Leitsatz (amtlich)
Zur Rückforderung von der Bundesanstalt für Arbeit für eine Umschulungsmaßnahme an den Lehrgangsträger gezahlter anteiliger Lehrgangsgebühren, wenn eine erhebliche Zahl von Teilnehmern durch das Arbeitsamt in Arbeitsstellen vermittelt worden ist und deswegen den Lehrgang vorzeitig beendet hat.
Normenkette
AFG § 33; BGB § 162
Verfahrensgang
OLG Celle (Urteil vom 26.06.2002; Aktenzeichen 9 U 34/02) |
LG Hildesheim |
Tenor
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 26. Juni 2002 – 9 U 34/02 – wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Streitwert: 24.172,86 EUR
Tatbestand
I.
Der Beklagte betreibt eine private Fachschule für Wirtschaft und Verwaltung. Unter dem 22./30. Oktober 1991 schloß er mit der klagenden Bundesanstalt für Arbeit einen „Kooperationsvertrag” über die Durchführung freier Bildungsmaßnahmen. Darin übernahm die Klägerin die Lehrgangsgebühren für die nach dem Arbeitsförderungsgesetz (AFG) anspruchberechtigten Teilnehmer. Der Beklagte verpflichtete sich, die nach Abrechnung der Vorschüsse zu viel gezahlten Beträge umgehend zu erstatten.
In der Zeit vom 6. Januar 1992 bis zum 5. Januar 1994 führte der Beklagte die Umschulung von Arbeitslosen zu Reiseverkehrskaufleuten durch. Die Klägerin bewilligte dafür einen Teilnehmerstundensatz von 5,50 DM und verlangte ferner ein Kündigungsrecht des Teilnehmers nach 6 Monaten, danach jeweils mit einer Frist von sechs Wochen zum Quartalsende. Entgegen der ursprünglich mit 30 angenommen Teilnehmerzahl brachen 13 Lehrgangsteilnehmer ihre Lehrgänge vorzeitig ab, überwiegend, weil sie vom Arbeitsamt in Stellen vermittelt worden waren. Die dem Beklagten nach Abschluß der Umschulungsmaßnahme insgesamt zustehende Vergütung hat die Klägerin auf der Grundlage der von den Teilnehmern tatsächlich in Anspruch genommenen Unterrichtsstunden – unter Berücksichtigung der vereinbarten Kündigungsfristen – berechnet und mit der vorliegenden Klage 47.278 DM zurückgefordert.
Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Der Beklagte begehrt mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde die Zulassung der Revision.
Entscheidungsgründe
II.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Zulassungsgründe im Sinne des § 543 Abs. 2 ZPO sind nicht gegeben, insbesondere hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung.
Die Nichtzulassungsbeschwerde bezeichnet als entscheidungserhebliche, grundsätzlich klärungsbedürftige Rechtsfrage: „Hat das Arbeitsamt, das eine Umschulungsmaßnahme durch Begleichung von Lehrgangsgebühren für die zu fördernden Teilnehmer durch Bezahlung der Kursgebühren (ganz oder überwiegend) finanziert, bei einem auf längeren Zeitraum und eine gewisse Teilnehmerzahl ausgerichteten Lehrgang Rückforderungsansprüche gegenüber dem Veranstalter, wenn es in der Zwischenzeit so viele Teilnehmer in Arbeitsstellen vermittelt, daß der Kurs sich wegen der geschwundenen Teilnehmerzahl für den Veranstalter – jedenfalls bei gleichbleibender Honorierung je Stunde und Teilnehmer – finanziell nicht mehr trägt?”
Zur Klärung dieser Frage bedarf es keiner Zulassung der Revision. Sie beantwortete sich auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung ohne weiteres aus dem Gesetz und einer Auslegung des die Rechtsbeziehungen der Parteien regelnden Kooperationsvertrages.
1. Zwischen den Parteien steht außer Streit, daß der Beklagte nach den getroffenen Vereinbarungen in Höhe der Klagesumme überzahlt ist und daß deswegen der Klägerin jedenfalls im Ansatz – sei es aufgrund der Bestimmungen des Kooperationsvertrags, sei es, wie das Berufungsgericht meint, wegen ungerechtfertigter Bereicherung nach § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB – ein Anspruch auf Rückzahlung der von ihr zuviel geleisteten Beträge zusteht. Auf die vor dem Landgericht und dem Oberlandesgericht geltend gemachten Einwände der Sittenwidrigkeit, des Wegfalls der Bereicherung, der Verjährung oder Verwirkung kommt die Beschwerde mit Recht nicht zurück.
2. a) Die Nichtzulassungsbeschwerde beanstandet zutreffend auch nicht mehr als widersprüchlich und treuwidrig im Sinne des § 162 BGB die erfolgreiche Vermittlung von Teilnehmern der Umschulungsmaßnahme in Arbeitsplätze. Die angeführte Vorschrift enthält zwar den allgemeinen Rechtsgedanken, daß niemand aus einer von ihm selbst gegen Treu und Glauben herbeigeführten Lage Vorteile ziehen solle (BGHZ 88, 240, 248; BGH, Urteil vom 6. Dezember 2002 – V ZR 184/02, Umdruck S. 12, zur Veröffentlichung bestimmt). Insofern hat das Berufungsgericht jedoch mit Recht ausgeführt, daß die Vermittlung gerade primäre gesetzliche Aufgabe der Arbeitsämter ist und deren Erfüllung deshalb auch im Verhältnis zum Beklagten nicht treuwidrig sein kann.
b) Indessen hält es die Beschwerde weiterhin für einen Verstoß gegen Treu und Glauben, wenn ein Arbeitsamt mit dem Veranstalter der Umschulungsmaßnahme einen Kooperationsvertrag schließe, der einen Stundenlohn pro Teilnehmer für eine gewisse Teilnehmerzahl mit einer gewissen Lehrgangsdauer festlege, ohne daß dem Veranstalter aufgrund der „Nachfragemacht” der Arbeitsämter ein Verhandlungsspielraum verbleibe, das Arbeitsamt aber dann doch für die in die Arbeitsstellen vermittelten Teilnehmer die anteiligen Lehrgangsgebühren zurückfordere, so daß die gesamte Kalkulation des Veranstalters zusammenbrechen müsse.
Auch diesem Ansatz, der im Kern die von der Klägerin dem Beklagten abverlangten Vertragsbedingungen für die mit den Teilnehmern zu schließenden Unterrichtsverträge beanstandet, insbesondere die bei einer erheblich reduzierten Zahl von Teilnehmern nicht mehr auskömmliche Stundenvergütung von 5,50 DM oder die Einräumung eines Rechts zu vorzeitiger Kündigung des Lehrgangs, vermag der Senat nicht zu folgen. Im Rahmen der individuellen Förderung der beruflichen Bildung hat das hier noch anzuwendende Arbeitsförderungsgesetz den Lehrgangsträgern keine eigenen Rechte eingeräumt (BSGE 41, 113, 115; 43, 134, 137, 142; BSG SozR 3-4100 § 34 Nr. 4; 3-1500 § 51 Nr. 24). Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist die Bundesanstalt für Arbeit bei der Festlegung der Teilnahmebedingungen einschließlich der Kündigungsmöglichkeiten zwar auch verpflichtet, den sachlichen Erfordernissen der Bildungsmaßnahmen und den Interessen der Maßnahmeträger Rechnung zu tragen (BSGE SozR 4460 § 6 Nr. 9). Das beruht aber auf dem Ziel, die sozial- und wirtschaftspolitischen Zwecke der Förderung nicht zu gefährden, weil nur bei solchen Teilnahmebedingungen erwartet werden kann, daß sie von einem verständigen Maßnahmeträger berücksichtigt werden, und wendet sich darum allein an die Bundesanstalt für Arbeit. Hinsichtlich des Lehrgangsveranstalters handelt es sich lediglich um einen Reflex, auf den er sich aus eigenem Recht nicht berufen kann. Es muß deswegen auch nicht entschieden werden, welchen Umfang eine derartige gesetzliche Verpflichtung der Klägerin gehabt hätte (vgl. nunmehr die Möglichkeit zur Übernahme der restlichen Lehrgangskosten gemäß § 82 Satz 2 SGB III, freilich nur unter der – hier nicht gegebenen – Bedingung, daß der Träger der Maßnahme das Arbeitsverhältnis des vorzeitig ausgeschiedenen Teilnehmers auch vermittelt hat). Allerdings mag der zwischen den Parteien bestehende (privatrechtliche, vgl. BSG SozR 3-1500 § 150 Nr. 24) Kooperationsvertrag eine gewisse Rücksichtnahme auf die Kalkulation des Beklagten gebieten, obwohl es sich nicht um eine sogenannte Auftragsmaßnahme, sondern lediglich um eine „freie Maßnahme” gehandelt hat. Einer derartigen Verpflichtung wäre die Klägerin aber durch den völligen Kündigungsausschluß zugunsten des Beklagten für das erste Halbjahr und im übrigen mit einer der gesetzlichen Regelung in § 621 Nr. 4 BGB entsprechenden Kündigungsmöglichkeit der Lehrgangsteilnehmer hinreichend nachgekommen, jedenfalls dann, wenn – wozu Vortrag des Beklagten fehlt – rechtliche oder sachliche Gründe der Ausbildung zum Reiseverkehrskaufmann nicht ausnahmsweise längere Ausbildungsabschnitte verlangten. Zu einer darüber hinausgehenden Rücksicht auf Belange des Beklagten war die Bundesanstalt für Arbeit vertraglich nicht verpflichtet. Insoweit ist zu beachten, daß die Parteien sich trotz der Bezeichnung des Vertragsverhältnisses als „Kooperation” nicht mit im wesentlichen gleich gerichteten Interessen, sondern innerhalb eines Austauschverhältnisses als Nachfrager und Anbieter gegenüberstanden. Unter derartigen Umständen ist es grundsätzlich Sache jeder Vertragspartei allein, ihre Interessen in dem ihr geboten erscheinenden Umfang zu wahren. Anders könnte es unter kartellrechtlichen Gesichtspunkten allenfalls dann liegen, wenn die Klägerin im Hinblick auf ihre von der Beschwerde herausgestellte Nachfragemacht als marktbeherrschendes Unternehmen anzusehen wäre und sie ihre Marktstellung bei der Festlegung der Teilnahmebedingungen mißbraucht hätte (§§ 26 Abs. 2 und 3, 98 GWB a.F.). Zu den Voraussetzungen dieser für den Streitfall ohnehin wenig naheliegenden Vorschriften hat der Beklagte jedoch nichts Konkretes vorgetragen.
Nach alledem trifft einzig den Beklagten das Risiko, daß mehr Teilnehmer als angenommen den Lehrgang nicht zu Ende führten. Aus denselben Gründen ist hier auch für einen Wegfall der Geschäftsgrundlage kein Raum. Angesichts dessen kann es der Klägerin nicht verwehrt sein, den ihr zustehenden Rückzahlungsanspruch gerichtlich geltend zu machen.
Unterschriften
Rinne, Streck, Schlick, Kapsa, Galke
Fundstellen
NJW 2003, 1459 |
BGHR 2003, 507 |
BGHR |
EBE/BGH 2003, 66 |
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