktivitätsfaktor) sind weder aufgezeigt noch ersichtlich. Zu Recht hat die Bundesnetzagentur darauf hingewiesen, dass es nicht geboten ist, die verwendete Datengrundlage um sämtliche durch regulatorische Entscheidungen hervorgerufenen Effekte zu bereinigen (vgl. BGHZ 228, 286 Rn. 74 - Genereller sektoraler Produktivitätsfaktor).
Rz. 36
dd) Angesichts der von ihr festgestellten und auf regulatorische Einflüsse zurückgeführten erheblichen Schwankungen hat die Bundesnetzagentur den Produktivitätsfaktor unter dem sich insgesamt in der Betrachtung von acht möglichen Stützintervallen ergebenden Mittelwert von 0,51 % und deutlich unter den vom Gesetzgeber für die erste und zweite Regulierungsperiode bestimmten Werten von 1,25 % und 1,5 % festgelegt. Hätte sie dagegen in Ausübung ihres Beurteilungsspielraums und -ermessens einen anderen Zeitraum herangezogen, der den Anforderungen des § 9 Abs. 3 Satz 2 ARegV entspricht und bei dem - zum Ausschluss etwaiger Ergebnisverzerrungen - jeweils das Jahr vor und nach einem Basisjahr einbezogen wird, hätte sich das für die Betroffene deutlich ungünstigere Stützintervall 2009 bis 2016 mit einem Wert von 2,14 % ergeben (BGHZ 228, 286 Rn. 75 - Genereller sektoraler Produktivitätsfaktor).
Rz. 37
ee) Das Beschwerdegericht hat nicht festgestellt, dass die Datengrundlage der Entscheidung der Bundesnetzagentur in Bezug auf das Jahr 2006 ganz oder teilweise tatsächlich unzureichend oder unzuverlässig war. Die Betroffene zeigt im Rechtsbeschwerdeverfahren auch nicht auf, dass sie im Beschwerdeverfahren Tatsachenvortrag gehalten hat, der geeignet war, die Begründung der Bundesnetzagentur für die von ihr bejahte Validität der herangezogenen Daten nach den dafür geltenden Maßstäben ausreichend zu erschüttern (vgl. BGH, ZNER 2021, 392 Rn. 68 ff.).
Rz. 38
(1) Soweit die Betroffene meint, der Senat müsse den Rechtsstreit an das Beschwerdegericht zurückverweisen, damit sie Gelegenheit erhalte, ihren Sachvortrag zu der unzureichenden Datenqualität des Jahres 2006 zu ergänzen, und insoweit umfangreichen neuen Sachvortrag hält, verhilft ihr das nicht zum Erfolg. Im Rechtsbeschwerdeverfahren kann dieser neue Sachvortrag gemäß § 88 Abs. 2, 4 EnWG nicht mehr eingeführt werden; eine zulässige und begründete Verfahrensrüge ist insoweit nicht erhoben worden (vgl. BGH, Beschlüsse vom 5. November 2004 - BLw 11/04, WM 2005, 102 [juris Rn. 14]; vom 12. September 2012 - IV ZB 12/12, WM 2013, 895 Rn. 11; vom 9. Januar 2018 - II ZB 14/16, WM 2018, 556 Rn. 42; vom 15. Dezember 2020 - EnVR 115/18, EnWZ 2021, 161 Rn. 18). Die Betroffene hätte bereits im Beschwerdeverfahren entsprechend vorbringen können und müssen. Hiervon war sie durch den Untersuchungsgrundsatz (§ 82 Abs. 1 EnWG) nicht entbunden.
Rz. 39
(2) Abgesehen davon ist das Vorbringen aber auch nicht geeignet, eine Verpflichtung zu weiteren Ermittlungen zu begründen. Die Betroffene macht geltend, insbesondere für das Jahr 2006 sei die Datenqualität durch Schätzungen, Mittelwertbildungen oder Ableitung von Werten beeinträchtigt gewesen und legt dazu fünf Schreiben von Netzbetreibern aus den Monaten Juli und August 2017 sowie einen undatierten Auszug aus dem Erhebungsbogen eines Netzbetreibers vor. Diese Unterlagen sind allerdings im Hinblick auf den Umstand, dass auch die Bundesnetzagentur die Schwierigkeiten bei der Datenermittlung erkannt und Daten im zweiten Halbjahr 2017 umfangreich nachgefordert und plausibilisiert hat, ohne Aussagekraft für die letztlich verwendete Datengrundlage. Zudem besteht ohnehin keine Verpflichtung, die Validität der Datengrundlagen einer gewählten Methode vollständig nachzuprüfen (BGHZ 228, 286 Rn. 19 - Genereller sektoraler Produktivitätsfaktor). Die Validität der Datengrundlage gehört deshalb zu den Umständen, die die Bundesnetzagentur unter Berücksichtigung des Standes wissenschaftlicher Erkenntnis zu prüfen und zu bewerten und zu anderen Gesichtspunkten ins Verhältnis zu setzen hat. Das ist hier - wie bereits ausgeführt - geschehen, ohne dass nach den dafür geltenden Maßgaben (BGHZ 228, 286 Rn. 24 - Genereller sektoraler Produktivitätsfaktor) Abwägungsfehler aufgezeigt oder ersichtlich sind. Dass die Datengrundlage greifbar, mithin in einem Maße ungeeignet gewesen sei, dass die Bundesnetzagentur sie nach den genannten Maßstäben nicht mehr mit den gesetzlichen Vorgaben als vereinbar hätte ansehen dürfen, legt die Betroffene - auch mit ihrem neuen Vortrag - nicht dar.
Rz. 40
(3) Soweit die Betroffene schließlich in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat - wie bereits im Beschwerdeverfahren - geltend gemacht hat, es sei ihr angesichts der fehlenden vollständigen Offenlegung der Datenquellen, mithin der von der Bundesnetzagentur durch die Datenabfrage ermittelten (Einzel-)Datensätze und den bei der Bundesnetzagentur geführten Akten zu deren Plausibilisierung (vgl. Festlegung S. 12 bis 15; BGH, ZNER 2021, 392 Rn. 70), nicht möglich, eine greifbare Ungeeignetheit der Datengrundlage aufzuzeigen, weshalb sie in ihrem Recht auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG beeinträchtigt sei, greift auch das nicht durch. Die Betroffene berücksichtigt nicht ausreichend, dass die gegenläufigen Interessen des einzelnen Netzbetreibers an möglichst weitgehender Transparenz des Festlegungsverfahrens und seiner gerichtlichen Überprüfung und der an diesem Verfahren beteiligten weiteren Netzbetreiber am Schutz ihrer Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse unter Berücksichtigung der von der Regulierungsbehörde im Interesse der Allgemeinheit (§ 1 EnWG) zu erfüllenden regulatorischen Aufgaben in Einklang zu bringen sind (vgl. BGHZ 228, 286 Rn. 28 - Genereller sektoraler Produktivitätsfaktor; ZNER 2020, 234 Rn. 38 - Eigenkapitalzinssatz III; BGH, Beschluss vom 21. Januar 2014 - EnVR 12/12, RdE 2014, 276 Rn. 89 - Stadtwerke Konstanz GmbH). Dabei ist zunächst festzuhalten, dass die Bundesnetzagentur die von ihr ermittelten Daten in aggregierter Form veröffentlicht hat (Festlegung S. 15). Auf dieser Grundlage konnte die Betroffene die von der Bundesnetzagentur vorgenommene Berechnung im Rahmen der Törnqvist-Methode nachvollziehen und aufgrund der dadurch ermöglichten Überprüfung zahlreiche und umfangreich begründete Beanstandungen erheben, die auch Gegenstand des vorliegenden Verfahrens geworden sind. Das Vorgehen bei der Plausibilisierung der Daten (auch des Jahres 2006) hat die Bundesnetzagentur in der Festlegung ausführlich geschildert (Festlegung S. 14 f.); dass dieses von vornherein ungeeignet gewesen sei, ist weder geltend gemacht noch ersichtlich. Hinsichtlich der Datenquellen hat die Bundesnetzagentur zu Recht angenommen, eine vollständige Offenlegung der Datengrundlage im Festlegungsverfahren sei angesichts des Widerspruchs zahlreicher Unternehmen im Hinblick auf die darin enthaltenen Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, deren Schutz sie zu gewährleisten habe (vgl. dazu BGH, RdE 2014, 276 Rn. 79 - Stadtwerke Konstanz GmbH), nicht möglich gewesen. Dass sie sich um eine - grundsätzlich mögliche - Akteneinsicht bemüht habe (vgl. dazu das Parallelverfahren BGH, ZNER 2021, 392 Rn. 70) macht die Betroffene schon nicht geltend und ist auch nicht ersichtlich.
Rz. 41
ff) Der Senat hat bereits entschieden, dass der Annahme des Beschwerdegerichts nicht beigetreten werden kann, die für die betrachteten acht möglichen Stützintervalle ermittelten Werte für den Produktivitätsfaktor unterlägen wegen der Spannweite von -2,25 % (2007 bis 2016) bis 2,95 % (2011 bis 2016) so starken Schwankungen, dass der herangezogene Wert von 0,49 % für das Intervall 2006 bis 2016 nicht als hinreichend robust angesehen werden könne, die Bundesnetzagentur vielmehr die Ursachen dieser Schwankungen hätte überprüfen müssen, weshalb mangels einer solchen Prüfung ein Ermittlungs- und Ermessensdefizit vorliege (BGHZ 228, 286 Rn. 77 bis 91 - Genereller sektoraler Produktivitätsfaktor). Daran hält der Senat auch im Licht der von der Betroffenen erhobenen Einwendungen fest. Unzutreffend greift die Betroffene auf die für die Eingriffsverwaltung anerkannten Grundsätze zurück. Mit den Erwägungen des Senats zu den Grenzen der rechtlichen Determinierung und Determinierbarkeit der Aufklärung und Bewertung komplexer ökonomischer Zusammenhänge im Allgemeinen und der regulatorischen Aufgaben im Besonderen setzt sie sich in der Sache nicht auseinander.
Rz. 42
4. Der Nachprüfung im Rechtsbeschwerdeverfahren hält es ferner nicht stand, dass das Beschwerdegericht im Rahmen der Törnqvist-Methode die Berechnung der Abschreibungen auf Anlagegüter als Bestandteil der netzwirtschaftlichen Einstandspreisentwicklung für fehlerhaft gehalten hat. Auf die Begründung des Beschlusses vom 26. Januar 2021 (BGHZ 228, 286 Rn. 92 ff. - Genereller sektoraler Produktivitätsfaktor) wird verwiesen. Daran hält der Senat unter Berücksichtigung des Vorbringens der Betroffenen fest, nachdem sich neue Gesichtspunkte im vorliegenden Verfahren nicht ergeben haben. Auch insoweit ist nach der gebotenen richtlinienkonformen Auslegung des § 9 ARegV diejenige zu wählen, die der Bundesnetzagentur den größtmöglichen Spielraum einräumt. Demgegenüber ist entgegen der Ansicht der Betroffenen eine Auslegung dahin, dass regulatorische statt handelsrechtlicher Grundsätze anzuwenden sind, auch im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG nicht geboten. Soweit die Betroffene auf die Feststellungen des Beschwerdegerichts und die Ausführungen des Sachverständigen Bezug nimmt, beruhen diese auf der rechtsfehlerhaften Annahme, die Bundesnetzagentur habe von Gesetzes wegen regulatorische Grundsätze anzuwenden. Auf die Anwendung dieser Grundsätze bezieht sich denn auch die von der Betroffenen angeführte Aussage des Sachverständigen, eine kalkulatorische Betrachtungsweise erfordere eine Indexierung der Abschreibungsbasis, weshalb ein konstanter Abschreibungspreisindex wenig sachgerecht erscheine.
Im Hinblick auf die erforderliche Begründung durch die Bundesnetzagentur geht die Betroffene von einem unzutreffenden Maßstab aus. Wie der Senat bereits ausgeführt hat, hat die Bundesnetzagentur ihre Vorgehensweise nachvollziehbar und ausreichend begründet (vgl. BGHZ 228, 286 Rn. 100 ff. - Genereller sektoraler Produktivitätsfaktor). Entgegen der Ansicht der Betroffenen ist insoweit auch keine Zurückverweisung erforderlich. Die Betroffene zeigt nicht auf, dass ein anderes methodisches Vorgehen unter Berücksichtigung des damit verbundenen Aufwands und aller weiteren maßgeblichen Umstände so deutlich überlegen gewesen wäre, dass die getroffene Auswahlentscheidung nicht mehr mit den gesetzlichen Vorgaben als vereinbar angesehen werden kann (vgl. BGHZ 228, 286 Rn. 24, 28, 100 ff. - Genereller sektoraler Produktivitätsfaktor mwN).
Rz. 43
5. Zu Unrecht beanstandet das Beschwerdegericht, dass die Bundesnetzagentur bei der Ermittlung der netzwirtschaftlichen Einstandspreisentwicklung im Rahmen der Törnqvist-Methode einen jährlich aktualisierten Zins für das eingesetzte Fremdkapital herangezogen hat.
Rz. 44
a) Auf die Begründung des Beschlusses vom 26. Januar 2021 (BGHZ 228, 286 Rn. 104 ff. - Genereller sektoraler Produktivitätsfaktor) wird zunächst verwiesen. Auch daran hält der Senat unter Berücksichtigung des Vorbringens der Betroffenen fest. Soweit die Betroffene sich durch den der Bundesnetzagentur eingeräumten Beurteilungsspielraum und das ihr eingeräumte Regulierungsermessen im Zusammenhang mit den Begründungsanforderungen in ihrem Recht auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG beeinträchtigt sieht, wird auf das oben Ausgeführte (Rn. 16 ff.) Bezug genommen.
Rz. 45
b) Es trifft aber auch in der Sache nicht zu, dass die Bundesnetzagentur die Festlegung nicht ausreichend begründet hat. Die Bundesnetzagentur hat ihre Entscheidung mit der Erwägung begründet, grundsätzlich sei im Gegensatz zum Eigenkapital davon auszugehen, dass Fremdkapital flexibel sei und daher die genannten jährlichen Kapitalmarktzinsen als Referenz für die Entwicklung der tatsächlichen Fremdkapitalzinsen dienen könnten. Es sei auch daran zu erinnern, dass es nicht auf die absolute Zinshöhe ankomme, sondern auf die Veränderungsraten im Zeitraum von 2006 bis 2016 (Festlegung S. 32). Aus dieser kurzen aber ausreichenden Begründung lässt sich die Erwägung entnehmen, dass es auf eine branchenweite und im Gegensatz zur Kostenprüfung nicht punktuelle, sondern verlaufsbezogene Zinsentwicklung ankommt (BGHZ 228, 286 Rn. 108, 110 - Genereller sektoraler Produktivitätsfaktor).
Rz. 46
c) Schließlich ist entgegen der Ansicht der Betroffenen auch keine Zurückverweisung erforderlich. Die Betroffene zeigt nicht auf, dass ein anderes methodisches Vorgehen unter Berücksichtigung des damit verbundenen Aufwands und aller weiteren maßgeblichen Umstände so deutlich überlegen gewesen wäre, dass die getroffene Auswahlentscheidung nicht mehr mit den gesetzlichen Vorgaben als vereinbar angesehen werden kann (vgl. BGHZ 228, 286 Rn. 24, 28, 100 ff. - Genereller sektoraler Produktivitätsfaktor mwN). Sie macht in der Sache geltend - was indes von der Bundesnetzagentur berücksichtigt worden ist (Festlegung S. 31) -, dass das Fremdkapital der Netzbetreiber langfristig gebunden sei, der Ansatz der Bundesnetzagentur daher nicht der ökonomischen Realität und ökonomischen Grundsätzen entspreche und sich beim Ansatz eines rollierenden Mittelwerts ein ihr günstigerer Wert des Produktivitätsfaktors ergebe. Das reicht aber nicht aus (vgl. BGHZ 228, 286 Rn. 25, 157 - Genereller sektoraler Produktivitätsfaktor). Denn dem lässt sich nicht nachvollziehbar entnehmen, dass zur Erfassung der Entwicklung der Finanzierungskosten während des betrachteten Stützintervalls - mithin der Veränderungsraten in diesem Zeitraum - ein mehrere Jahre umfassender rollierender Mittelwert einer jährlichen Durchschnittsbildung im obigen Sinne greifbar überlegen wäre.
Rz. 47
6. Die Annahme des Beschwerdegerichts, die Bundesnetzagentur habe den Produktivitätsfaktor nach der Malmquist-Methode fehlerhaft ermittelt, weil sie keine Bestabrechnung entsprechend § 12 Abs. 3 und 4a ARegV vorgenommen habe, trifft nicht zu. Die Voraussetzungen für eine entsprechende Anwendung dieser Vorschriften liegen - wie der Senat bereits entschieden hat (BGHZ 228, 286 Rn. 112 ff. - Genereller sektoraler Produktivitätsfaktor) - nicht vor. Darauf wird verwiesen, nachdem sich neue Gesichtspunkte im vorliegenden Verfahren insoweit nicht ergeben haben. Eine Zurückverweisung zur weiteren Aufklärung ist entgegen der Ansicht der Betroffenen nicht erforderlich, weil sie nicht aufzeigt, dass ein anderes methodisches Vorgehen so deutlich überlegen gewesen wäre, dass die getroffene Auswahlentscheidung nicht mehr mit den gesetzlichen Vorgaben als vereinbar angesehen werden kann (BGHZ 228, 286 Rn. 24, 28 - Genereller sektoraler Produktivitätsfaktor mwN). Das im Beschwerdeverfahren unter Beweis gestellte und im Rechtsbeschwerdeverfahren in Bezug genommene Vorbringen, dass sich bei einer Bestabrechnung der Produktivitätsfaktor zugunsten der Betroffenen reduziert hätte, sowie dass die Begründung der Bundesnetzagentur nicht zutreffe, reicht dafür nicht aus. Denn diesem lässt sich nicht nachvollziehbar entnehmen, dass durch eine Auswahl aus den Analyse-ergebnissen im Sinne einer Bestabrechnung die Gefahr einer unzutreffenden Abschätzung des Produktivitätsfaktors verringert würde (vgl. BGHZ 228, 286 Rn. 124 - Genereller sektoraler Produktivitätsfaktor).
Rz. 48
7. Entgegen der Ansicht der Betroffenen steht das Unionsrecht dem der Bundesnetzagentur eingeräumten Beurteilungsspielraum und Regulierungsermessen nicht entgegen. Eine Vorlage an den Gerichtshof ist nicht veranlasst. Die Frage, ob Vorschriften der Richtlinie oder der Charta der Grundrechte eine Reduktion der gerichtlichen Kontrolldichte im Hinblick auf die Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde erlauben, ist, soweit sie für die Entscheidung des Senats von Bedeutung ist, bereits geklärt.
Rz. 49
a) Der Gerichtshof hat entschieden, dass die den Regulierungsbehörden eingeräumte (völlige) Unabhängigkeit gegenüber Wirtschaftsteilnehmern und öffentlichen Einrichtungen notwendig ist, um unparteiische und nicht diskriminierende Entscheidungen zu gewährleisten. Zudem gibt ihnen die (völlige) Trennung von der politischen Macht die Möglichkeit, bei ihrem Handeln eine langfristige Perspektive zu verfolgen, die notwendig ist, um die Ziele der Richtlinie zu verwirklichen. Der von der Richtlinie vorgegebene und durch weitere Rechtsakte konkretisierte normative Rahmen für die Tarife und Berechnungsmethoden für den inländischen und grenzüberschreitenden Handel ist ausreichend detailliert, so dass es nicht erforderlich ist, Kriterien für die Berechnung der Tarife auf nationaler Ebene aufzustellen. Er ergibt sich aus Art. 41 Abs. 1, 6 Buchst. a und b, 8 und 10 der Richtlinie und sieht unter anderem die Bestimmung transparenter Kriterien für die Fernleitungs- und Verteilungstarife und die entsprechenden Berechnungsmethoden, ihre Angemessenheit und nicht diskriminierende Anwendung, die Berücksichtigung der für ihre Lebensfähigkeit erforderlichen notwendigen Investitionen in die Netze sowie schließlich die Sicherstellung angemessener Anreize dafür vor, sowohl kurz- als auch langfristig die Effizienz zu steigern. Diese den Regulierungsbehörden - mithin auch der Bundesnetzagentur - vorbehaltenen Zuständigkeiten ermöglichen keine echten politischen Entscheidungen, sondern fallen in den Bereich der Durchführung, und zwar auf der Grundlage einer technisch-fachlichen Beurteilung der Wirklichkeit (EuGH, Urteil vom 2. September 2021 - C-718/18, juris Rn. 112 ff.).
Rz. 50
b) Daraus folgt, dass sich die von der Richtlinie in Art. 41 Abs. 16 und 17 vorgesehene gerichtliche Kontrolle nur auf den sich aus der Richtlinie ergebenden normativen Rahmen erstreckt. Die sich aus § 21a EnWG und §§ 1 ff. ARegV in Bezug auf den Produktivitätsfaktor ergebenden Vorgaben, deren gerichtliche Überprüfung und Kontrolle die Betroffene verlangt, weisen demgegenüber einen unionsrechtlich unzulässigen Detaillierungsgrad auf. Sie beziehen sich auf eines von zahlreichen Elementen im Rahmen einer komplexen Berechnung, die letztlich zu einer Festsetzung der Netzentgelte führt, wobei dieses Element - der Produktivitätsfaktor - wie bereits dargestellt nicht eindeutig bestimmt, sondern unter Verwendung ökonometrischer Methoden nur abgeschätzt werden kann. Die Betroffene zeigt nicht auf und es ist auch nicht ersichtlich, dass der der Bundesnetzagentur bei der Abschätzung dieses Einzelelements eingeräumte Beurteilungsspielraum gegen den von der Richtlinie vorgegebenen normativen Rahmen verstößt oder die Bundesnetzagentur den sich aus der Richtlinie oder der Charta der Grundrechte ergebenden Verfahrensanforderungen nicht nachgekommen wäre.
Rz. 51
III. Die Beschwerdeentscheidung kann hiernach keinen Bestand haben, soweit sie den Einwänden der Betroffenen stattgibt. Sie erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als im Ergebnis zutreffend.
Rz. 52
1. Entgegen der Ansicht der Betroffenen war die Bundesnetzagentur nicht daran gehindert, die angefochtene Festlegung noch nach dem 1. Januar 2018 zu erlassen.
Rz. 53
a) Die Bundesnetzagentur hat gemäß § 9 Abs. 3 Satz 1 ARegV den Produktivitätsfaktor ab der dritten Regulierungsperiode jeweils vor Beginn der Regulierungsperiode für die gesamte Regulierungsperiode zu ermitteln. Die dritte Regulierungsperiode Gas begann am 1. Januar 2018. Die Bundesnetzagentur hatte wegen einer eingetretenen zeitlichen Verzögerung beim Effizienzvergleich, die dazu führte, dass keine ausreichende Datengrundlage vorhanden war, von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, eine vorläufige Anordnung hinsichtlich des Produktivitätsfaktors zu erlassen (Festlegung S. 3, 4). Nachdem der Effizienzvergleich (behördenintern) abgeschlossen war, erging am 21. Februar 2018 die angefochtene Festlegung.
Rz. 54
b) Entgegen der Ansicht der Betroffenen enthält § 9 Abs. 3 Satz 1 ARegV keine "Ausschlussfrist" mit der Folge, dass ein Produktivitätsfaktor nach dem 1. Januar 2018 nicht mehr hätte festgesetzt werden dürfen. Dem Wortlaut der Regelung lässt sich das nicht entnehmen. Danach hat die Bundesnetzagentur den Produktivitätsfaktor zwar vor der Regulierungsperiode zu ermitteln. Dass seine Festlegung aber nicht mehr möglich ist, wenn das nicht rechtzeitig gelingt, ergibt sich daraus nicht. Auch Sinn und Zweck der Festlegung der Erlösobergrenze steht der von der Betroffenen behaupteten Auslegung entgegen. Er besteht darin, die Erlösobergrenze so festzulegen und die in ihre Festlegung eingehenden Werte so zu bemessen, dass die Netznutzungsentgelte auf der Grundlage der Kosten einer effizienten Leistungserbringung unter Einschluss einer angemessenen, wettbewerbsfähigen und risikoangepassten Verzinsung des eingesetzten Kapitals bestimmt werden. Eine zu geringe Erlösobergrenze ist dabei ebenso zu vermeiden wie eine zu hohe. Die Regulierung der Netznutzungsentgelte trägt dem Umstand Rechnung, dass sich den Kosten einer effizienten Leistungserbringung entsprechende Entgelte nicht im Wettbewerb herausbilden können. Das Ziel einer möglichst sicheren, preisgünstigen, verbraucherfreundlichen, effizienten und umweltverträglichen leitungsgebundenen Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität und Gas, die zunehmend auf erneuerbaren Energien beruht, gilt auch für die Regulierung der Netznutzungsentgelte (BGHZ 228, 286 Rn. 25 - Genereller sektoraler Produktivitätsfaktor). Im Hinblick darauf verbietet sich eine Auslegung, die dazu führen müsste, dass zu hohe oder zu niedrige Netzentgelte festgelegt werden, weil die Festsetzung des Produktivitätsfaktors nicht rechtzeitig gelingt. Schließlich ist auch nach der gebotenen richtlinienkonformen Auslegung des § 9 Abs. 3 Satz 1 ARegV diejenige zu wählen, die der Bundesnetzagentur den größtmöglichen Spielraum einräumt.
Rz. 55
c) Die Bundesnetzagentur hat die Festlegung im Hinblick auf die genannte Zielsetzung erst getroffen, nachdem eine ausreichende Datengrundlage vorhanden war. Dazu war sie in Ausübung des ihr eingeräumten Regulierungsermessens berechtigt. Abwägungsfehler hinsichtlich der im Spannungsfeld zwischen regulatorischer Rechtzeitigkeit und dem Erfordernis einer ausreichenden Datengrundlage zu treffenden Entscheidung über den Zeitpunkt der Festlegung sind weder aufgezeigt noch ersichtlich.
Rz. 56
2. Schließlich bleiben auch die Rügen der Betroffenen gegen die von der Bundesnetzagentur bei der Anwendung der Malmquist-Methode getroffenen Auswahlentscheidungen ohne Erfolg.
Rz. 57
a) Die Betroffene meint, die Anwendung der Malmquist-Methode durch die Bundesnetzagentur sei unwissenschaftlich und daher zu verwerfen, weil sie den Malmquist-Produktivitätsindex entgegen § 9 Abs. 3 ARegV auf zu wenige Datenpunkte anwende, sie die Daten der Teilnehmer des vereinfachten Verfahrens nicht berücksichtigt habe und die Datengrundlage aus verschiedenen Gründen nicht konsistent sei.
Rz. 58
b) Das bedarf indes entgegen der Ansicht der Betroffenen schon deshalb keiner weiteren Aufklärung, weil die Betroffene nicht etwa geltend macht, dass der Produktivitätsfaktor bei richtiger Anwendung der Malmquist-Methode auf einen niedrigeren Wert als 0,49 % hätte festgesetzt werden müssen. Sie meint vielmehr, dass aufgrund der verfügbaren Datengrundlage eine Ermittlung des Produktivitätsfaktors nach der Malmquist-Methode (gar) nicht möglich sei. Das kann indes unterstellt werden, denn in diesem Fall hat die Bundesnetzagentur den von ihr festgesetzten Produktivitätsfaktor jedenfalls nach der Törnqvist-Methode - wie oben ausgeführt - zutreffend ermittelt und rechtsfehlerfrei bestimmt.
Rz. 59
c) Abgesehen davon greifen die Einwände der Betroffenen aber auch in der Sache nicht durch. Gemäß § 9 Abs. 3 Satz 2 und 3 ARegV hat die Ermittlung des Produktivitätsfaktors unter Einbeziehung der Daten von Netzbetreibern aus dem gesamten Bundesgebiet für einen Zeitraum von mindestens vier Jahren zu erfolgen. Die Bundesnetzagentur kann bei der Ermittlung auf die Verwendung der Daten von Netzbetreibern verzichten, die die Teilnahme am vereinfachten Verfahren nach § 24 Abs. 2 ARegV gewählt haben. Es lässt sich mithin dem eindeutigen Wortlaut der Regelung entnehmen, dass die Daten der Teilnehmer des vereinfachten Verfahrens nicht zu berücksichtigen sind. Wie der Senat zudem bereits ausgeführt hat (BGHZ 228, 286 Rn. 113 f. - Genereller sektoraler Produktivitätsfaktor), beruht der Malmquist-Index in der Vorgehensweise der Bundesnetzagentur auf dem Ansatz, die Produktivitätsentwicklung aus einem Vergleich der Effizienzwerte der einzelnen Netzbetreiber über die bisherigen Regulierungsperioden zu entwickeln. Dazu hat sie die Datensätze aus den statischen Effizienzvergleichen der Gasnetzbetreiber der ersten drei Regulierungsperioden verwendet, die sich über deutlich mehr als vier Jahre erstrecken. Das steht sowohl mit dem Wortlaut als auch mit Sinn und Zweck von § 9 Abs. 3 Satz 2 ARegV in Einklang.
Rz. 60
C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 90 EnWG.
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