Verfahrensgang
OLG München (Beschluss vom 06.06.2002) |
LG München II (Urteil vom 10.12.2001) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des Klägers wird der Beschluß des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 6. Juni 2002 aufgehoben.
Dem Kläger wird wegen der Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung gegen das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts München II vom 10. Dezember 2001 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bewilligt.
Die Sache wird zur Entscheidung über die Berufung und über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
I.
Gegen das ihm am 21. Dezember 2001 zugestellte Urteil des Landgerichts hat der Kläger am 21. Januar 2002 Berufung eingelegt. Mit Schriftsatz vom 21. Februar 2002, eingegangen am gleichen Tage, hat die Prozeßbevollmächtigte des Klägers beantragt, die Berufungsbegründungsfrist bis zum 21. März 2002 zu verlängern. Zur Begründung hat sie ausgeführt, daß noch einige Recherchen veranlaßt worden seien und die Informationen noch nicht vorlägen. Durch Verfügungen vom 22. Februar und 4. März 2002 gab der Vorsitzende des Senats des Oberlandesgerichts dem Kläger auf, bis zum 8. März 2002 mitzuteilen und glaubhaft zu machen, warum und mit welcher Frist seine Prozeßbevollmächtigte Informationen, Unterlagen, Belege usw. angefordert habe. Mit Verfügung vom 15. März 2002 hat der Vorsitzende die fristgemäß vorgebrachten Erläuterungen des Klägers für unzureichend erachtet und die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist abgelehnt.
Am 21. März 2002 hat der Kläger mit Schriftsatz vom gleichen Tage die Berufung begründet und zugleich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt. Durch den angefochtenen Beschluß vom 6. Juni 2002 sind der Wiedereinsetzungsantrag des Klägers zurückgewiesen und seine Berufung als unzulässig verworfen worden. Dagegen richtet sich die frist- und formgerecht eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde.
Entscheidungsgründe
II.
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig. Insbesondere ist sie nach § 522 Abs. 1 Satz 4, § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO n.F., § 26 Nr. 10 EGZPO statthaft, und zwar unbeschadet dessen, daß die Wertgrenze des § 26 Nr. 8 EGZPO nicht erreicht ist (BGH, Beschluß vom 4. September 2002 – VIII ZB 23/02 – zur Veröffentlichung vorgesehen).
Sie ist auch im übrigen zulässig, da die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO n.F.). Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den – hier noch anwendbaren (§ 26 Nr. 5 EGZPO) – bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Berufungsvorschriften kann ein Rechtsanwalt in aller Regel erwarten, daß seinem ersten Antrag auf Verlängerung der Begründungsbegründungsschrift entsprochen wird, wenn ein erheblicher Grund im Sinne des § 519 Abs. 2 Satz 3 ZPO a.F. geltend gemacht wird (vgl. nur BGH, Beschluß vom 24. Oktober 1996 – VII ZB 25/96 – NJW 1997, 400).
2. Bereits aufgrund der ursprünglichen – wenngleich pauschalen und wenig aussagekräftigen – Begründung durfte die Prozeßbevollmächtigte des Klägers, auch im Hinblick auf die telefonisch bei der Geschäftsstelle eingeholte Auskunft über die – großzügige – Fristverlängerungspraxis des zur Entscheidung berufenen Senats des Oberlandesgerichts, darauf vertrauen, daß die beantragte Fristverlängerung mit großer Wahrscheinlichkeit bewilligt wird. Es ist daher unerheblich, ob die auf Ersuchen des Vorsitzenden nachgeschobenen Gründe erkennen lassen, daß die nicht vollständige Beischaffung der zur Anfertigung der Berufungsbegründungsschrift benötigten Unterlagen auf eine Nachlässigkeit der Partei zurückzuführen war.
Unterschriften
Wurm, Streck, Schlick, Dörr, Galke
Fundstellen
Haufe-Index 884662 |
BGHR 2003, 459 |