Entscheidungsstichwort (Thema)
Eigenbedarfskündigung. Pflicht des Vermieters eine vergleichbare Wohnung anzubieten
Leitsatz (amtlich)
Die Pflicht des wegen Eigenbedarfs kündigenden Vermieters, dem Mieter bis zum Ablauf der Kündigungsfrist eine vergleichbare, im selben Haus oder in derselben Wohnanlage liegende Wohnung, die vermietet werden soll, anzubieten, beschränkt sich auf Wohnungen, die dem Vermieter zu diesem Zeitpunkt zur Verfügung stehen; eine Wohnung, die zwar vor Ablauf der Kündigungsfrist für die wegen Eigenbedarfs gekündigte Wohnung gekündigt worden ist, aber erst zu einem späteren Zeitpunkt frei werden soll, wird von dieser Anbietpflicht nicht erfasst (im Anschluss an BGH, Urt. v. 9.7.2003 - VIII ZR 311/02, WuM 2003, 463).
Normenkette
BGB §§ 242, 573 Abs. 2 Nr. 2
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 17.10.2007; Aktenzeichen 14 S 10935/06) |
AG München (Entscheidung vom 07.06.2006; Aktenzeichen 424 C 9195/06) |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil der 14. Zivilkammer des LG München I vom 17.10.2007 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 11.12.2007 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
[1] Der Kläger ist Testamentsvollstrecker über den Nachlass der verstorbenen P., zu dem ein Wohnhaus in M. gehört, in dessen fünften Stock die Beklagte aufgrund eines Mietvertrags aus dem Jahr 1982 eine Wohnung bewohnt.
[2] Der Kläger erklärte mit Schreiben vom 2.6.2005 wegen Eigenbedarfs der Alleinerbin die Kündigung des Mietverhältnisses zum 28.2.2006. Die Mieter einer im vierten Stock desselben Hauses belegenen Wohnung gleichen Zuschnitts kündigten mit Schreiben vom 30.12.2005 zum 31.3.2006 das Mietverhältnis über ihre Wohnung.
[3] Mit seiner Klage verlangt der Kläger Räumung und Herausgabe der Wohnung der Beklagten. Die Beklagte ist der Ansicht, die Kündigung sei vom Kläger nicht als Vermieter, sondern nur in Vertretung für die Erbin ausgesprochen worden und deswegen unwirksam. Weiter bestreitet sie den Eigenbedarf. Außerdem meint sie, der Kläger habe seine Anbietpflicht bezüglich der Wohnung im vierten Stock verletzt.
[4] Das AG hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die hiergegen eingelegte Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Räumungsanspruch weiter.
Entscheidungsgründe
[5] Die Revision hat Erfolg.
I.
[6] Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
[7] Zwar sei die Kammer entgegen der Ansicht des AG der Auffassung, dass die Kündigung hinreichend deutlich zum Ausdruck bringe, dass sie von dem Kläger als Testamentsvollstrecker in eigenem Namen erklärt worden sei. Dieses Problem bedürfe jedoch keiner Vertiefung, weil die Kündigung deshalb unwirksam sei, weil der Kläger seine Anbietpflicht verletzt habe. Da die im vierten Stock gelegene Wohnung der Beklagten nicht zur Anmietung angeboten worden sei, sei die Kündigung gem. § 242 BGB rechtsmissbräuchlich.
[8] Das Gericht verkenne dabei nicht, dass nach der Entscheidung des BGH vom 9.7.2003 (NJW 2003, 2604 f.) eine solche Anbietpflicht grundsätzlich nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist bestehe. Der vom BGH herangezogene Gesichtspunkt, dass andernfalls derjenige Mieter privilegiert werde, der sich bei wirksamer Kündigung trotz Ablaufs der Kündigungsfrist zu Unrecht noch in der Wohnung aufhalte, vermöge im vorliegenden Fall aber nicht zu begründen, dass die Anbietpflicht auf den Ablauf der Kündigungsfrist der Beklagten begrenzt sei. Die Klage sei erst am 12.4.2006 rechtshängig geworden. Die Alternativwohnung sei mit Ablauf des Monats März 2006 frei gewesen. Außerdem habe der Mieter dieser Alternativwohnung die Wohnung selbst gekündigt. Der Vermieter habe also annehmen können, dass der Mieter zum Ablauf der Kündigungsfrist ausziehen werde. Auch bestehe die Anbietpflicht unabhängig davon, ob die Annahme eines Mietvertragsangebots seitens des Klägers durch die Beklagte wahrscheinlich gewesen wäre oder nicht.
II.
[9] Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Nach den bisher getroffenen Feststellungen hat das Berufungsgericht den vom Kläger geltend gemachten Anspruch aus § 546 Abs. 1 BGB auf Räumung und Herausgabe der gem. § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB wegen Eigenbedarfs der Eigentümerin gekündigten Wohnung der Beklagten zu Unrecht verneint.
[10] 1. Keinen durchgreifenden Bedenken begegnet allerdings - entgegen der Gegenrüge der Revisionserwiderung - die Auffassung des Berufungsgerichts, die Kündigung des Klägers vom 2.6.2005 bringe hinreichend deutlich zum Ausdruck, dass sie von ihm als Testamentsvollstrecker in eigenem Namen erklärt worden sei. Diese Annahme beruht auf der tatrichterlichen Auslegung einer Individualerklärung, die nach der ständigen Rechtsprechung des BGH revisionsrechtlich nur beschränkt darauf überprüfbar ist, ob gesetzliche Auslegungsregeln, anerkannte Auslegungsgrundsätze, Denkgesetze, Erfahrungssätze oder Verfahrensvorschriften verletzt worden sind (BGHZ 154, 132, 133; 168, 64, 69, jew. m.w.N.). Derartige Rechtsfehler zeigt die Revisionserwiderung nicht auf. Der von ihr angeführte Wortlaut des Kündigungsschreibens ist nicht so eindeutig, dass die Auslegung des Berufungsgerichts damit unvereinbar wäre.
[11] 2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts hat der Kläger jedoch keine Pflicht zur Anbietung einer Alternativwohnung verletzt (§ 242 BGB).
[12] Wie auch das Berufungsgericht nicht verkannt hat, muss der wegen Eigenbedarfs gem. § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB berechtigt kündigende Vermieter dem Mieter bis zum Ablauf der Kündigungsfrist eine vergleichbare, im selben Haus oder in derselben Wohnanlage ihm zu diesem Zeitpunkt zur Verfügung stehende Wohnung, die vermietet werden soll, zur Anmietung anbieten (BGH, Urt. v. 9.7.2003 - VIII ZR 311/02, WuM 2003, 463 - noch zu § 564b Abs. 2 Nr. 2 BGB a.F., nunmehr § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.
[13] Die Wohnung im vierten Obergeschoss ist erst zum Ablauf des Monats März 2006 und damit einen Monat nach Ende des Mietverhältnisses der Beklagten gekündigt worden. Zu diesem Zeitpunkt hätte die Beklagte - den geltend gemachten Eigenbedarf unterstellt - bei rechtmäßigem Verhalten ihre Wohnung bereits geräumt haben müssen. Deswegen ist auch unerheblich, ob der Kläger darauf vertrauen durfte, dass die Mieter der Wohnung im vierten Stock gemäß ihrer eigenen Kündigung am 31.3.2006 ausziehen würden. Unerheblich ist weiter, dass die - im März 2006 eingereichte - Klageschrift der Beklagten erst am 12.4.2006 zugestellt worden ist. Dieser Klage hätte es nicht bedurft, wenn die Beklagte sich rechtmäßig verhalten und ihre Wohnung Ende Februar 2006 geräumt hätte. Die gegenteilige Ansicht des Berufungsgerichts würde auf eine nachvertragliche Treuepflicht des Vermieters ggü. dem Mieter hinauslaufen. Eine solche Pflicht mit dem Inhalt, dass noch eine Anbietpflicht für die Zeit nach Beendigung des Mietverhältnisses bestände, ist jedoch nicht anzuerkennen (BGH, a.a.O., unter II 2; BGHZ 165, 75, 82 f.; die gegen dieses Urteil eingelegte Verfassungsbeschwerde hat das BVerfG NJW 2006, 2033, nicht zur Entscheidung angenommen). Eine über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus zeitlich weiter ausgedehnte Anbietpflicht würde den allgemeinen Prinzipien des Privatrechts von Rechtssicherheit und Rechtsklarheit zuwiderlaufen, die vornehmlich bei der Rechtswirkung einerseitiger Gestaltungserklärungen, wie hier der Wohnungskündigung, zu beachten sind (BGHZ, a.a.O., 79). Sie würde zu einer systemwidrigen Durchbrechung der Grundsätze über die rechtsgestaltende Wirkung von Kündigungserklärungen führen (BGHZ, a.a.O., 82 f.). Zugleich würde das berechtigte Interesse des Vermieters, auf die Rechtsfolgen einer wirksamen Kündigung vertrauen und seine Planung danach ausrichten zu können, erheblich eingeschränkt (BGHZ, a.a.O., 84).
III.
[14] Auf die Revision des Klägers ist das Berufungsurteil daher aufzuheben. Da das Berufungsgericht offen gelassen hat, ob der von der Beklagten bestrittene Eigenbedarf besteht, ist die Sache noch nicht zur Endentscheidung reif.
Sie ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Fundstellen