Leitsatz (amtlich)
Für Gebührenforderungen aus Anwaltsverträgen besteht in der Regel kein Gerichtsstand des Erfüllungsorts am Kanzleisitz (Anschluss an BGH, Beschl. v. 11.11.2003 - X ARZ 91/03, BGHReport 2004, 180 = MDR 2004, 164).
Normenkette
ZPO § 29 Abs. 1; BGB § 269 Abs. 1; BRAGO §§ 1, 16 ff.
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision gegen das Urteil der 31. Zivilkammer des LG München I wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin, eine in München ansässige Anwaltssozietät, hat gegen den in Zittau/Sachsen wohnhaften Beklagten bei dem für den Sitz der Kanzlei zuständigen AG einen Honoraranspruch von 1.068,52 EUR aus einem Beratungsauftrag geltend gemacht. Das AG hat die Klage durch unechtes Versäumnisurteil mangels örtlicher Zuständigkeit als unzulässig abgewiesen, das LG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Diese verfolgt mit der zugelassenen Revision ihren Anspruch weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg.
Da der Beklagte seinen allgemeinen Gerichtsstand (§§ 12, 13 ZPO) nicht im Bezirk des angerufenen AG hat, könnte dessen örtliche Zuständigkeit nur unter den Voraussetzungen des § 29 Abs. 1 ZPO begründet sein. Die Vorinstanzen haben jedoch die Anwendbarkeit der Vorschrift auf das Streitverhältnis der Parteien rechtsfehlerfrei verneint.
1. Gemäß § 29 Abs. 1 ZPO ist für Streitigkeiten aus einem Vertragsverhältnis das Gericht des Ortes zuständig, an dem die streitige Verpflichtung zu erfüllen ist. Die Vorschrift verweist auf die Regelung des materiellen Rechts. Danach hat die Leistung an dem Ort zu erfolgen, an welchem der Schuldner zur Zeit der Entstehung des Schuldverhältnisses seinen Wohnsitz hatte, sofern nicht ein anderer Ort von den Parteien bestimmt oder aus den Umständen, insbesondere der Natur des Rechtsverhältnisses zu entnehmen ist (§ 269 Abs. 1 BGB). Bei gegenseitigen Verträgen besteht danach im Allgemeinen kein einheitlicher Leistungsort; dieser muss grundsätzlich für jede Verpflichtung gesondert bestimmt werden (BGH, Urt. v. 9.3.1995 - IX ZR 134/94, MDR 1995, 592 = WM 1995, 833 [834]).
2. Im Zweifel ist Leistungsort der jeweilige Wohnsitz des Schuldners. Da die Klägerin eine davon abweichende Vereinbarung nicht behauptet hat, käme ein anderer Ort nur in Betracht, wenn er sich aus der Natur des Schuldverhältnisses herleiten ließe. Das hat der BGH nach Erlass des Berufungsurteils in einer Gerichtsstandsbestimmungssache für Anwaltsverträge grundsätzlich verneint (BGH, Beschl. v. 11.11.2003 - X ARZ 91/03, BGHReport 2004, 180 = MDR 2004, 164 = NJW 2004, 54 [55 f.]). Dem schließt sich der erk. Senat unter Bezugnahme auf diese Entscheidung an.
Bei einem Ladengeschäft des täglichen Lebens, wo die beiderseitigen Leistungspflichten sofort an Ort und Stelle erfüllt werden (vgl. dazu BGH, Urt. v. 2.10.2002 - VIII ZR 163/01, MDR 2003, 402 = BGHReport 2003, 179 = WM 2003, 1530 [1532]), oder einem Bauvertrag, der durch den Ort des zu errichtenden Bauwerks sein besonderes Gepräge erhält (vgl. dazu BGH, Beschl. v. 5.12.1985 - I ARZ 737/85, MDR 1986, 469 = NJW 1986, 935), mögen besondere Umstände i. S. d. § 269 Abs. 1 BGB gegeben sein. Diese bestehen jedoch bei einem Anwaltsvertrag nicht. Der Vertrag mit einem rechtlichen Berater hat nicht typischerweise seinen räumlichen oder rechtlichen Schwerpunkt in der Kanzlei. Jeder Auftrag, die Interessen des Mandanten in einem gerichtlichen oder behördlichen Verfahren zu vertreten, kann dazu führen, dass der Vertrag hauptsächlich an einem von dem des Kanzleisitzes verschiedenen Ort durchgeführt wird. Für Beratungsaufgaben des Rechtsanwalts gilt im Grundsatz nichts anderes, weil sie die Mitwirkung an auswärtigen Verhandlungen oder Vertragsabschlüssen erfordern können. Fehlt es damit an einem für Verträge mit rechtlichen Beratern typischen örtlichen Bezug, gibt es keinen berechtigten Grund, den Kanzleisitz als Ort der vom Mandanten geschuldeten Geldleistung anzusehen. Damit bleibt es im Allgemeinen auch für Anwaltsverträge dabei, dass Leistungsort für das geschuldete Honorar der Wohnsitz des Mandanten ist.
Fundstellen
BuW 2004, 385 |
BGHR 2004, 841 |
EBE/BGH 2004, 1 |
FamRZ 2004, 938 |
NJW-RR 2004, 932 |
WM 2004, 2038 |
AnwBl 2004, 384 |
DAR 2004, 555 |
MDR 2004, 765 |
VersR 2004, 1625 |
RVGreport 2004, 271 |
KammerForum 2004, 233 |
Mitt. 2004, 231 |