Entscheidungsstichwort (Thema)
Analoge Anwendung des Nichtigkeitsgrundes aus § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO bei verfahrensfehlerhaft angeordneter öffentlicher Zustellung. Auslegung einer eingelegten Nichtigkeitsklage als Einspruch gegen Versäumnisurteil
Leitsatz (amtlich)
a) § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO ist auf den Fall einer öffentlichen Zustellung, deren Voraussetzungen für das Gericht erkennbar nicht vorlagen, nicht entsprechend anwendbar (Ergänzung von BGH, Urt. v. 11.12.2002 - XII ZR 51/00, BGHZ 153, 189 = BGHReport 2003, 454).
b) Lagen die Voraussetzungen einer öffentlichen Zustellung für das Gericht erkennbar nicht vor, werden Rechtsmittel- und Rechtsbehelfsfristen nicht in Gang gesetzt (Bestätigung von BGH, Urt. v. 19.12.2001 - VIII ZR 282/00, BGHZ 149, 311 = BGHReport 2002, 242 m. Anm. Stöber = MDR 2002, 600).
Normenkette
ZPO § 579 Abs. 1 Nr. 4
Verfahrensgang
OLG Düsseldorf (Urteil vom 07.12.2005; Aktenzeichen I-15 U 57/05) |
LG Düsseldorf (Entscheidung vom 22.02.2005; Aktenzeichen 1 O 382/04) |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 15. Zivilsenats des OLG Düsseldorf vom 7.12.2005 wird auf Kosten des Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Nichtigkeitsklage des Klägers als rechtzeitiger Einspruch gegen das Versäumnisurteil der 1. Zivilkammer des LG Düsseldorf vom 5.2.2003 (1 O 576/01) zu behandeln ist.
Von Rechts wegen
Tatbestand
[1] Der Beklagte reichte am 11.10.2001 gegen den Kläger eine auf Zahlung von 38.717,70 EUR nebst Zinsen gerichtete Klage ein und beantragte, diese an dem spanischen Wohnort des Klägers zuzustellen. Je ein Zustellungsversuch an dem spanischen und an dem früheren deutschen Wohnort des Klägers blieb erfolglos. Daraufhin ordnete das LG auf Antrag des Beklagten am 20.11.2002 die öffentliche Zustellung der Klage an. Da sich der Kläger nicht meldete, erließ es am 5.2.2003 ein Versäumnisurteil, durch welches es ihn antragsgemäß zur Zahlung verurteilte. Es ordnete am gleichen Tag die öffentliche Zustellung auch dieses Urteils an.
[2] Mit der vorliegenden Nichtigkeitsklage möchte der Kläger die Aufhebung seiner Verurteilung erreichen. Er behauptet, er habe erstmals am 21.6.2004 von dem Urteil erfahren, und meint, das LG habe seinerzeit zu Unrecht die Voraussetzungen einer öffentlichen Zustellung angenommen.
[3] Das LG hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das OLG das Urteil des LG aufgehoben und den Rechtsstreit zu erneuten Verhandlung und Entscheidung in der Hauptsache des Ausgangsverfahrens an das LG zurückverwiesen. Mit der von dem OLG zugelassenen Revision strebt der Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils an. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I.
[4] Das Berufungsgericht hält die Nichtigkeitsklage in entsprechender Anwendung von § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO für zulässig. Zwar habe der BGH eine entsprechende Anwendung dieser Vorschrift auf Fälle, in denen eine öffentliche Zustellung formell ordnungsgemäß angeordnet worden sei, abgelehnt. Offen gelassen habe er aber, ob das auch gelte, wenn die öffentliche Zustellung verfahrensfehlerhaft angeordnet worden sei. Ein solcher Fall liege hier vor. Das LG habe im Ausgangsverfahren die Voraussetzungen einer öffentlichen Zustellung zu Unrecht angenommen und die öffentliche Zustellung auch des Versäumnisurteils ohne entsprechenden Antrag des Beklagten verfügt. In einem solchen Fall müsse in entsprechender Anwendung von § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO die Nichtigkeitsklage eröffnet sein, um dem Zustellungsbetroffenen rechtliches Gehör zu gewähren. Die Sache sei in entsprechender Anwendung des § 538 ZPO an das LG zurückzuverweisen, da dieses, von seinem Standpunkt aus folgerichtig, über die Hauptsache des Ausgangsverfahrens nicht neu verhandelt habe.
II.
[5] Diese Erwägungen halten einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand. Die Entscheidung erweist sich aber im Ergebnis aus einem anderen Grund als richtig.
[6] 1. Die erhobene Klage ist als Nichtigkeitsklage unzulässig, weil es an einem Nichtigkeitsgrund fehlt.
[7] a) Einer der gesetzlichen Nichtigkeitsgründe des § 579 Abs. 1 ZPO liegt nicht vor. Das Berufungsgericht geht auch zutreffend davon aus, dass § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO hier nicht schon deshalb entsprechend angewendet werden kann, weil die Klage und das Versäumnisurteil überhaupt öffentlich zugestellt worden sind (BGH, Urt. v. 11.12.2002 - XII ZR 51/00, BGHZ 153, 189, 194-196 = BGHReport 2003, 454). Es meint aber, die Vorschrift sei dann entsprechend anzuwenden, wenn die Vorschriften über die öffentliche Zustellung fehlerhaft angewandt worden seien. Das ist umstritten (dafür: KG NJW-RR 1987, 1215, 1216; Braun in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 579 Rz. 19; Wieczorek/Schütze/Borck, ZPO, 3. Aufl., § 579 Rz. 52, 57; Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., § 579 Rz. 6; Brüggemann, JR 1969, 361, 370; Fischer, ZZP 107 [1994] 163, 179; ähnlich Waldner, Der Anspruch auf rechtliches Gehör, 2. Aufl., Rz. 574; dagegen: Hk-ZPO/Kemper, § 579 Rz. 5; Musielak, ZPO, 4. Aufl., § 579 Rz. 7; Stein/Jonas/Grunsky, ZPO, 21. Aufl., § 579 Rz. 6, 8; Gaul, JZ 2003, 1088, 1095 f.). Höchstrichterlich entschieden ist die Frage bislang nicht. Das BVerfG hat in zwei Beschlüssen die Möglichkeit angedeutet, § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO auf Fälle der Verletzung des rechtlichen Gehörs entsprechend anzuwenden (NJW 1992, 496; 1998, 745), hat aber keine Aussage zu der hier vorliegenden Fallgestaltung gemacht. Der BGH hat die Frage bisher offen gelassen (BGH, Urt. v. 6.4.1992 - II ZR 242/91, MDR 1992, 997 = NJW 1992, 2280, 2281; BGH, Urt. v. 11.12.2002 - XII ZR 51/00, BGHZ 153, 189, 195 = BGHReport 2003, 454). Das Gleiche gilt für das BAG (BAG, Beschl. v. 21.7.1993 - 7 ABR 25/92, MDR 1994, 1044 = BAGE 73, 378, 383).
[8] b) Hier ist die Frage zu entscheiden. Der Senat verneint sie.
[9] aa) Voraussetzung für eine entsprechende Anwendung des § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO ist eine planwidrige Lücke in den gesetzlichen Vorschriften. Diese wird von den Befürwortern einer entsprechenden Anwendung darin gesehen, dass der von einer verfahrensfehlerhaft angeordneten öffentlichen Zustellung Betroffene einen solchen Fehler nicht erfolgreich rügen und sich gegen die Folgen einer verfahrensfehlerhaften öffentlichen Zustellung nicht effektiv zur Wehr setzen könne (dazu Brüggemann, JR 1969, 361, 370). Das trifft jedenfalls heute nicht mehr zu.
[10] bb) Der BGH hat in solchen Fällen zunächst die Möglichkeit der Wiedereinsetzung eröffnet. Sie ist bei einer unter Verstoß gegen § 185 ZPO angeordneten öffentlichen Zustellung ohne Weiteres zu gewähren (BGH, Urt. v. 6.4.1992 - II ZR 242/91, MDR 1992, 997 = NJW 1992, 2280, 2281; ähnlich schon BVerfG, NJW 1988, 2361). Damit scheidet die Annahme einer Rechtsschutzlücke jedenfalls in Fällen aus, in denen der Fehler bei der Anordnung der öffentlichen Zustellung vor Ablauf der in § 234 Abs. 3 ZPO bestimmten Jahresfrist bemerkt wird.
[11] cc) Später hat der BGH den Schutz des Betroffenen erweitert und hierbei auch die Fälle einbezogen, in welchen der Verstoß gegen § 185 ZPO nach Ablauf der in § 234 Abs. 3 ZPO bestimmten Frist bemerkt wird und damit eine Wiedereinsetzung ausscheidet.
[12] (1) Eine unter Verstoß gegen § 185 ZPO angeordnete öffentliche Zustellung löst nach der Rechtsprechung des BGH, die sich an die Rechtsprechung des BVerwG (BVerwG v. 18.4.1997 - 8 C 43.95, BVerwGE 104, 301, 306) und des BFH (BFHE 192, 200, 202; BFH/NV 2005, 998, 1000) anlehnt, die Zustellungsfiktion des § 188 ZPO nicht aus und setzt damit keine Frist in Lauf (BGH, Urt. v. 19.12.2001 - VIII ZR 282/00, BGHZ 149, 311, 321 = BGHReport 2002, 242 m. Anm. Stöber = MDR 2002, 600; ähnlich BayObLG v. 27.1.2000 - 1Z BR 112/99, NJW-RR 2000, 1452, 1453; OLG Hamm v. 28.7.1997 - 29 U 104/97, MDR 1997, 1155 = NJW-RR 1998, 497). Das gilt jedenfalls dann, wenn die öffentliche Zustellung bei sorgfältiger Prüfung der Unterlagen nicht hätte angeordnet werden dürfen, deren Fehlerhaftigkeit für das Gericht also erkennbar war (BGH, Urt. v. 19.12.2001 - VIII ZR 282/00, BGHZ 149, 311, 323 = BGHReport 2002, 242 m. Anm. Stöber = MDR 2002, 600). In einem solchen Fall, von dem das Berufungsgericht hier ausgeht, kommt das Verfahren nicht zu einem wirklichen Abschluss. Es ist bei Entdeckung des Fehlers fortzusetzen, ohne dass es dazu einer Wiedereinsetzung bedürfte (BGH, Urt. v. 19.12.2001 - VIII ZR 282/00, BGHZ 149, 311, 322 = BGHReport 2002, 242 m. Anm. Stöber = MDR 2002, 600). Damit fehlt einer Nichtigkeitsklage die Grundlage.
[13] (2) Diese Rechtsprechung hat Zustimmung (Thomas/Putzo, ZPO, 27. Aufl., § 185 Rz. 5), aber auch Kritik erfahren (MünchKomm/ZPO/Wenzel, 2. Aufl., Erg.-Band ZPO-Reform, § 185 Rz. 9; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl., § 185 Rz. 14; Gaul, JZ 2003, 1088, 1091 f.; differenzierend Zöller/Stöber, a.a.O., § 186 Rz. 9). Eingewandt wird vor allem, dass Fehler bei der Anwendung des § 185 ZPO weder den Anordnungsbeschluss als gerichtliche Entscheidung (MünchKomm/ZPO/Wenzel und Gaul jeweils a.a.O.) noch das etwa durch eine öffentlich zugestellte Klage eingeleitete Gerichtsverfahren oder die an den Zustellungsakt anknüpfenden materiellrechtlichen Wirkungen in Frage stellen dürften (Zöller/Stöber a.a.O.). Das allerdings geschieht in der Rechtsprechung des BGH auch nicht (zutreffend Zöller/Stöber a.a.O.). In den Entscheidungen des BVerwG und des BFH, an denen sich der BGH orientiert hat, ist zwar von einer Unwirksamkeit der Verwaltungszustellung die Rede. Der BGH hat der erkennbar verfahrensfehlerhaften öffentlichen Zustellung im Zivilprozess aber nicht schlechthin ihre Wirksamkeit abgesprochen, sondern einschränkend ausgeführt, dass sie in Ansehung der (im seinerzeitigen und auch im vorliegenden Verfahren maßgeblichen) Einspruchsfrist unwirksam sei, und diese Besonderheit mit dem Zusatz "wirkungslos" beschrieben (BGH, Urt. v. 19.12.2001 - VIII ZR 282/00, BGHZ 149, 311, 321 = BGHReport 2002, 242 m. Anm. Stöber = MDR 2002, 600). Das bedeutet im Ergebnis nur, dass eine unter erkennbar fehlerhafter Anwendung von § 185 ZPO ergangene Anordnung der öffentlichen Zustellung lediglich Fristen nicht in Gang setzt, im Übrigen aber in ihrer Wirksamkeit nicht berührt wird. Eine solche einschränkende Auslegung des § 188 ZPO ist sachlich geboten, da dem Erfordernis eines effektiven Rechtsschutzes gegen Fehler des Gerichts bei der Anwendung des § 185 ZPO und dem Anspruch auf rechtliches Gehör zweckmäßiger und systemgerechter nicht Rechnung getragen werden kann.
[14] c) Damit scheidet eine entsprechende Anwendung des § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO auf Fälle wie den vorliegenden von vorneherein aus.
[15] 2. Die Entscheidung erweist sich aber aus einem anderen Grund als richtig.
[16] a) Die von dem Kläger erhobene Nichtigkeitsklage ist nämlich als Einspruch gegen das Versäumnisurteil im Ausgangsverfahren anzusehen. Der Kläger hat in seiner Klageschrift keinen der gesetzlich bestimmten Nichtigkeitsgründe geltend gemacht. Er hat vielmehr vorgetragen, dass er das Versäumnisurteil deshalb angreifen wolle, weil er mangels ordnungsgemäßer Zustellung bislang keine Gelegenheit zur Rechtsverteidigung gehabt habe. Aus dem Hinweis auf die Notwendigkeit einer entsprechenden Anwendung des § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO zur Sicherung des rechtlichen Gehörs ergibt sich auch, dass der Kläger den zur Verfolgung dieses Sachanliegens gegebenen Rechtsbehelf einlegen wollte. Das ist der Einspruch. Die von ihm eingereichte Nichtigkeitsklage genügt den Anforderungen an eine Einspruchsschrift. Sie war an das LG zu richten, das er angerufen hat. Sie ist deshalb als Einspruch gegen das Versäumnisurteil zu behandeln.
[17] b) Der in der Nichtigkeitsklage liegende Einspruch war auch rechtzeitig.
[18] aa) Die Einspruchsfrist ist durch die öffentliche Zustellung des Versäumnisurteils nicht in Gang gesetzt worden, weil diese fehlerhaft war.
[19] (1) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts folgt das allerdings nicht schon daraus, dass der Beklagte die öffentliche Zustellung des Versäumnisurteils nicht beantragt, sondern das LG sie im Ausgangsverfahren von Amts wegen bewilligt hat. Das widersprach zwar der früheren Rechtslage nach § 204 Abs. 1 ZPO a.F. Diese war aber für die öffentliche Zustellung des Versäumnisurteils vom 5.2.2003 nicht mehr maßgeblich. Am 1.7.2002 ist nämlich das Zustellungsreformgesetz vom 25.6.2001 (BGBl. I, 1206) in Kraft getreten. Dieses sieht keine Überleitungsvorschriften vor. Die geänderten Zustellungsvorschriften galten daher auch in laufenden Verfahren für die nach seinem Inkrafttreten vorzunehmenden Zustellungen. Nach §§ 166 Abs. 2, 186 ZPO bedarf es für die Bewilligung der öffentlichen Zustellung keines Antrags (mehr), wenn die Zustellung von Amts wegen zu erfolgen hat (MünchKomm/ZPO/Wenzel, a.a.O., § 186 Rz. 3; Stein/Jonas/Roth, a.a.O., § 186 Rz. 2). So liegt es bei einem Versäumnisurteil (§ 317 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Es bedarf deshalb auch keiner Entscheidung darüber, ob der allein fehlende Antrag schon dazu führt, dass eine ansonsten ordnungsgemäße öffentliche Zustellung Fristen nicht in Gang setzt (offen gelassen in BGH, Urt. v. 19.12.2001 - VIII ZR 282/00, BGHZ 149, 311 = BGHReport 2002, 242 m. Anm. Stöber = MDR 2002, 600).
[20] (2) Die angeordnete öffentliche Zustellung des Versäumnisurteils war aber fehlerhaft, weil die Voraussetzungen des § 185 ZPO erkennbar nicht vorlagen. Auf § 185 Nr. 2 ZPO ließ sich die öffentliche Zustellung nicht stützen. Dafür kam es nicht auf den Erfolg der von dem LG veranlassten Zustellung der Klageschrift in Spanien an. Maßgeblich ist vielmehr, ob mit dem Zustellungsland Rechtshilfeverkehr besteht und dieser grundsätzlich Erfolg verspricht (MünchKomm/ZPO/Wenzel, a.a.O., § 185 Rz. 7; Zöller/Stöber, a.a.O., § 185 Rz. 3). Das ist nach der VO (EG) Nr. 1348/2000 (ABl. EG Nr. L 160 S. 37) der Fall. Der Aufenthaltsort des Klägers war auch nicht unbekannt (§ 185 Nr. 1 ZPO). Der Kläger wohnte damals an dem Ort in Spanien, den der Beklagte im Ausgangsverfahren in seiner Klageschrift angegeben hatte und den das Versäumnisurteil als letzten bekannten Aufenthalt des Klägers bezeichnet. Das hätte das LG auch erkennen können, wenn es mit der gebotenen Sorgfalt vorgegangen wäre. Es durfte zwar davon ausgehen, dass sich seit der nur zwei Monate zurückliegenden öffentlichen Zustellung der Klageschrift keine neuen Erkenntnisse über den Aufenthaltsort des Klägers ergeben hatten, und die öffentliche Zustellung ohne ergänzende Prüfung bewilligen. Das setzte aber voraus, dass die öffentliche Zustellung der Klageschrift ihrerseits verfahrensfehlerfrei bewilligt worden war. Daran aber fehlt es.
[21] (3) Aus welchen Gründen das LG die öffentliche Zustellung der Klageschrift bewilligt hat, ist seinem Bewilligungsbeschluss nicht zu entnehmen. Der Beklagte hat in seinem Antrag geltend gemacht, der Kläger sei unbekannten Aufenthalts, weil ihm die Klageschrift weder an seinem spanischen Wohnort noch an seinem früheren deutschen Wohnort habe zugestellt werden können. Diese Angaben waren zwar zutreffend. Hiermit durfte sich das LG im Ausgangsverfahren aber nicht begnügen. Der Beklagte hatte in seinem Antrag nämlich auch mitgeteilt, dass der Kläger seine in der Klageschrift angegebene Anschrift bei dem Einwohnermeldeamt als Zweitwohnsitz angegeben habe. Das gab Veranlassung, die Ordnungsmäßigkeit der Auslandszustellung in Spanien noch einmal zu prüfen.
[22] (4) Hierbei wäre aufgefallen, dass die spanischen Zustellungsbehörden die Klageschrift der spanischen Post mit unvollständigen Angaben übergeben hatten und ihre Mitteilung über das Ergebnis des Zustellungsversuchs im entscheidenden Punkt unergiebig war. In dem Zustellschreiben war nur die Anschrift der Wohnanlage, nicht aber die Nummer des Bungalows angegeben, in welchem der Kläger wohnt. In der Mitteilung der spanischen Stellen über das Ergebnis ihrer Bemühungen heißt es zwar, dass sich der mit der Zustellung betraute Bedienstete in Person an dem Ort eingefunden habe, den die Sekretärin der Anlage angeben habe. Als dabei gewonnene Erkenntnis wird in der Mitteilung aber nur festgehalten, dass der Kläger unter seiner deutschen Anschrift ausfindig gemacht werden könne. Zu der entscheidenden Frage, nämlich ob der Kläger in dem Bungalow in der Anlage wohnt, ob er dort zufällig gerade nicht anwesend war und ob versucht wurde, die Klageschrift durch Übergabe an die Sekretärin zur späteren Aushändigung, durch eine Niederlegung oder in anderer Weise zuzustellen, enthält die Mitteilung keine Angaben. Daran ändert auch der von dem LG hervorgehobene Umstand nichts, dass eine Zustellung durch ausländische Justizbehörden gewöhnlich ein hohes Maß an Sicherheit bietet. Diese Erwartung hat sich hier nicht erfüllt. Die Mitteilung, die das LG von den spanischen Justizbehörden erhalten hatte, bot keine Grundlage für die Annahme, der Kläger halte sich nicht an dem angegebenen Wohnort in Spanien auf. Dass sich, wie die Revision darlegt, dieser Mangel beheben und im Nachhinein aufklären ließe, wer die Sekretärin der Wohnanlage ist, mit welcher die spanische Zustellperson Kontakt aufgenommen haben will, und was diese Zustellperson im Einzelnen unternommen hat, ist unerheblich. Dies hätte vor der Bewilligung der öffentlichen Zustellung geschehen müssen, ist aber verfahrensfehlerhaft unterblieben.
[23] (5) Auch das Fehlschlagen der anschließenden Zustellung an der früheren deutschen Anschrift des Klägers berechtigte das LG nicht zu der Annahme, dass der Aufenthalt des Klägers unbekannt war. Ein solches Fehlschlagen war nämlich zu befürchten, da der Beklagte den Kläger unter seiner spanischen Anschrift verklagt und in seinem Antrag auf öffentliche Zustellung mitgeteilt hatte, der Kläger habe seinen spanischen Wohnsitz bei dem deutschen Melderegister angegeben. Jedenfalls half dieser Umstand nicht über die Unsicherheit hinweg, ob eine Zustellung in Spanien wirklich nicht möglich war. Das LG musste deshalb, wie das Berufungsgericht mit Recht ausgeführt hat, vor Bewilligung der öffentlichen Zustellung die Möglichkeiten einer Zustellung in Spanien weiter aufklären. Es drängte sich geradezu auf, einen erneuten Zustellungsversuch mit der vollständigen Anschrift zu unternehmen. Das wäre mit einer unmittelbaren Zustellung durch die Post nach Art. 14 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1348/2000 (heute gem. § 1068 Abs. 1 ZPO durch Einschreiben mit Rückschein) auch in einem Zeitrahmen möglich gewesen, der dem Beklagten als Gläubiger unter Berücksichtigung des erheblichen Zeitraums zumutbar war, den die erste förmliche Zustellung in Anspruch genommen hatte.
[24] bb) Die Einspruchsfrist ist gewahrt. Der Kläger hat nach seinen Angaben am 21.6.2004 erstmals von der Existenz des Versäumnisurteils am Telefon erfahren und kann danach das Urteil nicht früher als zwei Wochen vor Einreichung seiner Nichtigkeitsklageschrift erhalten haben. Diese Angaben hat der Beklagte zwar mit Nichtwissen bestritten. Das war aber unzureichend. Die öffentliche Zustellung hatte die Einspruchsfrist nicht ausgelöst. Dies konnte erst nach § 189 ZPO durch anderweitigen Zugang geschehen. Ein solcher war mit dem Erlass der Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse, die der Beklagten aufgrund des Versäumnisurteils am 4.6.2004 erwirkt hatte, nicht verbunden, weil das Urteil dazu nach § 750 Abs. 1 ZPO nicht erneut zugestellt werden musste. Wie ein früherer anderweitiger Zugang des Urteils bei dem Kläger sonst bewirkt worden sein soll, hat der Beklagte nicht dargelegt.
[25] 3. Das LG wird daher die Nichtigkeitsklage in der neuen Verhandlung als rechtzeitigen Einspruch gegen das Versäumnisurteil im Ausgangsverfahren zu behandeln und nach §§ 342, 343 ZPO zu verfahren haben.
III.
[26] Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 1624772 |
HFR 2007, 401 |
NJW 2007, 303 |
BGHR 2007, 75 |
FamRZ 2007, 40 |
WM 2007, 276 |
MDR 2007, 419 |