Verfahrensgang
OLG Frankfurt am Main (Urteil vom 17.06.2009; Aktenzeichen 7 U 95/07) |
LG Wiesbaden (Entscheidung vom 30.03.2007; Aktenzeichen 9 O 284/06) |
Tenor
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 17. Juni 2009 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 270.719,71 EUR festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist statthaft (§ 544 Abs. 1 Satz 1 ZPO) und zulässig (§ 544 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 ZPO). Sie hat jedoch keinen Erfolg. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Einheitlichkeit der Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 ZPO). Die von der Beschwerde aufgeworfenen Rechtsfragen stellen sich nicht.
Rz. 2
1. Es entspricht ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung schon des Reichsgerichts, dass der Begünstigte eines Lebensversicherungsvertrages den Anspruch auf die Versicherungssumme mit Eintritt des Versicherungsfalls originär selbst erwirbt (RGZ 51, 403, 404 f; 54, 94, 96; 61, 217, 219; 80, 175, 177 f; 88, 137, 138 f; 127, 269, 271; 128, 187, 190; BGHZ 13, 226, 232; 32, 44, 47; 130, 377, 380 f; 156, 350, 353; BGH, Urt. v. 8. Mai 1996 – IV ZR 112/95, WM 1996, 1634, 1635). Der Anspruch der Witwe des Insolvenzschuldners gegen die Beklagte war daher zu keinem Zeitpunkt im Vermögen des Schuldners oder in der Insolvenzmasse vorhanden. Deshalb hat die Erwerbssperre gemäß § 91 Abs. 1 InsO den Anspruchserwerb der Witwe nicht zu hindern vermocht.
Rz. 3
2. Das widerrufliche „Bezugsrecht” gemäß § 159 VVG ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht mehr als eine ungesicherte Hoffnung auf den Erwerb eines künftigen Anspruchs, mithin rechtlich ein Nullum (BGHZ 156, 350, 356; BGH, Urt. v. 4. März 1993 – IX ZR 169/92, WM 1993, 1057, 1058; v. 18. Juli 2002 – IX ZR 264/01, WM 2002, 1852, 1853; v. 7. April 2005 – IX ZR 138/04, WM 2005, 937, 938; BAG VersR 1996, 85; VersR 2009, 134, 136; Prölss/Martin/Kollhosser, VVG, 27. Aufl. § 166 VVG Rn. 4 und § 13 ALB Rn. 11; Schwintowski/Brömmelmeyer/Ortmann, VVG, § 159 VVG Rn. 46 f; Uhlenbruck/Hirte, InsO, 13. Aufl. § 35 Rn. 217; MünchKomm-BGB/ Gottwald, 5. Aufl. § 330 Rn. 18; Bamberger/Roth/Janoschek, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 2. Aufl. § 330 Rn. 8). Schon deshalb ist die Frage unerheblich, ob die Witwe des Schuldners das „Bezugsrecht” insolvenzfest erwerben konnte. Entgegen der Annahme der Beschwerde erstarkt es auch nicht mit Eintritt des Versicherungsfalls zum unwiderruflichen Vollrecht. Mit Eintritt des Versicherungsfalls entfällt das bis dahin widerrufliche Bezugsrecht vielmehr vollständig. Die in ihm verkörperte bloße tatsächliche Hoffnung verwirklicht sich, indem der Bezugsberechtigte den neu entstandenen Anspruch gegen die Versicherung auf die Versicherungssumme erwirbt (vgl. Prölss/Martin/Kollhosser, aaO § 13 ALB 86 Rn. 4; Schwintowski/Brömmelmeyer/Ortmann, aaO § 159 VVG Rn. 48). Folglich hat im Streitfall kein Rechtsübergang von der Masse zur Witwe des Schuldners stattgefunden, dem § 91 Abs. 1 InsO entgegenstehen könnte.
Rz. 4
3. Die Beklagte war nicht gemäß § 372 Satz 2 BGB verpflichtet, die Versicherungssumme zu hinterlegen, statt sie an die Witwe des Schuldners auszuzahlen. Auch dies ergibt sich aus der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, die keiner Ergänzung bedarf. Die Anfechtbarkeit des Anspruchserwerbs nach § 134 InsO änderte nichts daran, dass die Witwe bis zum Vorliegen eines rechtskräftigen Urteils mit den Wirkungen des § 894 ZPO Inhaberin des Anspruchs war (vgl. BGH, Urt. v. 21. September 2006 – IX ZR 235/04, NZI 2007, 42, 43, Rn. 10, 14 ff). Aus § 372 BGB folgt überdies keine Pflicht zur Hinterlegung, sondern nur ein Recht hierzu (vgl. nur BGH, Urt. v. 20. Juni 1969 – VI ZR 14/68, NJW 1969, 1661, 1662; RGZ 61, 245, 250). Die Beschwerde legt nicht dar, warum sich gerade aus Lebensversicherungsverträgen jenseits der gesetzlichen Hinterlegungsregeln eine Verpflichtung der Versicherung zur Hinterlegung ergeben sollte, wenn der Erwerb des Anspruchs auf diese vertragliche Leistung anfechtbar sein könnte.
Rz. 5
4. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 ZPO abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist.
Fundstellen
Haufe-Index 2833424 |
EWiR 2010, 787 |
ZEV 2010, 589 |
ZIP 2010, 1964 |
NZI 2010, 29 |
NZI 2010, 646 |
VersR 2010, 1021 |
ZInsO 2010, 997 |
r+s 2010, 338 |