Leitsatz (amtlich)
a) Im Verfahren der sofortigen Beschwerde gem. §§ 567 ff. ZPO ist der vollbesetzte Spruchkörper außer in Fällen, in denen die Zuständigkeit des Einzelrichters zweifelhaft ist, nicht befugt, selbst über die Übertragung eines in die originäre Zuständigkeit des Einzelrichters fallenden Beschwerdeverfahrens zu entscheiden (im Anschluss an BGH, Beschl. v. 16.9.2003 - X ARZ 175/03, BGHZ 156, 147, 152 [juris Rz. 15]).
b) Bei einer Räumungsvollstreckung müssen die Gläubiger eine Rechtsnachfolgeklausel gem. §§ 750 Abs. 2, 727 ZPO nur dann erwirken, wenn sich aus den Gesamtumständen klar und eindeutig ergibt, dass die Rechtsnachfolger des Schuldners tatsächlichen (Mit-)Besitz an den Räumen haben.
c) Die Bestimmung des § 563a Abs. 1 BGB setzt voraus, dass zum Zeitpunkt des Todes eines Mieters ein gemeinsames Mietverhältnis i.S.d. § 563 BGB bestanden hat.
d) "Besitz" i.S.d. § 885 ZPO meint den Besitz in Form des "Gewahrsams" gem. § 886 ZPO, der seinerseits dem unmittelbaren Besitz nach § 854 Abs. 1 BGB entspricht.
e) Der nicht tatsächlich ausgeübte, d.h. fiktive Erbenbesitz nach § 857 BGB begründet - jedenfalls soweit und solange Gewahrsam eines Dritten besteht - keinen Gewahrsam im Sinne einer tatsächlichen, nach außen erkennbaren Sachherrschaft.
f) Für die Räumung gem. § 885 ZPO genügt ein gegen einen von mehreren Mitmietern erwirkter Räumungstitel.
g) Das Wegschaffen von Gegenständen nach § 885 Abs. 2 und 3 ZPO, die früher im (Mit-)Eigentum des Erblassers gestanden haben, stellt keine Vollstreckung in den Nachlass dar.
Normenkette
ZPO § 568 S. 2, § 885 Abs. 1 bis, Abs. 3, §§ 886, 750, 727; BGB §§ 563, 563a Abs. 1, § 854 Abs. 1, §§ 857, 431
Verfahrensgang
LG Mainz (Beschluss vom 11.03.2019; Aktenzeichen 3 T 99/18) |
AG Alzey (Entscheidung vom 27.09.2018; Aktenzeichen 8 M 1581/18) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde der Gläubiger wird der Beschluss der 3. Zivilkammer des LG Mainz vom 11.3.2019 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an den Einzelrichter des Beschwerdegerichts zurückverwiesen.
Gründe
Rz. 1
A. Die beiden Gläubiger betreiben die Räumungsvollstreckung aus einem Versäumnisurteil vom 1.3.2018, mit dem der am 17.6.2018 verstorbene Schuldner zu 1) (im Weiteren: Schuldner) und die Schuldnerin zu 2) (im Weiteren: Schuldnerin) als Gesamtschuldner zur Räumung des Reihenhauses verurteilt worden sind, das die beiden Schuldner von den Gläubigern gemietet hatten. Die von den Gläubigern am 2.5.2018 mit der Räumung beauftragte Gerichtsvollzieherin hat nach dem Tod des Schuldners die weitere Vollstreckung abgelehnt. Die Gläubiger haben gegen diese Entscheidung erfolglos Erinnerung eingelegt und noch während des laufenden Erinnerungsverfahrens den Vollstreckungsauftrag gegen den Schuldner zurückgenommen.
Rz. 2
Die von den Gläubigern gegen die Zurückweisung ihrer Erinnerung eingelegte sofortige Beschwerde hat die Einzelrichterin des Beschwerdegerichts (im Weiteren: Einzelrichterin) mit irrtümlich auf den 3.12.2018 datiertem Beschluss vom 6.12.2018 zurückgewiesen. Die Gläubiger haben daraufhin mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 13.12.2018 die Verletzung ihres rechtlichen Gehörs mit der Begründung gerügt, der Beschluss sei vor Ablauf der von der Einzelrichterin mit Schreiben vom 3.12.2018 eingeräumten Frist von sieben Tagen zur Stellungnahme zu den in diesem Schreiben erteilten rechtlichen Hinweisen und ohne Berücksichtigung der Argumente ergangen, die ihre Verfahrensbevollmächtigten innerhalb dieser Frist vorgebracht hätten. Zugleich haben die Gläubiger um Einräumung einer Möglichkeit gebeten, den Beschluss mit der Rechtsbeschwerde überprüfen lassen zu können. Die vollbesetzte Beschwerdekammer (im Weiteren: Kammer) hat die Sache mit Beschluss vom 16.1.2019 übernommen und mit weiterem Beschluss vom 11.3.2019 die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der Einzelrichterin vom 6.12.2018 nachträglich zugelassen.
Rz. 3
Mit der Rechtsbeschwerde, deren Verwerfung, hilfsweise Zurückweisung die Schuldnerin beantragt, verfolgen die Gläubiger ihr in den Vorinstanzen erfolgloses Begehren weiter, die Gerichtsvollzieherin anzuweisen, den Räumungs- und Vollstreckungsauftrag gegen die Schuldnerin durchzuführen.
Rz. 4
B. Die Einzelrichterin hat im Beschluss vom 6.12.2018 angenommen, die zulässige sofortige Beschwerde der Gläubiger sei unbegründet, weil die Gerichtsvollzieherin nach dem Tod des Schuldners die weitere Räumungsvollstreckung zu Recht abgelehnt habe. Der Grundsatz, dass zur Vollstreckung des Räumungsanspruchs aus § 546 BGB gegenüber allen Parteien des Mietvertrags sowie ggf. gegenüber mit in der Wohnung lebenden Ehegatten und nichtehelichen Lebenspartnern eine Räumungsklage zu erheben und ein Räumungstitel zu erwirken sei, lasse sich auf die Frage übertragen, ob bei einer gesamtschuldnerischen Verurteilung ein Titel gegen alle Schuldner erforderlich sei. Damit seien im Streitfall zur Vollstreckung der Räumung Titel gegen beide Schuldner erforderlich gewesen, weil beide ein eigenständiges Besitzrecht gehabt hätten. Daran habe der Tod des Schuldners nichts geändert, da dessen persönliche Gegenstände offensichtlich noch nicht aus der Wohnung entfernt worden seien. Danach sei für die Vollstreckung der Räumung ein auf die Erbengemeinschaft umgeschriebener Titel erforderlich.
Rz. 5
Die Kammer hat auf die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs und nach Übernahme der Sache im Beschluss vom 11.3.2019 ausgeführt, die Rechtsbeschwerde sei entsprechend § 321a ZPO gem. § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 2 Nr. 1 ZPO wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache zuzulassen. Eine ergänzende Zulassung der Rechtsbeschwerde sei in entsprechender Anwendung des § 321a ZPO auf eine Gegenvorstellung hin möglich, wenn in der Beschwerdeentscheidung - wie im Streitfall geschehen - durch willkürliche Nichtzulassung Verfahrensgrundrechte des Beschwerdeführers verletzt worden seien.
Rz. 6
C. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an den Einzelrichter des Beschwerdegerichts.
Rz. 7
I. Die Rechtsbeschwerde ist aufgrund ihrer wirksamen Zulassung durch die Kammer gem. § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 3 Satz 2 ZPO statthaft und, da sie gemäß den Erfordernissen des § 575 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden ist, auch im Übrigen zulässig.
Rz. 8
1. Die Rechtsbeschwerdeerwiderung macht geltend, die nachträgliche Zulassung der Rechtsbeschwerde durch die Kammer sei unzulässig und damit wirkungslos. Die Kammer sei an den Beschluss der Einzelrichterin gebunden gewesen, da sie keinen spezifischen Verstoß gegen das Grundrecht aus Art. 103 Abs. 1 GG durch die Einzelrichterin festgestellt habe. Auch wenn die Kammer der Argumentation der Gläubiger folge, habe sie das Vorbringen ersichtlich als nicht durchgreifend angesehen, da sie lediglich die Rechtsbeschwerde zugelassen, nicht aber den Tenor im Beschluss der Einzelrichterin verändert habe.
Rz. 9
2. Diese Umstände führen nicht zur Unwirksamkeit der nachträglichen Zulassung der Rechtsbeschwerde. Die Kammer hat eine entscheidungserhebliche Gehörsverletzung durch die Einzelrichterin angenommen. Sie hat sich zwar im Beschlusstenor nicht - wie es geboten gewesen wäre - dazu verhalten, ob die Entscheidung der Einzelrichterin aufrecht zu erhalten oder aufzuheben war (vgl. § 321a Abs. 5 Satz 1, 2 und 5 i.V.m. § 343 ZPO). Sie war aber, da die Entscheidung der Einzelrichterin wegen des insoweit gegebenen Gehörsverstoßes keine Bindungswirkung entfaltet hat, nicht gehindert, die Rechtsbeschwerde zuzulassen (vgl. BGH, Beschl. v. 28.2.2018 - XII ZB 634/17 NJW-RR 2018, 900 Rz. 8; Beschl. v. 12.10.2018 - V ZR 291/17, NJW-RR 2019, 460 Rz. 8).
Rz. 10
a) Ein Beschwerdegericht, das einen verfahrensabschließenden Beschluss erlassen hat, ist an diesen grundsätzlich gebunden, wenn der Beschluss nur in einem besonderen Verfahren abgeändert werden kann. Beschlüsse, die auf sofortige Beschwerde hin ergangen sind und der Rechtsbeschwerde unterliegen, sind in entsprechender Anwendung des § 318 ZPO unabänderlich und damit grundsätzlich bindend (BGH, Beschl. v. 18.10.2018 - IX ZB 31/18, BGHZ 220, 90 Rz. 14 m.w.N.). Dies gilt auch insoweit, als in der Entscheidung die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist.
Rz. 11
b) Anders verhält es sich jedenfalls dann, wenn gegen einen entsprechenden Beschluss eine gem. § 321a ZPO zulässige und begründete Anhörungsrüge erhoben worden ist. Die Anhörungsrüge stellt einen gesetzlich geregelten Rechtsbehelf eigener Art dar, der das Gericht von der Bindungswirkung des § 318 ZPO und von der formellen und materiellen Rechtskraft freistellt (BGHZ 220, 90 Rz. 15 m.w.N.).
Rz. 12
c) So verhält es sich im Streitfall. Die Kammer hat zwar die Frage der Zulässigkeit und Begründetheit der Anhörungsrüge wegen der Annahme eines Vorrangs der Zulassung der Rechtsbeschwerde fehlerhaft nicht ausdrücklich geprüft. Sie hat aber in der Sache die Voraussetzungen einer zulässigen und begründeten Rüge nach § 321a ZPO festgestellt und die Entscheidung im Ergebnis wirksam zur Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht gestellt.
Rz. 13
aa) Die Kammer hat in dem Beschluss vom 11.3.2019 die Auffassung vertreten, der Schriftsatz der Verfahrensbevollmächtigten der Gläubiger vom 13.12.2018 könne sowohl als Gehörsrüge nach § 321a ZPO als auch als Gegenvorstellung mit dem Ziel einer nachträglichen Zulassung der Rechtsbeschwerde ausgelegt werden. Sie hat weiter gemeint, eine Gehörsrüge dürfte wegen des Vorrangs der Zulassung der Rechtsbeschwerde gem. § 321a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO zwar nicht statthaft sein. In entsprechender Anwendung des § 321a ZPO sei jedoch auch nach dem Inkrafttreten des Anhörungsrügengesetzes vom 9.12.2004 (BGBl. I 3220) auf eine Gegenvorstellung hin eine ergänzende Zulassung der Rechtsbeschwerde möglich, wenn die Beschwerdeentscheidung durch willkürliche Nichtzulassung Verfahrensgrundrechte des Beschwerdeführers verletzt habe. So verhalte es sich im Streitfall, da die Einzelrichterin das Recht der Gläubiger auf rechtliches Gehör dadurch verletzt habe, dass sie deren Beschwerde vor Ablauf der diesen von ihr gesetzten Äußerungsfrist zurückgewiesen habe. Der darin liegende Verfahrensverstoß sei auch entscheidungserheblich. Die Gläubiger hätten in ihrer innerhalb der Äußerungsfrist eingereichten Stellungnahme vom 10.12.2018 zutreffend darauf hingewiesen, dass, da die Schuldnerin nach dem Tod des Schuldners gem. § 563a Abs. 1 BGB alleinige Partei des Mietverhältnisses geworden sei, auch nur noch ein gegen sie als einzige verbliebene Mieterin gerichteter Titel erforderlich gewesen sei. Den Erben des verstorbenen Mieters habe es lediglich freigestanden, dessen Gegenstände aus der Wohnung zu entfernen.
Rz. 14
bb) Diese Beurteilung unterliegt schon im rechtlichen Ausgangspunkt durchgreifenden Bedenken. Die Kammer hat nicht berücksichtigt, dass zur Abhilfe des von den Gläubigern gerügten Gehörsverstoßes allein die Anhörungsrüge nach § 321a ZPO in Betracht kommt. Der Umstand, dass diese gem. § 321a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO grundsätzlich subsidiär ist, steht ihrer Statthaftigkeit nicht entgegen, weil der Beschluss der Einzelrichterin vom 6.12.2018, in dem die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden war, in entsprechender Anwendung des § 318 ZPO unabänderlich und damit grundsätzlich bindend war. Mit der Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde war gegen den Beschluss der Einzelrichterin kein ordentlicher Rechtsbehelf mehr möglich.
Rz. 15
cc) Damit stand der Einordnung des von den Gläubigern am 13.12.2018 eingelegten Rechtsbehelfs als Gehörsrüge das von der Kammer insoweit gesehene Hindernis nicht entgegen. Demgegenüber war für eine Gegenvorstellung wegen eines Gehörsverstoßes kein Raum. Der Gesetzgeber hat mit der Regelung in § 321a ZPO das Rechtsbehelfssystem um die Möglichkeit ergänzt, einen Verstoß gegen das in Art. 103 Abs. 1 GG verbürgte Recht auf rechtliches Gehör zu rügen (vgl. Begründung des Entwurfs eines Gesetzes über die Rechtsbehelfe bei Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör [Anhörungsrügengesetz], BT-Drucks. 15/3706, 14). Keiner Entscheidung bedarf danach die Frage, ob eine ergänzende Zulassung der Rechtsbeschwerde auch noch nach dem Inkrafttreten des Anhörungsrügengesetzes auf eine Gegenvorstellung hin möglich ist, wenn in der Beschwerdeentscheidung durch die willkürliche Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde Verfahrensrechte der unterlegenen Partei verletzt worden sind (dafür BGH, Beschl. v. 4.7.2007 - VII ZB 28/07 NJW-RR 2007, 1654 Rz. 6; dagegen BGHZ 220, 90 Rz. 16 bis 20 [18 f.] m.w.N.).
Rz. 16
dd) Die fehlerhafte Einordnung des Schriftsatzes vom 13.12.2018 als Gegenvorstellung macht die Zulassung der Rechtsbeschwerde jedoch nicht wirkungslos. Die Kammer hat angenommen, dass die Einzelrichterin den Anspruch der Gläubiger auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat und dass erst durch ihre verfrühte Entscheidung der Grund für die nachträgliche Zulassung entstanden ist. Sie hat damit der Sache nach rechtsfehlerfrei die Voraussetzungen für eine Fortführung des Verfahrens nach § 321a Abs. 1 Nr. 2 ZPO festgestellt.
Rz. 17
(1) Der Anspruch auf rechtliches Gehör wird verletzt, wenn das Gericht bei seiner Entscheidung eine von ihm dem oder den Beteiligten gesetzte Frist zur Äußerung nicht abwartet (BGH, Beschl. v. 19.11.2019 - VI ZR 215/19 NJW-RR 2020, 248 Rz. 4; vgl. auch BGH, Beschl. v. 19.8.2010 - VII ZB 2/09 NJW-RR 2011, 424 Rz. 17; BVerfGE 12, 110, 113 [juris Rz. 8]; BVerfG MDR 2018, 614 Rz. 8).
Rz. 18
(2) Der im Streitfall danach gegebene Gehörsverstoß ist auch entscheidungserheblich. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Einzelrichterin ohne die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör zu einer anderen Entscheidung gekommen wäre (vgl. dazu BVerfG NJW 2018, 1077 Rz. 16; BGH, Beschl. v. 19.8.2010 - VII ZB 2/09 NJW-RR 2011, 424 Rz. 17). Nimmt ein Beschwerdegericht fristgerechtes Vorbringen überhaupt nicht zur Kenntnis, kann eine andere Entscheidung jedenfalls dann nicht ausgeschlossen werden, wenn ein Schriftsatz nicht allein auf den bisherigen Vortrag verweist, sondern sich argumentativ mit der Vorentscheidung oder einem gerichtlichen Hinweis auseinandersetzt und darauf angelegt ist, das Gericht von seinem Rechtsstandpunkt zu überzeugen (vgl. BGH NJW-RR 2011, 424 Rz. 17; NJW-RR 2020, 248 Rz. 6). So verhält es sich im Streitfall. Die Beschwerde hat sich in ihrem Schriftsatz vom 10.12.2018 mit dem gerichtlichen Hinweis vom 3.12.2018 inhaltlich auseinandergesetzt und ist den rechtlichen Ausführungen mit einer neuen Argumentation entgegengetreten. Es erscheint deshalb nicht als ausgeschlossen, dass die Einzelrichterin, wenn sie beim Erlass ihres Beschlusses von den Ausführungen in diesem Schriftsatz Kenntnis gehabt hätte, dann auch die Zulassung der Rechtsbeschwerde für erforderlich gehalten hätte.
Rz. 19
(3) Der Umstand, dass die Kammer rechtsfehlerhaft nicht in der Sache entschieden, sondern allein die Rechtsbeschwerde zugelassen hat, macht die Zulassung nicht unwirksam. Er ändert nichts daran, dass das Beschwerdegericht das Vorbringen für durchgreifend erachtet und aufgrund eines spezifischen Gehörsverstoßes das Verfahren fortgeführt sowie die Rechtsbeschwerde zugelassen hat.
Rz. 20
d) Wenn die Anhörungsrüge im Streitfall danach zulässig und begründet war, muss nicht entschieden werden, ob die Zulässigkeit und Begründetheit einer Gehörsrüge oder Gegenvorstellung schon im Rahmen der Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde zu überprüfen ist (vgl. BGH, Beschl. v. 20.11.2018 - XI ZB 9/17, juris Rz. 2 bis 6 [5 f.]; zur nachträglichen Zulassung der Revision vgl. BGH NJW-RR 2019, 460 Rz. 6, 12) oder die Frage, inwieweit das Verfahren aufgrund des vom Beschwerdegericht angenommenen Verfahrensverstoßes fortgesetzt werden durfte, die Begründetheit der Rechtsbeschwerde betrifft (vgl. BGHZ 220, 90 Rz. 7; BGH, Beschl. v. 19.7.2018 - V ZB 6/18, NJW 2018, 3388 Rz. 4).
Rz. 21
3. Schließlich ist die Zulassung der Rechtsbeschwerde unabhängig davon wirksam, ob eine Übertragungsentscheidung der Einzelrichterin i.S.v. § 568 Satz 2 Nr. 2 ZPO vorliegt. An eine unter Verstoß gegen § 568 Satz 2 Nr. 2 ZPO erfolgte Zulassung ist das Rechtsbeschwerdegericht gem. § 574 Abs. 3 Satz 2 ZPO gleichwohl gebunden (vgl. BGH, Beschl. v. 21.9.2017 - IX ZB 84/16 WM 2017, 2035 Rz. 9; zur Zulassung der Rechtsbeschwerde durch den Einzelrichter vgl. BGH, Beschl. v. 13.3.2003 - IX ZB 134/02, BGHZ 154, 200, 201 [juris Rz. 5]; Beschl. v. 27.4.2010 - VIII ZB 81/09, WuM 2010, 385 Rz. 5).
Rz. 22
II. In der Sache hat die Rechtsbeschwerde schon deshalb Erfolg, weil das Beschwerdegericht entgegen § 568 Satz 1 ZPO über die Anhörungsrüge nicht durch die Einzelrichterin, sondern durch die Kammer entschieden hat.
Rz. 23
1. Nach § 568 Satz 1 ZPO entscheidet das Beschwerdegericht durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter oder einem Rechtspfleger erlassen worden ist. Vorliegend hat über die Erinnerung der Gläubiger der Amtsrichter entschieden. In einem solchen Fall ist die Kammer gem. § 568 Satz 2 ZPO nur dann zur Entscheidung über die Beschwerde berufen, wenn der Einzelrichter durch eine gesonderte Entscheidung das Verfahren dem Beschwerdegericht zur Entscheidung in der im Gerichtsverfassungsgesetz vorgeschriebenen Besetzung übertragen hat. Dies setzt einen entsprechenden Beschluss des Einzelrichters voraus (vgl. BGHZ 220, 90 Rz. 11; BGH, Beschl. v. 12.9.2019 - IX ZB 2/19 WM 2019, 1982 Rz. 9).
Rz. 24
2. An einem solchen Beschluss fehlt es im Streitfall. Die Kammer hat mit Beschluss vom 16.1.2019 selbst entschieden, dass sie die Sache wegen grundsätzlicher Bedeutung gem. § 568 Satz 2 Nr. 2 ZPO übernimmt. Dies war verfahrensfehlerhaft. Die Beschwerdekammer ist außer in Fällen, in denen die Zuständigkeit des Einzelrichters zweifelhaft ist (§ 348 Abs. 2 ZPO analog; vgl. BGH, Beschl. v. 16.9.2003 - X ARZ 175/03, BGHZ 156, 147, 152 [juris Rz. 15]), nicht befugt, selbst über die Übertragung eines in die originäre Zuständigkeit des Einzelrichters fallenden Beschwerdeverfahrens zu entscheiden. Insoweit ist unerheblich, ob der Einzelrichter an einem solchen Kammerbeschluss mitwirkt, weil es nach § 568 Satz 2 ZPO alleinige Entscheidungskompetenz des Einzelrichters ist, ob die Voraussetzungen für eine Übertragung auf die Kammer vorliegen (BGH WM 2017, 2035 Rz. 11). Die im Streitfall erfolgte Anfrage der Einzelrichterin bei der Vorsitzenden der Kammer, ob die Übernahme des Verfahrens durch diese angezeigt sei, konnte den insoweit gebotenen Übertragungsbeschluss nicht ersetzen.
Rz. 25
3. Die Bestimmung des § 568 Satz 3 ZPO, wonach auf eine erfolgte oder unterlassene Übertragung ein Rechtsmittel nicht gestützt werden kann, steht der Relevanz des der Kammer hier unterlaufenen Verfahrensfehlers nicht entgegen. Es besteht vorliegend kein Streit darüber, ob die Einzelrichterin das Verfahren zu Recht nach § 568 Satz 2 ZPO der Kammer übertragen hat. Vielmehr hat die Einzelrichterin insoweit keine Entscheidung getroffen. Dieser Fall wird von § 568 Satz 3 ZPO nicht erfasst (vgl. BGH, Beschl. v. 11.2.2003 - VIII ZB 56/02 NJW 2003, 1875, 1876 [juris Rz. 8]; BGH WM 2017, 2035 Rz. 12).
Rz. 26
4. Da das Beschwerdegericht zu Unrecht entgegen § 568 Satz 1 ZPO nicht durch die Einzelrichterin, sondern durch die Beschwerdekammer entschieden hat, war es nicht vorschriftsmäßig besetzt (§§ 576 Abs. 3, 547 Nr. 1 ZPO). Angesichts dieses absoluten Rechtsbeschwerdegrunds ist es unerheblich, ob sich der angefochtene Beschluss aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 577 Abs. 3 ZPO). Vielmehr sind gem. § 577 Abs. 4 ZPO der fehlerhaft ergangene Beschluss aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an den Einzelrichter zurückzuverweisen (vgl. BGH NJW 2003, 1875, 1877 [juris Rz. 9]; WM 2017, 2035 Rz. 13).
Rz. 27
D. Für das danach fortzuführende Beschwerdeverfahren weist der Senat auf folgende Gesichtspunkte hin:
Rz. 28
I. Die Gerichtsvollzieherin durfte die Durchführung der gegen die Schuldnerin beantragten Vollstreckungsmaßnahme gem. §§ 750, 885 ZPO nicht ohne Überprüfung der tatsächlichen Besitzverhältnisse bezüglich des zu räumenden Hauses ablehnen. Die Gläubiger müssen eine Rechtsnachfolgeklausel gem. §§ 750 Abs. 2, 727 ZPO nur dann erwirken, wenn die Rechtsnachfolger des Schuldners tatsächlichen (Mit-)Besitz an den Räumen haben. Dieser tatsächliche (Mit-)Besitz muss sich dabei im Hinblick auf das formalisierte Zwangsvollstreckungsverfahren klar und eindeutig aus den Gesamtumständen ergeben (vgl. BGH, Beschl. v. 19.3.2008 - I ZB 56/07 NJW 2008, 1959 Rz. 16 [Lebensgefährte, volljährige Tochter und deren Ehemann]; LG Saarbrücken, DGVZ 2018, 183 Rz. 12 [volljähriger Sohn]). Wenn im Streitfall allein die Schuldnerin tatsächlichen Besitz an der Wohnung hat, genügt es, wenn die Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung in Bezug auf sie vorliegen.
Rz. 29
II. Die Erwirkung einer Rechtsnachfolgeklausel ist entgegen der Ansicht der Kammer nicht bereits deshalb entbehrlich, weil der Rechtsgedanke des § 563a Abs. 1 BGB herangezogen werden könnte. Diese Bestimmung setzt sowohl nach ihrem Wortlaut als auch nach ihrem Zweck, für überlebende Mitmieter einen vorrangigen Bestandsschutz zu schaffen, voraus, dass zum Zeitpunkt des Todes eines Mieters ein gemeinsames Mietverhältnis i.S.d. § 563 BGB bestanden hat (vgl. BeckOGK.BGB/Wendtland, Stand 1.1.2020, § 563a Rz. 3 i.V.m. § 563 Rz. 27; Schmidt-Futterer/Streyl, Mietrecht, 14. Aufl., § 563 BGB Rz. 11). Daran fehlte es im Streitfall, in dem das Mietverhältnis bereits vor dem Tod des Schuldners durch außerordentliche Kündigung beendet worden ist.
Rz. 30
III. Nicht tragfähig ist danach die Annahme der Einzelrichterin, im Streitfall sei für die Räumung eine Titelumschreibung auf die Erben des Schuldners deshalb zwingend geboten, weil der Schuldner nach dem Mietvertrag ein eigenständiges Besitzrecht an den Räumlichkeiten gehabt habe und seine persönlichen Gegenstände "offensichtlich" noch nicht aus der Wohnung entfernt worden seien. Auf ein - vormals gegebenes - eigenständiges Besitzrecht des Schuldners kommt es hier ebenso wenig an wie auf den Verbleib seiner persönlichen Gegenstände. Maßgeblich ist vielmehr allein, ob neben der Schuldnerin die Erben des Schuldners tatsächliche Besitzer der Räumlichkeiten sind.
Rz. 31
IV. Nach § 750 Abs. 1 Satz 1 ZPO darf die Zwangsvollstreckung nur beginnen, wenn - zumindest auch - die Personen, für und gegen die sie stattfinden soll, in dem Urteil oder in der ihm beigefügten Vollstreckungsklausel namentlich bezeichnet sind und das Urteil bereits zugestellt ist oder gleichzeitig zugestellt wird (vgl. BGH, Beschl. v. 14.8.2008 - I ZB 39/08 NJW 2008, 3287 Rz. 9). Bei einer Räumungsvollstreckung gem. § 885 ZPO ist derjenige, der den tatsächlichen Besitz an den Räumen innehat, die Person, gegen die die Zwangsvollstreckung stattzufinden hat.
Rz. 32
1. Nach § 885 Abs. 1 Satz 1 ZPO hat der Gerichtsvollzieher den Schuldner, der eine unbewegliche Sache herauszugeben hat, aus dem Besitz zu setzen und den Gläubiger in den Besitz einzuweisen. Dabei meint "Besitz" i.S.d. § 885 ZPO den Besitz in Form des "Gewahrsams". Dies verdeutlicht die Vorschrift des § 886 ZPO, die den Fall regelt, dass sich die herauszugebende Sache "im Gewahrsam eines Dritten" befindet. Dementsprechend muss gegen denjenigen, der an dem Räumungsobjekt Gewahrsam oder Mitgewahrsam hat, ein Vollstreckungstitel vorliegen (vgl. Lackmann in Musielak/Voit, ZPO, 17. Aufl., § 885 Rz. 6; Seiler in Thomas/Putzo, ZPO, 41. Aufl., § 885 Rz. 4; Lugani in Prütting/Gehrlein, ZPO, 11. Aufl., § 885 Rz. 14).
Rz. 33
2. Der vollstreckungsrechtliche Gewahrsam gem. § 886 ZPO entspricht seinerseits dem unmittelbaren Besitz nach § 854 Abs. 1 BGB (vgl. Palandt/Herrler, BGB, 79. Aufl., Überbl v § 854 Rz. 5; zu § 808 ZPO vgl. Flockenhaus in Musielak/Voit, a.a.O., § 808 Rz. 4; Würdinger in Stein/Jonas, 23. Aufl. ZPO, § 808 Rz. 14). Auch der unmittelbare Besitz einer Sache setzt nach § 854 Abs. 1 BGB die tatsächliche Gewalt über sie voraus (BGH, Urt. v. 2.12.2012 - WM 2012, 1926 Rz. 10). Vollstreckungsrechtlich entscheidend ist die von einem entsprechenden Willen getragene tatsächliche Sachherrschaft, die für den Gerichtsvollzieher äußerlich erkennbar sein muss (vgl. BGH NJW 2008, 1959 Rz. 16; vgl. auch Lüke in Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Aufl., § 808 Rz. 15; Lugani in Prütting/Gehrlein, a.a.O., § 885 Rz. 14). Der Gerichtsvollzieher hat allein die tatsächlichen Besitzverhältnisse zu beurteilen sowie zu prüfen, ob sich die Räumungsverpflichtung nach dem vom Gläubiger beigebrachten Titel gegen den von ihm nach diesem Maßstab festgestellten Besitzer der Mietsache richtet (BGH, Beschl. v. 25.6.2004 - IXa ZB 29/04, BGHZ 159, 383, 386 [juris Rz. 9]; BGH NJW 2008, 1959 Rz. 12; NJW 2008, 3287 Rz. 13 m.w.N.). Allein diese Vorgehensweise entspricht dem formalisierten Verfahren der Zwangsvollstreckung (vgl. Rensen in Wieczorek/Schütze, a.a.O., § 885 Rz. 19, 21).
Rz. 34
3. Dagegen kommt es vollstreckungsrechtlich nicht darauf an, ob den Erben über § 857 BGB Besitzrechte an den Räumlichkeiten oder den dort weiterhin befindlichen Sachen zustehen. Die Erben des Mieters sind daher im Streitfall entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerdeerwiderung nicht durch die Fiktion des § 857 BGB in die tatsächliche Besitzposition des Schuldners eingerückt.
Rz. 35
a) Der nicht tatsächlich ausgeübte, d.h. fiktive Erbenbesitz nach § 857 BGB begründet mangels tatsächlicher Beziehung zu einer Sache keinen Gewahrsam im Sinne einer tatsächlichen, nach außen erkennbaren Sachherrschaft (vgl. zum Gewahrsam nach § 808 ZPO BeckOK/ZPO/Forbriger, 35. Edition [Stand 1.1.2020], § 808 Rz. 5; Flockenhaus in Musielak/Voit, a.a.O., § 808 Rz. 4; Saenger/Kemper, ZPO, 8. Aufl., § 808 Rz. 6; Seiler in Thomas/Putzo, a.a.O., § 808 Rz. 3; Herget in Zöller, ZPO, 33. Aufl., § 808 ZPO Rz. 7; vgl. auch Schäfer in MünchKomm/BGB, 8. Aufl., § 857 Rz. 4). Die Wirkungen der abgeleiteten Besitzposition nach § 857 BGB entsprechen zwar grundsätzlich denen, die der Besitz für den Erblasser hatte. Abweichungen ergeben sich jedoch daraus, dass der Erbe die tatsächliche Sachherrschaft gerade nicht innehat (BeckOGK.BGB/Götz, Stand 1.1.2020, § 857 Rz. 25). Der Erbenbesitz ist ein Besitz ohne Sachherrschaft (Michel, Probleme des Erbenbesitzes nach § 857 BGB, 1989, S. 32). Die tatsächliche Sachherrschaft kann nicht gesetzlich für jemanden bestimmt werden, dem sie fehlt. Ein mit Sachherrschaft verbundener Besitz des Erben entsteht erst durch die Erlangung der tatsächlichen Gewalt (Schäfer in MünchKomm/BGB, a.a.O., § 857 Rz. 3 und 4). Aus der von der Rechtsbeschwerdeerwiderung angeführten Entscheidung (BGH, Urt. v. 23.9.1953 - VI ZR 313/52, LM Nr. 6 zu § 836 BGB = BeckRS 1953, 31197796) folgt nichts Abweichendes. Sie betrifft den Übergang des Eigenbesitzes des Erblassers auf den Erben, verhält sich aber nicht zu der Frage der tatsächlichen Sachherrschaft.
Rz. 36
b) Zum Gewahrsamserfordernis bei der Pfändung körperlicher Sachen nach § 808 ZPO wird allerdings die Auffassung vertreten, diese Betrachtungsweise werde dem Zweck des § 857 BGB nicht gerecht, da dieser eine tatsächliche Sachherrschaft des Erben ex lege statuieren wolle. Soweit und solange kein Gewahrsam eines Dritten be- oder entstehe, sei der Erbenbesitz danach als ausreichend anzusehen, um gleichwohl eine Mobiliarvollstreckung in den Nachlass zu ermöglichen (vgl. Gruber in MünchKomm/ZPO, 5. Aufl., § 808 Rz. 10; vgl. auch Würdinger in Stein/Jonas, a.a.O., § 808 Rz. 14; wohl auch Lüke in Wieczorek/Schütze, a.a.O., § 808 Rz. 15).
Rz. 37
c) Im Streitfall hat jedenfalls die Schuldnerin Gewahrsam an der Wohnung, so dass die Erben des Schuldners ohne tatsächliche Inbesitznahme der Wohnung auch nach dieser zur Mobiliarvollstreckung vertretenen Auffassung nicht Gewahrsamsinhaber geworden sind. Damit kann es hier offenbleiben, ob im Falle der Gewahrsamslosigkeit bei der Vollstreckung nach § 885 Abs. 1 ZPO ein Bedürfnis dafür bestehen kann, eine tatsächliche Sachherrschaft des Erben zu fingieren.
Rz. 38
V. Sonstige vollstreckungsrechtliche Gründe, die eine Titelumschreibung auf die Erben erforderten, sind im Streitfall nicht ersichtlich.
Rz. 39
1. Insbesondere ist es unerheblich, dass der Schuldner in dem Versäumnisurteil vom 1.3.2018 gesamtschuldnerisch neben der Schuldnerin verurteilt worden ist, das gemietete Reihenhaus zu räumen und an die Gläubiger herauszugeben. Wie ausgeführt, sind für die Zwangsvollstreckung nach § 885 Abs. 1 ZPO die tatsächlichen Besitzverhältnisse maßgeblich. Insofern genügt es, dass eine der im Titel genannten Personen alleiniger tatsächlicher Besitzer der Räumlichkeiten ist. Der Gerichtsvollzieher hat die tatsächlichen Besitzverhältnisse zu beurteilen und zu prüfen, ob sich die Räumungsverpflichtung nach dem vom Gläubiger beigebrachten Titel gegen den von ihm festgestellten Besitzer der Mietsache richtet (BGHZ 159, 383, 386 [juris Rz. 9], BGH NJW 2008, 1595 Rz. 12; NJW 2008, 3287 Rz. 13). Eine Vollstreckung nur gegenüber einem Schuldner ist mit Blick auf die gesamtschuldnerische Verurteilung möglich. Mehrere Mieter sind materiell-rechtlich selbständig zur Räumung und Herausgabe verpflichtet (vgl. BGH, Beschl. v. 22.11.1995 - VIII ARZ 4/95 NJW 1996, 515, 516 [juris Rz. 22]; Beschl. v. 5.10.2005 - VIII ZB 52/04 NJW 2005, 3786, 3787 [juris Rz. 11]; Urt. v. 10.12.2014 - VIII ZR 25/14 NJW 2015, 473 Rz. 19).
Rz. 40
a) Für die Räumungsverpflichtung kommt es materiell-rechtlich allerdings nicht darauf an, ob der Mieter oder dessen Rechtsnachfolger Besitz an der Mietsache hat. Auch der Erbe schuldet nach wirksamer Beendigung des Mietverhältnisses gem. § 546 Abs. 1 BGB sowie nach §§ 985, 857 BGB die Rückgabe der Mietsache (vgl. BGH, Urt. v. 25.9.2019 - VIII ZR 122/18 NJW-RR 2020, 6 Rz. 48; vgl. auch BGH NJW 1996, 515, 516 [juris Rz. 12, 19 bis 22], wonach der - dem mittlerweile geltenden § 546 Abs. 1 BGB entsprechende - Tatbestand des § 556 Abs. 1 BGB a.F. keinen Besitz des Mieters voraussetzte).
Rz. 41
b) Der Vermieter ist jedoch materiell-rechtlich nicht verpflichtet, gegenüber sämtlichen im Mietvertrag genannten Personen oder deren Rechtsnachfolger(n) einen Räumungstitel zu erwirken. Mehrere Mieter schulden die Rückgabe der Mietsache als Gesamtschuldner nach § 431 BGB selbständig, wenn auch unteilbar und inhaltsgleich (vgl. BGH, Beschl. v. 5.10.2005 - VIII ZB 52/04 NJW 2005, 3786, 3787 [juris Rz. 11]). Aus Titeln gegen Gesamtschuldner darf grundsätzlich gegen jeden der Gesamtschuldner auf das Ganze vollstreckt werden (Würdinger in Stein/Jonas, a.a.O., Vorbemerkung zu §§ 803 ff. Rz. 8). Die Rückgabepflicht kann deshalb gegen jeden der Schuldner sowohl gesondert geltend gemacht (vgl. BGH NJW 1996, 515, 516 [juris Rz. 22]; BGH, Urt. v. 10.12.2014 - VIII ZR 25/14 NJW 2015, 473 Rz. 19 m.w.N.) als auch - im Falle des alleinigen tatsächlichen Besitzes eines Mieters - nur gegenüber diesem allein vollstreckt werden.
Rz. 42
2. Der Umstand, dass die Räumung über die Besitzverschaffung hinaus möglicherweise das Wegschaffen von Gegenständen nach § 885 Abs. 2 und 3 ZPO umfasst, die früher im (Mit-)Eigentum des Erblassers gestanden haben, führt gleichfalls nicht zum Erfordernis einer Räumungsvollstreckung auch gegenüber den Erben und zur Notwendigkeit einer Titelumschreibung.
Rz. 43
a) Ein solches Wegschaffen von Gegenständen stellt keine Vollstreckung in den Nachlass dar. Bei der nach § 885 Abs. 1 ZPO vorgenommenen Räumung sind bewegliche Gegenstände gerade nicht selbst Gegenstand der Zwangsvollstreckung. Sie werden gem. § 885 Abs. 2 und 3 ZPO vom Gerichtsvollzieher weggeschafft und dem Schuldner oder den in § 885 Abs. 2 ZPO genannten Personen übergeben oder, wenn weder der Schuldner noch eine dieser Personen anwesend ist oder ihre Entgegennahme verweigert wird, in Verwahrung genommen oder, wenn an ihrer Aufbewahrung offensichtlich kein Interesse besteht, vernichtet. In § 885 Abs. 2 und 3 ZPO ist nicht geregelt, ob die Zwangsvollstreckung durchzuführen ist, sondern allein die Frage, was mit den vom Gerichtsvollzieher bei der Räumung vorgefundenen, nicht der Zwangsvollstreckung unterliegenden beweglichen Sachen zu geschehen hat. Rückschlüsse auf die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung als solche können aus der Vorschrift nicht gezogen werden (BGHZ 159, 383, 386 f. [juris Rz. 10]).
Rz. 44
b) Daran ändert sich nichts, wenn der Gerichtsvollzieher - wie im Streitfall - Kenntnis davon hat, dass der ehemalige weitere Schuldner verstorben ist und in den Räumlichkeiten noch in dessen Eigentum befindliche (persönliche) Gegenstände verblieben sein könnten, die nunmehr den Erben zustehen. Räumungsgut sind nicht nur dem Schuldner, sondern auch Dritten gehörende Sachen. Die Vorschrift des § 885 Abs. 2 ZPO unterscheidet nicht nach den Eigentumsverhältnissen (Schmidt-Futterer/Lehmann-Richter, a.a.O., § 885 ZPO Rz. 32). Auch die Prüfung der Eigentumsverhältnisse an den zum Zwecke der Räumung wegzuschaffenden Gegenständen widerspricht dem formalisierten Verfahren der Zwangsvollstreckung. Der Gerichtsvollzieher soll allein die ohne Weiteres feststellbaren tatsächlichen Verhältnisse prüfen müssen (vgl. Rensen in Wieczorek/Schütze, a.a.O., § 885 Rz. 19, 21). Dritte können in ihrem Eigentum stehende Sachen, die der Gerichtsvollzieher eingelagert hat, unter Nachweis ihres Eigentumsrechts und mit Zustimmung des Schuldners herausverlangen (Rensen in Wieczorek/Schütze, a.a.O., § 885 Rz. 85).
Fundstellen
Haufe-Index 13934191 |
BGHZ 2021, 252 |
NJW 2020, 3376 |
JurBüro 2020, 501 |
NZM 2021, 547 |
WM 2020, 1427 |
WuB 2020, 580 |
ZEV 2020, 781 |
DGVZ 2020, 220 |
JZ 2020, 535 |
MDR 2020, 1336 |
WuM 2020, 507 |
ErbR 2020, 718 |
FoVo 2020, 171 |