Leitsatz (amtlich)

a) Für die auch konkludent mögliche Hinzuziehung zu einem Betreuungsverfahren ist erforderlich, dass das Gericht dem Beteiligten eine Einflussnahme auf das laufende Verfahren ermöglichen will und dies zum Ausdruck bringt (im Anschluss an Senatsbeschluss v. 13.3.2019 - XII ZB 523/18 - zur Veröffentlichung bestimmt).

b) Allein der Umstand, dass ein Angehöriger bei der Anhörung des Betroffenen anwesend ist, macht ihn nicht zum Beteiligten i.S.d. § 7 FamFG.

 

Normenkette

FamFG §§ 7, 303 Abs. 2 Nr. 1

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 10.08.2018; Aktenzeichen 2-29 T 181/18)

AG Königstein (Beschluss vom 10.04.2018; Aktenzeichen 16 XVII 21/18 B)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der weiteren Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss der 29. Zivilkammer des LG Frankfurt/M. vom 10.8.2018 wird zurückgewiesen.

Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtskostenfrei.

Wert: 5.000 EUR

 

Gründe

I.

Rz. 1

Die Beteiligte zu 1) (im Folgenden: Mutter) wendet sich gegen die Bestellung einer Berufsbetreuerin für ihren Sohn. Der Betroffene leidet an einer Trisomie 21 (Down-Syndrom) mit verzögerter Entwicklung der geistigen Fähigkeiten.

Rz. 2

Das AG hat für den 1973 geborenen Betroffenen eine Berufsbetreuerin für den Aufgabenkreis Gesundheitssorge, Aufenthaltsbestimmung, Vermögenssorge, Wohnungs- bzw. Heimangelegenheiten, Vertretung gegenüber Behörden und Versicherungen sowie Anhalten, Entgegennehmen und Öffnen der Post bestellt. Das LG hat die Beschwerde der Mutter "zurückgewiesen". Hiergegen wendet sie sich mit ihrer Rechtsbeschwerde.

II.

Rz. 3

Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, aber nicht begründet.

Rz. 4

1. Die Beschwerdebefugnis der Mutter des Betroffenen für das Verfahren der Rechtsbeschwerde folgt daraus, dass ihre (Erst-)Beschwerde erfolglos geblieben ist (BGH, Beschl. v. 16.1.2019 - XII ZB 489/18 - juris Rz. 4 m.w.N.).

Rz. 5

2. Die Rechtsbeschwerde ist jedoch unbegründet, weil das LG die Erstbeschwerde gegen den Beschluss des AG zu Recht - der Sache nach - verworfen hat.

Rz. 6

a) Das Recht der Beschwerde gegen eine von Amts wegen ergangene Entscheidung steht nach § 303 Abs. 2 Nr. 1 FamFG im Interesse des Betroffenen u.a. dessen Eltern zu, wenn sie im ersten Rechtszug beteiligt worden sind.

Rz. 7

Ist ein Angehöriger erstinstanzlich nicht beteiligt worden, steht ihm kein Beschwerderecht zu, unabhängig davon, aus welchen Gründen die Beteiligung unterblieben ist. Die Hinzuziehung eines Beteiligten kann allerdings auch konkludent erfolgen, etwa durch das Übersenden von Schriftstücken oder die Ladung zu Terminen. Andererseits genügt die bloße Bekanntgabe der die Instanz abschließenden Entscheidung für eine Beteiligung i.S.v. §§ 7, 274, 303 Abs. 2 FamFG nicht. Denn eine Beteiligung setzt notwendiger Weise die Möglichkeit voraus, dass die beteiligte Person - in welcher Art und Weise auch immer - auf das Verfahren in derselben Instanz Einfluss nehmen kann (BGH v. 16.1.2019 - XII ZB 489/18 - juris Rz. 11 m.w.N.; v. 18.10.2017 - XII ZB 213/16, FamRZ 2018, 197 Rz. 11 m.w.N.). Erforderlich ist zudem, dass das Gericht dem Beteiligten eine solche Einflussnahme ermöglichen will und dies zumindest konkludent zum Ausdruck bringt. Es bedarf daher immer eines vom Gericht gewollten Hinzuziehungsaktes, unabhängig davon, ob es sich um einen Muss-Beteiligten i.S.v. § 274 Abs. 1 FamFG oder - wie hier - um einen Kann-Beteiligten nach § 274 Abs. 4 FamFG handelt (Senat, Beschl. v. 13.3.2019 - XII ZB 523/18 - zur Veröffentlichung bestimmt). Dabei muss das Gericht dem Dritten zu erkennen geben, dass es ihn am Verfahren beteiligen will (vgl. Keidel/Zimmermann, FamFG, 19. Aufl., § 7 Rz. 29).

Rz. 8

Der Senat hat eine konkludent erfolgte Beteiligung etwa für den Fall bejaht, dass ein Angehöriger des Betroffenen bei der erstinstanzlichen Anhörung nicht nur anwesend war, sondern vom Gericht in diese einbezogen wurde (BGH, Beschl. v. 3.2.2016 - XII ZB 493/15, FamRZ 2016, 626 Rz. 6). Dabei steht die Nichterwähnung im Entscheidungsrubrum einer tatsächlichen Hinzuziehung nicht entgegen (BGH, Beschl. v. 18.10.2017 - XII ZB 213/16, FamRZ 2018, 197 Rz. 8 m.w.N.). Die bloße Anregung zur Einleitung eines Verfahrens auf Betreuerwechsel (§ 1908b BGB) führt hingegen nach der Senatsrechtsprechung nicht zur Beteiligung des Anregenden an diesem Verfahren (BGH v. 16.1.2019 - XII ZB 489/18 - juris Rz. 9 m.w.N.; v. 11.7.2018 - XII ZB 471/17, FamRZ 2018, 1607 Rz. 12 m.w.N.).

Rz. 9

b) Gemessen hieran ist die Mutter des Betroffenen im ersten Rechtszug nicht beteiligt worden, so dass sie auch nicht nach § 303 Abs. 2 Nr. 1 FamFG zur Beschwerde befugt ist.

Rz. 10

aa) Zwar hat das AG der Mutter die Möglichkeit eingeräumt, zu der beabsichtigten Einrichtung einer Betreuung für ihren Sohn Stellung zu nehmen. Auch wenn das Gericht damit die Mutter dem Grunde nach in das Verfahren einbezogen hat (vgl. dazu Senatsbeschluss v. 13.3.2019 - XII ZB 523/18 - zur Veröffentlichung bestimmt), kann hier nicht unberücksichtigt bleiben, dass das entsprechende Anschreiben des Gerichts zugleich einen ausdrücklichen Hinweis auf § 7 Abs. 4 FamFG enthält, wonach die Mutter beantragen kann, am Verfahren förmlich beteiligt zu werden. Damit hat das AG zu erkennen gegeben, dass es die Mutter durch die ihr eingeräumte Möglichkeit, Stellung zu nehmen, noch nicht beteiligen wollte. Infolgedessen hat es sie, die keinen Antrag auf Beteiligung gestellt hat, im weiteren Verfahren nicht einbezogen. Es hat ihr keine (weiteren) Schriftstücke übersandt und sie nicht zum Anhörungstermin geladen. Ebenso wenig hat es ihr den Anhörungsvermerk, den Beweisbeschluss und das Sachverständigengutachten übersandt. Deshalb war es aus Sicht des AG nur konsequent, dass es sie nicht im Rubrum aufgeführt und ihr die angefochtene Entscheidung auch nicht bekanntgegeben hat.

Rz. 11

bb) Der Einwand der Rechtsbeschwerde, die Mutter sei konkludent beteiligt worden, weil sie bei der - im häuslichen Umfeld stattgefundenen - Anhörung des Betroffenen zugegen gewesen sei, geht fehl.

Rz. 12

(1) Gemäß § 278 Abs. 1 FamFG hat das Gericht den Betroffenen vor der Bestellung eines Betreuers oder der Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts persönlich anzuhören. Dabei hat es sich einen persönlichen Eindruck von dem Betroffenen zu verschaffen. Diesen persönlichen Eindruck soll sich das Gericht in dessen üblicher Umgebung verschaffen, wenn es der Betroffene verlangt oder wenn es der Sachaufklärung dient und der Betroffene nicht widerspricht.

Rz. 13

(2) Dementsprechend hat das AG den Betroffenen in seinem häuslichen Umfeld angehört. Dass die Mutter, die zu diesem Termin nicht geladen worden ist, bei der Anhörung zugegen war, ist ersichtlich dem Umstand geschuldet gewesen, dass der Betroffene im Hause seiner Mutter lebt. Aus dem Anhörungsvermerk ergibt sich, dass die Mutter lediglich bei der Anhörung anwesend war, nicht aber, dass sie - wie in dem vom Senat bereits entschiedenen Fall (BGH, Beschl. v. 3.2.2016 - XII ZB 493/15, FamRZ 2016, 626 Rz. 6) - vom Gericht in diese einbezogen wurde.

Rz. 14

Auch wenn die Rechtsbeschwerde zutreffend darauf hinweist, dass Anhörungen in Betreuungssachen gem. § 170 Abs. 1 Satz 1 GVG nicht öffentlich sind, führt die Anwesenheit der Mutter ohne ihre Einbeziehung in die Anhörung nicht ohne Weiteres zu einer konkludenten Beteiligung an dem Betreuungsverfahren. Vorstellbar ist etwa, dass das AG der Mutter des Betroffenen als Person seines Vertrauens nach § 170 Abs. 1 Satz 3 GVG - insoweit konkludent - die Anwesenheit gestattet hat. Ebenso wenig kann ausgeschlossen werden, dass das AG irrtümlich die Anwesenheit der Mutter zugelassen hat. Das führte hier infolge unterbliebener Beteiligung am Verfahren jedenfalls nicht zu einer Beschwerdebefugnis der Mutter.

Rz. 15

cc) Ebenso wenig dringt die Rechtsbeschwerde mit ihrem Einwand durch, die Mutter sei durch ihre - gegenüber der Sachverständigen erklärte - Bereitschaft zur Übernahme der Betreuung Beteiligte i.S.d. § 7 FamFG geworden. Allein der Wunsch, sich auch inhaltlich am Verfahren zu beteiligen, führt nicht zu einer Beteiligung i.S.v. § 7 FamFG. Selbst eine (inhaltliche) Anregung, für einen Dritten eine Betreuung einzurichten, führt für sich gesehen nicht zur Beteiligtenstellung des Anregenden (vgl. BGH v. 16.1.2019 - XII ZB 489/18 - juris Rz. 9 m.w.N.). Schließlich kommt es maßgeblich darauf an, dass vom Gericht die Initiative ausgeht, die betreffende Person zu beteiligen.

Rz. 16

3. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 74 Abs. 7 FamFG).

 

Fundstellen

Haufe-Index 13125194

FamRZ 2019, 1091

FuR 2019, 469

NJW-RR 2019, 835

FGPrax 2019, 222

BtPrax 2019, 156

JZ 2019, 488

MDR 2019, 1015

Rpfleger 2019, 509

FF 2019, 262

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