Leitsatz (amtlich)
Es ist bei der Schenkungsanfechtung nach objektiven Maßstäben aus der Sicht des Empfängers zu beurteilen, ob er eine Leistung des Schuldners erhalten hat.
Normenkette
InsO § 134 Abs. 1, § 129 Abs. 1
Verfahrensgang
KG Berlin (Urteil vom 11.04.2017; Aktenzeichen 14 U 43/15) |
LG Berlin (Urteil vom 25.03.2015; Aktenzeichen 8 O 425/13) |
Tenor
Auf die Revision des Beklagten werden das Teil- und Schlussurteil der 8. Zivilkammer des LG Berlin vom 25.3.2015 und das Urteil des 14. Zivilsenats des KG in Berlin vom 11.4.2017 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Der Kläger ist Verwalter in dem über das Vermögen der E. GmbH (nachfolgend: Schuldnerin) am 18.12.2012 eröffneten Insolvenzverfahren.
Rz. 2
Der Beklagte (früherer Beklagter zu 2) war mit 75,1 vom Hundert und der frühere Beklagte zu 1) mit 24,9 vom Hundert am Stammkapital der Schuldnerin beteiligt, die sich mit der Organisation und Vermittlung von Schülerabiturbällen befasste. Beide Gesellschafter verkauften ihre Geschäftsanteile durch notariellen Vertrag vom 3.5.2011 für insgesamt 400.000 EUR, wovon 360.000 EUR sofort gezahlt werden sollten, an R. . Im Rahmen des Vertragsschlusses wurde der frühere Beklagte zu 1) von seinem Amt als Geschäftsführer der Schuldnerin abberufen und S. zum neuen Geschäftsführer bestellt.
Rz. 3
Noch am 3.5.2011 wies R. den Geschäftsführer S. an, vom Geschäftskonto der Schuldnerin 360.000 EUR auf das Anderkonto des beurkundenden Notars zu überweisen. Dieser leitete nach Eingang der Zahlung entsprechend den Beteiligungsverhältnissen am 6.5.2011 270.000 EUR an den Beklagten und 90.000 EUR an den früheren Beklagten zu 1) weiter. Eine von R. dem Geschäftsführer S. zum Zwecke der Deckung der Überweisung ausgehändigte "Money Pay Order" der W. Bank über 996.810 US-Dollar erwies sich als wertlos.
Rz. 4
Der Kläger nimmt den Beklagten im Wege der Insolvenzanfechtung auf Zahlung von 270.000 EUR in Anspruch. Die Vorinstanzen haben der Klage - ein gegen den früheren Beklagten zu 1) auf Zahlung von 90.000 EUR ergangenes Versäumnisurteil ist rechtskräftig geworden - stattgegeben. Dagegen richtet sich die von dem Senat zugelassene Revision des Beklagten.
Entscheidungsgründe
Rz. 5
Die Revision des Beklagten hat Erfolg.
I.
Rz. 6
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:
Rz. 7
Zutreffend sei das Erstgericht von einem Zahlungsanspruch des Klägers nach §§ 134 Abs. 1, 143 Abs. 1 und 2, 129 Abs. 1 InsO ausgegangen. Der Beklagte sei richtiger Anfechtungsgegner. Im Ergebnis habe der Beklagte 270.000 EUR über den zwischengeschalteten Notar als teilweise Tilgung des Kaufpreises erhalten. Welche Leistungsvorgänge im bereicherungsrechtlichen Sinne dem Zahlungsvorgang zugrunde lägen, sei für den Anfechtungsanspruch nach § 134 InsO nicht erheblich. Jedenfalls ermögliche die Tilgung der fremden Schuld eines Dritten in der Insolvenz des Leistungsmittlers im Grundsatz eine Anfechtung gegen den Leistungsempfänger.
Rz. 8
Der Beklagte selbst habe den Umstand einer Überweisung vom Konto der Schuldnerin bei Erhalt der Folgeüberweisung des zwischengeschalteten Notars nicht erkannt. Eine Kenntnis des Notars könne ihm möglicherweise nur entsprechend § 166 BGB zugerechnet werden. Rechtlich entscheidend falle indessen ins Gewicht, dass dem Zahlungsempfänger bei der Anfechtung im Drei-Personen-Verhältnis das Insolvenzrisiko des Leistungsmittlers zugemutet werden könne.
Rz. 9
Die Leistung sei unentgeltlich erfolgt. Im hier gegebenen Drei-Personen-Verhältnis komme es nicht entscheidend darauf an, ob der Leistende selbst einen Ausgleich für seine Leistung erhalten habe. Maßgeblich sei vielmehr, ob der Zuwendungsempfänger seinerseits eine Gegenleistung zu erbringen habe. Die Gegenleistung liege in aller Regel darin, dass der Zuwendungsempfänger eine werthaltige Forderung verliere. Hingegen sei die Tilgung einer fremden Schuld unentgeltlich, wenn die Forderung des Zahlungsempfängers wertlos sei. Eine Werthaltigkeit der Kaufpreisforderung des Beklagten gegen R. könne nicht festgestellt werden. Ein Vermögensstatus des R. oder Feststellungen zu einer ausdrücklichen Zahlungsunfähigkeit lägen zwar nicht vor. Die angeführten Indizien für die faktische Unmöglichkeit des Beklagten, den Kaufpreis von R. zu erlangen, seien aber überzeugend und auch im zweiten Rechtszug nicht widerlegt. Auch wegen der einschlägigen Vorstrafen verhalte es sich so, dass R. den Kaufpreis nicht aus eigenen Mitteln habe zahlen wollen. Er habe vielmehr eine Money Order der W. Bank eingesetzt, die von keiner Bank eingelöst worden sei und einem Fälschungsverdacht unterliege. Überdies habe R. in dem anschließenden Strafprozess angegeben, von der Unterstützung seiner Lebensgefährtin abhängig zu sein.
Rz. 10
Die Unentgeltlichkeit sei nicht dadurch beseitigt worden, dass R. mit der Schuldnerin einen Darlehensvertrag geschlossen habe. Dem schriftlichen Darlehensvertrag könne ein Vertrag zugunsten des Beklagten und des früheren Beklagten zu 1) nicht entnommen werden.
II.
Rz. 11
Diese Ausführungen halten im entscheidenden Punkt rechtlicher Prüfung nicht stand.
Rz. 12
1. Die zugunsten der Beklagten geleisteten Überweisungen haben als Rechtshandlungen der Schuldnerin infolge des Vermögensabflusses eine objektive Gläubigerbenachteiligung (§ 129 Abs. 1 InsO) bewirkt (BGH, Urt. v. 7.5.2015 - IX ZR 95/14, WM 2015, 1202 Rz. 8 m.w.N.; v. 17.12.2015 - IX ZR 61/14, WM 2016, 172 Rz. 13; v. 15.9.2016 - IX ZR 250/15, WM 2016, 2312 Rz. 11; v. 7.9.2017 - IX ZR 224/16, WM 2017, 1910 Rz. 11). Insoweit ist es ohne Bedeutung, dass die Zahlungen zunächst an den Notar als uneigennützigen Treuhänder flossen, der die Mittel auftragsgemäß an den Beklagten als Leistungsempfänger ausgekehrt hat (vgl. BGH, Urt. v. 17.12.2009 - IX ZR 16/09, ZIP 2010, 531 Rz. 11; v. 9.11.2017 - IX ZR 319/16, WM 2018, 343 Rz. 8).
Rz. 13
2. Jedoch fehlt es an einer Leistung (§ 134 Abs. 1 InsO) der Schuldnerin an den Beklagten, weil dieser die Zahlung nicht der Schuldnerin, sondern seinem Vertragspartner R. zuordnete.
Rz. 14
a) Hat der Schuldner eine Zwischenperson eingeschaltet, die für ihn im Wege einer einheitlichen Handlung eine Zuwendung an einen Dritten bewirkt und damit zugleich das den Insolvenzgläubigern haftende Vermögen vermindert hat, so richtet sich die Anfechtung gegen den Dritten als Empfänger, wenn es sich für diesen erkennbar um eine Leistung des Schuldners handelte (BGH, Urt. v. 16.9.1999 - IX ZR 204/98, BGHZ 142, 284, 287). Diese Zuordnungskriterien entsprechen denen des Leistungsbegriffs im bereicherungsrechtlichen Sinne (BGH, a.a.O.). Diese Rechtsprechung gilt zwar vornehmlich in Fällen der Deckungsanfechtung (BGH, a.a.O.; Urt. v. 19.1.2012 - IX ZR 2/11, BGHZ 192, 221 Rz. 18). Eine mittelbare Zuwendung kommt freilich ebenso im Anwendungsbereich des § 134 InsO in Betracht (BGH, Urt. v. 11.11.1954 - IV ZR 64/54, WM 1955, 407, 409; RGZ 167, 199, 202 f.; OLG Celle, KTS 1963, 50, 52; HmbKomm-InsO/Rogge/Leptien, 6. Aufl., § 134 Rz. 6; FK-InsO/Dauernheim, 9. Aufl., § 134 Rz. 24). Darum hat im Falle der Einschaltung eines uneigennützigen Treuhänders die Schenkungsanfechtung grundsätzlich nicht diesem gegenüber, sondern gegenüber dem Empfänger der Leistung stattzufinden. Bei einer mittelbaren unentgeltlichen Zuwendung muss der Empfänger jedoch erkennen, von wem die Leistung herrührt. Darum muss er wissen, dass es sich um eine freigiebige Leistung des Schuldners handelt (BGH, Urt. v. 9.10.2008 - IX ZR 59/07, WM 2008, 2178 Rz. 21). Dies beurteilt sich nach objektiven Kriterien aus der Sicht des Empfängers (MünchKomm/InsO/Kayser, 3. Aufl., § 134 Rz. 14; MünchKomm/AnfG/Kirchhof, 2012, § 4 Rz. 14; Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, 2010, S. 466; vgl. Bork in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2016, § 134 Rz. 24; Uhlenbruck/Ede/Hirte, InsO, 14. Aufl., § 134 Rz. 61).
Rz. 15
b) Aus der Warte des Beklagten war bei objektiver Bewertung in der erhaltenen Zahlung über 270.000 EUR eine Leistung seines Vertragspartners R., aber nicht der Schuldnerin zu erkennen (vgl. BGH, Urt. v. 17.12.2009 - IX ZR 16/09, ZIP 2010, 531 Rz. 12; vom 19.1.2012, a.a.O.).
Rz. 16
Ausweislich des Vertrages über die Veräußerung des Geschäftsanteils war R. als Erwerber verpflichtet, den Kaufpreis an den Notar zu entrichten, der die empfangenen Mittel an den Beklagten auszukehren hatte. Da ein Zahlungsanspruch gegen die Schuldnerin nicht bestand, konnte der Beklagte, zumal keine Anhaltspunkte für ein uneigennütziges Dazwischentreten eines Dritten bestanden, bei objektiver Betrachtung allein davon ausgehen, dass der Notar eine von R. erhaltene Zahlung an ihn weitergeleitet hatte (vgl. BGH, Urt. v. 19.9.2013 - IX ZR 4/13, WM 2013, 2074 Rz. 23; v. 24.10.2013 - IX ZR 104/13, WM 2013, 2231 Rz. 18; v. 12.4.2018 - IX ZR 88/17, DB 2018, 1203 Rz. 12). Nach dem Verständnis des Beklagten war der Notar als Leistungsmittler seines Vertragspartners R. und nicht der Schuldnerin tätig geworden. Danach war aus der Warte des Beklagten eine an ihn bewirkte mittelbare Zuwendung des R. und nicht der Schuldnerin erfolgt. Es bestanden für den Beklagten keine Anhaltspunkte dafür, dass die Schuldnerin ihm eine unentgeltliche Leistung zuwenden wollte (BGH, Beschl. v. 9.7.2015 - IX ZR 207/13, WM 2015, 1531 Rz. 2).
Rz. 17
c) Eine etwaige Kenntnis des beurkundenden Notars, wonach die Zahlung nicht durch R., sondern durch die Schuldnerin erfolgt war, ist dem Beklagten nicht zuzurechnen. Denn der Notar war - was der Senat selbst feststellen kann - nicht bevollmächtigter Vertreter (§§ 167 Abs. 1, 166 Abs. 1 BGB) des Beklagten.
Rz. 18
aa) Nach ständiger Rechtsprechung des BGH haben Zahlungen auf ein Notaranderkonto in der Regel - wenn die Vertragsparteien nichts anderes vereinbart haben - keine Erfüllungswirkung (BGH, Urt. v. 25.3.1983 - V ZR 168/81, BGHZ 87, 156, 163; v. 17.2.1994 - IX ZR 158/93, NJW 1994, 1403, 1404; v. 20.11.1997 - IX ZR 152/96, NJW 1998, 746, 747; v. 7.12.2006 - IX ZR 161/04, NJW-RR 2007, 845 Rz. 12). Ein Notar, der als Treuhänder Geld zur Aufbewahrung oder Ablieferung übernimmt, wird nicht als Vertreter einer Partei, sondern als unparteiischer Betreuer für sämtliche Beteiligten tätig (§ 14 Abs. 1 Satz 2 BNotO; BGH, Urt. v. 17.2.1994 - IX ZR 158/93, NJW 1994, 1403, 1404).
Rz. 19
bb) Ausweislich des notariellen Vertrages hatte der Beklagte den beurkundenden Notar nicht bevollmächtigt, für ihn den Kaufpreis in Empfang zu nehmen. Eine sonstige Vollmachterteilung an den Notar durch den Beklagten wird von dem Kläger nicht vorgetragen. Bei dieser Sachlage kann die Klage infolge Entscheidungsreife abgewiesen werden.
Fundstellen
BB 2018, 1729 |
BB 2018, 1811 |
DB 2018, 1919 |
DStR 2018, 13 |
DStR 2018, 2030 |
NJW 2018, 8 |
NWB 2018, 2838 |
MittBayNot 2019, 390 |
StuB 2018, 759 |
WM 2018, 1430 |
ZAP 2019, 16 |
ZIP 2018, 1505 |
ZIP 2018, 57 |
DZWir 2018, 495 |
JZ 2018, 622 |
MDR 2018, 1341 |
NZI 2018, 699 |
NZI 2018, 7 |
ZInsO 2018, 1721 |
NJW-Spezial 2018, 565 |
NWB direkt 2018, 962 |
GmbH-Stpr 2019, 91 |