Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündbarkeit eines unter auflösender Bedingung unbefristeten Pachtvertrags. Ausschluss der ordentlichen Kündigung. Beweislast
Leitsatz (amtlich)
Ein unter einer auflösenden Bedingung (hier: behördliche Nutzungsuntersagung) geschlossener Pachtvertrag ist als unbefristeter Vertrag ordentlich kündbar, wenn die Parteien die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung nicht ausgeschlossen haben. Ein solcher Ausschluss des Rechts zur ordentlichen Kündigung kann auch schon in der Vereinbarung einer auflösenden Bedingung als solcher zu finden sein. Ob der Vereinbarung eine solche weitergehende, das ordentliche Kündigungsrecht ausschließende Bedeutung zukommt, hat im Streitfall diejenige Vertragspartei darzulegen und zu beweisen, die sich auf diese Bedeutung beruft.
Normenkette
BGB § 584 Abs. 1, § 542
Verfahrensgang
LG Osnabrück (Urteil vom 27.06.2007; Aktenzeichen 1 S 56/07) |
AG Bad Iburg (Entscheidung vom 03.01.2007; Aktenzeichen 4 C 972/06) |
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des LG Osnabrück vom 27.6.2007 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens trägt der Beklagte.
Von Rechts wegen
Tatbestand
[1] Die Parteien streiten über den Fortbestand eines von ihnen geschlossenen Pachtvertrags.
[2] Der Kläger hat dem Beklagten 1994 den auf seinem Grundstück befindlichen Kugelschießstand (nebst aufstehenden Gebäudeteilen und Anlagen) für gewerbliche Zwecke für 500 DM (= 255,65 EUR) pro Jahr verpachtet. Im Pachtvertrag ist u.a. folgendes geregelt:
"§ 2 Pachtzeit
Das Pachtverhältnis beginnt am 1.4.1994. Der Pachtvertrag läuft solange, bis die Nutzung des Schießstandes als Schießstand aufgrund behördlicher Anordnung untersagt wird.
§ 3 Außerordentliches Kündigungsrecht
Der Verpächter kann das Pachtverhältnis unter den Voraussetzungen der §§ 553, 554, 554a BGB [a.F.] fristlos kündigen. Die Kündigungsvorschriften für gewerbliche Anlagen sind zu beachten."
[3] Bei Vertragsschluss haben die Parteien nicht darüber gesprochen, ob das ordentliche Kündigungsrecht ausgeschlossen sein sollte. Mit Schreiben vom 19.9.2006 hat der Kläger die ordentliche Kündigung zum 31.3.2007 erklärt. Der Kläger begehrt die Räumung und Herausgabe des Schießstandes.
[4] Das AG hat die Kündigung für wirksam erachtet. Es hat den Beklagten verurteilt, den Schießstand geräumt an den Kläger herauszugeben. Die hiergegen gerichtete Berufung hat das LG zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Klagabweisungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe
[5] Die Revision ist nicht begründet.
[6] 1. Das LG hat - ebenso wie zuvor das AG - die ordentliche Kündigung des Pachtvertrags durch den Kläger für wirksam erachtet, weil die Parteien die ordentliche Kündigung vertraglich nicht ausgeschlossen hätten.
[7] Der Pachtvertrag sei unter einer auflösenden Bedingung - der behördlichen Nutzungsuntersagung - geschlossen. Er sei deshalb wie ein unbefristeter Pachtvertrag zu behandeln, da der Zeitpunkt des Eintritts der auflösenden Bedingung nicht feststehe. Als unbefristeter Vertrag sei der Pachtvertrag ordentlich kündbar. Dieses Ergebnis folge auch aus der Auslegung des Vertrags. Weder Wortlaut noch Systematik rechtfertigten die Annahme, dass die Parteien das ordentliche Kündigungsrecht hätten ausschließen wollen. Abreden, die wesentliche Rechte einer Partei - hier das Recht des Klägers zur ordentlichen Kündigung des Pachtvertrags (§ 584 BGB) - einschränkten, seien im Zweifel eng auszulegen. Zwar bliebe auch bei einem vertraglichen Ausschluss der ordentlichen Kündigung dem Kläger die Möglichkeit unbenommen, den Pachtvertrag gem. §§ 581 Abs. 2, 544 BGB nach Ablauf von 30 Jahren zu kündigen. Auch ein solcher langfristiger Aufschub der Kündigungsmöglichkeit stelle jedoch eine wesentliche Einschränkung der Rechte des Klägers dar, von der ohne entsprechende ausdrückliche Formulierung nicht ausgegangen werden könne.
[8] Die Aussage des Steuerberaters des Beklagten, der den Vertrag ausgearbeitet habe, stehe nicht entgegen. Zwar habe dieser bekundet, er habe mit der Formulierung des Vertrags den Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts beabsichtigt. Doch habe der Zeuge - nach seinem Bekunden - hierüber mit dem Kläger nicht gesprochen; auch unter den Parteien sei diese Frage nicht erörtert worden.
[9] Ein Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts lasse sich auch nicht im Hinblick auf die vom Beklagten getätigten Investitionen rechtfertigen. Der Beklagte werde insoweit bereits durch die §§ 539, 581 Abs. 2 BGB geschützt. Außerdem sei zumindest der Beklagte bei Vertragsschluss vom baldigen Erlass einer behördlichen Untersagungsverfügung ausgegangen. Habe er dennoch Investitionen i.H.v. (nach seinem Vortrag) über 50.000 EUR getätigt, so trage er das Risiko einer vorzeitigen Beendigung des Vertrags.
[10] 2. Diese Ausführungen sind aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
[11] a) Ein Pachtverhältnis kann, wenn die Pachtzeit nicht bestimmt ist, nach § 584 Abs. 1 i.V.m. § 542 BGB (zur Anwendbarkeit neuen Rechts: vgl. Art. 229 § 3 EGBGB) ordentlich gekündigt werden. Die Pachtzeit ist unbestimmt, wenn nicht nur ungewiss ist, wann ein Ereignis eintreten wird, das nach dem Pachtvertrag zu dessen Beendigung führen soll, sondern wenn außerdem ungewiss ist, ob dieses Ereignis überhaupt jemals eintreten wird.
[12] So liegen die Dinge hier. Nach § 2 des Pachtvertrags sollte das Nutzungsverhältnis über den Schießstand solange "laufen", bis die Nutzung behördlich untersagt würde. Damit haben die Parteien die Geltung des Pachtvertrags an eine auflösende Bedingung geknüpft; denn im Zeitpunkt des Vertragsschlusses war nicht nur ungewiss wann, sondern auch ob überhaupt eine behördliche Nutzungsuntersagung erfolgen würde. Das ergibt sich aus den Feststellungen des AG, auf die im Berufungsurteil ergänzend Bezug genommen wird. Danach war bei Abschluss des Pachtvertrags nicht ersichtlich, ob es überhaupt zu einer behördlichen Untersagung der Nutzung des Schießstandes kommen würde. Aus dem vom LG festgestellten Umstand, bei Abschluss des Pachtvertrages sei zumindest der Beklagte davon ausgegangen, dass eine entsprechende Untersagungsverfügung erfolgen würde, folgt nichts Gegenteiliges. Auch wenn der Beklagte eine künftige Untersagung als wahrscheinlich ansah, so besagt dies nicht, dass eine solche künftige Untersagung von ihm bereits als gewiss angesehen wurde. Erst recht lässt sich daraus nicht herleiten, dass beide Parteien von einer solchen Gewissheit ausgingen und deshalb ihren Vertrag - entgegen dessen objektivem Wortlaut - nicht unter eine auflösende Bedingung stellen, sondern auf den (ungewissen) Zeitpunkt einer beiderseits als sicher erwarteten Nutzungsuntersagung befristen wollten.
[13] b) Die Frage, ob ein unter einer auflösenden Bedingung geschlossener Mietvertrag vor Bedingungseintritt ordentlich gekündigt werden kann, ist allerdings namentlich im Wohnraum-Mietrecht umstritten. Die Frage dürfte sich grundsätzlich in gleicher Weise auch für gewerbliche Miet- oder Pachtverträge stellen. Nach einer Auffassung sind solche Verträge wie andere unbefristete Mietverhältnisse zu behandeln mit der Folge, dass sie vor Bedingungseintritt ordentlich gekündigt werden können (Palandt/Weidenkaff, BGB, 68. Aufl., § 572 Rz. 5). Nach anderer Auffassung sind solche Verträge nicht ordentlich kündbar; denn mit der Aufnahme der Bedingung solle nicht eine Lösungsmöglichkeit zusätzlich zum Kündigungsrecht geschaffen, sondern der Bestand des Vertrags einzig vom Eintreten der Bedingung abhängig gemacht werden (vgl. etwa Lammel, Wohnraummietrecht, 2. Aufl., § 572 BGB Rz. 13 m.w.N.). Nach einer dritten Auffassung ist auf den beim Vertragsschluss zum Ausdruck kommenden Willen der Parteien abzustellen. Solle die auflösende Bedingung der alleinige Grund für die Vertragsbeendigung sein, sei das Nutzungsverhältnis vor Eintritt der Bedingung grundsätzlich nicht ordentlich kündbar. Sei die auflösende Bedingung dagegen nur als spätestmöglicher Beendigungszeitpunkt bestimmt, könne das Nutzungsverhältnis auch schon vor Bedingungseintritt ordentlich gekündigt werden (Staudinger/Rolfs BGB [2006] § 572 Rz. 11 f. m.w.N.; ähnlich auch Blank in Schmidt-Futterer Mietrecht 9. Aufl., § 572 Rz. 13).
[14] Der Senat folgt im Ergebnis der letztgenannten Auffassung. Unter einer auflösenden Bedingung geschlossene Pachtverträge sind als unbefristete Verträge zwar grundsätzlich ordentlich kündbar. Die Vertragsparteien sind jedoch nicht gehindert, die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung auszuschließen. Ein solcher Ausschluss des Rechts zur ordentlichen Kündigung kann auch schon in der Vereinbarung einer auflösenden Bedingung als solcher zu finden sein. Dies ist allerdings nur dann der Fall, wenn die Parteien mit der auflösenden Bedingung die Beendigung des Nutzungsverhältnisses - vorbehaltlich des Eintritts außerordentlicher Kündigungsgründe - abschließend regeln und nicht nur einen Zeitpunkt festlegen wollten, zu dem das Nutzungsverhältnis in jedem Falle - also unbeschadet der Möglichkeit einer früheren Auflösung - enden sollte. Ob der Vereinbarung einer auflösenden Bedingung eine solche weitergehende, das ordentliche Kündigungsrecht ausschließende Bedeutung zukommt, hat im Streitfall diejenige Vertragspartei darzulegen und zu beweisen, die sich auf diese Bedeutung beruft.
[15] c) Der Beklagte hat nicht dargelegt, dass die Parteien der vereinbarten auflösenden Bedingung des Pachtvertrags eine solche weitergehende Bedeutung beigemessen haben. Über einen Ausschluss des Rechts zur ordentlichen Kündigung haben die Parteien unstreitig nicht ausdrücklich gesprochen. Er ergibt sich auch nicht aus der getroffenen Vereinbarung.
[16] Nach der vom LG vorgenommenen Auslegung des § 2 des Pachtvertrags wollten die Parteien zwar, dass ihr Pachtvertrag im Falle einer behördlichen Nutzungsuntersagung automatisch enden sollte. Einen konkludenten Ausschluss der Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung vermochte das LG dieser Abrede nach Wortlaut und Systematik jedoch nicht zu entnehmen. Diese tatrichterliche Auslegung lässt revisionsrechtlich bedeutsame Fehler nicht erkennen. Insbesondere ist weder dargetan noch sonst ersichtlich, dass das LG für die Auslegung wesentliche Tatsachen übersehen, gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln verletzt oder gegen die Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen hat (zur revisionsrechtlichen Nachprüfung tatrichterlicher Vertragsauslegung vgl. etwa BGH, Urt. v. 21.3.2000 - VIII ZR 297/98, NJW 2000, 2508, 2509 sub II.2.a)).
[17] Aus dem Wortlaut der Abrede ergibt sich lediglich, dass der Pachtvertrag enden soll, wenn die Behörde die Nutzung des Pachtobjekts als Schießstand untersagt. Daraus folgt keineswegs zwingend, dass bis zu diesem Zeitpunkt eine ordentliche Kündigung ausgeschlossen ist. Ohne die vereinbarte auflösende Bedingung hätte der Beklagte nämlich bei einer behördlichen Nutzungsuntersagung den Pachtzins mindern oder sogar Schadens- oder Aufwendungsersatzansprüche gegen den Kläger geltend machen können (§ 581 Abs. 2 i.V.m. §§ 537, 538 BGB in der beim Vertragsschluss geltenden Fassung). Diese Möglichkeit wurde ihm durch die Vereinbarung der auflösenden Bedingung versagt, so dass der Vereinbarung insoweit ein eigenständiger Sinn zukommen kann.
[18] Aus § 3 des Pachtvertrags ergibt sich nichts Gegenteiliges. Zwar fällt auf, dass die Parteien die Möglichkeit einer außerordentlichen Kündigung - unter Hinweis auf die gesetzlichen Vorschriften - ausdrücklich erwähnen, die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung jedoch unerwähnt lassen. Daraus lässt sich jedoch nicht zwingend folgern, dass das ordentliche Kündigungsrecht habe ausgeschlossen werden sollen. Vielmehr erscheint es möglich, dass die Parteien in einer etwaigen künftigen Nutzungsuntersagung einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung gesehen haben und klarstellen wollten, dass mit der für diesen Fall vertraglich vorgesehenen automatischen Beendigung des Pachtverhältnisses der Rückgriff auf (andere) wichtige Gründe, die eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen könnten, nicht verschlossen werden sollte.
[19] Auch die für beide Seiten erkennbare Interessenlage fordert kein anderes Verständnis. Zum einen ist nicht festgestellt, ob und in welchem Umfang die vom Beklagten geltend gemachten Investitionen notwendig und für den Kläger vorhersehbar waren. Auch die absehbare Notwendigkeit von umfänglichen Investitionen würde im Übrigen nicht ohne Weiteres die Annahme eines Ausschlusses jeder ordentlichen Kündigungsmöglichkeit nahe legen, da der Beklagte in dem von § 581 Abs. 2 i.V.m. §§ 536a, 539 BGB gezogenen Rahmen Ersatz von Aufwendungen verlangen kann. Zudem hat er die behaupteten Investitionen getätigt, obwohl er - nach seinem eigenen Vortrag - eine baldige Nutzungsuntersagung für wahrscheinlich erachtet hat. Dies spricht gegen die Annahme, der Beklagte habe die behaupteten Investitionen nur im Hinblick auf die langfristige Dauer eines ordentlich nicht kündbaren Pachtverhältnisses getätigt. Zum andern fällt ins Gewicht, dass der Kläger sich mit einem Ausschluss der ordentlichen Kündbarkeit jeder anderweitigen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks auf Dauer begeben hätte. Von einem solchen Verzicht ist angesichts des Pachtzinses von nur 255,65 EUR pro Jahr ohne eine eindeutige Vereinbarung nicht ohne Weiteres auszugehen.
Fundstellen
Haufe-Index 2160689 |
BGHR 2009, 711 |
DWW 2009, 318 |
EBE/BGH 2009 |
NJW-RR 2009, 927 |
NZM 2009, 433 |
ZAP 2009, 721 |
ZfIR 2009, 440 |
MDR 2009, 795 |
GuT 2009, 108 |
Info M 2009, 225 |
NJW-Spezial 2009, 392 |
ZGS 2009, 295 |
LL 2009, 583 |