Leitsatz (amtlich)
Die Bestimmung des § 802d Abs. 1 Satz 2 ZPO gilt in ihrer durch Art. 1 Nr. 7 des Gesetzes zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 655/2014 sowie zur Änderung sonstiger zivilprozessualer, grundbuchrechtlicher und vermögensrechtlicher Vorschriften und zur Änderung der Justizbeitreibungsordnung vom 21.11.2016 (BGBl. I, 2591 - EuKoPfVODG) geänderten Fassung nur für Vollstreckungsaufträge, die seit dem 26.11.2016 gestellt worden sind.
Normenkette
ZPO § 802d Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
LG Schwerin (Beschluss vom 12.04.2016; Aktenzeichen 5 T 93/16) |
AG Schwerin (Entscheidung vom 22.02.2016; Aktenzeichen 50 M 705/16) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde der Gläubigerin wird der Beschluss des LG Schwerin - Zivilkammer 5 - vom 12.4.2016 aufgehoben.
Der Gerichtsvollzieher wird angewiesen, den Vollstreckungsauftrag der Gläubigerin vom 3.2.2016 auszuführen.
Der Schuldner trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
Rz. 1
I. Mit Schreiben vom 3.2.2016 beantragte die Gläubigerin, dem Schuldner gem. § 802 f ZPO die Vermögensauskunft abzunehmen. In dem Antrag bestimmte sie:
Sollte der Schuldner innerhalb der letzten zwei Jahre nach altem Recht des § 807 ZPO oder der letzten zwei Jahre gem. § 802c ZPO eine Vermögensauskunft abgegeben haben, so wird beantragt, dem Gläubiger einen Abdruck des beim Gericht bzw. beim zentralen Vollstreckungsgericht hinterlegten Vermögensverzeichnisses zuzuleiten, wenn das Verzeichnis nicht älter als zwölf Monate ist. Bei einem älteren Verzeichnis erfolgt Antragsrücknahme. Ist das Verzeichnis älter, wird um Mitteilung gebeten, wann und wo die Vermögensauskunft abgegeben wurde.
Rz. 2
Der Gerichtsvollzieher hat die Durchführung des Auftrags abgelehnt, weil weder die Vermögensauskunft noch die Erteilung einer Abschrift des Vermögensverzeichnisses an eine Bedingung geknüpft werden könne.
Rz. 3
Die dagegen gerichtete Erinnerung der Gläubigerin hat das AG zurückgewiesen. Die daraufhin von der Gläubigerin beim LG eingelegte sofortige Beschwerde ist ohne Erfolg geblieben. Mit ihrer zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Gläubigerin ihr Begehren weiter.
Rz. 4
II. Das Beschwerdegericht hat angenommen, der Gerichtsvollzieher habe den Vollstreckungsauftrag zu Recht abgelehnt, weil er mit unzulässigen Einschränkungen versehen sei. Aus dem Wortlaut, dem Sinn und Zweck sowie der Gesetzesbegründung zu § 802d ZPO ergebe sich, dass der Antrag des Gläubigers auf Abnahme der Vermögensauskunft die alternative und zwingende Handlungsanweisung an den Gerichtsvollzieher enthalte, entweder die Vermögensauskunft abzunehmen, sofern eine solche in den letzten zwei Jahren nicht abgegeben worden sei, oder das vorhandene Vermögensverzeichnis aus den letzten zwei Jahren an den Gläubiger zu übersenden. Dadurch sei die Dispositionsfreiheit des Gläubigers wirksam eingeschränkt.
Rz. 5
III. Die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO) und auch sonst zulässig (§ 575 ZPO). In der Sache hat sie ebenfalls Erfolg. Das Beschwerdegericht hat zu Unrecht angenommen, der Vollstreckungsauftrag der Gläubigerin stehe unter einer unzulässigen Einschränkung, wenn sie eine Abschrift des Vermögensverzeichnisses nur für den Fall beantrage, dass dieses Verzeichnis nicht älter als zwölf Monate sei.
Rz. 6
1. Nach § 802d Abs. 1 Satz 1 ZPO ist ein Schuldner, der die Vermögensauskunft nach § 802c ZPO innerhalb der letzten zwei Jahre abgegeben hat, zur erneuten Abgabe nur verpflichtet, wenn ein Gläubiger Tatsachen glaubhaft macht, die auf eine wesentliche Veränderung der Vermögensverhältnisse des Schuldners schließen lassen. Ist dies nicht der Fall, bestimmt § 802d Abs. 1 Satz 2 ZPO, dass der Gerichtsvollzieher dem Gläubiger einen Ausdruck des letzten abgegebenen Vermögensverzeichnisses zuleitet. Nach § 802d Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 ZPO, der gem. Art. 1 Nr. 7 des Gesetzes zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 655/2014 sowie zur Änderung sonstiger zivilprozessualer, grundbuchrechtlicher und vermögensrechtlicher Vorschriften und zur Änderung der Justizbeitreibungsordnung vom 21.11.2016 (BGBl. I, 2591 - EuKoPfVODG) angefügt worden ist, ist dabei ein Verzicht auf die Zuleitung unzulässig. Diese Gesetzesänderung ist gem. Art. 21 Abs. 3 EuKoPfVODG am Tage nach der Verkündung dieses Gesetzes und damit am 26.11.2016 in Kraft getreten.
Rz. 7
2. Der Senat hat die in Rechtsprechung und Literatur umstrittene Frage, ob der Gläubiger auf die Übersendung des früheren Vermögensverzeichnisses gem. § 802d ZPO verzichten oder den Zwangsvollstreckungsauftrag in der Weise beschränken kann, dass der Gerichtsvollzieher von der Übersendung eines älteren, beispielsweise mehr als sechs oder zwölf Monate alten Vermögensverzeichnisses absehen muss, auf der Grundlage des § 802d Abs. 1 Satz 2 ZPO a.F. dahingehend beantwortet, dass der Gläubiger aufgrund der das Zwangsvollstreckungsrecht beherrschenden Dispositionsmaxime den Vollstreckungsauftrag für den Fall einschränken oder zurücknehmen kann, dass der Schuldner innerhalb der Sperrfrist bereits die Vermögensauskunft abgegeben hat (BGH, Beschl. v. 27.10.2016 - I ZB 21/16, NJW 2017, 571 Rz. 10 bis 23).
Rz. 8
3. Die Bestimmung des § 802d Abs. 1 Satz 2 ZPO a.F., nach der ein Verzicht des Gläubigers auf die Zuleitung des Vermögensverzeichnisses beachtlich ist, gilt ungeachtet dessen, dass über ihn erst mit dem vorliegenden Senatsbeschluss endgültig entschieden wird, auch noch für den im Streitfall am 3.2.2016 gestellten Vollstreckungsauftrag. Die durch die Neufassung des § 802d Abs. 1 Satz 2 ZPO bewirkte Indienstnahme des einzelnen Gläubigers für die Gesamtheit der Gläubiger eines bestimmten Schuldners bedurfte einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung, an der es zuvor gefehlt hat (vgl. BGH NJW 2017, 571 Rz. 21 ff., 23). Die neue Regelung gilt aufgrund des eindeutigen Wortlauts des Art. 21 Abs. 3 EuKoPfVODG nur für Vollstreckungsaufträge, die seit dem 26.11.2016 gestellt worden sind. Dass keine rückwirkende Änderung des Gesetzes beabsichtigt war, wird auch durch den aus Art. 21 Abs. 2 EuKoPfVODG zu ziehenden Gegenschluss bestätigt.
Rz. 9
4. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, weil die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung nur wegen Rechtsverletzung erfolgt und keine weiteren tatsächlichen Feststellungen erforderlich sind (§ 577 Abs. 5 ZPO).
Rz. 10
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 11398979 |
WM 2018, 87 |
DGVZ 2018, 36 |
JZ 2018, 213 |
MDR 2018, 229 |