Verfahrensgang
OLG Stuttgart (Urteil vom 03.03.2000) |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 3. März 2000 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Beklagte befaßt sich mit der Durchführung von Dachreparaturen und Fassadenverkleidungen. Am 13. Januar 1999 suchte einer ihrer Mitarbeiter einen Hauseigentümer unangemeldet in dessen Wohnhaus auf und bot ihm eine Fassadenplatten-Reinigung an. Auf dem von dem Mitarbeiter der Beklagten vorgelegten vorgedruckten Auftragsformular der Beklagten, das der Hauseigentümer im Laufe des Gesprächs unterzeichnete, befand sich links unten eine schwarz umrahmte Widerrufsbelehrung mit folgendem Wortlaut:
„Der Auftrag kann innerhalb einer Woche schriftlich bei der Firma … widerrufen werden. Zur Wahrung dieser Frist genügt rechtzeitige Absendung des Widerrufs. Der Lauf der Widerrufsfrist beginnt nach Aushändigung dieser Vertragsurkunde, nicht jedoch, bevor die auf Abschluß des Vertrages gerichtete Willenserklärung vom Auftraggeber abgegeben wurde.”
Am 1. März 1999 wurde derselbe Hauseigentümer von einem anderen Mitarbeiter der Beklagten aufgesucht und erteilte einen Dachreparatur-Auftrag, auf dem sich eine Widerrufsbelehrung mit einem identischen Text befand.
Der klagende Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände hat die Verwendung des Auftragsformulars mit der Begründung als wettbewerbswidrig beanstandet, die Widerrufsbelehrung verstoße gegen § 2 Abs. 1 Satz 3 des Gesetzes über den Widerruf von Haustürgeschäften und ähnlichen Geschäften (HWiG a.F.). Der im letzten Satz der Widerrufsbelehrung enthaltene, mit den Worten „nicht jedoch, bevor …” beginnende Satzteil stelle einen unzulässigen Zusatz dar. Er diene nicht der Verdeutlichung des vorangehenden Hinweises, sondern schränke diesen ein. Zudem lenke er den Kunden vom Beginn der Widerrufsfrist ab und verwirre ihn. Eine Widerrufsbelehrung vor Abgabe der Vertragserklärung entspreche nicht dem Leitbild des Gesetzes und rechtfertige keine Abstriche hinsichtlich der Eindeutigkeit und Klarheit der Belehrung.
Der Kläger hat beantragt,
- die Beklagte unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen, es zu unterlassen,
- im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs im Zusammenhang mit dem Abschluß von Werkverträgen im Bereich der Privatwohnung eines Kunden dem Kunden keine den Anforderungen des Haustürwiderrufsgesetzes genügende Widerrufsbelehrung zu erteilen, insbesondere dem Kunden eine Widerrufsbelehrung zu erteilen, die folgende zusätzliche Erklärung bei dem Hinweis enthält, daß der Lauf der Widerrufsfrist mit Aushändigung der Vertragsurkunde beginnt: „… nicht jedoch, bevor die auf Abschluß des Vertrages gerichtete Willenserklärung vom Auftraggeber abgegeben wurde.”
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat den Standpunkt vertreten, daß der vom Kläger beanstandete Zusatz in der von ihr verwendeten Widerrufsbelehrung für den verständigen Durchschnittsverbraucher verständlich sei und diesen weder ablenke noch verwirre. Der Zusatz diene der Verdeutlichung der Widerrufsbelehrung in den nicht seltenen Fällen, in denen Kunden den Auftrag erst nach einer Überlegungsfrist erteilten. In diesen Fällen vergäßen Kunden oft die gesonderte Unterzeichnung der Widerrufsbelehrung, weshalb es sich als zweckmäßig erwiesen habe, die Widerrufsbelehrung schon vorab unterzeichnen zu lassen. Bei dieser Vorgehensweise sei der Zusatz zur Widerrufsbelehrung erforderlich, weil die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes die Belehrungspflicht auch auf den Beginn der Widerrufsfrist erstrecke.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
Auf die Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht die Beklagte unter Androhung von Ordnungsmitteln verurteilt,
- es zu unterlassen,
- im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs im Zusammenhang mit dem Abschluß von Werkverträgen im Bereich der Privatwohnung eines Kunden dem Kunden eine den Anforderungen des Haustürwiderrufsgesetzes nicht genügende Widerrufsbelehrung zu erteilen, die folgende zusätzliche Erklärung bei dem Hinweis enthält, daß der Lauf der Widerrufsfrist mit Aushändigung der Vertragsurkunde beginnt: „… nicht jedoch, bevor die auf Abschluß des Vertrages gerichtete Willenserklärung vom Auftraggeber abgegeben wurde”.
Hiergegen richtet sich die (zugelassene) Revision der Beklagten, mit der diese die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erstrebt. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht hat den geltend gemachten Unterlassungsanspruch mit der Begründung bejaht, der von dem Kläger beanstandete Zusatz in der von der Beklagten verwendeten Widerrufsbelehrung verstoße unabhängig davon gegen § 1 UWG i.V. mit § 2 Abs. 1 Satz 3 HWiG a.F., ob die Widerrufsbelehrung zeitgleich mit der auf den Abschluß des Vertrages gerichteten Willenserklärung des Kunden erfolge oder, weil sich dieser eine Bedenkzeit ausbedungen habe, dem Vertragsabschluß vorausgehe. Hierzu hat es ausgeführt:
Das Verbot, die Widerrufsbelehrung mit anderen Erklärungen zu verbinden, bezwecke, den Kunden in seiner Aufmerksamkeit nicht von der Widerrufsmöglichkeit abzulenken; es solle die Übersichtlichkeit und Hervorhebung der Belehrung gewährleisten. Daraus folge nicht, daß jeglicher Zusatz ausgeschlossen sei. Zulässig seien solche Ergänzungen, die die Belehrung inhaltlich verdeutlichten. Nicht zulässig seien dagegen Ergänzungen mit einem eigenen Inhalt, der keine Bedeutung für das Verständnis und die Wirksamkeit der Belehrung habe und deshalb von dieser ablenke. Das sei hier der Fall.
So lenke der Zusatz in den Fällen, in denen der Kunde seine Vertragserklärung zeitgleich oder in nahem zeitlichen Zusammenhang mit der Entgegennahme der Widerrufsbelehrung abgebe, vom Widerrufsrecht und dessen Fristbeginn ab. Er sei in diesen Fällen überflüssig und geeignet, das Verständnis des Kunden von der Belehrung zu beeinträchtigen und zu verwirren. Dazu trage namentlich seine nicht unkomplizierte Formulierung bei. Auch wenn man die Erkenntnisfähigkeit eines verständigen Durchschnittsverbrauchers zugrunde lege, sei nicht gesichert, daß der Kunde erkenne, daß, da er seine Willenserklärung bereits abgegeben habe, der Fristbeginn für ihn nicht hinausgeschoben sei. Dies könne dazu führen, daß der Kunde die in Lauf gesetzte Widerrufsfrist ungewollt verstreichen lasse.
Nichts anderes gelte im Ergebnis in den Fällen, in denen die Erteilung der Widerrufsbelehrung dem Vertragsabschluß vorausgehe. Zwar möge der Zusatz solchenfalls von aufklärender oder zumindest klarstellender Bedeutung sein und einer möglicherweise bestehenden Unsicherheit vorbeugen. Wie aber gerade der vorliegende Streit zeige, sei er genauso gut geeignet, das Verständnis der Belehrung zu beeinträchtigen und den Kunden zu verwirren. Angesichts der insoweit bestehenden Zweifel an der Zulässigkeit des Zusatzes sei auf die EWG-Verbraucherschutz-Richtlinie vom 20. Dezember 1985 zurückzugreifen. Nach deren Art. 4 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a sei die Belehrung dem Verbraucher zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses auszuhändigen. Dies verbiete eine dem Vertragsschluß vorausgehende Aushändigung. Dasselbe gelte gemäß § 2 Abs. 1 HWiG a.F. Dementsprechend könne auch ein Zusatz zur Belehrung, der sich mit dem Aufschub des Beginns der Widerrufsfrist bis zur Abgabe der Vertragserklärung befasse, nicht sachlich mit der Widerrufsfrist zusammenhängen und nur der Verdeutlichung der Belehrung dienen.
Die Verwendung der Belehrung mit dem beanstandeten Zusatz sei auch bei beiden Fallgruppen wettbewerbswidrig. Denn sie begründe jeweils die Gefahr, daß der die Rechtslage nicht überblickende Kunde davon absehe, von seinem Widerrufsrecht fristgerecht Gebrauch zu machen.
II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben keinen Erfolg. Das Berufungsgericht ist mit Recht davon ausgegangen, daß das von der Beklagten benutzte Auftragsformular nicht den gesetzlichen Voraussetzungen entspricht, die bei Haustürgeschäften für die dem Kunden zu erteilende Widerrufsbelehrung gelten, und daß die Verwendung eines solchen Auftragsformulars wettbewerbswidrig i.S. des § 1 UWG ist.
1. Die Frage, ob der klagegegenständliche Unterlassungsanspruch begründet ist, beurteilt sich angesichts dessen, daß der Anspruch in die Zukunft gerichtet ist, nach dem im Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung geltenden Recht (st. Rspr.; vgl. BGHZ 141, 329, 336 – Tele-Info-CD; BGH, Urt. v. 9.11.2000 – I ZR 185/98, GRUR 2001, 348, 349 = WRP 2001, 397 – Beratungsstelle im Nahbereich; Urt. v. 25.10.2001 – I ZR 29/99, WRP 2002, 679, 680 – Vertretung der Anwalts-GmbH; Urt. v. 11.4.2002 – I ZR 306/99, WRP 2002, 832, 833 – Postfachanschrift, m.w.N.). Insoweit sind daher nunmehr die aufgrund des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001 (BGBl. I S. 3138) am 1. Januar 2002 in Kraft getretenen Bestimmungen des § 312 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB einschlägig, die ihrerseits auf die ebenfalls zu diesem Zeitpunkt in Kraft getretenen Vorschriften der § 355 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 und 2, § 357 Abs. 1 und 3 BGB verweisen.
2. Nach dem Wortlaut des § 355 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 und 2 BGB ist die Frage, ob eine Widerrufsbelehrung, die den Hinweis auf den Beginn der Widerrufsfrist mit Aushändigung der Vertragsurkunde mit dem einschränkenden Zusatz „nicht jedoch, bevor die auf Abschluß des Vertrages gerichtete Willenserklärung vom Auftraggeber abgegeben wurde” verbindet, den gesetzlichen Anforderungen entspricht, ebensowenig eindeutig zu beantworten wie nach dem bisherigen Recht (vgl. für die Zeit bis zum 30. September 2000 § 2 Abs. 1 Satz 1 bis 3 HWiG a.F. und nachfolgend bis zum Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes § 361a Abs. 1 Satz 2 bis 4 BGB in der Fassung des Gesetzes über Fernabsatzverträge und andere Fragen des Verbraucherrechts sowie zur Umstellung von Vorschriften auf Euro vom 27. Juni 2000, BGBl. I S. 897). Die Regelungen des alten wie auch die des neuen Rechts knüpfen hinsichtlich des Beginns der Widerrufsfrist jeweils an die Erteilung der Widerrufsbelehrung an, regeln aber nicht ausdrücklich, zu welchem Zeitpunkt diese zu erteilen ist. Ihrem Wortlaut läßt sich nicht eindeutig entnehmen, ob die Belehrung vor der Abgabe der auf den Abschluß des Vertrages gerichteten Willenserklärung des Verbrauchers zulässig und, da die Frist zum Widerruf jedenfalls nicht vor der Abgabe der auf den Abschluß des Vertrages gerichteten Willenserklärung des Verbrauchers beginnen kann (vgl. Soergel/Wolf, BGB, 12. Aufl., § 2 HWiG Rdn. 4; Fischer/Machunsky, Haustürwiderrufsgesetz, 2. Aufl., § 2 Rdn. 45; Staudinger/Kessal-Wulf, BGB [2001], § 7 VerbrKrG Rdn. 39; MünchKomm.BGB/Ulmer, 3. Aufl., § 2 HausTWG Rdn. 4; vgl. auch MünchKomm.BGB/Ulmer, 4. Aufl., § 361a Rdn. 40 und Klauss/Ose, Verbraucherkreditgeschäfte, 2. Aufl., § 2 HausTWG Rdn. 297), ein entsprechender Hinweis auf den richtigen Fristbeginn in der Widerrufsbelehrung erforderlich, zumindest aber zulässig ist.
3. Entscheidend ist daher, ob der vom Gesetz mit der Einräumung eines Widerrufsrechts zugunsten des Verbrauchers verfolgte Zweck mit der von der Beklagten verwendeten Widerrufsbelehrung erreicht wird. Das ist nicht der Fall.
a) Das nunmehr in § 355 BGB und in Vorschriften, die – wie vorliegend § 312 Abs. 1 Satz 1 BGB – auf diese Bestimmung verweisen, geregelte Widerrufsrecht bezweckt ebenso wie das früher unter anderem in § 2 HWiG a.F., § 7 VerbrKrG a.F. und auch schon in § 1b AbzG a.F. geregelte Widerrufsrecht den Schutz der Verbraucher. Dieser Schutz erfordert eine möglichst umfassende, unmißverständliche und aus dem Verständnis der Verbraucher eindeutige Belehrung. Dem tragen die bei der Belehrung von Gesetzes wegen zu beachtenden Formvorschriften und inhaltlichen Anforderungen Rechnung (vgl. BGHZ 121, 52, 54 f. – Widerrufsbelehrung I). Der Verbraucher soll durch die Belehrung nicht nur von seinem Widerrufsrecht Kenntnis erlangen, sondern auch in die Lage versetzt werden, dieses auszuüben (MünchKomm.BGB/Ulmer, 4. Aufl., § 361a Rdn. 44; Staudinger/Werner, BGB [1998], § 2 HWiG Rdn. 30). Bereits vor der Vereinheitlichung des Widerrufsrechts bei Verbraucherverträgen durch § 361a BGB a.F. entsprach es darüber hinaus der Zielrichtung des Haustürwiderrufsgesetzes und des Verbraucherkreditgesetzes ebenso wie der des früheren Abzahlungsgesetzes, den regelmäßig rechtsunkundigen Verbraucher auch über den Beginn der Widerrufsfrist eindeutig zu informieren und ihn über die Berechnung nicht im Unklaren zu lassen (vgl. BGHZ 121, 52, 54 f. – Widerrufsbelehrung I; 126, 56, 62). Dies sieht nunmehr § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB ausdrücklich vor. Um die vom Gesetz bezweckte Verdeutlichung des Rechts zum Widerruf nicht zu beeinträchtigen, darf die Widerrufsbelehrung grundsätzlich keine anderen Erklärungen enthalten. An diesem in § 2 Abs. 1 Satz 3 HWiG a.F. ausdrücklich normierten Erfordernis hat sich durch die gesetzliche Neuregelung nichts geändert (vgl. Bülow, VerbrKrG, 4. Aufl., § 7 Rdn. 117). Es kommt nunmehr darin zum Ausdruck, daß § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB eine Gestaltung der Belehrung verlangt, die dem Verbraucher seine Rechte deutlich macht (vgl. insoweit – zu § 1b Abs. 2 AbzG a.F. – BGH, Urt. v. 7.5.1986 – I ZR 95/84, GRUR 1986, 816, 818 = WRP 1986, 660 – Widerrufsbelehrung bei Teilzahlungskauf; Urt. v. 30.9.1992 – VIII ZR 196/91, NJW 1993, 64, 67).
Diese Regelung schließt allerdings nicht schlechthin jeglichen Zusatz zur Belehrung aus. Ihrem Zweck entsprechend sind Ergänzungen als zulässig anzusehen, die ihren Inhalt verdeutlichen. Nicht hierzu rechnen jedoch Erklärungen, die einen eigenen Inhalt aufweisen und weder für das Verständnis noch für die Wirksamkeit der Widerrufsbelehrung von Bedeutung sind und die deshalb von ihr ablenken (vgl. BGH GRUR 1986, 816, 818 – Widerrufsbelehrung bei Teilzahlungskauf; BGH, Urt. v. 8.7.1993 – I ZR 202/91, GRUR 1994, 59, 60 = WRP 1993, 747 – Empfangsbestätigung).
b) Diesen Anforderungen genügt – wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat – die von der Beklagten verwendete Widerrufsbelehrung nicht. Denn sie legt das unrichtige Verständnis nahe, daß auch Fälle denkbar seien, in denen die Widerrufsfrist nicht bereits mit der Aushändigung der die Widerrufsbelehrung enthaltenden Vertragsurkunde zu laufen beginne, sondern erst mit der zeitlich nachfolgenden Abgabe der auf den Abschluß des Vertrages gerichteten Willenserklärung des Verbrauchers. Dies ist jedoch unzutreffend, so daß der von dem Kläger beanstandete Zusatz die Widerrufsbelehrung nicht in ihrem gebotenen Inhalt verdeutlicht, sondern im Gegenteil für den in der Regel rechtlich nicht geschulten Verbraucher irreführend ist. Auf die Frage, ob der Zusatz – wie das Berufungsgericht gemeint hat – zudem einen weitergehenden eigenen Inhalt hat, kommt es daher nicht mehr an.
aa) Das Berufungsgericht ist zutreffend und von der Revision auch unbeanstandet davon ausgegangen, daß dem Zusatz in denjenigen Fällen, in denen der Verbraucher seine auf den Abschluß des Vertrages gerichtete Willenserklärung im Zeitpunkt der Aushändigung der Widerrufsbelehrung bereits abgegeben hat oder zugleich abgibt, keine sachliche Bedeutung zukommt. Denn in diesen Fällen beginnt die Frist immer erst mit der Aushändigung der Widerrufsbelehrung zu laufen, so daß sich der Zusatz hier als überflüssig erweist. Auch ein überflüssiger Zusatz in einer Widerrufsbelehrung ist aber geeignet, das Verständnis des Verbrauchers von ihrem wesentlichen Inhalt zu beeinträchtigen, und trägt deshalb nicht zur Verdeutlichung des gebotenen Inhalts der Belehrung bei. Hinzu kommt, daß von einem rechtsunkundigen Verbraucher nicht das richtige Verständnis des in dem Zusatz verwendeten juristischen Fachbegriffs „Abgabe einer Willenserklärung” erwartet werden kann.
bb) Die Zulässigkeit des beanstandeten Zusatzes läßt sich aber auch nicht im Hinblick auf diejenigen Fälle bejahen, für die er gedacht ist, d.h. Fälle, in denen der Verbraucher den Auftrag erst nach Inanspruchnahme einer Überlegungsfrist erteilt und die Beklagte ihn deshalb die Widerrufsbelehrung bereits vorab unterzeichnen läßt. Denn die Erteilung der Widerrufsbelehrung vor Vertragsabschluß entspricht nicht den gesetzlichen Erfordernissen (ebenso Staudinger/Wolf, BGB [1998], § 2 HWiG Rdn. 40; a.A. Staudinger/Kessal-Wulf, BGB [2001], § 7 VerbrKrG Rdn. 39; MünchKomm.BGB/Ulmer, 3. Aufl., § 2 HausTWG Rdn. 4; MünchKomm.BGB/Ulmer, 4. Aufl., § 361a Rdn. 40; Fischer/Machunsky aaO) und läßt sich auch nicht mit Praktikabilitätserwägungen rechtfertigen.
(1) Allerdings enthält § 355 BGB ebensowenig wie § 2 HWiG a.F. eine ausdrückliche Bestimmung darüber, zu welchem Zeitpunkt die Widerrufsbelehrung zu erteilen ist. Dem mit der Einräumung eines Widerrufsrechts bei Haustürgeschäften bezweckten Schutz des Verbrauchers widerspricht es jedoch, daß seine gesetzlich vorgeschriebene Belehrung über das ihm zustehende Recht zum Widerruf seiner auf den Abschluß des Vertrages gerichteten Willenserklärung bereits vor deren Abgabe erteilt wird. Die Belehrung soll dem Verbraucher sein Widerrufsrecht klar und deutlich vor Augen führen. Dieses Ziel wird aber nur dann erreicht, wenn sich die Belehrung auf eine konkrete Vertragserklärung des Verbrauchers bezieht. Das setzt voraus, daß der Verbraucher eine solche Vertragserklärung bereits abgegeben hat oder zumindest zeitgleich mit der Belehrung abgibt. Denn nur unter dieser Voraussetzung steht ihm eine Entscheidungsfreiheit zu, die durch die Gewährung einer nachträglichen Überlegungsfrist wiederhergestellt werden soll (vgl. Begr. des Gesetzentwurfs des Bundesrates zum HWiG, BT-Drucks. 10/2876, S. 7). Dagegen ist eine Widerrufsbelehrung, die dem Verbraucher bereits vor der Abgabe der Vertragserklärung erteilt worden ist, von vornherein mit dem mit zunehmendem zeitlichen Abstand immer größer werdenden Risiko behaftet, daß dieser sie zum Zeitpunkt der Abgabe seiner Vertragserklärung bereits wieder vergessen hat. Dementsprechend vermag die dem Verbraucher eingeräumte Bedenkfrist unter dieser Voraussetzung ihren Sinn nicht zu erfüllen.
Im übrigen kann auch aus der Tatsache, daß der Wortlaut des Gesetzes dem nicht ausdrücklich entgegensteht, nicht abgeleitet werden, daß der Gesetzgeber die Erteilung der Widerrufsbelehrung vor Abgabe der auf den Abschluß des Vertrages gerichteten Willenserklärung des Verbrauchers zulassen wollte. Die Entstehungsgeschichte des Haustürwiderrufsgesetzes, an dessen entsprechende Regelung das nunmehr in den §§ 312, 355 BGB bestimmte Widerrufsrecht des Verbrauchers bei Haustürgeschäften anknüpft, weist nämlich aus, daß die Belehrung nach der Auffassung des Gesetzgebers jedenfalls nicht vor Abgabe der Vertragserklärung des Verbrauchers zu erteilen war. Die Regelungen über die Widerrufsbelehrung in § 2 Abs. 1 Satz 2 und 3 HWiG a.F. waren eng an § 1b AbzG a.F. angelehnt (vgl. Begr. des Gesetzentwurfs des Bundesrates, BT-Drucks. 10/2876, S. 12 f.). Nach dieser Vorschrift mußte die dem Käufer zu erteilende Widerrufsbelehrung auf der Abschrift seiner auf den Vertragsschluß gerichteten Willenserklärung enthalten sein und begann die Widerrufsfrist erst mit der Aushändigung dieser Abschrift zu laufen. Allein schon im Hinblick darauf kam eine Belehrung vor Abgabe der Vertragserklärung des Käufers nicht in Betracht (vgl. MünchKomm.BGB/Ulmer, 4. Aufl., § 361a Rdn. 40 Fn. 91 zu der der nunmehrigen Regelung in § 355 Abs. 2 Satz 3 BGB entsprechenden Bestimmung des § 361a Abs. 1 Satz 5 BGB a.F.). Daß nach § 2 Abs. 1 Satz 2 und 3 HWiG a.F. die Belehrung nicht auf einer Abschrift der Vertragserklärung des Kunden anzubringen war, hatte demgegenüber seinen Grund allein darin, daß die Vertragserklärung des Kunden nach dem Haustürwiderrufsgesetz nicht der Schriftform bedurfte (vgl. BT-Drucks. 10/2876, S. 13).
(2) Mit Recht hat das Berufungsgericht auch angenommen, daß die Widerrufsbelehrung namentlich bei richtlinienkonformer Auslegung der nationalen Bestimmungen über das Widerrufsrecht des Verbrauchers bei Haustürgeschäften nicht vor der Abgabe der auf den Vertragsschluß gerichteten Willenserklärung des Verbrauchers erteilt werden darf.
Entgegen der Ansicht der Revision ist die Richtlinie des Rates vom 20. Dezember 1985 betreffend den Verbraucherschutz im Falle von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen (85/577/EWG, ABl. EG Nr. L 372 vom 31.12.1985, S. 31) bei der Auslegung der nationalen Rechtsvorschriften über das Widerrufsrecht des Verbrauchers bei Haustürgeschäften ergänzend heranzuziehen (vgl. BGH, Urt. v. 4.5.1994 – XII ZR 24/93, NJW 1994, 2759, 2760). Hierbei sind Divergenzen zu der Richtlinie so weit wie möglich zu vermeiden (vgl. BGH, Urt. v. 26.9.1995 – XI ZR 199/94, NJW 1996, 55, 56; Staudinger/Werner, BGB [1998], Vorbem. zum HWiG Rdn. 42; MünchKomm.BGB/Ulmer, 3. Aufl., Vor § 1 HausTWG Rdn. 6-8 und 21; Roth, ZIP 1996, 1285, 1286). Die nationalen Rechtsvorschriften sind so weit wie möglich unter Berücksichtigung des Wortlauts und des Zwecks der Richtlinie auszulegen (EuGH, Urt. v. 27.6.2000 – verb. Rs. C-240/98 bis C-244/98, NJW 2000, 2571, 2572 f.). Die richtlinienkonforme Auslegung der nationalen Vorschriften ist im Streitfall schon deshalb geboten, weil sich die nunmehr in den §§ 312, 355 BGB enthaltenen Bestimmungen über das Widerrufsrecht des Verbrauchers bei Haustürgeschäften mit dem Regelungsgehalt der Richtlinie vom 20. Dezember 1985 decken, wobei sie aber – anders als die Richtlinie – die Frage, zu welchem Zeitpunkt die Widerrufsbelehrung dem Verbraucher auszuhändigen ist, nicht ausdrücklich regeln (vgl. Basedow, Festschrift Brandner [1996], S. 658).
Die Widerrufsbelehrung ist dem Verbraucher nach Art. 4 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a der Richtlinie in den Fällen des dortigen Art. 1 Abs. 1 wie namentlich bei Verträgen zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher, die anläßlich eines Besuchs des Gewerbetreibenden in einer Privatwohnung geschlossen werden (Art. 1 Abs. 1 2. Spiegelstrich Buchst. i der Richtlinie), grundsätzlich zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses auszuhändigen. Abweichendes gilt nur in Sonderfällen, in denen die Widerrufsbelehrung dem Verbraucher spätestens zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses (vgl. Art. 1 Abs. 2 i.V. mit Art. 4 Abs. 2 Satz 2 Buchst. b der Richtlinie) oder zum Zeitpunkt der Abgabe seines Angebots (vgl. Art. 1 Abs. 3 und 4 i.V. mit Art. 4 Abs. 2 Satz 2 Buchst. c der Richtlinie) auszuhändigen ist, nicht dagegen im – auch vorliegend gegebenen – Normalfall, daß der Gewerbetreibende den Verbraucher ohne vorhergehende Bestellung in dessen Privatwohnung aufsucht.
4. Das Berufungsgericht hat ferner zutreffend und von der Revision insoweit ebenfalls unbeanstandet aus der Verwendung einer gesetzwidrigen Widerrufsbelehrung durch die Beklagte einen Wettbewerbsverstoß im Sinne des § 1 UWG abgeleitet. Die Verwendung von Vertragsformularen, die den Vertragspartner über ein ihm durch Gesetz eingeräumtes Widerrufsrecht entgegen den gesetzlichen Vorschriften nicht, nicht vollständig oder nicht richtig belehren, begründet die Gefahr, daß der die Rechtslage nicht überblickende Vertragspartner von der Ausübung seines Widerrufsrechts abgehalten wird, was mit Blick auf das Ausnutzen dieser Rechtsunkenntnis mit dem Sinn und Zweck des Leistungswettbewerbs und den guten kaufmännischen Sitten nicht in Einklang steht. Die Beklagte verschafft sich damit zudem bewußt und planmäßig einen wettbewerbswidrigen Vorsprung vor gesetzestreuen Mitbewerbern (st. Rspr.; vgl. BGH GRUR 1986, 816, 818 – Widerrufsbelehrung bei Teilzahlungskauf; BGHZ 121, 52, 57 f. – Widerrufsbelehrung I; BGH WRP 2002, 832, 833 – Postfachanschrift, m.w.N.).
5. Die Verhaltensweise der Beklagten berührt – wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat – wesentliche Belange der Verbraucher i.S. des § 13 Abs. 2 Nr. 3 Satz 2 UWG (vgl. BGH, Urt. v. 8.6.1989 – I ZR 178/87, GRUR 1989, 753, 754 = WRP 1990, 169 – Telefonwerbung II; Urt. v. 8.11.1989 – I ZR 55/88, GRUR 1990, 280, 281 = WRP 1990, 288 – Telefonwerbung III).
III. Die Revision der Beklagten war danach mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Unterschriften
Erdmann, RiBGH Dr. v. Ungern-Sternberg ist an der Unterschriftsleistung infolge Urlaubs verhindert. Bornkamm, Erdmann, Pokrant Schaffert
Fundstellen
Haufe-Index 846364 |
BGHR 2002, 1016 |