Entscheidungsstichwort (Thema)
Konkludente Genehmigung einer Kontobelastung im Einzugsermächtigungslastschriftverfahren bei Dauerschuldverhältnis. Bereicherungsausgleich in Fällen der Leistung kraft Überweisungsauftrags
Leitsatz (amtlich)
a) Bei der Frage, ob eine konkludente Genehmigung einer im Einzugsermächtigungslastschriftverfahren vorgenommenen Kontobelastung vorliegt, ist der durch normative Auslegung zu ermittelnde objektive Erklärungswert des Verhaltens des Kontoinhabers maßgeblich (im Anschluss an das BGH, Urt. v. 20.7.2010 - XI ZR 236/07, WM 2010, 1546, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen).
b) Ist eine Belastungsbuchung vom Schuldner genehmigt worden, scheidet ein unmittelbarer Bereicherungsanspruch der Schuldnerbank gegen den Lastschriftgläubiger aus. Der Bereicherungsausgleich vollzieht sich in diesem Fall entsprechend den allgemeinen Grundsätzen innerhalb der jeweiligen Leistungsverhältnisse (im Anschluss an das BGH, Urt. v. 11.4.2006 - XI ZR 220/05, BGHZ 167, 171).
Normenkette
BGB §§ 133, 684 S. 2
Verfahrensgang
LG Augsburg (Urteil vom 06.10.2009; Aktenzeichen 4 S 4620/08) |
AG Augsburg (Entscheidung vom 14.11.2008; Aktenzeichen 18 C 4203/08) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des LG Augsburg - 4. Zivilkammer - vom 6.10.2009 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Klägerin, kontoführende Bank des insolventen Unternehmens Auto B., Inhaber S. K., St. (nachfolgend: Schuldner), verlangt von der Beklagten, einer gesetzlichen Krankenkasse, die Erstattung von Sozialversicherungsbeiträgen i.H.v. 2.719,47 EUR, die die Beklagte am 15.4.2004 im Einzugsermächtigungslastschriftverfahren von dem Konto des Schuldners eingezogen hat.
Rz. 2
Der Schuldner unterhielt seit dem 13.8.1999 ein Girokonto bei der Klägerin, das als Kontokorrentkonto mit quartalsweisem Rechnungsabschluss geführt wurde; die Geltung u.a. der Nr. 7 AGB-Banken a.F. war vereinbart. Am 15.4.2004 zog die Beklagte im Einzugsermächtigungslastschriftverfahren von diesem Konto Sozialversicherungsbeiträge i.H.v. 2.719,47 EUR ein.
Rz. 3
Mit Beschluss des AG A. vom 18.5.2004 wurde über das Vermögen des Schuldners die vorläufige Insolvenzverwaltung angeordnet und ein vorläufiger Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt bestellt. Dieser schrieb die Klägerin am gleichen Tag an und teilte ihr u.a. mit, dass er etwaigen Genehmigungen von noch nicht genehmigten Lastschrifteinzügen nicht zustimme. Daraufhin schrieb die Klägerin dem Schuldnerkonto den streitgegenständlichen Lastschriftbetrag wieder gut.
Rz. 4
Mit der vorliegenden Klage begehrt sie unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung im Wege der Nichtleistungskondiktion diesen Betrag von der Beklagten heraus. Das AG hat der Klage stattgegeben und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 2.719,47 EUR nebst Zinsen zu zahlen. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben.
Rz. 5
Mit der - vom Berufungsgericht zugelassenen - Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Rz. 6
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Rz. 7
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
Rz. 8
Der Klägerin stehe gegen die Beklagte aus ungerechtfertigter Bereicherung nach §§ 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 2, 818 Abs. 2 BGB ein Anspruch auf Erstattung des mittels Einzugsermächtigungslastschriftverfahren erhaltenen Betrages i.H.v. 2.719,47 EUR zu. Die Beklagte habe diesen Betrag in sonstiger Weise auf Kosten der Klägerin, die ihn an den Insolvenzverwalter des Schuldners zurückgezahlt habe, ohne Rechtsgrund erlangt. Die Klägerin könne ihren Anspruch direkt gegen die Beklagte geltend machen.
Rz. 9
Die Belastung des Schuldnerkontos sei mangels Genehmigung des Schuldners nicht wirksam geworden, daher sei auch die Forderung der Beklagten trotz Gutschrift auf ihrem Konto noch nicht erfüllt gewesen. Die Beklagte habe nicht nachweisen können, dass der Schuldner die streitgegenständliche Lastschrift vor dem Widerspruchsschreiben des vorläufigen Insolvenzverwalters vom 18.5.2004 genehmigt habe. In dem bloßen Schweigen des Schuldners und dessen Weiternutzung des Kontokorrentkontos könne ebenso wenig eine konkludente Genehmigung gesehen werden wie in der Erstellung eines Beitragsnachweises für Sozialversicherungsbeiträge gegenüber einer gesetzlichen Krankenkasse. Auch die Genehmigungsfiktion des § 7 Abs. 3 AGB-Banken a.F. habe nicht eintreten können. Gemäß § 7 Abs. 4 AGB-Banken a.F. habe der streitgegenständlichen Lastschrift bis zu sechs Wochen nach Zugang des zum Quartalsende zu erstellenden Rechnungsabschlusses widersprochen werden können. Vorliegend datiere das Schreiben des vorläufigen Insolvenzverwalters vom 18.5.2004, mithin noch innerhalb dieser Frist. Die Klägerin habe die entsprechende Lastschrift zurückgebucht, so dass sie nunmehr Erstattung von der Beklagten verlangen könne.
II.
Rz. 10
Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht stand. Mangels ausreichender Feststellungen zum Fehlen einer konkludenten Genehmigung der Lastschriftbuchung durch den Schuldner kann ein Bereicherungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte derzeit nicht bejaht werden.
Rz. 11
1. Rechtsfehlerfrei geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, dass auf der Grundlage der für die streitige Lastschrift geltenden Genehmigungstheorie die im Einzugsermächtigungsverfahren erfolgte Lastschriftbuchung vor der Genehmigung durch den Schuldner nicht insolvenzfest war. Wenngleich ein vorläufiger Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt Belastungsbuchungen nicht aus eigenem Recht genehmigen kann, so ist er doch in der Lage, die Genehmigung des Schuldners und den Eintritt der Genehmigungsfiktion zu verhindern, indem er solchen Belastungsbuchungen widerspricht, die noch nicht genehmigt sind (vgl. u.a. BGH, Urt. v. 20.7.2010 - XI ZR 236/07, WM 2010, 1546 Rz. 11, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen; ferner BGH, Urt. v. 23.11.2010 - XI ZR 370/08, WM 2011, 63 Rz. 13).
Rz. 12
2. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung lässt sich aber eine konkludente Genehmigung durch den Schuldner nicht verneinen.
Rz. 13
a) Eine konkludente Genehmigung kommt nach der neueren, nach Erlass des Berufungsurteils ergangenen Rechtsprechung des BGH insb. dann in Betracht, wenn es sich für die Zahlstelle erkennbar um regelmäßig wiederkehrende Lastschriften aus Dauerschuldverhältnissen, laufenden Geschäftsbeziehungen oder zum Einzug von wiederkehrenden Steuervorauszahlungen und Sozialversicherungsbeiträgen handelt. Erhebt der Schuldner in Kenntnis eines erneuten Lastschrifteinzugs, der sich im Rahmen des bereits genehmigten bewegt, gegen diesen nach einer angemessenen Überlegungsfrist keine Einwendungen, so kann auf Seiten der Zahlstelle die berechtigte Erwartung entstehen, auch diese Belastungsbuchung solle Bestand haben. Eine solche Annahme ist vor allem deshalb gerechtfertigt, weil die Zahlstelle beim Einzugsermächtigungsverfahren in der derzeitigen rechtlichen Ausgestaltung zwar einerseits - für den Kontoinhaber erkennbar - auf seine rechtsgeschäftliche Genehmigungserklärung angewiesen ist, um die Buchung wirksam werden zu lassen, das Verfahren aber andererseits darauf ausgelegt ist, dass der Kontoinhaber keine ausdrückliche Erklärung abgibt. In einer solchen Situation sind an eine Genehmigung durch schlüssiges Verhalten keine zu hohen Anforderungen zu stellen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn das Konto - wie hier - im unternehmerischen Geschäftsverkehr geführt wird. In diesem Fall kann die Zahlstelle damit rechnen, dass die Kontobewegungen zeitnah nachvollzogen und überprüft werden (vgl. BGH, Urt. v. 20.7.2010 - XI ZR 236/07, WM 2010, 1546 Rz. 48; v. 26.10.2010 - XI ZR 562/07, WM 2010, 2307 Rz. 21; v. 23.11.2010 - XI ZR 370/08, WM 2011, 63 Rz. 16; v. 25.1.2011 - XI ZR 171/09, WM 2011, 454 Rz. 20; auch BGH, Urt. v. 30.9.2010 - IX ZR 178/09, WM 2010, 2023 Rz. 13).
Rz. 14
b) Nach diesen Grundsätzen kommt unter Zugrundelegung des Vortrages der Beklagten eine konkludente Genehmigung der streitgegenständlichen Lastschriftbuchung durch den Schuldner in Betracht. Die Beklagte hat vorgetragen, dass es sich bei der streitgegenständlichen Forderung um Sozialversicherungsbeiträge für den Monat März 2004 handele, einer wiederkehrenden Leistung, deren Höhe jeweils vom Schuldner selbst - aufgrund der Regelung des § 28 f Abs. 3 SGB IV rechtsverbindlich - erklärt werde. Diesem Vortrag hat das Berufungsgericht zu Unrecht keine Bedeutung beigemessen. Es wird in diesem Zusammenhang nach Zurückverweisung auch zu prüfen haben, ob - wie die Revision geltend macht - vergleichbare Lastschriften bereits zuvor vom Schuldner ausdrücklich, konkludent oder nach Nr. 7 Abs. 3 AGB-Banken a.F. genehmigt worden sind. Entgegen seiner Ansicht kann eine konkludente Genehmigung nicht mit dem Argument verneint werden, dass die Klägerin den Widerspruch des Insolvenzverwalters befolgt habe und damit wohl selbst vom Fehlen einer Genehmigung ausgegangen sei. Selbst wenn das zuträfe, stünde das der Annahme einer konkludenten Genehmigung des Schuldners nicht entgegen. Entscheidend ist auch bei einer konkludenten Genehmigung der durch normative Auslegung zu ermittelnde objektive Erklärungswert des Verhaltens des Erklärenden (vgl. Palandt/Ellenberger, BGB, 70. Aufl., § 133 Rz. 9, 11 m.w.N.). Bei Vorliegen der oben (unter 2. a) genannten Umstände liegt daher eine konkludente Genehmigung des Kontoinhabers unabhängig davon vor, ob die kontoführende Bank subjektiv von einer Genehmigung ausgegangen ist oder nicht. Das Berufungsgericht hat zudem die Beweislast verkannt. Die Klägerin trägt als Bereicherungsgläubigerin die Beweislast dafür, dass der Schuldner vor dem Lastschriftwiderspruch des vorläufigen Insolvenzverwalters die streitige Lastschrift nicht konkludent genehmigt hat (Senat, Urt. v. 22.2.2011 - XI ZR 261/09, Umdr. S. 7 ff., zur Veröffentlichung bestimmt).
Rz. 15
3. Mangels rechtsfehlerfreier Feststellung der fehlenden Genehmigung fehlt die Grundlage für den vom Berufungsgericht bejahten Bereicherungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte.
Rz. 16
a) Nach ständiger Rechtsprechung des BGH vollzieht sich der Bereicherungsausgleich in Fällen der Leistung kraft Anweisung, etwa aufgrund eines Überweisungsauftrages, grundsätzlich innerhalb des jeweiligen Leistungsverhältnisses, also zum einen zwischen dem Anweisenden und dem Angewiesenen und zum anderen zwischen dem Anweisenden und dem Anweisungsempfänger. Allerdings hat der Angewiesene ausnahmsweise einen unmittelbaren Bereicherungsanspruch gegen den Anweisungsempfänger, wenn eine wirksame Anweisung fehlt. Diese bereicherungsrechtlichen Grundsätze gelten prinzipiell auch für die Zahlung mittels Lastschrift, so dass im Falle einer fehlenden Genehmigung des Schuldners die Bank einen unmittelbaren Bereicherungsanspruch gegen den Zahlungsempfänger (Gläubiger) hat (vgl. BGH, Urt. v. 11.4.2006 - XI ZR 220/05, BGHZ 167, 171 Rz. 9, 10, 14, 16 ff. m.w.N.).
Rz. 17
b) Nach diesen Grundsätzen scheidet ein unmittelbarer Bereicherungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte aus, wenn der Schuldner den Lastschrifteinzug genehmigt hat, was revisionsrechtlich zugunsten der Beklagten zu unterstellen ist. In diesem Fall liegt eine wirksame Anweisung des Schuldners vor, so dass für einen unmittelbaren Bereicherungsanspruch außerhalb der Leistungsverhältnisse die dogmatische Grundlage fehlt. Der Bereicherungsausgleich vollzieht sich daher in diesem Fall entsprechend den allgemeinen Grundsätzen innerhalb der jeweiligen Leistungsverhältnisse (st.Rspr., vgl. BGH, Urt. v. 11.4.2006 - XI ZR 220/05, BGHZ 167, 171 Rz. 9 m.w.N.).
Rz. 18
Hat der Schuldner die Lastschriftbuchung vor Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters mit Zustimmungsvorbehalt genehmigt, geht dessen Versagung der Genehmigung ins Leere (vgl. BGH, Urt. v. 20.7.2010 - IX ZR 37/09, WM 2010, 1543 Rz. 11 m.w.N., zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen). In diesem Fall ist im Deckungsverhältnis bereits vor Bestellung des Insolvenzverwalters der Aufwendungsersatzanspruch der Klägerin in Höhe des Lastschriftbetrages entstanden und die von ihr vorgenommene Belastungsbuchung des Schuldnerkontos mit Rechtsgrund erfolgt. Indem die Klägerin den Lastschriftbetrag dem Konto wieder gutschrieb, wollte sie ihrer girovertraglichen Pflicht zur Kontoberichtigung (vgl. dazu van Gelder in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 3. Aufl., § 58 Rz. 57 m.w.N.) nachkommen, die aber wegen der zuvor konkludent erteilten Genehmigung nicht bestand.
Rz. 19
Sollte die Klägerin mit der Gutbuchung des Lastschriftbetrages auf dem Schuldnerkonto lediglich ein bei ihr bestehendes Debet des Schuldners zurückgeführt haben, so ist dadurch kein Auszahlungsanspruch des Insolvenzverwalters entstanden (vgl. BGH, Beschl. v. 1.10.2002 - IX ZR 125/02, WM 2002, 2408, 2409; van Gelder, a.a.O., § 59 Rz. 6 m.w.N.). Dann kann sie im Wege der Berichtigung das Debet wieder auf die ursprüngliche Höhe setzen und ihren Darlehensrückzahlungsanspruch in ursprünglicher Höhe im Insolvenzverfahren weiterverfolgen. Hat die Klägerin demgegenüber nicht lediglich das Debet auf dem Schuldnerkonto zurückgeführt, sondern tatsächlich Auszahlungen an den vorläufigen Insolvenzverwalter vorgenommen, so muss sie ihren Bereicherungsanspruch im Insolvenzverfahren geltend machen.
III.
Rz. 20
Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, ist sie zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Das Berufungsgericht wird nach ggf. ergänzendem Vortrag der Parteien die fehlenden Feststellungen zu einer konkludenten Genehmigung zu treffen haben.
Fundstellen
BB 2011, 1026 |
DB 2011, 1043 |
DB 2011, 7 |
NJW 2011, 1434 |
EBE/BGH 2011 |
EWiR 2011, 413 |
WM 2011, 743 |
WuB 2011, 426 |
ZAP 2011, 714 |
ZIP 2011, 826 |
DZWir 2011, 291 |
MDR 2011, 614 |
NZI 2011, 321 |
BKR 2011, 259 |
GWR 2011, 187 |
IR 2011, 143 |
Kreditwesen 2011, 953 |