Verfahrensgang
LG Landshut (Entscheidung vom 02.02.2023; Aktenzeichen 62 T 3285/22) |
AG Erding (Entscheidung vom 05.08.2022; Aktenzeichen 404 XVII 78/21) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen wird der Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts Landshut vom 2. Februar 2023 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen.
Das Rechtsbeschwerdeverfahren ist gerichtskostenfrei.
Eine Festsetzung des Beschwerdewerts (§ 36 Abs. 3 GNotKG) ist nicht veranlasst.
Gründe
I.
Rz. 1
Das Verfahren betrifft die Verlängerung einer Betreuung für die 1966 geborene Betroffene.
Rz. 2
Das Amtsgericht hat ein ärztliches Gutachten der Sachverständigen G. eingeholt, einen Verfahrenspfleger bestellt und die Betroffene persönlich angehört. Nach der Anhörung hat die Sachverständige eine ergänzende Stellungnahme abgegeben. Das Amtsgericht hat die unter anderem mit den Aufgabenbereichen Vermögenssorge, Gesundheitssorge und Aufenthaltsbestimmung bestehende Betreuung verlängert und die Überprüfungsfrist auf den 20. April 2023 bestimmt. Dagegen hat die Betroffene Beschwerde eingelegt. Im Abhilfeverfahren hat das Amtsgericht die Betroffene wiederum angehört, anschließend ein Gutachten der Sachverständigen Dr. C. eingeholt und sodann die Betroffene erneut angehört. Es hat der Beschwerde schließlich nicht abgeholfen. Das Landgericht hat die Beschwerde ohne erneute Anhörung der Betroffenen zurückgewiesen.
Rz. 3
Dagegen richtet sich deren Rechtsbeschwerde, mit der sie die Aufhebung der Betreuung erstrebt.
II.
Rz. 4
Die Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückweisung der Sache an das Beschwerdegericht.
Rz. 5
1. Die Rechtsbeschwerde rügt zu Recht als verfahrensfehlerhaft, dass das Beschwerdegericht von einer erneuten Anhörung der Betroffenen abgesehen hat.
Rz. 6
a) Die Pflicht zur persönlichen Anhörung des Betroffenen gemäß §§ 278 Abs. 1, 295 Abs. 1 Satz 1 FamFG besteht nach § 68 Abs. 3 Satz 1 FamFG grundsätzlich auch im Beschwerdeverfahren. Zwar räumt § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG dem Beschwerdegericht auch in einem Betreuungsverfahren die Möglichkeit ein, von einer erneuten Anhörung des Betroffenen abzusehen. Dies setzt jedoch nach ständiger Rechtsprechung des Senats voraus, dass die Anhörung bereits im ersten Rechtszug ohne Verletzung zwingender Verfahrensvorschriften vorgenommen worden ist und von einer erneuten Anhörung im Beschwerdeverfahren keine neuen Erkenntnisse zu erwarten sind (vgl. nur Senatsbeschluss vom 16. August 2023 - XII ZB 7/23 - juris Rn. 5 mwN).
Rz. 7
Wird in einem Betreuungsverfahren eine nach § 278 Abs. 1 Satz 1 FamFG zwingend erforderliche persönliche Anhörung des Betroffenen vom Amtsgericht erst im Abhilfeverfahren nachgeholt, darf das Beschwerdegericht nicht von der auch im zweitinstanzlichen Verfahren grundsätzlich gebotenen persönlichen Anhörung des Betroffenen absehen (vgl. Senatsbeschluss vom 22. September 2021 - XII ZB 93/21 - FamRZ 2022, 135 Rn. 14 ff.). Das gilt ebenfalls im Verfahren über die Verlängerung einer Betreuung, wenn in diesem - wie regelmäßig - nach § 295 Abs. 1 Satz 1 iVm § 278 Abs. 1 Satz 2 FamFG eine persönliche Anhörung erforderlich ist (vgl. Senatsbeschluss vom 23. Februar 2022 - XII ZB 424/21 - FamRZ 2022, 816 Rn. 15).
Rz. 8
b) Nach diesen Maßstäben hätte das Beschwerdegericht nicht von einer erneuten persönlichen Anhörung der Betroffenen absehen dürfen.
Rz. 9
Das Amtsgericht hat nach Anhörung der Betroffenen eine ergänzende Stellungnahme der Sachverständigen G. eingeholt und diese für seine Entscheidung verwertet, ohne die Betroffene erneut anzuhören. Eine Nachholung der Anhörung im Abhilfeverfahren war nicht zulässig. Das Beschwerdegericht hatte mithin die Anhörung schon aus diesem Grund nachzuholen. Im Übrigen hat das Amtsgericht - von der Rechtsbeschwerde insoweit nicht gerügt - im Abhilfeverfahren ebenfalls ein weiteres Gutachten eingeholt. Auf dieses hat sich das Beschwerdegericht bei seiner Entscheidung ebenfalls gestützt und mithin neue Erkenntnisse herangezogen, die eine persönliche Anhörung der Betroffenen durch das Beschwerdegericht erfordert hätten.
Rz. 10
2. Der angefochtene Beschluss kann daher keinen Bestand haben. Er ist gemäß § 74 Abs. 5 FamFG aufzuheben und die Sache ist gemäß § 74 Abs. 6 Satz 2 FamFG an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen, weil sie noch nicht zur Endentscheidung reif ist. Das Beschwerdegericht wird die persönliche Anhörung der Betroffenen nachzuholen haben. Die Zurückverweisung gibt dem Beschwerdegericht bei Verlängerung der Betreuung zudem Gelegenheit zur erforderlichen konkreten Begründung der Fortdauer der einzelnen Aufgabenbereiche (vgl. Senatsbeschluss vom 19. April 2023 - XII ZB 462/22 - FamRZ 2023, 1057 Rn. 9 ff. mwN), die den vorinstanzlichen Entscheidungen noch nicht zu entnehmen ist.
Rz. 11
Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 74 Abs. 7 FamFG).
Günter Klinkhammer Botur
Krüger Recknagel
Fundstellen
Dokument-Index HI16632528 |