Tenor
Die weitere Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluß des 15. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 21. August 2000 – 15 W 2263/00 – wird als unzulässig verworfen.
Gründe
I.
Die in der Ukraine geborene und auch heute dort lebende Klägerin wurde im Jahre 1942 in einem Sammeltransport aus ihrer Heimat nach Deutschland verbracht. Dort arbeitete sie in einem Betrieb der Beklagten bis zum Kriegsende 1945.
Die Klägerin verlangt von der Beklagten für die von ihr 36 Monate lang geleistete Zwangsarbeit eine Entschädigung in Höhe von 39.272,72 DM sowie eine pauschale Entschädigung in Höhe von 6.000 DM wegen der Umstände der Unterbringung in einem umzäunten Lager und der schlechten Verpflegung.
Nach Verweisung des beim Arbeitsgericht anhängig gemachten Rechtsstreits an das Landgericht hat dieses der Klägerin mit Beschluß vom 31. Juli 2000 die beantragte Prozeßkostenhilfe versagt. Mit Beschluß vom 21. August 2000 hat das Oberlandesgericht die gegen die Ablehnung der Prozeßkostenhilfe eingelegte Beschwerde der Klägerin zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, einem Klageerfolg stehe § 16 des am 12. August 2000 in Kraft getretenen Gesetzes zur Errichtung einer Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft” (im folgenden: Stiftungsgesetz) vom 2. August 2000 (BGBl. I S. 1263) entgegen, wonach weitergehende Ansprüche ausgeschlossen seien. Dagegen richtet sich die (außerordentliche) weitere Beschwerde der Klägerin.
II.
Die (weitere) außerordentliche Beschwerde der Klägerin ist unzulässig. Gegen Entscheidungen der Oberlandesgerichte über die Beschwerde im Prozeßkostenhilfeverfahren gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO ist eine weitere Beschwerdemöglichkeit an den Bundesgerichtshof von Gesetzes wegen nicht eröffnet (§ 567 Abs. 4 Satz 1, § 568 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Entgegen der Auffassung der Klägerin sind die Voraussetzungen, unter denen die Rechtsprechung ausnahmsweise eine im Gesetz nicht vorgesehene „außerordentliche Beschwerde” zuläßt, vorliegend nicht erfüllt.
Auf der Grundlage ihres Vorbringens gehört die Klägerin, die 1942 aus ihrem Heimatstaat in das Gebiet des Deutschen Reiches deportiert und dort zu einem Arbeitseinsatz in einem gewerblichen Unternehmen gezwungen wurde, zu den leistungsberechtigten Personen nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Stiftungsgesetzes. Nach § 16 Abs. 1 Satz 1 dieses Gesetzes können Leistungsberechtigte Leistungen aus Mitteln der Stiftung (§ 9) nur nach diesem Gesetz erlangen; etwaige weitergehende Ansprüche im Zusammenhang mit nationalsozialistischem Unrecht sind nach Satz 2 dieser Vorschrift ausdrücklich ausgeschlossen.
Nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes, das auch und gerade dem Anliegen deutscher Unternehmen, umfassenden und dauerhaften Rechtsfrieden in und außerhalb Deutschlands zu erhalten, Rechnung tragen will (vgl. die amtliche Begründung BT-Drucks. 14/3206 S. 18), stehen der Klägerin Forderungen gegen das Unternehmen, das sie in den Kriegsjahren als Zwangsarbeiterin beschäftigt hat, nicht zu.
Angesichts dieser klaren Gesetzeslage fehlt jeglicher Anhaltspunkt dafür, daß die auf den in § 16 des Stiftungsgesetzes normierten Anspruchsausschluß abstellende Entscheidung des Oberlandesgerichts „greifbar gesetzwidrig”, d.h. mit der geltenden Rechtsordnung schlechthin unvereinbar sein könnte, weil sie jeder Grundlage entbehrt und inhaltlich dem Gesetz fremd ist (vgl. BGHZ 109, 41, 43 f; 119, 372, 374; 131, 185, 188 sowie die weiteren in BGHR ZPO vor § 1/Rechtsmittel unter dem Schlagwort Gesetzwidrigkeit, greifbare abgedruckten Entscheidungen).
1. Vergeblich macht die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang geltend, das Stiftungsgesetz sei (insbesondere) deshalb verfassungswidrig, weil es den Leistungsberechtigten ihre gegen die Unternehmen bestehenden (weitergehenden) Ansprüche nehme und deshalb eine unzulässige Enteignung bewirke.
Der Gesetzgeber hat den in § 16 Abs. 1 des Stiftungsgesetzes enthaltenen Anspruchsausschluß unter dem Aspekt des Art. 14 GG geprüft. Er ist unter Hinweis auf die in BVerfGE 42, 263 veröffentlichte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (betreffend die Umformung privatrechtlicher Ansprüche durch das Gesetz über die Errichtung einer Stiftung „Hilfswerk für behinderte Kinder”) zu dem Ergebnis gelangt, daß die von ihm gefundene Lösung verfassungsrechtlich unbedenklich sei, weil an die Stelle vermeintlicher Ansprüche gegen vielerorts nicht mehr existierende Anspruchsgegner eine angemessen ausgestattete Stiftung trete, die auch denjenigen ehemaligen Zwangsarbeitern offenstehe, deren früherer „Arbeitgeber” nicht mehr haftbar gemacht werden könne und auch nicht zu den Stiftungsunternehmen gehöre. Des weiteren hat der Gesetzgeber in seine Überlegungen den Umstand mit einbezogen, daß die Wiedergutmachungsgesetze der Bundesrepublik Deutschland einen Entschädigungsanspruch wegen Zwangsarbeit nicht vorsähen, und außerdem berücksichtigt, daß bislang keine rechtskräftige Gerichtsentscheidung bekannt geworden sei, die einen gegen ein Unternehmen gerichteten Entschädigungsanspruch eines ehemaligen Zwangsarbeiters für begründet erachtet habe (BT-Drucks. 14/3206 S. 17 f).
Der Senat vermag schon nicht zu erkennen, daß diese Einschätzung der Verfassungslage durch den Gesetzgeber so verfehlt sein könnte, daß deshalb eine Vorlage nach § 100 Abs. 1 GG zur Klärung der Verfassungsmäßigkeit des § 16 Abs. 1 des Stiftungsgesetzes in Betracht zu ziehen wäre (bloße Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit einer Norm genügen nicht, vgl. nur BVerfGE 86, 52, 57 und 80, 54, 59 m.w.N.). Diese Frage braucht indes vorliegend nicht vertieft zu werden, weshalb auch eine nähere Auseinandersetzung mit der von der Beschwerdeführerin vorgelegten gutachterlichen Stellungnahme zur Verfassungsmäßigkeit des Stiftungsgesetzes nicht geboten ist. Jedenfalls kann keine Rede davon sein, daß die Ausschlußnorm des § 16 Abs. 1 des Stiftungsgesetzes so evident verfassungswidrig ist, daß in der Anwendung dieses Gesetzes durch die Gerichte eine greifbare Gesetzwidrigkeit im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gesehen werden könnte.
2. Ebenfalls erfolglos bleibt der Hinweis der Beschwerdeführerin auf den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts (1. Kammer des Ersten Senats) vom 2. März 2000 (NJW 2000, 2098). In diesem Beschluß hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt, die Ablehnung der Prozeßkostenhilfe wegen fehlender Erfolgsaussicht verletze den Antragsteller dann, wenn die beabsichtigte Klage schwierige, bislang nicht hinreichend geklärte Rechts- und Tatsachenfragen aufwerfe, in seinem Anspruch auf Rechtsschutzgleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsgrundsatz).
Dieser Beschluß ist vorliegend schon deshalb nicht einschlägig, weil der einfachgesetzliche Ausschluß weitergehender Ansprüche völlig eindeutig und daher nicht klärungsbedürftig ist und die Frage der Verfassungsmäßigkeit oder Verfassungswidrigkeit dieser Norm im Zivilprozeß, sofern das Gericht nicht die zu einer Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 GG notwendige Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit der Norm zu gewinnen vermag, einer endgültigen und abschließenden Klärung nicht zugeführt wird.
Darüber hinaus ist festzuhalten, daß eine „bloß” falsche Entscheidung nicht schon deshalb als greifbar gesetzwidrig anzusehen ist, weil der Gesetzesverstoß (auch) auf der Ebene des Verfassungsrechts liegt (vgl. BGH, Beschluß vom 28. Oktober 1998 – VIII ZR 190/98 – NJW 1999, 290, 291).
Unterschriften
Rinne, Wurm, Streck, Schlick, Dörr
Fundstellen
Haufe-Index 505650 |
NJW 2001, 1069 |
BGHR |
AP, 0 |