Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtigkeitsbeschwerde. Nichtigkeitsgrund bereits erfolglos in Rechtsmittelverfahren geltend gemacht. Recht auf gesetzlichen Rechtspfleger. Wiederaufnahme des Zwangsversteigerungsverfahrens. fehlerhafte Besetzung des Vollstreckungsgerichts bei Zuschlagserteilung. Zuschlagsversagung
Leitsatz (amtlich)
Eine auf § 579 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde ist nach § 579 Abs. 2 ZPO nicht nur dann unstatthaft, wenn der Nichtigkeitsgrund im Ausgangsverfahren durch ein Rechtsmittel hätte geltend gemacht werden können, sondern auch dann, wenn dieser Grund in einem Rechtsmittelverfahren erfolglos geltend gemacht worden ist.
Normenkette
ZPO § 579 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Tübingen (Beschluss vom 21.11.2006; Aktenzeichen 5 T 327/06) |
AG Tübingen (Entscheidung vom 17.11.2005; Aktenzeichen 3 (2) K 41/99) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des LG Tübingen vom 21.11.2006 wird auf Kosten der Schuldner zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 200.000 EUR.
Gründe
I.
[1] Durch Zuschlagsbeschluss des AG vom 11.11.2005 verloren die Schuldner ihr Eigentum an mehreren Grundstücken. Die gegen diesen Beschluss eingelegte Beschwerde, mit denen die Schuldner u.a. geltend machten, der Zuschlag habe ihr Recht auf den "gesetzlichen Rechtspfleger" verletzt, wies das LG zurück; die Rechtsbeschwerde ließ es nicht zu. Eine verfristet erhobene Anhörungsrüge verwarf das LG als unzulässig.
[2] Mit der Nichtigkeitsbeschwerde erstreben die Schuldner eine Wiederaufnahme des Zwangsversteigerungsverfahrens und machen hierzu erneut geltend, das Vollstreckungsgericht sei bei der Erteilung des Zuschlags nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen (§ 579 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Das LG hat die Nichtigkeitsbeschwerde als nach § 579 Abs. 2 ZPO unzulässig verworfen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde möchten die Schuldner eine Wiederaufnahme des Versteigerungsverfahrens mit dem Ziel der Zuschlagsversagung erreichen.
II.
[3] 1. Der nach § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthaften und auch im Übrigen zulässigen Rechtsbeschwerde bleibt in der Sache der Erfolg versagt.
[4] Zu Recht geht das LG davon aus, dass eine auf § 579 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde nach § 579 Abs. 2 ZPO nicht nur dann unstatthaft ist, wenn der Nichtigkeitsgrund im Ausgangsverfahren durch ein Rechtsmittel hätte geltend gemacht werden können, sondern auch dann, wenn dieser Grund - wie hier - in einem Rechtsmittelverfahren erfolglos geltend gemacht worden ist (soweit ersichtlich allgemeine Auffassung, vgl. nur Musielak, ZPO, 5. Aufl., § 579 Rz. 11 m.w.N.; Stein/Jonas/Grunsky, ZPO, 21. Aufl., § 579 Rz. 11 m.w.N.; Zöller/Greger, ZPO, 26. Aufl., § 579 Rz. 11). Die gegenteilige Rechtsauffassung der Schuldner vermag nicht zu überzeugen.
[5] a) § 579 Abs. 2 ZPO ordnet für den geltend gemachten Nichtigkeitsgrund den Vorrang des Rechtsmittelverfahrens an. Danach ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens schon dann nicht statthaft, wenn für den Betroffenen bei Wahrung der ihm zumutbaren prozessualen Sorgfalt (zu dieser Einschränkung vgl. etwa Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 65. Aufl., § 579 Rz. 22; Musielak, a.a.O.; Zöller/Greger, a.a.O.) die Möglichkeit bestand, die Nichtigkeitsgründe nach § 579 Abs. 1 Nr. 1 u. 3 ZPO in einem Rechtsmittelverfahren geltend zu machen. Ob der Betroffene von dieser Möglichkeit keinen oder erfolglos Gebrauch macht, ist für den Verbrauch des Nichtigkeitsgrundes unerheblich. Ausschlaggebend ist, dass der Betroffene die nach seiner Auffassung bestehende fehlerhafte Besetzung des Gerichts vor einem Richter geltend machen kann, der von dieser Rüge selbst nicht betroffen ist (vgl. zu diesem Aspekt Hartmann, a.a.O., m.w.N.). Da dies durch eine Entscheidung in einem Rechtsmittelverfahren gewährleistet ist, bedarf es auch unter dem Blickwinkel eines effektiven Rechtsschutzes nicht einer nochmaligen - die knappen Ressourcen der Justiz unnötig beanspruchenden - Überprüfung in einem nachfolgenden Wiederaufnahmeverfahren.
[6] b) Entgegen der Auffassung der Schuldner folgt aus der in BGHZ 84, 24 ff. veröffentlichten Entscheidung des BGH, die den Sonderfall einer auf den Mangel der Prozessfähigkeit gestützten Nichtigkeitsklage (§ 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO) betrifft, schon deshalb nichts anderes, weil sich die Entscheidung zur Frage des Verbrauchs von Nichtigkeitsgründen in der Rechtsmittelinstanz nicht verhält. Gegenstand der Nichtigkeitsklage war ein rechtskräftiges - erstinstanzliches - Urteil, das nicht in einem Rechtsmittelverfahren auf das Vorliegen von Nichtigkeitsgründen überprüft worden war. Davon abgesehen kann der Betroffene in den Fällen des wegen des Nichteingreifens von § 579 Abs. 2 ZPO zwar wählen, ob er gegen die ergangene Entscheidung Rechtsmittel einlegt oder diese Entscheidung rechtskräftig werden lässt und sodann einen Nichtigkeitsantrag stellt (BGHZ, a.a.O., 27). Aber selbst diese Privilegierung führt nicht dazu, dass der Betroffene nach erfolgloser Rechtsmitteleinlegung wegen desselben Nichtigkeitsgrundes auch noch die Wiederaufnahme des Verfahrens betreiben könnte (BAG MDR 1994, 1044; Hartmann, a.a.O.).
[7] 2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 1839783 |
BB 2007, 2707 |
EBE/BGH 2007 |
NJW-RR 2008, 448 |
ZAP 2008, 64 |
MDR 2008, 98 |