Leitsatz (amtlich)
a) Bei einer Bürgschaft auf erstes Anfordern entfällt das Recht, Zahlung auf erstes Anfordern zu verlangen, wenn sich der Gläubiger in masseloser Insolvenz befindet oder der Insolvenzverwalter Masseunzulänglichkeit angezeigt hat. Dies gilt auch, wenn diese Voraussetzungen allein beim anfordernden Zessionar gegeben sind.
b) Dem Gläubiger, der infolge seiner Insolvenz nicht mehr Zahlung auf erstes Anfordern verlangen kann, stehen die Rechte aus einer gewöhnlichen Bürgschaft zu.
Normenkette
BGB § 765
Verfahrensgang
OLG Frankfurt am Main (Urteil vom 10.02.1999) |
LG Frankfurt am Main |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 10. Februar 1999 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger ist Verwalter in dem am 29. August 1997 eröffneten Konkurs über das Vermögen der W. mbH & Co. KG (im folgenden: Gemeinschuldnerin). Er nimmt die Beklagte aus einer Bürgschaft auf erstes Anfordern in Anspruch.
Am 21. Mai 1996 erteilte die C. mbH (im folgenden: C.) der B. GmbH & Co. KG einen Auftrag zur Werkplanung und Ausführung der Erschließungsarbeiten und Außenanlagen an einem Bauvorhaben in Freiberg/Sachsen zum Pauschalfestpreis von 2.916.088 DM. Im Verhandlungsprotokoll vom 7. Mai 1996 war unter Ziffer 16.1 festgelegt, daß die B. GmbH & Co. KG (im folgenden: Hauptschuldnerin) eine Vertragserfüllungsbürgschaft über 10 % der Vertragssumme zuzüglich Mehrwertsteuer zu leisten habe. Diese Sicherheit erteilte die Beklagte mit Urkunde vom 11. November 1996 als Bürgschaft auf erstes Anfordern. Nachdem die Gemeinschuldnerin im Wege der Vertragsübernahme mit C. an deren Stelle in den Auftrag eingetreten war, geriet sie alsbald in Zahlungsrückstand. Mit Schreiben vom 22. April 1997 sicherte die Gemeinschuldnerin der Hauptschuldnerin Scheckzahlungen in Höhe von rund 1,09 Mio. DM bis zum 13. Juni 1997 zu. Ein am 9. Mai 1997 ausgestellter Scheck über 100.000 DM und weitere Schecks wurden nicht eingelöst. Daraufhin stellte die Hauptschuldnerin die Arbeiten ein. Mit Schreiben vom 9. Juni 1997 entzog die Gemeinschuldnerin der Hauptschuldnerin den Auftrag. Die Hauptschuldnerin bestätigte die Kündigung mit Schreiben vom 10. Juni 1997, bestritt aber, daß ein wichtiger Grund vorgelegen habe.
Mit Schreiben vom 18. August 1997 forderte die Gemeinschuldnerin die Beklagte auf, die Bürgschaft einzulösen. Sie machte umfangreiche Mängel an den von der Hauptschuldnerin ausgeführten Arbeiten geltend. In einem vom Kläger angestrengten selbständigen Beweisverfahren hat der Sachverständige die Kosten für die Beseitigung der von ihm festgestellten Mängel mit Gutachten vom 30. Juli 1998 auf mehr als 1,3 Mio. DM brutto geschätzt. Der Kläger hat inzwischen die Masseunzulänglichkeit des Konkurses angezeigt.
Der Kläger verlangt von der Beklagten die Zahlung der Bürgschaftssumme. Die Beklagte behauptet, sie habe die Bürgschaft auf erstes Anfordern nur versehentlich abgegeben. Hilfsweise rechnet sie mit den Ansprüchen aus Vorbehaltsurteilen auf. Diese Ansprüche wurden ihr nach ihrer Behauptung von der Hauptschuldnerin am 18. August 1997 abgetreten.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht ihr stattgegeben. Mit ihrer Revision erstrebt die Beklagte, das landgerichtliche Urteil wiederherzustellen.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.
I.
Das Berufungsgericht hat angenommen, die Beklagte habe rechtsverbindlich eine Bürgschaft auf erstes Anfordern übernommen. Daher komme es nicht darauf an, ob zwischen den Parteien des Bauvertrags ein Anspruch auf eine Bürgschaft auf erstes Anfordern vereinbart worden sei. Die Bürgschaft sei nach § 401 BGB auf die Gemeinschuldnerin übergegangen, da diese im Wege der Vertragsübernahme an die Stelle von C. getreten sei.
Die Beklagte könne sich gegenüber der Inanspruchnahme nicht auf den Einwand des Rechtsmißbrauchs berufen. Angesichts der vom Kläger behaupteten Gewährleistungsansprüche könne nicht die Rede davon sein, daß der Gemeinschuldnerin aus der Bürgschaft offensichtlich keine Ansprüche zustünden. Die Beklagte dürfe sich ebenfalls nicht darauf berufen, daß der Rückforderungsprozeß angesichts des Konkurses wirtschaftlich nicht aussichtsreich sei. Denn die Bürgschaftssumme sei bereits vor Konkurseröffnung angefordert worden. Die Aufrechnung mit abgetretenen Forderungen habe bereits deshalb keinen Erfolg, weil die von der Beklagten behauptete Abtretung weder näher ausgeführt noch unter Beweis gestellt worden sei.
II.
Dies hält rechtlicher Nachprüfung in wesentlichen Punkten nicht stand. Der Kläger kann gegen die Beklagte aus der Bürgschaft auf erstes Anfordern keinen Anspruch herleiten.
1. Allerdings erfaßt die von der Beklagten erteilte Vertragserfüllungsbürgschaft auch die vom Kläger als Hauptforderung behaupteten Schadensersatzansprüche wegen mangelhafter Werkleistung (vgl. BGH, Urt. v. 17. Dezember 1987 – IX ZR 263/86, NJW 1988, 907; Ingenstau/Korbion, VOB, 14. Aufl.; B § 17 Rn. 15; Werner/Pastor, Bauprozeß, 9. Aufl. Rn. 1254). Laut Bürgschaftsurkunde sichert die Bürgschaft „die Erfüllung sämtlicher Verpflichtungen aus dem Vertrag”, insbesondere „die vertragsgemäße Ausführung der Leistung einschließlich Abrechnung, Gewährleistung und Schadensersatz”.
2. Auch die tatrichterliche Feststellung, daß zwischen der Gemeinschuldnerin und der C. eine Vertragsübernahme vereinbart worden sei, der die Hauptschuldnerin zugestimmt hat, begegnet keinen Bedenken. Der Senat hat die dagegen vorgebrachten Rügen der Revision geprüft und nicht für durchgreifend erachtet. Von einer Begründung wird abgesehen (§ 565 a ZPO a.F.).
3. Die Revision meint ferner zu Unrecht, daß ein Übergang der Bürgschaft abbedungen sei. Dies ist zwar – auch für den Fall der Vertragsübernahme – möglich, da § 401 BGB dispositives Recht ist (BGHZ 115, 177, 181). Es gibt jedoch keinerlei Anhaltspunkte für einen entsprechenden Willen der Parteien. Auch die Revision macht nur geltend, die Bürgschaft sei ausdrücklich zugunsten des „Auftraggebers” erteilt worden. Damit haben die Parteien nur eine prägnante Kurzbezeichnung der Partner des Bürgschaftsvertrages gewählt. Im übrigen könnte sich der Kläger auf § 405 BGB berufen, da die Bürgschaftsurkunde keinen Hinweis darauf enthält, daß die Übertragung der Bürgschaft ausgeschlossen sei.
Auch der nach Leistung auf die Bürgschaft auf erstes Anfordern in Betracht kommende Rückgewähranspruch führt nicht dazu, daß § 401 BGB für eine solche Bürgschaft nicht gilt (vgl. BGH, Urt. v. 26. Februar 1987 – IX ZR 136/86, NJW 1987, S. 2075). Wenn ein Bürge auf erstes Anfordern dieses Risiko nicht eingehen möchte, muß er einen Übergang der Bürgschaft auf einen Zessionar vertraglich ausschließen.
4. Die Beklagte kann sich schließlich nicht darauf berufen, die Bürgschaft auf erstes Anfordern ohne Rechtsgrund erteilt zu haben. Dieser Einwand darf im Erstprozeß nur beachtet werden, wenn sich seine Berechtigung schon aus dem unstreitigen Sachverhalt sowie dem Urkundeninhalt ohne weiteres ergibt (BGHZ 143, 381, 384; 147, 99, 102 f). Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht gegeben.
Das schriftliche Verhandlungsprotokoll vom 7. Mai 1996 enthält unter Ziffer 16.1 nur die Verpflichtung, eine (einfache) Vertragserfüllungsbürgschaft zu stellen. Die Auftragserteilung vom 21. Mai 1996 nimmt Bezug auf das Verhandlungsprotokoll, ohne Änderungen aufzuführen. Der Kläger behauptet, die Parteien des Bauvertrages hätten mündlich vereinbart, eine Bürgschaft auf erstes Anfordern zu stellen, und bietet hierfür Zeugenbeweis an. Die Beklagte sei dieser zwischen den Parteien des Bauvertrages bestehenden (mündlichen) Vereinbarung nachgekommen. Dies bestreitet die Beklagte. Sie will – insoweit nicht ganz widerspruchsfrei – einerseits die Bürgschaft (irrtümlich) abweichend vom (eingeschränkten) Auftrag des Hauptschuldners, andererseits nach dem (irrtümlich zu weit gehenden) Auftrag des Hauptschuldners erteilt haben. Beide Parteien streiten also vornehmlich darüber, ob ein Anspruch auf eine Bürgschaft auf erstes Anfordern wirklich bestand.
Zwar zeigt der Urkundeninhalt, daß C. keinen Anspruch auf eine Bürgschaft auf erstes Anfordern hatte. Gleichwohl ist die Berechtigung des vom Beklagten erhobenen Einwandes nicht offensichtlich. Der Kläger behauptet nämlich eine von den Urkunden abweichende Vereinbarung. Ob C. Anspruch auf eine Bürgschaft auf erstes Anfordern hat oder nicht, kann angesichts des Vortrags des Klägers nicht endgültig geklärt werden (ebenso hinsichtlich der Verteidigung gegenüber einem Mißbrauchseinwand BGHZ 90, 287, 294; BGH, Urt. v. 17. Oktober 1996 – IX ZR 325/95, NJW 1997, S. 255, 256).
5. Die Beklagte kann jedoch geltend machen, daß der Kläger sein Recht mißbraucht, Zahlung auf erstes Anfordern zu verlangen (§ 242 BGB). Der Konkurs ist unstreitig masselos. Der Kläger hat die Masseunzulänglichkeit am 15. September 1997 angezeigt. Die Beklagte behauptet, daß gar keine Möglichkeit bestünde, im Wege eines Regreßprozesses die Bürgschaftssumme zurückzuerlangen, weil entsprechende Mittel der Konkursmasse dann nicht mehr vorhanden wären.
a) In der Literatur wird darauf verwiesen, daß bei der Bürgschaft auf erstes Anfordern ein offenes Schutzproblem vorliege, wenn die Durchsetzbarkeit eines eventuellen Rückzahlungsanspruchs – etwa bei drohendem Vermögensverfall oder Sitz des Gläubigers im Ausland – gefährdet ist (Horn NJW 1980, S. 2153, 2156). In solchen Fällen führe die Bürgschaft auf erstes Anfordern zur völligen Aushöhlung der Akzessorietät (ebenso Clemm, BauR 1987, 123, 127; Lukas, Die Bürgschaft auf erstes Anfordern, Diss. 1998, S. 82). Die Lösungsvorschläge reichen von Hinterlegung oder Zahlung gegen Rückzahlungsbürgschaft (Horn aaO) bis zum Leistungsverweigerungsrecht für den Bürgen (Clemm aaO).
So weitgehende Einschränkungen des Anspruchs lassen sich mit dem von der Bürgschaft auf erstes Anfordern verfolgten Zweck nicht vereinbaren (so auch Eleftheriadis, Die Bürgschaft auf erstes Anfordern, 2001, S. 118, 123; Oettmeier, Bürgschaften auf erstes Anfordern, 1996, S. 102; zu pauschal OLG Brandenburg InVo 2002, 289 f). Im Vordergrund steht die Liquiditätsfunktion. Ein allgemeines Leistungsverweigerungsrecht wegen Vermögensverfalls des Gläubigers entwertet den mit einer Bürgschaft auf erstes Anfordern verbundenen sofortigen Zugriff. Durch die Bürgschaft auf erstes Anfordern sollen dem Gläubiger sofort liquide Mittel zugeführt werden, wenn er den Bürgschaftsfall für eingetreten hält. Der Bürge auf erstes Anfordern übernimmt daher auch die Gefahr, eine zu Unrecht vorgenommene Leistung später beim Gläubiger nicht mehr kondizieren zu können (vgl. BGH, Urt. v. 23. Januar 1997 – IX ZR 297/95, NJW 1997, S. 1435, 1437).
Die Bürgschaft auf erstes Anfordern bedeutet eine Art Kreditgewährung, weil dem Gläubiger ein Geldbetrag zur Verfügung gestellt wird, den er möglicherweise wieder zurückzuzahlen hat. Damit ähnelt die Interessenlage des Bürgen auf erstes Anfordern der desjenigen, der eine erst in Zukunft auszugleichende oder zurückzugewährende Leistung erbringt. Zwar kann den Vorschriften der §§ 321, 610 BGB a.F. (§ 490 Abs. 1 BGB n.F.), §§ 775 Abs. 1 Nr. 1, 1133, 1218 und 1219 BGB, denen ebenfalls eine Art Kreditgewährung gemeinsam ist (vgl. Staudinger/Otto, BGB 13. Bearb. 2000, § 321 Rn. 3), die gesetzliche Wertung entnommen werden, daß eine Vermögensgefährdung des anderen Teils den – im weiteren Sinn – vorleistenden Teil dazu berechtigt, seine Interessen stärker als ursprünglich vereinbart zur Geltung zu bringen. Jedoch ist diese Wertung nicht zwingend. Eine vertragliche Vereinbarung geht vor. So liegt es bei einer Bürgschaft auf erstes Anfordern. Wer sich auf ein so risikoreiches Geschäft einläßt, ist grundsätzlich auch dann zur Zahlung verpflichtet, wenn sich der Gläubiger in Liquiditätsschwierigkeiten befindet. Nur so wird die Bürgschaft auf erstes Anfordern ihrem Zweck gerecht, das Bardepot zu ersetzen.
b) Etwas anderes gilt ausnahmsweise dann, wenn der Gläubiger insolvent geworden ist und der Insolvenzverwalter die Masseunzulänglichkeit angezeigt hat. Zwar haben die Parteien einer Bürgschaft auf erstes Anfordern das Insolvenzrisiko grundsätzlich dem Bürgen zugewiesen. Es genügt daher nicht, daß der Rückforderungsprozeß für den Bürgen voraussichtlich wirtschaftlich aussichtslos sein wird. Zudem können insolvente Unternehmen zu Sanierungszwecken fortgeführt werden und Liquidität benötigen. Der Gläubiger hat jedoch kein schützenswertes Interesse an einer Leistung auf erstes Anfordern, sobald ein Insolvenzverfahren mangels Masse nicht eröffnet oder die Masseunzulänglichkeit angezeigt wird. In diesen Fällen ist er auf die Liquidität nicht mehr angewiesen, weil mangels oder wegen unzulänglicher Masse eine weitere wirtschaftliche Tätigkeit des Gläubigers nicht erfolgen wird. Der Konkursverwalter hat bei Masseunzulänglichkeit die vorhandene Konkursmasse zu verwerten (Kuhn/Uhlenbruck, KO 11. Aufl. § 60 Rn. 3 l; Kilger/Schmidt, InsG 17. Aufl. § 60 KO Anm. 4). § 208 Abs. 3 InsO steht dem nicht entgegen. Die nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit fortbestehende Pflicht des Insolvenzverwalters, die Masse zu verwalten, bezieht sich nur noch darauf, die vorhandene Restmasse geordnet im Interesse der Befriedigung der Massegläubiger zu verwerten (MünchKomm-InsO/Hefermehl, § 208 Rn. 43; Kübler/Prütting/Pape, InsO § 208 Rn. 20). In einem solchen Fall werden Sinn und Zweck einer Bürgschaft auf erstes Anfordern verfehlt, wenn der Bürge ohne Aussicht auf Rückzahlung leisten müßte.
Die Voraussetzungen eines entsprechenden Einwandes hat der Bürge darzulegen und zu beweisen. Sie liegen hier unstreitig vor. Der Kläger hat im Staatsanzeiger für das Land Hessen vom 15. September 1997 die Masseunzulänglichkeit angezeigt.
c) Die Beklagte kann dem Kläger als Bürgschaftsgläubiger diesen Einwand entgegenhalten. Zwar macht der Kläger die Rechte aus der Bürgschaft – wegen § 401 BGB – als Zessionar geltend. Die Abtretung führt jedoch grundsätzlich nicht dazu, daß der Zessionar mehr Rechte erwirbt als dem Zedenten zustanden (arg. §§ 404, 405 BGB). Es genügt, daß die Einwendung ihrem Rechtsgrund nach im Bürgschaftsverhältnis angelegt war; die den Mißbrauchseinwand begründenden Tatsachen können vor oder nach der Abtretung eingetreten sein. Der Bürge auf erstes Anfordern kann daher dem ihn in Anspruch nehmenden Zessionar entgegenhalten, es handele sich um eine rechtsmißbräuchliche Anforderung, wenn diese Voraussetzungen in der Person des neuen Gläubigers erfüllt sind (Palandt/Heinrichs, BGB 61. Aufl., § 404 Rn. 1; Staudinger/Busche, BGB (1999), § 404 Rn. 18; vgl. auch MünchKomm-BGB/Roth, 4. Aufl. § 242 Rn. 369). Für den Einwand aus § 242 BGB kommt es zudem entscheidend darauf an, daß die Voraussetzungen eines treuwidrigen Verhaltens gerade in der Person des gegenwärtigen Anspruchstellers begründet sind (BGH, Urt. v. 15. März 2001 – IX ZR 273/98, NJW 2001, S. 1859, 1862).
III.
Das Berufungsurteil kann daher keinen Bestand haben. Die Sache ist jedoch noch nicht zur Endentscheidung reif.
1. Der gegen die Bürgschaft auf erstes Anfordern mit Erfolg erhobene Mißbrauchseinwand führt dazu, daß das Rechtsverhältnis als gewöhnliche Bürgschaft aufrechterhalten bleibt. Die Parteien haben mit der Bürgschaft eine Sicherung des Gläubigers beabsichtigt. Die Masseunzulänglichkeit beseitigt nur das Interesse des Klägers an einer sofortigen Leistung, nicht hingegen sein Sicherungsinteresse.
Ob eine Bürgschaft auf erstes Anfordern unter Umständen als gewöhnliche Bürgschaft aufrechterhalten bleiben kann, richtet sich nach der Interessenlage beider Parteien. Im Zweifel entspricht es dem Parteiwillen, die Vereinbarung einer Bürgschaft auf erstes Anfordern in dem Sinne auszulegen, daß sie zugleich eine einfache Bürgschaft als Verpflichtung enthält, sofern eine nach § 765 BGB wirksame Verpflichtung zustande gekommen ist (BGH, Urt. v. 25. Februar 1999 – IX ZR 24/98, NJW 1999, S. 2361, 2363). Soweit die vom Bürgen abgegebene Erklärung nach dem objektiven Empfängerhorizont die Risiken einer Bürgschaft auf erstes Anfordern nicht umfaßt, haftet der Bürge aus einer gewöhnlichen Bürgschaft (BGH, Urt. v. 12. März 1992 – IX ZR 141/91, NJW 1992, S. 1446 f; Urt. v. 2. April 1998 – IX ZR 79/97, NJW 1998, S. 2280, 2281). So liegt der Fall hier. Dem steht nicht entgegen, daß es der Senat in bestimmten Fällen abgelehnt hat, den Bürgen auf erstes Anfordern aus einer gewöhnlichen Bürgschaft haften zu lassen. So kann, wenn der Bürge bestimmte formale Voraussetzungen für seine Inanspruchnahme vereinbart hat, eine ausdrücklich auf erstes Anfordern erteilte Bürgschaft nicht in eine gewöhnliche Bürgschaft umgedeutet werden, die die formalisierten Anspruchsvoraussetzungen nicht enthält (BGH, Urt. v. 26. April 2001 – IX ZR 317/98, NJW 2001, S. 3616, 3617 f). Ebenso haftet der Bürge auf erstes Anfordern nicht aus einer gewöhnlichen Bürgschaft, wenn die der Bürgschaftserteilung zugrundeliegende Sicherungsabrede unwirksam ist und dieser Einwand auch gegenüber einer gewöhnlichen Bürgschaft erhoben werden kann (BGHZ 147, 99, 108). Beide Entscheidungen beruhen auf besonderen Fallumständen, die denen des vorliegenden Rechtsstreits nicht vergleichbar sind.
Das Berufungsgericht wird demnach prüfen müssen, ob der verbürgte Anspruch besteht. Hierzu ist den Parteien Gelegenheit zu weiterem Vortrag zu geben.
2. a) Das Berufungsgericht wird gegebenenfalls der Frage nachgehen müssen, ob die Bürgschaftsforderung durch Aufrechnung erloschen ist. Die Revision rügt mit Erfolg, daß das Berufungsgericht in dieser Hinsicht entscheidungserheblichen Vortrag übergangen hat. Das Berufungsgericht ist zu Unrecht davon ausgegangen, daß eine Aufrechnungserklärung fehle und die Abtretung nicht substantiiert vorgetragen und unter Beweis gestellt worden sei. Der Schriftsatz der Beklagten vom 16. Februar 1998 mit den entsprechenden Ausführungen ist nicht zu den Akten gelangt. Das Berufungsgericht hätte anhand der weiteren Schriftsätze und der Erwiderung des Klägers, die auf jenen Schriftsatz Bezug nehmen, erkennen können, daß es den Schriftsatz gibt.
b) Der Kläger kann sich nicht auf die Vereinbarung eines Aufrechnungsverbotes berufen. Das aus der Abrede „Zahlung auf erstes Anfordern” hergeleitete Aufrechnungsverbot entfällt bereits deshalb, weil der Kläger keine Zahlung auf erstes Anfordern mehr verlangen kann. Soweit in der Bürgschaftsklausel, wonach der Bürge auf die Einrede der Aufrechnung verzichtet, ein Aufrechnungsverbot zu sehen sein sollte, ist dieses durch den Konkurs des Gläubigers entfallen (vgl. BGH, Urt. v. 12. Oktober 1983 – VIII ZR 19/82, NJW 1984, S. 357).
c) Das Berufungsgericht wird bei seiner Entscheidung über die Aufrechnung zu beachten haben, daß nach dem bisherigen Sachvortrag kein Aufrechnungshindernis nach § 55 KO vorliegt. Die Bürgschaftsforderung ist spätestens am 18. August 1997 und damit bereits vor der Eröffnung des Konkursverfahrens fällig geworden. § 55 Nr. 1 KO ist daher nicht einschlägig. Die zur Aufrechnung gestellten Forderungen betreffen nach dem bisherigen Sachvortrag Ansprüche wegen Leistungen, die die Hauptschuldnerin vor Konkurseröffnung erbracht hat. Die Beklagte hat sie – nach ihrer Behauptung – durch … Abtretung am 18. August 1997 erworben. Damit greift § 55 Nr. 2 KO nicht. Für die nach § 55 Nr. 3 KO notwendige Kenntnis der Beklagten hat der Kläger bislang nichts vorgetragen.
Unterschriften
Kreft, Kirchhof, Fischer, Ganter, Raebel
Fundstellen
BGHZ |
BGHZ, 236 |
BB 2002, 1829 |
BB 2002, 1933 |
DB 2003, 204 |
DStR 2003, 433 |
DStZ 2002, 731 |
NJW 2002, 3170 |
NWB 2002, 2998 |
BGHR 2002, 907 |
BGHR |
BauR 2002, 1698 |
EWiR 2003, 17 |
IBR 2002, 608 |
KTS 2003, 111 |
KTS 2003, 245 |
Nachschlagewerk BGH |
StuB 2003, 335 |
WM 2002, 1794 |
WuB 2002, 1149 |
ZAP 2002, 1102 |
ZIP 2002, 1633 |
DZWir 2003, 195 |
InVo 2002, 442 |
JuS 2003, 92 |
MDR 2002, 1337 |
NZI 2002, 624 |
VuR 2002, 407 |
ZInsO 2002, 879 |
BKR 2002, 821 |
NZBau 2002, 609 |
RdW 2002, 592 |
ZBB 2002, 405 |
FB 2003, 204 |
JbBauR 2004, 374 |
LMK 2003, 14 |