Entscheidungsstichwort (Thema)
Angaben über Versteigerungsobjekt in der Terminsbestimmung zum Versteigerungstermin
Leitsatz (amtlich)
Ein bereits erteilter Zuschlag ist zu versagen, wenn die Terminsbestimmung derart fehlerhafte Angaben über das Versteigerungsobjekt enthält, dass von einer Irreführung der Bieterkreise auszugehen ist.
Normenkette
ZVG § 38
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Beschluss vom 04.09.2009; Aktenzeichen 10 T 330/08) |
AG Stuttgart (Entscheidung vom 25.06.2008; Aktenzeichen 2 K 162/06) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 10. Zivilkammer des LG Stuttgart vom 4.9.2009 wird zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens für die Gerichtskosten beträgt 87.500 EUR.
Gründe
I.
Rz. 1
Das Vollstreckungsgericht hat die Zwangsversteigerung des aus dem Rubrum ersichtlichen Grundbesitzes der Schuldner angeordnet. Bei dem Versteigerungsobjekt handelt es sich um die im Wohnungsgrundbuch mit Nr. 1 bezeichnete Eigentumswohnung, die an die Eigentumswohnung Nr. 2 der Beteiligten zu 7) und 8) angrenzt. Die tatsächliche Größe der Wohnungen stimmt nicht mit der der grundbuchrechtlichen Lage überein. Nach der baulichen Situation weisen beide Wohnungen eine Wohnfläche von jeweils ca. 90 m2 auf. Auf der Grundlage der Eintragung im Grundbuch in Verbindung mit den in Bezug genommenen Plänen und Urkunden ergibt sich, dass die der Wohnung Nr. 1 zugewiesene Wohnfläche lediglich 48,2 m2 beträgt. Auf diese Diskrepanz haben die Beteiligten zu 7) und 8) bereits vor dem ersten Versteigerungstermin hingewiesen und geltend gemacht, sie würden die nur faktisch der Wohnung Nr. 1 zugeschlagene, ihnen aber rechtlich zustehende Fläche von einem Ersteher herausverlangen. In dem vor dem ersten Termin zur Verkehrswertfestsetzung eingeholten Sachverständigengutachten ist die Größe der Wohnung Nr. 1 mit ca. 91 m2 angegeben worden, allerdings mit der Einschränkung, die tatsächlichen Gegebenheiten entsprächen nicht den der Teilungserklärung beigefügten Grundrissen.
Rz. 2
In der Terminsbestimmung zu dem auf den 25.6.2008 anberaumten dritten Versteigerungstermin, in dem dem Beteiligten zu 6) als Meistbietendem der Zuschlag erteilt worden ist, hatte das Vollstreckungsgericht das Versteigerungsobjekt unter Angabe der Grundbuchdaten und dem Zusatz "ohne Gewähr" wie folgt bezeichnet:
"4-Zi.whg mit Küche, WC, Bad u. Terrasse, 91,36 m2, nebst Kellerr. u. SNR u.a. an Pkw-Stellplatz im Doppelparker Bj. 1999."
Rz. 3
Auf die Beschwerde des Meistbietenden und der Beteiligten zu 7) und 8) hat das LG den Zuschlag versagt. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde möchte die beteiligte Gläubigerin zu 1) eine Wiederherstellung des Zuschlagsbeschlusses erreichen. Der Meistbietende beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.
II.
Rz. 4
Das Beschwerdegericht steht auf dem Standpunkt, ein nach § 100 Abs. 3 i.V.m. § 83 Nr. 7 ZVG von Amts wegen zu berücksichtigender Verstoß gegen § 43 Abs. 1 ZVG liege vor, wenn die Terminsbestimmung hinsichtlich der Grundstücks- oder Wohnungsbezeichnung eine Falschangabe enthalte, die zu erheblichen Missverständnissen in Bezug auf den Versteigerungsgegenstand führen könne. Dies gelte auch dann, wenn es nicht um zwingend erforderliche Angaben nach § 37 ZVG gehe. Würden über zwingende Vorgaben hinaus Angaben gemacht, müssten diese richtig sein. Daran fehle es hier, weil auf die erhebliche Diskrepanz zwischen der grundbuchrechtlichen Situation und der baulichen Situation in der Terminsbestimmung nicht deutlich hingewiesen worden sei.
III.
Rz. 5
Die gem. § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthafte und nach § 575 ZPO auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Das Beschwerdegericht hat den erteilten Zuschlag zu Recht aufgehoben (§ 83 Nr. 7 i.V.m. § 43 Abs. 1 ZVG).
Rz. 6
1. Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 ZVG ist ein Versteigerungstermin aufzuheben und neu zu bestimmen, wenn die Terminsbestimmung nicht rechtzeitig bekannt gemacht ist. Durch eine nicht den zwingenden Vorgaben des § 37 ZVG genügende Bekanntmachung wird die Frist nicht gewahrt. Ein bereits erteilter Zuschlag ist nach §§ 83 Nr. 7, 100 ZVG zu versagen (vgl. nur Hintzen in Dassler/Schiffhauer u.a., ZVG, 13. Aufl., § 37 Rz. 3; Stöber, ZVG, 19. Aufl., § 37 Rz. 1). Dasselbe gilt, wenn zu den Sollangaben nach § 38 ZVG Angaben gemacht werden, die derart fehlerhaft sind, dass von einer Irreführung der Bieterkreise auszugehen ist (vgl. auch BGH, Beschl. v. 19.6.2008 - V ZB 129/07, NJW-RR 2008, 1741, 1742; Hintzen, a.a.O., § 43 Rz. 12).
Rz. 7
a) Der Senat hat bereits entschieden, dass es sich bei der Sollvorschrift des § 38 ZVG nicht um eine bloße Ordnungsvorschrift handelt, deren Verletzung die Terminsbestimmung nur dann in Frage stellt, wenn durch die unrichtige Mitteilung zugleich zwingende Angaben des § 37 ZVG missverständlich oder unklar werden (Beschl. v. 19.6.2008 - V ZB 129/07, a.a.O.). Die Veröffentlichung der Terminsbestimmung hat u.a. die Funktion, im Interesse einer bestmöglichen Verwertung des Grundstücks ein möglichst breites Publikum anzusprechen. Bietinteressenten soll eine Orientierungshilfe für die Entscheidung an die Hand gegeben werden, ob sie am Verfahren teilnehmen und bis zu welcher Höhe sie Gebote abgeben wollen (Senat, a.a.O.). Angaben in der Terminsbestimmung bieten für Ersteher auch dann eine maßgebliche Orientierungshilfe, wenn diese nicht zu den Pflichtangaben nach § 37 ZVG gehören. Bedenkt man, dass der Erwerber in der Regel keine Möglichkeit hat, sich über den tatsächlichen Zustand des Objekts vor der Versteigerung Gewissheit zu verschaffen, der Versteigerungsgegenstand gewährleistungsfrei zugeschlagen wird (§ 56 Satz 3 ZVG) und das Gebot nicht der Anfechtung wegen eines Irrtums über eine verkehrswesentliche Eigenschaft (§ 119 Abs. 2 BGB) unterliegt (BGH, Beschl. v. 18.10.2007 - V ZB 44/07, NJW-RR 2008, 222, 223), kommt den Angaben in der Terminsbestimmung eine hervorgehobene Bedeutung auch dann zu, wenn diese "nur" den von § 38 ZVG vorgegebenen Sollinhalt betreffen. Die durch diese Angaben gegebene Orientierungshilfe darf nicht dadurch in ihr Gegenteil verkehrt werden, dass irreführende, unzutreffende oder nach Aktenlage zumindest erheblichen Zweifeln unterliegende Angaben über das Versteigerungsobjekt gemacht werden, die für die Entschließung eines verständigen Bietinteressenten von wesentlicher Bedeutung sind. Dass hierunter neben erheblichen quantitativen Abweichungen (vgl. dazu auch BGH, Beschuss v. 19.6.2008 - V ZB 129/07, a.a.O.; OLG Karlsruhe Rpfleger 1993, 256, 257; Hintzen, a.a.O., § 37 Rz. 8 und § 38 Rz. 4) auch Abweichungen fallen, die dem Versteigerungsobjekt qualitativ ein anderes Gepräge geben, liegt auf der Hand. Auch solche Abweichungen führen daher dazu, dass der Zuschlag zu versagen ist. Aus der Senatsentscheidung vom 18.10.2007 (V ZB 44/07, NJW-RR 2008, 222, 223) folgt nichts anderes. Der Aspekt der Terminsbestimmung hat in dem damaligen Rechtsbeschwerdeverfahren keine Rolle gespielt.
Rz. 8
b) Auf dieser Grundlage hat das Beschwerdegericht den Zuschlag zu Recht versagt. Die Beschreibung als 91,36 m2 große 4-Zimmer-Wohnung ist schon deshalb evident unrichtig, weil eine nur 48,2 m2 große Wohnung im Rechtsverkehr unter keinem denkbaren Gesichtspunkt als 4-Zimmer-Wohnung angesehen wird. Eine nur rund 50 m2 große Wohnung spricht ganz andere Bieterkreise an als eine Wohnung mit einer Fläche von gut 90 m2. Auch aus der Sicht eines verständigen Erstehers kommt diesem Umstand bietentscheidende Bedeutung zu. Bei dem Erwerb von Wohnungseigentum stehen bei der Willensentschließung die Angaben zur Größe der Wohn- oder Nutzfläche im Vordergrund und nicht der nur als Bruchteil ausgewiesene Miteigentumsanteil an dem Grundstück (OLG Karlsruhe Rpfleger 1993, 256, 257; vgl. auch Stöber, a.a.O., § 37 Rz. 2.8). Die Wohn- bzw. Nutzfläche bildet ein maßgebliches Kriterium für den Verkehrswert der Wohnung und damit für die Möglichkeit der Finanzierung sowie für die Prognose über die zukünftige Wertentwicklung und die Höhe des zukünftig erzielbaren Mietertrages (BGH, Urt. v. 7.9.2000 - VII ZR 443/99, BGHZ 145, 121, 129). Nichts anderes gilt für die Beschreibung des Versteigerungsobjekts als 4-Zimmer-Wohnung. Jedenfalls bei irreführenden Informationen über solche zentralen Beschaffenheitsmerkmale ist Bietinteressenten nicht damit geholfen, dass der Miteigentumsanteil zutreffend angegeben wird.
Rz. 9
Eine andere Beurteilung ist nicht deshalb angezeigt, weil das Vollstreckungsgericht die Beschreibung des Versteigerungsobjekts durch den Zusatz "ohne Gewähr" relativiert hat. Bedenkt man, dass das Vollstreckungsgericht die Wohnfläche mit einer Genauigkeit von zwei Dezimalstellen hinter dem Komma angegeben hat, ist der Zusatz aus der Sicht verständiger Bietinteressenten lediglich dahin zu verstehen, dass zwar mit Abweichungen insb. von der - Exaktheit suggerierenden - Wohnflächenangabe gerechnet werden muss (zur Frage der Wesentlichkeit von Verkehrswertabweichungen vgl. BGH, Beschl. v. 19.6.2008 - V ZB 129/07, NJW-RR 2008, 1741, 1742), nicht aber, dass auch solche Diskrepanzen in Betracht zu ziehen sind, die dem Versteigerungsobjekt die Eigenschaft als 4-Zimmer-Wohnung nehmen und damit ein völlig anders Gepräge geben.
Rz. 10
2. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Dass die Gläubigerin die Gerichtskosten des von ihr erfolglos betriebenen Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen hat, folgt aus dem Gesetz. Ein Ausspruch über die außergerichtlichen Kosten der Beteiligten scheidet aus, weil sich die Beteiligten bei der Zuschlagsbeschwerde und einem sich daran anschließenden Rechtsbeschwerdeverfahrens in der Regel nicht als Parteien im Sinne der Zivilprozessordnung gegenüber stehen. Das steht einer Anwendung von § 97 Abs. 1 ZPO entgegen (vgl. dazu insb. BGH, Urt. v. 19.1.2007 - V ZR 26/06, BGHZ 170, 378, 381 m.w.N.).
Fundstellen
Haufe-Index 2528573 |
NJW 2010, 10 |
EBE/BGH 2010, 362 |
NZM 2011, 174 |
WM 2010, 2365 |
ZAP 2010, 1157 |
MDR 2011, 69 |
Rpfleger 2011, 173 |
WuM 2011, 133 |
RENOpraxis 2011, 37 |
VE 2011, 7 |
IGZInfo 2011, 71 |