Normenkette
BGB § 315 Abs. 3, § 812
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 24. Zivilsenats des Kammergerichts vom 10. April 2002 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger bezog für seinen Privathaushalt von der Beklagten, einem Elektrizitätsversorgungsunternehmen, in den Jahren 1972 bis 1999 Strom. Die Beklagte rechnete die Stromversorgung gegenüber dem Kläger jährlich ab, wobei sie die jeweiligen Privatkundentarife zugrunde legte, die von der Senatsverwaltung für Wirtschaft und Technologie des Landes Berlin genehmigt worden waren.
Mit Schreiben vom 29. Mai 2000 machte der Kläger gegenüber der Beklagten die Rückforderung eines Betrages von 16.219,88 DM für den Zeitraum vom 1. Januar 1972 bis 31. Oktober 1999 wegen überhöhter Strompreise geltend. Mit der Behauptung, in dem streitigen Zeitraum hätten die von der Beklagten berechneten Strompreise mindestens 35 % über denen vergleichbarer Stromversorgungsunternehmen gelegen, hat der Kläger zunächst begehrt, die Strompreise der Beklagten während der gesamten Laufzeit des Vertrages mit dem Kläger vom 1. Januar 1972 bis 30. November 1999 nach billigem Ermessen des Gerichts, mindestens jedoch um eine Minderung von 35 %, bezogen auf den bereinigten Bruttobezugspreis von zuletzt 0,370 DM je kWh, neu zu bestimmen; weiter hat er die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 16.219,88 DM nebst Zinsen beantragt.
Nach Klageabweisung in der ersten Instanz hat der Kläger im zweiten Rechtszug nur noch die Rückzahlung überhöhter Stromrechnungen für die Zeit vom 1. Januar 1990 bis 31. Oktober 1999 in Höhe von 5.752,50 DM nebst Zinsen verlangt. Die Berufung des Klägers ist auch insoweit erfolglos geblieben.
Mit seiner – zugelassenen – Revision verfolgt der Kläger seinen in der Berufungsinstanz gestellten Antrag weiter.
Entscheidungsgründe
I.
Zur Begründung hat das Berufungsgericht ausgeführt, dem Kläger stehe kein Anspruch gemäß § 812 BGB gegenüber der Beklagten zu. Zutreffend sei das Landgericht von der Billigkeit der Stromtarife der Beklagten gemäß § 315 Abs. 3 BGB, der grundsätzlich auf Tarifverträge von Unternehmen der Daseinsvorsorge anwendbar sei, ausgegangen. Dabei komme der Genehmigung des Senators für Wirtschaft gemäß § 12 BTOElt Indizwirkung im Hinblick auf die Billigkeit und Angemessenheit der Tarife zu. Genehmigungsvoraussetzung nach § 12 BTOElt sei die Erforderlichkeit der Tarife in Anbetracht der gesamten Kosten- und Erlöslage bei elektrizitätswirtschaftlich rationeller Betriebsführung.
Sei die Genehmigung erteilt, wirke sich dies grundsätzlich auf die Darlegungs- und Beweislast für eine etwaige Billigkeit der Stromtarife aus. So sei regelmäßig von der Ordnungsmäßigkeit der behördlichen Genehmigung mit entsprechender sachkundiger Beurteilung der Problematik „preisgünstig, sparsam, erforderlich” auszugehen. Etwaige Mängel des Genehmigungsverfahrens und damit einhergehende Zweifel an der Billigkeit der Stromtarife habe aus diesem Grunde zunächst der Tarifkunde darzutun. Allein die Darlegung günstigerer Preise von Konkurrenzanbietern in der Zeit nach Öffnung des Strommarktes durch den Kläger könnten die Indizwirkung der Genehmigung nicht erschüttern. Es sei Aufgabe des Klägers gewesen darzulegen, daß die Beklagte zu kostengünstigerer Stromlieferung im streitgegenständlichen Zeitraum in der Lage und ihre Preisbestimmung deshalb unangemessen hoch gewesen sei. Hierzu fehlten jedoch Ausführungen des Klägers.
Die Ausführungen des Klägers zu einem Verstoß der Tarifgestaltung gegen § 14 GWB (gemeint: § 19 GWB) seien unsubstantiiert. Soweit der Kläger Rückzahlung für die Zeit vom 1. Januar 1990 bis 31. Dezember 1995 begehre, sei der Rückzahlungsanspruch im übrigen auch gemäß § 197 BGB a.F. verjährt.
II.
Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.
1. Im Ergebnis zu Recht hat das Berufungsgericht einen Rückforderungsanspruch des Klägers wegen angeblich überhöhter Stromrechnungen in der Zeit vom 1. Januar 1990 bis 31. Oktober 1999 verneint.
a) Der Kläger macht mit seiner Klage einen Bereicherungsanspruch geltend, da er die von der Beklagten in Rechnung gestellten Strompreise als nicht der Billigkeit entsprechend und damit die getroffene Preisbestimmung als unverbindlich (§ 315 Abs. 3 BGB) ansieht. Für die Voraussetzungen dieses Anspruchs trifft ihn, worauf die Beklagte in ihrer Revisionserwiderung zutreffend hinweist, die Beweislast, somit auch für das Nichtbestehen eines Rechtsgrundes der erbrachten Leistung (vgl. BGH, Urteil vom 9. Juni 1992 – VI ZR 215/91, VersR 1992, 1028 unter II 2 a; BGH, Urteil vom 6. Dezember 1994 – XI ZR 19/94, WM 1995, 189 = NJW 1995, 727 unter II 3; BGH, Urteil vom 3. Februar 1995 – V ZR 292/93, NJW-RR 1995, 916 unter II 1; siehe auch Baumgärtel/Strieder, Handbuch der Beweislast im Privatrecht, 2. Aufl., Bd. 1, § 812 BGB Rdnr. 10). Dies gilt grundsätzlich auch für den – hier vorliegenden – Fall, daß der Stromkunde zunächst vorbehaltslos die geforderten Stromentgelte gezahlt hat und anschließend in einem Rückforderungsprozeß die Unbilligkeit der Leistungsbestimmung durch das Versorgungsunternehmen geltend macht (Senat, Urteil vom 19. Januar 1983 – VIII ZR 81/82, WM 1983, 341 = NJW 1983, 1777 unter II 2 b a.E.).
b) Dem steht nicht entgegen, daß nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 4. Dezember 1986 – VII ZR 77/86, WM 1987, 295 = NJW 1987, 1828 unter II 3 a; Senat, Urteil vom 2. Oktober 1991 – VIII ZR 240/90, WM 1991, 2065 = NJW-RR 1992, 183 unter I; siehe auch OLG Celle NJW-RR 1993, 630 f.; AG Bad Neuenahr-Ahrweiler NJW 1998, 2540 f.) und allgemeiner Meinung im Schrifttum (Ludwig/Odenthal/Hempel/Franke, Recht der Elektrizitäts-, Gas- und Wasserversorgung, Bd. 1 § 30 Rdnr. 56 AVBEltV; siehe auch Soergel/Wolf, BGB, 12. Aufl., § 315 Rdnr. 59) die Darlegungs- und Beweislast für die Billigkeit der Ermessensausübung bei Festsetzung des Strompreises das Versorgungsunternehmen trifft. Diese Beweislastverteilung folgt aus der Sachnähe; derjenige, der die Leistung bestimmt, kennt am besten die dafür maßgebenden Umstände, so daß er sie ohne weiteres darlegen und gegebenenfalls beweisen kann (Baumgärtel/Strieder, § 315 Rdnr. 3 BGB). Dies gilt jedoch nur für solche Fälle, in denen der Bestimmungsberechtigte Ansprüche gegen die andere Vertragspartei erhebt (vgl. BGH, Urteil vom 30. Juni 1969 – VII ZR 170/67, NJW 1969, 1809 f.), nicht jedoch für den Rückforderungsprozeß, in welchem der Bereicherungsgläubiger nach allgemeinen Grundsätzen das Fehlen einer der Billigkeit entsprechenden Leistungsbestimmung darzutun und zu beweisen hat. Die Urteile des Bundesgerichtshofs vom 20. Oktober 1980 – II ZR 190/79, NJW 1981, 571 f., und vom 6. März 1986 – III ZR 195/84, BGHZ 97, 212 ff., auf die sich die Revision für ihre gegenteilige Ansicht beruft, sind nicht einschlägig, da es dort nicht um bereicherungsrechtliche Rückforderungsansprüche ging.
c) Allerdings muß der Bereicherungsgläubiger, dem insoweit der Beweis einer negativer Tatsache obliegt, nicht jeden theoretisch denkbaren rechtfertigenden Grund ausschließen. Es genügt vielmehr der Beweis, daß der vom Schuldner geltend gemachte Rechtsgrund nicht besteht (BGH, Urteil vom 3. Februar 1995 aaO; BGH, Urteil vom 20. Mai 1996 – II ZR 301/95, NJW-RR 1996, 1211 unter 2; Baumgärtel/Strieder aaO § 812 BGB Rdnr. 11). Dabei trifft den Prozeßgegner dann eine erweiterte Behauptungslast, wenn die darlegungspflichtige Partei außerhalb des von ihr darzulegenden Geschehensablaufes steht und keine nähere Kenntnis der maßgeblichen Tatsachen besitzt, während der Gegner über ein derartiges Wissen verfügt und ihm nähere Angaben zumutbar sind; im Rahmen des Zumutbaren kann von ihm dann insbesondere das substantiierte Bestreiten einer negativen Tatsache unter Darlegung der für die positive Tatsache sprechenden Umstände verlangt werden (BGH, Urteil vom 18. Mai 1999 – X ZR 158/97, WM 1999, 2175 = NJW 1999, 2887 unter 2 c; siehe auch Senatsurteil vom 3. Februar 1999 – VIII ZR 14/98, WM 1999, 1034 = NJW 1999, 1404 unter II 2 b aa = BGHR ZPO § 138 Abs. 3, Bestreiten, substantiiertes 4, jew. m.w.Nachw.).
d) Auch bei Berücksichtigung dieser Grundsätze zugunsten des darlegungs- und beweispflichtigen Klägers ist die Beklagte ihrer Obliegenheit zu einem substantiierten Bestreiten nachgekommen. Die Beklagte hat alle Genehmigungsunterlagen aus dem Jahre 1972 bis 1998/1999 vorgelegt, von dem Antrag für das Jahr 1987 an einschließlich mit Kostenträgerrechnungen; sie hat ferner ihre Preiskalkulation erläutert und dargelegt, in welcher Weise ihre Kosten- und Ertragslage im Rahmen des behördlichen Genehmigungsverfahrens überprüft wird. Es kann offenbleiben, ob die nach § 12 BTOElt erteilte Tarifgenehmigung, die den Nachweis voraussetzt, daß „entsprechende Preise in Anbetracht der gesamten Kosten- und Ertragslage bei elektrizitätswirtschaftlich rationeller Betriebsführung erforderlich sind” (§ 12 Abs. 2 Satz 2 BTOElt), ein gewichtiges Indiz für die Billigkeit des genehmigten Stromtarifs darstellt, wie das Berufungsgericht annimmt (siehe auch Ludwig/Odenthal/Hempel/Franke aaO; Tegethoff/Büdenbender/Klinger, Das Recht der öffentlichen Energieversorgung, Bd. 2, § 12 BTOElt Rdnr. 337). Der Kläger hatte im Rückforderungsprozeß die von ihm behauptete Unbilligkeit der jeweiligen Tarife zu beweisen; ihm oblag es deshalb, die von der Beklagten dargelegten Kalkulationsansätze substantiiert und unter Beweisantritt zu beanstanden. Daß der Kläger dieser Verpflichtung nachgekommen wäre, vermag die Revision nicht aufzuzeigen. Der Kläger hat sich vielmehr darauf beschränkt, auf günstigere Preise anderer Stromanbieter seit Öffnung des Strommarktes zu verweisen. Insoweit haben die Vorinstanzen jedoch zu Recht ausgeführt, daß dies schon mit Rücksicht auf die besondere Situation Berlins nach der Wiedervereinigung Deutschlands, als die Stromversorgung in Berlin an das europäische Verbundnetz angebunden und das Ostberliner Netz integriert werden mußte, kein ausreichendes Indiz für überhöhte Tarife darstellt (vgl. auch OLG Celle aaO).
2. Soweit die Revision unter Hinweis auf wesentlich niedrigere Vergleichspreise anderer Anbieter in der Tarifgestaltung der Beklagten einen Verstoß gegen Kartellrecht, hier gegen die auf den fraglichen Zeitraum noch anwendbaren §§ 22, 26 GWB in der Fassung vom 20. Februar 1990 (BGBl. I 235), sieht, bedarf es eines Eingehens hierauf nicht; denn die Grenzen des allgemeinen kartellrechtlichen Mißbrauchs- und Diskriminierungsverbotes fallen nicht mit den Grenzen der Billigkeitsentscheidung nach § 315 BGB zusammen (Senat, Urteil vom 2. Oktober 1991 aaO unter III 2 d).
3. Da sonach die geltend gemachten Bereicherungsansprüche des Klägers nicht begründet sind, kommt es nicht mehr darauf an, ob die Ansprüche für die Zeit vom 1. Januar 1990 bis 31. Dezember 1995 bereits gemäß § 197 BGB a.F. verjährt sind.
Unterschriften
Dr. Deppert, Dr. Hübsch, Dr. Beyer, Dr. Leimert, Dr. Frellesen
Fundstellen
Haufe-Index 921689 |
BGHZ |
NJW 2003, 1449 |
BGHR 2003, 698 |
EWiR 2003, 683 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2003, 1728 |
JuS 2003, 711 |
MDR 2003, 676 |
RdE 2003, 188 |
JT 2004, 50 |