Leitsatz (amtlich)
In der Jahresabrechnung einer Wohnungseigentümergemeinschaft müssen die Kosten des Betriebsstroms der zentralen Heizungsanlage nach Maßgabe der Heizkostenverordnung verteilt werden; wird der Betriebsstrom nicht über einen Zwischenzähler, sondern über den allgemeinen Stromzähler erfasst, muss geschätzt werden, welcher Anteil an dem Allgemeinstrom hierauf entfällt.
Normenkette
WEG § 28 Abs. 3; HeizkostV § 7 Abs. 2 S. 1
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Urteil vom 10.07.2015; Aktenzeichen 5 S 80/14) |
AG Saarbrücken (Urteil vom 04.04.2014; Aktenzeichen 42 C 206/13 (10)) |
Tenor
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil der 5. Zivilkammer des LG Saarbrücken vom 10.7.2015 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung der Kläger zurückgewiesen worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird das Urteil des AG Saarbrücken vom 4.4.2014 auf die Berufung der Kläger geändert.
Der in der Eigentümerversammlung vom 18.7.2013 gefasste Beschluss über die Gesamtjahresabrechnung einschließlich der Einzelabrechnungen wird insoweit für ungültig erklärt, als die auf den Betriebsstrom der zentralen Heizungsanlage entfallenden Kosten in der Gesamtabrechnung nicht gesondert ausgewiesen, sondern in die Kostenposition "Allgemeinstrom" einbezogen und in den Einzelabrechnungen nicht nach den Vorschriften der Heizkostenverordnung, sondern nach Miteigentumsanteilen verteilt worden sind.
Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Parteien bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft. Der für die zentrale Heizungsanlage erforderliche Betriebsstrom (im Folgenden: Betriebsstrom) wird über den Allgemeinstromzähler erfasst, da kein Zwischenzähler installiert ist. In der Eigentümerversammlung vom 18.7.2013 wurden die Jahresgesamtabrechnung sowie die Einzelabrechnungen für das Jahr 2012 beschlossen. Der Betriebsstrom ist nicht in der Heizkostenabrechnung, sondern in der Position Allgemeinstrom berücksichtigt. Infolgedessen wird er in den Einzelabrechnungen nach Miteigentumsanteilen verteilt.
Rz. 2
Die Kläger haben - soweit von Interesse - beantragt, die Gesamtjahresabrechnung 2012 sowie die sie betreffende Einzelabrechnung hinsichtlich der Heizkostenabrechnung für ungültig zu erklären. Das AG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung hat keinen Erfolg gehabt. Mit der insoweit zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagten beantragen, verfolgen die Kläger ihren Anfechtungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
I.
Rz. 3
Nach Auffassung des Berufungsgerichts entspricht die angefochtene Abrechnung ordnungsmäßiger Verwaltung. Zwar sei auch der Betriebsstrom grundsätzlich im Rahmen der Heizkostenabrechnung zu verteilen. Fehlten aber - wie hier - Messgeräte, die den Verbrauch des Betriebsstroms gesondert erfassten, könnten die hierauf entfallenden Kosten zusammen mit dem Allgemeinstrom nach allgemeinem Maßstab auf die Wohnungseigentümer verteilt werden. Andernfalls könne der Betriebsstrom nicht abgerechnet werden; eine alternative Berechnung scheide schon deshalb aus, weil die "Heiztage" nicht erfasst seien. Den Klägern stehe es frei, die Anschaffung eines Zwischenzählers zu verlangen.
II.
Rz. 4
1. Die Revision ist zulässig. Insbesondere begegnet es keinen Bedenken, dass sie - der Zulassungsentscheidung entsprechend - nur die Verteilung der Stromkosten für die Heizungsanlage zum Gegenstand hat. Nach der Rechtsprechung des Senats kann die Revision auf einzelne Beschlussmängelgründe beschränkt werden (BGH, Urt. v. 10.7.2015 - V ZR 198/14, NZM 2015, 785 Rz. 7), also auch auf rechnerisch selbständige und abgrenzbare Teile der Jahresabrechnung, die alleiniger Gegenstand einer Beschlussanfechtungsklage sein können (vgl. BGH, Versäumnisurteil v. 11.5.2012 - V ZR 193/11, NZM 2012, 566 Rz. 15 m.w.N.).
Rz. 5
2. In der Sache ist die Revision begründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Unrecht abgewiesen.
Rz. 6
a) Gegenstand der Beschlussanfechtungsklage ist dem Antrag zufolge nur die "Gesamtjahresabrechnung nebst der die Kläger betreffenden Einzelabrechnung in folgendem Umfang: (...) Heizkostenabrechnung."
Rz. 7
aa) Allerdings ist es ausgeschlossen, nur eine Einzelabrechnung anzufechten. Bei einem Erfolg der Klage wären zwangsläufig alle Einzelabrechnungen insoweit für ungültig zu erklären, weil sich ein Fehler bei einem Eigentümer auch auf die Abrechnungen der anderen auswirkte (vgl. Jennißen, Die Verwalterabrechnung nach dem Wohnungseigentumsgesetz, 7. Aufl., Rz. 979). Ebenso ausgeschlossen ist es, allein die Heizkostenabrechnung anzufechten. Wäre der Betriebsstrom zu Unrecht nicht in diese einbezogen worden, verringerte sich notwendigerweise die Position Allgemeinstrom.
Rz. 8
bb) Beide Gesichtspunkte führen aber nicht zur Unbegründetheit der Anfechtungsklage. Vielmehr bedarf der Klageantrag der Auslegung.
Rz. 9
(1) Die revisionsrechtlich vollen Umfangs nachprüfbare Auslegung des Klageantrags darf - wie allgemein im Prozessrecht - nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks haften, sondern hat den wirklichen Willen der Partei zu erforschen. Dabei ist der Grundsatz zu beachten, dass im Zweifel dasjenige gewollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der wohlverstandenen Interessenlage entspricht. Nur wenn sich das Rechtsschutzziel des Klägers auch durch die gebotene Auslegung nicht eindeutig ermitteln lässt, gehen die verbleibenden Unklarheiten zu seinen Lasten (näher BGH, Urt. v. 12.12.2014 - V ZR 53/14, NZM 2015, 218 Rz. 8 f. m.w.N.).
Rz. 10
(2) Daran gemessen ergibt die Auslegung des Antrags, dass die Genehmigung der Jahresabrechnung bezogen auf die Positionen Heizkostenabrechnung sowie Allgemeinstrom jeweils in der Gesamtabrechnung und in den Einzelabrechnungen angegriffen werden soll. Der Klageschrift ist zweifelsfrei zu entnehmen, dass die Kläger meinen, die Abrechnung des Betriebsstroms müsse in der Heizkostenabrechnung mit dem dort vorgesehenen Verteilungsschlüssel erfolgen. Erreichen lässt sich dieses Rechtsschutzziel nur, indem auch die Position Allgemeinstrom insoweit für ungültig erklärt wird. Die Beschränkung auf die eigene Einzelabrechnung machte den Klageantrag bei einer dem Wortlaut verhafteten Auslegung ebenfalls sinnlos; notwendigerweise sind daher alle Einzelabrechnungen als Verfahrensgegenstand anzusehen (in diesem Sinne auch KG WuM 1996, 364, 365 f.; Niedenführ in Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG, 11. Aufl., § 28 Rz. 135).
Rz. 11
b) Mit diesem Antrag hat die Klage Erfolg.
Rz. 12
aa) Hinsichtlich der Einzelabrechnungen nimmt das Berufungsgericht zu Unrecht an, dass die dort vorgenommene Verteilung der Kosten des Betriebsstroms nach Miteigentumsanteilen gem. § 16 Abs. 2 WEG ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht. Die Kosten des Betriebsstroms der zentralen Heizungsanlage müssen nach Maßgabe der Heizkostenverordnung verteilt werden; wird der Betriebsstrom nicht über einen Zwischenzähler, sondern über den allgemeinen Stromzähler erfasst, muss geschätzt werden, welcher Anteil an dem Allgemeinstrom hierauf entfällt.
Rz. 13
(1) Nach der Rechtsprechung des Senats entspricht allein eine den Anforderungen der Heizkostenverordnung genügende Abrechnung den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung (vgl. BGH, Urteil vom 16.7.2010 - V ZR 221/09, NJW 2010, 3298 Rz. 15; Urt. v. 17.2.2012 - V ZR 251/10, WuM 2012, 222 Rz. 9). Gemäß § 7 Abs. 1 HeizkostV müssen die Kosten des Betriebs der zentralen Heizungsanlage teilweise verbrauchsabhängig verteilt werden. Dazu zählen gem. § 7 Abs. 2 HeizkostV u.a. die Kosten des Betriebsstroms. Es ist nicht zulässig, die den Heizkosten zuzuordnenden Stromkosten für die Heizungsanlage als Teil des Allgemeinstroms abzurechnen (BGH, Urt. v. 20.2.2008 - VIII ZR 27/07, NZM 2008, 403 Rz. 32; a.A. BayObLG, ZMR 2004, 359 f.), wie es mit dem angefochtenen Beschluss geschehen ist.
Rz. 14
(2) Wird der Betriebsstrom - wie häufig (vgl. Lammel, Heizkostenverordnung, 4. Aufl., § 7 Rz. 91) und auch hier - nicht über einen Zwischenzähler erfasst, muss geschätzt werden, welcher Anteil an dem Allgemeinstrom hierauf entfällt (vgl. BGH, Urt. v. 20.2.2008 - VIII ZR 27/07, NZM 2008, 403 Rz. 32; Jennißen, Die Verwalterabrechnung nach dem Wohnungseigentumsgesetz, 7. Aufl., Rz. 312; Lammel, Heizkostenverordnung, § 7 Rz. 91). Die Schätzung kann sich entweder auf einen Bruchteil der Brennstoffkosten stützen (vgl. Jennißen in Jennißen, WEG, 4. Aufl., § 16 Rz. 123: zwischen 3 % und 6 %; Schmidt-Futterer/Lammel, Mietrecht, 12. Aufl., § 7 HeizkostenV Rz. 30: zwischen 4 % und 10 %; Wall, Betriebs- und Heizkostenkommentar, 4. Aufl., Rz. 5930: 8 % bis 10 %; MAH MietR/Gies, 4. Aufl., § 24 Rz. 308: nicht mehr als 5 %) oder an einer Berechnung orientieren, die auf dem Stromverbrauchswert der angeschlossenen Geräte und den (ggf. geschätzten) Heiztagen beruht (näher Lammel, Heizkostenverordnung, 4. Aufl., § 7 Rz. 91). Welche Schätzmethode die Wohnungseigentümer wählen, steht in ihrem Ermessen, solange sie nicht einen offenkundig ungeeigneten Maßstab wählen.
Rz. 15
(3) Ordnungsmäßiger Verwaltung widerspricht somit nicht nur die Position Allgemeinstrom, die den Betriebsstrom enthält, sondern auch die Heizkostenabrechnung, die ihn nicht enthält. Zwar hat der BGH eine Heizkostenabrechnung gebilligt, die die Kosten des Betriebsstroms nicht enthielt (BGH, Hinweisbeschluss v. 13.9.2011 - VIII ZR 45/11, NZM 2012, 96). Dem lag aber ein Sachverhalt zugrunde, in dem der Vermieter den Betriebsstrom nicht in die gegenüber dem Mieter erstellte Abrechnung aufgenommen hatte (so die Feststellungen der Vorinstanz, LG Itzehoe, NZM 2011, 406), diesen also auch nicht als Allgemeinstrom umgelegt hatte. Rechnet der Vermieter solche Kosten nicht ab, trägt er diese selbst, so dass der Mieter in seinen Rechten nicht beeinträchtigt wird. Aber im Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander müssen entstandene Kosten zwingend verteilt werden, und zwar nach dem zutreffenden Schlüssel; fließt der Betriebsstrom in eine falsche Kostenposition mit einem anderen Verteilungsschlüssel ein, betrifft dieser Fehler sowohl die erhöhte als auch die entlastete Position.
Rz. 16
bb) Auch die Gesamtabrechnung entspricht im Hinblick auf den Betriebsstrom nicht ordnungsmäßiger Verwaltung. Allerdings wirkt sich die Zugrundelegung eines fehlerhaften Verteilungsschlüssels im Grundsatz nicht auf die Gesamtabrechnung aus, sondern nur auf die Einzelabrechnungen, und dies auch nur in dem Umfang der betroffenen Positionen (vgl. BGH, Versäumnisurteil v. 11.5.2012 - V ZR 193/11, NZM 2012, 566 Rz. 15 m.w.N.). Die Gesamtabrechnung muss jedoch unterschiedlich zu verteilende Kostenpositionen zutreffend aufschlüsseln, damit sie für die Wohnungseigentümer nachvollziehbar ist (vgl. Timme/Bonifacio, WEG, 2. Aufl., § 28 Rz. 58). Daran fehlt es hier. Zwar gilt bei den Heizkosten die Besonderheit, dass sich die Einzelabrechnungen ohnehin nicht ohne Weiteres aus der Gesamtabrechnung ableiten lassen. Denn letztere wird als Einnahmen- und Ausgabenabrechnung geführt, während die Heizkosten in den Einzelabrechnungen teilweise verbrauchsabhängig nach den Vorgaben der Heizkostenverordnung verteilt werden (vgl. BGH, Urt. v. 17.2.2012 - V ZR 251/10, WuM 2012, 222 Rz. 16). Dies ändert aber nichts daran, dass der geschätzte, auf den Betriebsstrom entfallende Anteil an den Allgemeinstromkosten in der Gesamtabrechnung gesondert ausgewiesen werden muss.
III.
Rz. 17
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 9872140 |
NJW 2016, 8 |
NJW-RR 2017, 263 |
NZM 2017, 77 |
ZMR 2016, 12 |
ZMR 2017, 76 |
ZfIR 2016, 765 |
JZ 2017, 12 |
MDR 2016, 1375 |
WuM 2016, 702 |
WuM 2017, 8 |
ZWE 2017, 43 |
MietRB 2016, 354 |
NJW-Spezial 2017, 34 |
RdW 2017, 92 |
BBB 2016, 60 |
IWR 2017, 50 |