Verfahrensgang
LG Düsseldorf (Entscheidung vom 10.03.2015; Aktenzeichen 35 O 52/14) |
OLG Düsseldorf (Beschluss vom 14.07.2015; Aktenzeichen I-6 U 59/15) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 14. Juli 2015 – I-6 U 59/15 – wird als unzulässig verworfen.
Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens haben die Beklagten zu tragen.
Der Streitwert für die Rechtsbeschwerde beträgt 200 EUR.
Tatbestand
I.
Rz. 1
Die Klägerin macht gegen die Beklagten im Wege einer Stufenklage Ansprüche auf Zahlung einer Vergütung geltend, die sie auf eine Vereinbarung vom 23. Februar 2012 stützt. Das Landgericht hat die Beklagten durch Teilurteil als Gesamtschuldner verurteilt, der Klägerin Auskunft über den Transaktionswert des Immobilienprojekts „C. S. „, F. straße in D. – entsprechend der zwischen den Parteien am 23. Februar 2012 abgeschlossenen Vereinbarung (Anlage K 1) – zu erteilen.
Rz. 2
Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht als unzulässig verworfen und zur Begründung ausgeführt, dass die Beklagten durch das angefochtene (Teil-)Urteil mit einem Aufwand von nicht mehr als 200 EUR beschwert würden, so dass die Wertgrenze des § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nicht erreicht sei. Mangels ausreichender entgegenstehender Indizien sei davon auszugehen, dass das Landgericht die Zulassung der Berufung gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 4 ZPO erwogen und stillschweigend abgelehnt habe. Sollte man dies anders sehen, bestünde kein Grund dafür, die Berufung gemäß § 511 Abs. 4 ZPO zuzulassen.
Hiergegen wenden sich die Beklagten mit ihrer Rechtsbeschwerde.
Entscheidungsgründe
II.
Rz. 3
Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte sowie rechtzeitig eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde ist nicht zulässig, weil weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 ZPO).
Rz. 4
1. Das Berufungsgericht hat die Berufung zu Recht wegen Unterschreitung der Wertgrenze des § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO als unzulässig verworfen.
Rz. 5
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bemisst sich der Wert der Beschwer bei der Verurteilung zur Auskunftserteilung nicht nach dem Wert des mit der Klage geltend gemachten Auskunftsanspruchs, sondern nach dem Interesse der verurteilten Partei, die Auskunft nicht erteilen zu müssen. Dabei ist – von dem hier nicht in Rede stehenden Fall eines besonderen Geheimhaltungsinteresses abgesehen – im Wesentlichen auf den Aufwand an Zeit und Kosten abzustellen, den die Erteilung der hiernach geschuldeten Auskunft erfordert (s. etwa Senatsurteil vom 10. Februar 2011 – III ZR 338/09, NJW 2011, 926, 927 Rn. 9; Senatsbeschlüsse vom 9. Februar 2012 – III ZB 55/11, BeckRS 2012, 04655 Rn. 7; vom 22. Februar 2012 – III ZB 301/11, NJW-RR 2012, 888, 889 Rn. 5; vom 7. März 2013 – III ZB 57/12, BeckRS 2013, 05592 Rn. 6; vom 14. Mai 2013 – III ZR 392/12, BeckRS 2013, 09522 Rn. 5 und vom 13. August 2015 – III ZR 76/14, BeckRS 2015, 14970 Rn. 4; BGH, Urteil vom 27. Februar 2013 – IV ZR 42/11, NJW-RR 2013, 1033 Rn. 14; BGH, Beschlüsse vom 15. Juni 2011 – II ZB 20/10, NJW 2011, 2974, 2975 Rn. 3; vom 26. Oktober 2011 – XII ZB 561/10, NJW-RR 2012, 126, 127 Rn. 8; vom 24. September 2013 – II ZB 6/12, NZG 2013, 1258 Rn. 9; vom 4. Juni 2014 – IV ZB 2/14, NJW-RR 2014, 1102 Rn. 8 und vom 17. November 2014 – I ZB 31/14, NJW-RR 2015, 1017, 1018 Rn. 10 jeweils mwN).
Rz. 6
b) Diese Maßgaben hat das Berufungsgericht beachtet. Seine Bewertung, die im Rahmen der Rechtsbeschwerde nur daraufhin überprüft werden kann, ob die Grenzen des ihm eröffneten Ermessens (§§ 2, 3 ZPO) überschritten worden sind oder ob das Ermessen fehlerhaft ausgeübt worden ist (s. etwa Senatsbeschlüsse vom 9. Februar 2012 aaO Rn. 8 und vom 7. März 2013 aaO; vgl. auch BGH, Urteil vom 27. Februar 2013 aaO Rn. 12 sowie Beschlüsse vom 15. Juni 2011 aaO Rn. 4; vom 24. September 2013 aaO Rn. 10 und vom 17. November 2014 aaO Rn. 11 jeweils mwN), lässt eine Rechtsverletzung nicht erkennen.
Rz. 7
aa) Anhaltspunkte dafür, dass der für die eigentliche Auskunftserteilung erforderliche Aufwand an Zeit und Kosten den vom Berufungsgericht angenommenen Wert von 200 EUR überschreitet, haben die Beklagten weder im Berufungsrechtszug noch in ihrer Rechtsbeschwerde dargetan.
Rz. 8
bb) Soweit die Beklagten geltend machen, für den Wert der Beschwer seien die Kosten der Einholung anwaltlichen Beistands für die Abwehr ungerechtfertigter Vollstreckungsversuche der Klägerin anzusetzen, weil der Inhalt der ausgeurteilten Auskunftspflicht unklar und die Vollstreckung somit unmöglich sei, bleiben sie hiermit ohne Erfolg.
Rz. 9
(1) Zwar ist bei der Bemessung der Beschwer auch der zu erwartende Kostenaufwand zu berücksichtigen, der notwendig ist, um mit anwaltlicher Hilfe Vollstreckungsversuche aus der Verurteilung zu einer unmöglichen Leistung abzuwehren (s. BGH, Versäumnisurteil vom 10. Dezember 2008 – XII ZR 108/05, BeckRS 2009, 04579 Rn. 12 und Beschluss vom 4. Juni 2014 aaO S. 1103 Rn. 11 jeweils mwN) oder einen nicht hinreichend bestimmten Verurteilungsinhalt im Vollstreckungsverfahren zu klären (s. BGH, Urteil vom 27. Februar 2013 aaO S. 1033 f Rn. 15 ff und Beschluss vom 13. März 2014 – I ZB 60/13, NJW-RR 2014, 1210, 1211 Rn. 8).
Rz. 10
(2) Solche Fälle liegen hier entgegen der Ansicht der Beklagten jedoch nicht vor. Wie der erkennende Senat bereits in seinem Beschluss vom 26. November 2015 (betreffend die Erinnerung der Beklagten gegen die Erteilung der Vollstreckungsklausel durch die Urkundsbeamtin des Bundesgerichtshofs) ausgeführt hat, ist die titulierte Auskunftspflicht in Anbetracht der im Tatbestand des landgerichtlichen Teilurteils wiedergegebenen „Definition” der „Berechnungsgrundlage zum Transaktionswert” ausreichend bestimmt und vollstreckungsfähig. Die Klägerin hat zutreffend darauf hingewiesen, dass es der Sache nach darum geht zu ermitteln, welche materielle (geldwerte) Gegenleistung die I.-Gruppe für den Beitritt zum Immobilienprojekt „C. S. … „ im Rahmen eines „Joint Venture” an die Beklagtenseite erbracht hat beziehungsweise erbringen muss. Hiernach nämlich soll sich das „Erfolgshonorar” der Klägerin (in Höhe von 1 %) berechnen. Vor diesem Hintergrund erklären sich der Begriff „Sonstige Gegenleistungen, die als Geldwert bei der Transaktion Berücksichtigung finden” und die hierzu angeführten Beispiele. Den Beklagten ist es im Übrigen ohne weiteres möglich, eine umfassende Auskunft durch die vollständige Vorlage der mit der I.-Gruppe geschlossenen „Joint-Venture”-Vereinbarung zu erteilen. Die Beklagten bedürfen mithin nicht der Einholung anwaltlichen Beistands, so dass hierfür etwa anfallende Kosten für die Bemessung des Werts der Beschwer nicht zu berücksichtigen sind.
Rz. 11
2. Auch mit ihrer Rüge, das Berufungsgericht habe über die Zulassung der Berufung nach § 511 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 4 ZPO selbst entscheiden müssen, weil das Landgericht hierüber nicht befunden habe, vermag die Rechtsbeschwerde nicht durchzudringen.
Rz. 12
a) Die Entscheidung über die Zulassung der Berufung ist, wie sich aus § 511 Abs. 4 Satz 1 ZPO ergibt, grundsätzlich dem Gericht des ersten Rechtszugs vorbehalten. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss das Berufungsgericht allerdings – bevor es die Berufung mangels ausreichender Beschwer verwerfen darf – eine Entscheidung über die Zulassung der Berufung nachholen, wenn das erstinstanzliche Gericht hierzu keine Veranlassung gesehen hat, weil es von einer Beschwer der unterlegenen Partei ausgegangen ist, die 600 EUR übersteigt, das Berufungsgericht diesen Wert aber nicht für erreicht hält (Senatsurteil vom 10. Februar 2011 aaO S. 927 f Rn. 15 mwN; Senatsbeschluss vom 9. Februar 2012 aaO Rn. 11; BGH, Urteil vom 7. März 2012 – IV ZR 277/10, NJW-RR 2012, 633, 634 Rn. 13; BGH, Beschlüsse vom 15. Juni 2011 aaO S. 2976 Rn. 14; vom 26. Oktober 2011 aaO Rn. 12; vom 16. August 2012 – I ZB 2/12, NJOZ 2013, 161 Rn. 8 und vom 24. September 2013 aaO S. 1259 Rn. 20 jeweils mwN).
Rz. 13
b) Wie das Berufungsgericht zutreffend dargelegt hat, ist im vorliegenden Fall jedoch nicht mit der gebotenen Eindeutigkeit festzustellen, dass das Landgericht über die Zulassung der Berufung nicht befunden hat, weil es von einer Beschwer der unterlegenen Partei ausgegangen ist, die 600 EUR übersteigt.
Rz. 14
aa) Hat – wie hier – keine Partei die Zulassung der Berufung beantragt, so ist eine ausdrückliche Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichts entbehrlich; das Schweigen im Urteil bedeutet in diesem Fall Nichtzulassung (s. etwa Senatsurteil vom 10. Februar 2011 aaO S. 927 Rn. 15; BGH, Urteil vom 7. März 2012 aaO Rn. 11; BGH, Beschlüsse vom 15. Juni 2011 aaO und vom 16. August 2012 aaO).
Rz. 15
bb) Daraus, dass das Landgericht den Streitwert mit 40.000 EUR bemessen hat, ergibt sich kein hinreichender Anhalt für die Annahme, dass es keinen Anlass für eine Entscheidung über die Zulassung der Berufung nach § 511 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4 ZPO gesehen und deshalb hiervon Abstand genommen habe. Bei der Auskunftsklage fallen der Streitwert und die Beschwer des zur Auskunft verurteilten Beklagten in aller Regel auseinander. Der Streitwert richtet sich nach dem Interesse des Klägers an der Erteilung der Auskunft, das nach einem gemäß § 3 ZPO zu schätzenden Teilwert des Anspruchs zu bemessen ist, dessen Durchsetzung die verlangte Information dienen soll. Demgegenüber ist der Wert der Beschwer des zur Auskunft Verurteilten, wie oben (unter 1 a) ausgeführt, nach dem hierfür erforderlichen Aufwand zu ermitteln. Dementsprechend kann der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung für eine Auskunftsklage nichts zur Bemessung der Beschwer des unterlegenen Beklagten entnommen werden. Damit scheidet indes auch die Annahme aus, das Gericht des ersten Rechtszugs sei aufgrund der Streitwertfestsetzung einer solchen Klage auf mehr als 600 EUR davon ausgegangen, die Beschwer des zur Auskunft verurteilten Beklagten habe einen entsprechenden Wert, so dass die Voraussetzungen des § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO erfüllt seien und kein Anlass für eine Entscheidung über die Zulassung der Berufung bestehe (s. etwa Senatsurteil vom 10. Februar 2011 aaO S. 928 Rn. 17; BGH, Urteil vom 7. März 2012 aaO Rn. 15; BGH, Beschlüsse vom 15. Juni 2011 aaO Rn. 16 und vom 16. August 2012 aaO Rn. 9).
Rz. 16
cc) Hinreichende Argumente dafür, dass das Landgericht von einer zulassungsunabhängigen Rechtsmittelfähigkeit seines Teilurteils ausgegangen ist, ergeben sich auch nicht aus der Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit. Das Landgericht hat eine Sicherheitsleistung gemäß § 709 Satz 1 ZPO – in Höhe von 40.000 EUR – angeordnet. Der Fall liegt damit anders als diejenigen Fälle, in denen das Urteil gemäß § 708 ZPO ohne Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar erklärt und eine Abwendungsbefugnis gemäß § 711 ZPO ausgesprochen worden ist. In diesen Fällen deutet die Abwendungsbefugnis darauf hin, dass die Anwendbarkeit von § 713 ZPO verneint und somit die zulassungsunabhängige Rechtsmittelfähigkeit der Entscheidung bejahrt worden ist (BGH, Urteil vom 7. März 2012 aaO Rn. 16; BGH, Beschluss vom 16. August 2012 aaO S. 161 f Rn. 11; vgl. auch Senatsurteil vom 10. Februar 2011 aaO Rn. 18). Mit der Anwendung von § 709 ZPO sind hingegen inzident ein Fall des § 708 ZPO und damit auch die Voraussetzungen des § 711 ZPO verneint worden. Dann ist § 713 ZPO von vornherein nicht anwendbar, ohne dass es hierfür auf die zulassungsunabhängige Rechtsmittelfähigkeit der Entscheidung ankommt. Aus der fehlerhaften Anordnung einer Sicherheitsleistung und ihrer Höhe nach § 709 ZPO lassen sich deshalb für sich allein genommen keine hinreichend sicheren Schlüsse zur Beurteilung der Rechtsmittelfähigkeit durch das Landgericht ziehen (s. BGH, Urteil vom 7. März 2012 aaO Rn. 17). Ob dies anders zu sehen ist, wenn das erstinstanzliche Gericht zur Begründung der Berechnung der Sicherheitsleistung Erwägungen anstellt, die sich auf die Beschwer des zur Auskunft Verurteilten beziehen (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 24. September 2013 aaO Rn. 21), kann offen bleiben. Denn das Landgericht hat im vorliegenden Fall die Höhe der Sicherheitsleistung nicht nach der mutmaßlichen Beschwer der Beklagten, sondern nach dem Auskunftsinteresse der Klägerin bemessen.
Rz. 17
c) Da aus den vorstehenden Gründen nicht davon ausgegangen werden kann, das erstinstanzliche Gericht habe über die Zulassung der Berufung nicht befunden, bestand für das Berufungsgericht keine Möglichkeit mehr, diese Entscheidung nachzuholen. Unbeschadet dessen hat das Berufungsgericht vorsorglich zum Ausdruck gebracht, dass kein Grund für die Zulassung der Berufung bestehe. Eine darin liegende (hilfsweise) Nachholung der Entscheidung über die Zulassung der Berufung (vgl. Senatsbeschluss vom 9. Februar 2012 aaO Rn. 13) wäre grundsätzlich unanfechtbar (s. dazu etwa Senatsbeschluss vom 9. Februar 2012 aaO Rn. 15; BGH, Beschlüsse vom 26. Oktober 2011 aaO Rn. 16 und vom 29. Januar 2015 – V ZB 179/14, WuM 2015, 320 Rn. 7).
Unterschriften
Herrmann, Tombrink, Remmert, Reiter, Liebert
Fundstellen
Dokument-Index HI15081043 |