Entscheidungsstichwort (Thema)
Akteneinsicht XXVI
Leitsatz (amtlich)
Nach § 99 Abs. 3 PatG ist der Antrag auf Akteneinsicht durch andere als die Parteien des Nichtigkeitsverfahrens nur dann von der zusätzlichen Darlegung eines berechtigten Interesses abhängig, wenn eine Partei des Nichtigkeitsverfahrens ein entgegenstehendes schutzwürdiges Interesse darlegt. Sofern ein solches Interesse einer Partei nur hinsichtlich einzelner Unterlagen besteht, sind diese näher zu bezeichnen (Bestätigung von BGH, Beschluss vom 22. März 2016 - X ZR 96/14, Rn. 3).
Normenkette
PatG § 99 Abs. 3
Verfahrensgang
BPatG (Urteil vom 17.08.2021; Aktenzeichen 6 Ni 41/19 (EP)) |
Nachgehend
Tenor
Der E. mbB wird Einsicht in die Akten des Patentnichtigkeitsverfahrens (6 Ni 41/19) und der damit verbundenen Verfahren (6 Ni 42/19 und 6 Ni 43/19) gewährt,
jedoch mit der Maßgabe, dass
- Einsicht in die Anlage NK1 im Verfahren 6 Ni 43/19 nur im Umfang der von der Klägerin zu 3 mit Schriftsatz vom 21. Juli 2022 vorgelegten teilweise geschwärzten Fassung dieser Anlage (NK1 geschwärzt) gewährt wird und
- die Anlage BP4 im Verfahren 6 Ni 41/19 von der Einsicht ausgenommen ist.
Das weitergehende Einsichtsbegehren wird abgelehnt.
Gründe
Rz. 1
I. Die Antragstellerin beantragt Einsicht in die Akten des vorliegenden Patentnichtigkeitsverfahrens.
Rz. 2
Die Klägerin zu 3 beantragt, die von ihr als Anlage NK1 im erstinstanzlichen Verfahren 6 Ni 43/19 eingereichten Unterlagen (Klageschrift und Klageerweiterung) aus dem zwischen ihr und der Beklagten geführten Verletzungsverfahren von der Akteneinsicht auszunehmen, hilfsweise, die Einsicht nur in eine von ihr vorgelegte teilweise geschwärzte Fassung dieser Unterlagen zu gewähren.
Rz. 3
Die Beklagte beantragt, Informationen über Verletzungsverfahren, soweit diese in den Akten enthalten seien, von der Einsicht auszunehmen. Sie widerspricht einer Einsicht in die Anlagen NK1 und NK6 bis NK9 aus dem Verfahren 6 Ni 43/19 sowie in die (mit dem ersten Teil der bereits erwähnten Anlage NK1 identischen) Anlage BP4 aus dem Verfahren 6 Ni 41/19.
Rz. 4
II. Dem Antrag auf Akteneinsicht ist mit der von der Klägerin zu 3 hilfsweise beantragten Einschränkung stattzugeben.
Rz. 5
1. Nach § 99 Abs. 3 PatG, der im Nichtigkeitsberufungsverfahren entsprechend anzuwenden ist, ist der Antrag auf Akteneinsicht durch andere als die Parteien des Nichtigkeitsverfahrens nicht von der zusätzlichen Darlegung eines berechtigten Interesses abhängig (BGH, Beschluss vom 7. Dezember 2011 - X ZR 84/11, Rn. 3).
Rz. 6
Die Darlegung eines solchen Interesses kann nur dann erforderlich werden, wenn eine Partei des Nichtigkeitsverfahrens ein entgegenstehendes schutzwürdiges Interesse darlegt. Ein solches Interesse kann sich daraus ergeben, dass durch die Akteneinsicht geheimhaltungsbedürftige Betriebsinterna bekannt werden können (BGH, Beschluss vom 16. Dezember 1971 - X ZR 1/69, GRUR 1972, 331 - Akteneinsicht IX; Beschluss vom 22. März 2016 - X ZR 96/14, juris Rn. 3). Die Parteien des Nichtigkeitsverfahrens können zudem ein berechtigtes Interesse daran haben, dass eine im Verletzungsprozess angegriffene und dort technisch näher erläuterte Ausführungsform einem Wettbewerber nicht durch eine uneingeschränkte Akteneinsicht offenbart wird (BGH, Beschluss 27. Juni 2007 - X ZR 56/05, GRUR 2007, 815 - Akteneinsicht XVIII).
Rz. 7
Sofern diese Voraussetzungen nur hinsichtlich einzelner Unterlagen vorliegen, sind diese näher zu bezeichnen (BGH, Beschluss vom 22. März 2016 - X ZR 96/14, Rn. 3).
Rz. 8
2. Bei Anlegung dieser Maßstäbe vermag der Antrag der Beklagten, Informationen von der Akteneinsicht auszunehmen, soweit diese sich auf Verletzungsverfahren beziehen, eine Einschränkung schon deshalb nicht zu rechtfertigen, weil es an einer hinreichend konkreten Bezeichnung der Aktenteile fehlt, die von der Einsichtnahme ausgenommen werden sollen.
Rz. 9
3. Der Antrag, die Anlage NK1 und die damit teilidentische Anlage BP4 sowie die Anlagen NK6 bis NK8 von der Akteneinsicht auszunehmen, ist ebenfalls nicht begründet.
Rz. 10
Weder die Klägerin zu 3 noch die Beklagte haben aufgezeigt, dass sie bezüglich des gesamten Inhalts dieser Unterlagen ein schutzwürdiges Geheimhaltungsinteresse haben. Nähere Darlegungen hierzu wären schon deshalb erforderlich gewesen, weil die Anlagen NK6 bis NK8 bereits umfangreiche Schwärzungen aufweisen.
Rz. 11
4. Der Bitte der Beklagten, ihr Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag zu gewähren, falls sich ihr Vorbringen als nicht hinreichend konkret erweist, war nicht zu entsprechen.
Rz. 12
Aus dem Vorbringen der Beklagten ergibt sich, dass ihr das Erfordernis näherer Bezeichnung der auszunehmenden Unterlagen bekannt ist. Demgemäß hat sie ihr allgemein gehaltenes Vorbringen um Ausführungen zu einzelnen Anlagen ergänzt. Sie musste damit rechnen, dass auch diese Angaben nicht ausreichen, und kann deshalb nicht darauf vertrauen, dass sie Gelegenheit zur Ergänzung ihres Vorbringens erhält.
Rz. 13
5. Ein schutzwürdiges Geheimhaltungsinteresse besteht hinsichtlich der von der Klägerin zu 3 geschwärzten Passagen in der Anlage NK1.
Rz. 14
Diese Passagen enthalten Ausführungen zu den als patentverletzend angegriffenen Ausführungsformen, dem Vertrieb derselben durch die Beklagte sowie einem potentiellen Kartellrechtseinwand. An der Geheimhaltung dieser Angaben besteht ein schutzwürdiges Interesse. Dieses überwiegt das Einsichtsinteresse der Antragstellerin, zumal die Informationen für die Entscheidung über die Nichtigkeitsklage ohne Bedeutung sind.
Rz. 15
6. Vor dem aufgezeigten Hintergrund ist die Anlage BP4 ebenfalls von der Einsicht ausgeschlossen.
Rz. 16
Bezüglich dieser Anlage besteht ein Einsichtsrecht nur mit den für Anlage NK1 geltenden Beschränkungen. Der Anfertigung einer entsprechend geschwärzten Fassung bedarf es nicht, weil der verbleibende Inhalt vollständig aus der geschwärzten Anlage NK1 hervorgeht.
Bacher |
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Grabinski |
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Kober-Dehm |
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Marx |
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Rensen |
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Fundstellen
Haufe-Index 15418548 |
BlPMZ 2022, 388 |
GRUR 2023, 111 |
WRP 2023, 82 |
GRUR-Prax 2022, 691 |
IPRB 2023, 29 |
Mitt. 2022, 572 |