Drohung des Anwalts mit Mandatsniederlegung zur Unzeit
Eine Mandatskündigung bzw. Mandatsniederlegung seitens des Anwalts kommt aus den unterschiedlichsten Gründen in Betracht. Neben der hartnäckigen Weigerung des Mandanten, die in Rechnung gestellten Kosten zu begleichen, kann das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant im Laufe des Mandats Schaden nehmen, etwa durch lückenhafte Informationen seitens des Mandanten, durch unrealistische Vorstellungen des Mandanten über seine vermeintlichen Rechte oder auch durch eine während des Mandats auftretende Interessenkollision. Bei der Kündigung des Mandatsverhältnisses hat der Anwalt einige wichtige Regeln zu beachten, um mögliche Haftungsrisiken auszuschließen.
Grundsatz: Mandatskündigung ist jederzeit möglich
Für den Anwaltsvertrag gilt der Grundsatz: Eine – auch fristlose – Kündigung des Mandats ist jederzeit möglich. Das Vorliegen eines wichtigen Grundes gemäß § 627 Abs. 1 BGB ist nicht erforderlich. Da es sich bei der Anwaltstätigkeit um sogenannte Dienste höherer Art handelt, deren Grundlage immer ein besonderes Vertrauensverhältnis ist, kann der Anwalt den Anwaltsvertrag jederzeit kündigen, ohne dass besondere Gründe für diesen Schritt dargelegt werden müssten. Eine Einschränkung gilt gemäß § 627 Abs. 2 BGB allerdings insoweit, als die Kündigung nicht zur Unzeit erfolgen darf.
Kündigung zur Unzeit kann Anwaltsregress nach sich ziehen
Zu der Frage, wann eine Kündigung zur Unzeit erfolgt ist, existieren einige wenige gerichtliche Entscheidungen. Zur Unzeit erfolgt ist eine Kündigung im Anwaltsverhältnis z. B. kurzzeitig vor einem Gerichtstermin oder unmittelbar vor Ablauf einer wichtigen Frist (BGH, Urteil v. 7.2.2013, IX ZR 138/11). Durch die Erklärung der Kündigung zur Unzeit wird die Kündigung als solche nicht unwirksam, die Folge sind vielmehr mögliche Schadensersatzansprüche des Mandanten hinsichtlich der für ihn durch die Kündigung entstandenen negativen Folgen. Bei der Beurteilung eines Mandantenregress kommt es auf die Gesamtumstände der Kündigung an. Soweit für den Anwalt ein wichtiger Grund für die Kündigung gegeben war, kann dies ihn vor möglichen Regressansprüchen schützen, wenn er die nachfolgenden Regeln beachtet hat.
Fortbestand anwaltlicher Pflichten nach Kündigung
In jedem Fall einer Mandatskündigung gilt der Grundsatz, dass die Pflichten des Rechtsanwalts aus dem Mandatsverhältnis mit der Kündigung nicht sofort enden. Auch nach der Kündigung hat der Anwalt die Verpflichtung, den Mandanten vor möglichen Rechtsnachteilen infolge der Kündigung zu schützen. So ist der Anwalt verpflichtet,
- noch die Erklärungen abzugeben und Handlungen vorzunehmen, die keinen Aufschub dulden, um Rechtsnachteile für den Mandanten zu vermeiden.
- Ferner bestehen Hinweis- und Aufklärungspflichten z. B. über den drohenden Eintritt der Verjährung einer Forderung, über Fristen für Rechtsmittel oder über sonstige drohende Fristabläufe. Diese Aufklärung sollte der Anwalt aus Gründen des späteren Nachweises in jedem Fall schriftlich erteilen.
Prozessvollmacht erlischt nicht automatisch
Schließlich ist im Anwaltsprozess die Wirkung der Prozessvollmacht gemäß § 87 Abs. 1 ZPO zu beachten. Diese gilt fort, solange kein neuer Verfahrensbevollmächtigter bestellt ist (BGH, Urteil v. 25.1.2011, VIII ZR 27/10). Der Anwalt hat daher während des Bestehens der Prozessvollmacht Zustellungen entgegenzunehmen und weiterzuleiten. Auch die Pflicht zur anwaltlichen Verschwiegenheit besteht auch nach Beendigung des Mandatsverhältnisses weiter. Außerdem ist der Anwalt nach Mandatsende verpflichtet, gemäß § 667 BGB sämtliche Unterlagen, die aus der Geschäftsbesorgung erlangt hat, an den Mandanten herauszugeben. Dies betrifft ausdrücklich nicht die intern gefertigten Vermerke und Notizen.
Auswirkungen auf die Anwaltsvergütung
Hinsichtlich der Vergütung bei einer vorzeitigen Mandatsbeendigung gilt § 15 Abs. 4 RVG, d. h. der Anwalt hat grundsätzlich ein Recht auf die bereits entstandenen Gebühren. Inwieweit er dennoch lediglich einen Teil dieser Vergütung behalten kann, hängt davon ab, ob der Mandant Anlass zur Mandatskündigung gegeben hat, z. B. durch vertragswidriges Verhalten. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Mandant ggf. einen neuen Bevollmächtigten beauftragen und entlohnen muss und deshalb die bisherigen Leistungen des Anwalts möglicherweise für den Mandanten gemäß § 628 Abs. 1 Satz 2 BGB kein Interesse mehr haben (OLG Köln, Beschluss v. 17.1.2018, 5 U 94/17). Spätestens mit Beendigung des Mandats muss der Anwalt gemäß § 23 BORA über Honorarvorschüsse unverzüglich abrechnen und ein sich aus der Abrechnung ergebendes Guthaben an den Mandanten auszahlen.
Besonderheiten bei Verfahrenskostenhilfe
Ein im Wege der Verfahrenskostenhilfe beigeordneter Anwalt kann das Mandatsverhältnis nicht ohne Weiteres durch Kündigung beenden. Erforderlich ist vielmehr ein Antrag auf Aufhebung der Beiordnung. Die Aufhebung der Beiordnung setzt regelmäßig das Vorliegen eines wichtigen Grundes voraus (OLG Zweibrücken, Beschluss v. 2.2.1998, 5 UF 56/97).
Für den Fall, dass der Mandant partout nicht zahlt, aber ein Verfahren mit Anwaltszwang anhängig ist, sind vor einer Kündigung bzw. Niederlegung des Mandats einige von der Rechtsprechung entwickelte Besonderheiten zu beachten:
Androhung der Mandatskündigung
Der Anwalt kann einen Gebührenanspruch verlieren, wenn er das Mandat wegen Nichtzahlung des in Rechnung gestellten Vorschusses kündigt, ohne dem Mandanten zuvor eine Androhung der Kündigung unter Verdeutlichung der Kündigungsfolgen zukommen zu lassen (LG Bremen, Urteil v. 29.5.2020, 4 S 102/19). Für diese Fälle der Honorarsäumigkeit folgen aus der Rechtsprechung einige weitere Grundsätze, die der Anwalt bei der Kündigung und vor der Mandatsniederlegung beachten sollte. Die Mandatsniederlegung erfolgt nur dann nicht zur Unzeit, wenn der Anwalt
- dem Mandanten mehrfach eine Frist zur Zahlung seines Honorars setzt
- die Niederlegung des Mandats androht
- und der Anwalt dem Mandanten bei bestehendem Anwaltszwang rät,
- eine neue anwaltliche Vertretung zu suchen.
Keine Hau-Ruck-Aktionen in Sachen Honorar
Auch der BGH ist in diesem Punkt streng. Etwa in dem Fall einer Gesellschaft, die mit den Honorarzahlungen an die sie ständig betreuende Anwaltskanzlei über ein Jahr lang in Verzug war. Daraufhin forderte die Kanzlei von den Gesellschaftern eine persönliche Haftungsübernahme. Trotz zweier Mails im Abstand von rund 5 Wochen unterzeichneten die Gesellschafter den zugesandten Entwurf jedoch nicht.
Gesellschafter unter Druck persönlich in Haftung genommen
Direkt vor der mündlichen Verhandlung ließ sich die Kanzlei dann, mit der Drohung, das Mandat niederzulegen, von den beiden Gesellschaftern die persönliche Haftungsübernahme unterzeichnen und wollte später auf dieser Grundlage das Honorar einklagen.
Durch Drohen mit Mandatsniederlegung Unterschrift erzwungen
Diese traten dem Zahlungsbegehren insoweit entgegen, als sie geltend machten, die persönliche Haftungsübernahme sei vor dem Gerichtstermin abgepresst worden.
Das Landgericht hat der Klage mit Ausnahme eines geringen Teils der Zinsen stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung ist ohne Erfolg geblieben. Diese Entscheidung hob der BGH wieder auf.
Angedrohte Mandatskündigung kann Verschulden bei Vertragsverhandlung sein
Nach gefestigter Rechtsprechung begründet der Tatbestand einer rechtswidrigen Drohung oder arglistigen Täuschung außer der Anfechtungsmöglichkeit auch einen Schadensersatzanspruch wegen Verschuldens beim Vertragsschluss (§ 311 Abs. 2 BGB), der dem Bedrohten oder Getäuschten das Recht gibt, auch ohne Ausübung eines Gestaltungsrechts Befreiung von der eingegangenen Verbindlichkeit zu verlangen.
„In der Ankündigung eines Rechtsanwaltes, das Mandat niederzulegen, um hierdurch eine günstigere Vergütungsabrede durchzusetzen, kann ausnahmsweise eine rechtswidrige Drohung liegen (...)
Ob eine Drohung in einem solchen Fall rechtswidrig ist, hängt von dem Verhältnis zwischen dem verfolgten Zweck und dem dazu eingesetzten Mittel ab;
entscheidend ist, ob der Drohende an der Erreichung des Zwecks ein berechtigtes Interesse hat und die Drohung nach Treu und Glauben als ein angemessenes Mittel zur Erreichung dieses Zwecks anzusehen ist“,
so das Gericht (BGH, Urteil v. 7.2.2013, IX ZR 138/11).
Mandatsniederlegung zur Unzeit
Die erstmalige Androhung einer Mandatsniederlegung kurz vor Aufruf der Sache im Zivilprozess zur Durchsetzung einer günstigeren Vergütungsabrede oder einer entsprechenden Haftungsübernahme ist nach Ansicht des BGH kein angemessenes Mittel zur Erreichung des an sich berechtigten Anliegens, eine beträchtliche, offenstehende Vergütung zu erhalten oder zu sichern.
- Gemäß § 627 Abs. 2 Satz 1 BGB sei es dem Dienstpflichtigen verwehrt, die Kündigung des Dienstvertrages zur Unzeit auszusprechen.
- Eine derartige Kündigung liege bei einem Anwaltsvertrag vor, wenn sie zu einem Zeitpunkt erfolgt, in dem der Mandant nicht in der Lage ist, sich die notwendigen Dienste eines anderen Anwalts zu besorgen.
Es ist dem Anwalt verwehrt, das Mandat im oder unmittelbar vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung niederzulegen.
Kurz vor Verhandlung Fortführung des Mandats von Zahlung abhängig gemacht
Verstößt der Anwalt gegen das Verbot zur Unzeit zu kündigen, ist zwar die Kündigung regelmäßig wirksam, der Anwalt macht sich aber schadensersatzpflichtig und handelt rechtswidrig“,
so der BGH. Ebenso, wie es dem Anwalt grundsätzlich verwehrt ist, unmittelbar vor einem Verhandlungstermin das Mandat aus Gebühreninteresse niederzulegen, darf er nach dem Urteil eine solche Maßnahme auch zur Unzeit nicht androhen.
- Es ist dem Rechtsanwalt daher versagt, kurz vor einem Verhandlungstermin die Fortführung des Mandats von der Zahlung eines weiteren Honorars abhängig zu machen.
- Auch eine derartige Drohung ist widerrechtlich, wenn der Anwalt nicht eine angemessene Zeit vor dem Termin hinreichend deutlich macht, die von ihm gewünschte Vergütungsabrede sei die Voraussetzung für die Fortsetzung der weiteren Vertretung vor dem Zivilgericht“, befindet der BGH.
Hintergrund:
Der Anwaltsvertrag ist eine entgeltliche Geschäftsbesorgung (§ 675 BGB), die sowohl auftrags- als auch dienstvertragsrechtliche Elemente enthält.
Ein solcher Vertrag ist grundsätzlich jederzeit von beiden Seiten kündbar. Da es sich bei den Diensten eines Rechtsanwalts jedoch um „Dienste höherer Art“ handelt, zu denen der Verteidiger nur aufgrund eines besonderen Vertrauensverhältnisses zwischen ihm und seinem Mandanten beauftragt wird, darf der Rechtsanwalt nur dann kündigen, wenn sich der Mandant die Dienste anderweitig noch beschaffen kann, § 627 Abs. 2 S. 1 BGB.
Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt, wenn ein wichtiger Grund für die Kündigung zur Unzeit besteht. Fehlt es an einem solchen Grund, ist der Verteidiger im Falle einer unzeitigen Kündigung dem Mandanten gegenüber schadenersatzpflichtig, § 627 Abs. 2 S. 2 BGB.
Die Unzeit kann sich verkürzen
Die Unzeit kann sich zulasten des Mandanten verkürzen, wenn er einen „wichtigen Grund zur Kündigung“ gem. § 627 Abs. 2 2. Alt. BGB geliefert hat. Ein wichtiger Grund kann in einer schweren Störung des Vertrauensverhältnisses zwischen Anwalt und Mandant liegen, aufgrund derer dem Anwalt die Fortsetzung des Mandats nicht zugemutet ist
- z. B. bewusst fehlerhafte Informationserteilung,
- unbegründete oder formell unangemessene Vorwürfe,
- Weisungen, die vom Anwalt ein rechtswidriges Verhalten fordern.
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