Entscheidungsstichwort (Thema)
Treuhandanstalt. Verkauf von Institutionsvermögen. Ausschluss der Investitutionsverpflichtung zur Errichtung einer Rehabilitationsklinik des Käufers bei Unvorhersehbarkeit nicht verschuldeter typischer Risiken. Nachfragerückgang auf dem Markt stationärer medizinischer Rehabilitationsleistungen. Verwirkung Vertragsstrafe
Leitsatz (amtlich)
Soll bei Veräußerung von Institutionsvermögen durch die Treuhandanstalt/Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben eine von den Käufern übernommene Investitionsverpflichtung zur Errichtung einer Rehabilitationsklinik nebst Arbeitsplatzgarantie nicht bestehen, wenn „die Nichtdurchführung oder wesentliche Änderung des Vorhabens durch Umstände bedingt sind, die von den Käufern nicht verschuldet wurden, deren Eintritt bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt auch nicht vorhersehbar war”, so ist eine vereinbarte Vertragsstrafe auch dann verwirkt, wenn die Klinik wegen eines durch gesetzgeberische Maßnahmen bedingten Rückgangs der Nachfrage nach Rehabilitationsleistungen um 34,4 % nicht vollständig ausgelastet ist.
Normenkette
BGB § 339
Verfahrensgang
OLG Rostock (Urteil vom 08.05.2002) |
LG Stralsund |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Rostock vom 8. Mai 2002 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die – durch die damalige Treuhandanstalt vertretene – Klägerin verkaufte 1993 ein in Z. gelegenes Grundstück an die B. S. – und F. GmbH & Co. KG. Die Käuferin verpflichtete sich hierbei zur Errichtung und dem Betrieb einer Rehabilitationsklinik. Eine ca. 14.000 m² große Teilfläche dieses Grundstücks verkaufte sie mit notariellem Vertrag vom 28. November 1994, zuletzt geändert durch notariell beurkundete Nachtragsvereinbarung vom 17. Mai 1995, an die zu einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts verbundenen Beklagten. Unter § 5 der Urkunde übernahmen die Beklagten gegenüber der Klägerin, für die nun die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben als Bevollmächtigte auftrat, unter Hinweis auf § 328 BGB verschiedene Verpflichtungen. Danach mußten die Beklagten die Rehabilitationsklinik auf dem Kaufobjekt neu errichten und hierfür 22.144.000 DM investieren (5.1 der Urkunde). Unter 5.2 der Urkunde verpflichteten sich die Beklagten ferner, für die Dauer von zwei Jahren nach Betriebsaufnahme 93 Vollzeitarbeitsplätze in der Rehabilitationsklinik zu schaffen oder durch eine Betreibergesellschaft schaffen zu lassen. Nach 5.3 der Urkunde sollten die „in 5.1 und 5.2 genannten Verpflichtungen” der Beklagten nicht bestehen,
„… wenn die Nichtdurchführung oder wesentliche Änderung des Vorhabens durch Umstände bedingt sind, die von den Käufern nicht verschuldet wurden, deren Eintritt bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt auch nicht vorhersehbar war und das Vorhaben nachhaltig begonnen wurde. …”
Für den Fall der nicht rechtzeitigen oder wesentlich abweichenden Durchführung der Investitionsmaßnahmen oder der Nichterfüllung der Arbeitsplatzgarantie verpflichteten sich die Beklagten unter 5.5 der Urkunde zur Rückübertragung des Kaufobjekts auf die Klägerin. Unter 5.6 der Urkunde ist ferner vereinbart, daß die Klägerin „unabhängig von der Geltendmachung des Rückübertragungsanspruchs gemäß 5.5 eine Vertragsstrafe von DM 2.000 pro nicht geschaffenem Arbeitsplatz und Monat verlangen” kann.
Unter dem 29. Juni 1995 stimmte die Klägerin, wie nach ihren Vereinbarungen mit der B. S. – und F. GmbH & Co. KG erforderlich, dem Kaufvertrag mit den Beklagten zu. Diese wurden als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen. Mit Vertrag vom 15. Februar 1996 schied der Beklagte zu 1 aus der Gesellschaft bürgerlichen Rechts aus. Die verbliebenen Gesellschafter veräußerten das Grundstück mit notariellem Vertrag vom 20. Dezember 1996 an die Fachklinik Ostseebad Z. GmbH & Co. Beteiligungs KG.
Im April 1998 nahm die mit einem Aufwand von 40 Millionen DM errichtete Rehabilitationsklinik ihren Betrieb auf. Hierbei wurde jedoch die vereinbarte Zahl von Arbeitsplätzen nicht geschaffen.
Wegen der Nichterfüllung der Arbeitsplatzgarantie errechnete die Klägerin für die Zeit von April bis November 1998 eine Vertragsstrafe in Höhe von 898.000 DM. Hiervon macht sie im vorliegenden Rechtsstreit einen Teilbetrag von 300.000 DM für April 1998 (67 offene Arbeitsplätze), Mai 1998 (56 offene Arbeitsplätze) und Juni 1998 (27 offene Arbeitsplätze) geltend. Die Beklagten halten diese Forderung insbesondere deshalb für unberechtigt, weil infolge von Gesetzesänderungen aus dem Herbst 1996 die Zahl medizinischer Rehabilitationsleistungen 1997 gegenüber dem Vorjahr um 34,4 % zurückgegangen sei. Aus diesem Grund habe die von ihnen errichtete Rehabilitationsklinik von April bis September 1998 nur eine Auslastung von weniger als 10 % gehabt, weshalb es unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten unmöglich gewesen sei, die vereinbarte Zahl von Arbeitsplätzen zu schaffen. Nach Klageabweisung durch das Landgericht hat das Oberlandesgericht der Klage stattgegeben. Mit der – zugelassenen – Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, erstreben die Beklagten die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
I.
Das Berufungsgericht hält die vereinbarte Vertragsstrafe für verwirkt, weil die – trotz der Übertragung des Objekts weiterhin passivlegitimierten – Beklagten ihre Verpflichtung zur Schaffung von 93 Arbeitsplätzen nicht vollständig erfüllt hätten. Aus einer Zusammenschau der Regelungen unter § 5 des Vertrages ergebe sich, daß eine verschuldensunabhängige Vertragsstrafe vereinbart worden sei. Fehlendes Verschulden hätte nach den getroffenen Vereinbarungen nur in den – hier nicht gegebenen – Fällen der Nichtdurchführung oder wesentlichen Änderung des Vorhabens eine Haftung der Beklagten ausgeschlossen. Obwohl danach die Vertragsstrafe ohne Verschulden verwirkt sei, begegne die Klausel auch im Hinblick auf § 9 AGBG keinen Bedenken. Letztlich komme es darauf aber nicht an, weil auch bei einer verschuldensabhängigen Vertragsstrafe die Beklagten mit den typischen Risiken des Investors belastet blieben. Daß der Staat im Bereich des Gesundheitswesens nicht nur Rahmenbedingungen ändern, sondern unmittelbaren Einfluß auf die Nachfrage nach Leistungen der Rehabilitationsmedizin ausüben könne, ändere nichts daran, daß sich Unternehmer den besonderen Bedingungen dieses Markts stellen müßten. Zudem hätten die Beklagten auf den unveränderten Fortbestand des bei Vertragsschluß bestehenden Ausgabevolumens für Rehabilitationsleistungen nicht vertrauen können.
Dies hält einer revisionsrechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.
II.
Die Klägerin kann als begünstigte Dritte (§ 328 Abs. 1 BGB) von den Beklagten die Zahlung einer Vertragsstrafe in der zuerkannten Höhe fordern, ohne daß es einer Entscheidung darüber bedarf, ob das Vertragsstrafeversprechen verschuldensabhängig ausgestaltet ist.
1. Die Beklagten haben sich in den Urkunden vom 28. November 1994 und 17. Mai 1995 wirksam zur Zahlung einer Vertragsstrafe für den Fall der Nichterfüllung der übernommenen Arbeitsplatzgarantie verpflichtet. Das vereinbarte Vertragsstrafeversprechen ist auch dann wirksam, wenn es sich – wovon des Berufungsgericht ohne weiteres ausgeht und was die Revision als ihr günstig hinnimmt – um eine vorformulierte Vertragsbestimmung im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 AGBG (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB) handelt.
a) Wird zugunsten der Beklagten angenommen, daß insbesondere das Tatbestandsmerkmal des „Stellens” der einschlägigen Klauseln durch eine Vertragspartei bejaht werden und damit das AGB-Gesetz Anwendung finden kann, so sind im vorliegenden Fall die Regeln zu beachten, die die Rechtsprechung für formularmäßige Vertragsstrafeversprechen in einem Unternehmenskaufvertrag oder einem ähnlichen Vertrag unter Beteiligung der ehemaligen Treuhandanstalt entwickelt hat. Zwar war die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben weder unmittelbar noch mittelbar als Partei an dem Kaufvertrag beteiligt, sondern handelte nur als Vertreterin der Klägerin. Auch die Klägerin verfolgte jedoch bei Erteilung der Zustimmung zum Weiterverkauf der Teilfläche an die Beklagten die für die Tätigkeit der Treuhandanstalt charakteristischen „weichen Ziele” auf volkswirtschaftlichem sowie sozial- und strukturpolitischem Gebiet, die für die geschilderte Rechtsprechung maßgebend sind (vgl. BGHZ 141, 391, 398; BGH, Urt. v. 29. September 1999, VIII ZR 256/98, VIZ 1999, 746, 747; Urt. v. 9. Februar 2000, VIII ZR 55/99, WM 2000, 922, 925). Dieser Geschäftszweck ergibt sich nicht nur aus der Vereinbarung der Investitions- und Arbeitsplatzpflichten, sondern auch aus dem Umstand, daß es sich ausweislich der Zustimmungserklärung vom 29. Juni 1995 bei dem veräußerten Grundstück um Institutionsvermögen handelte, das nach Anlage II Kapitel II Sachgebiet A Abschnitt II Nr. 1 des Einigungsvertrages gerade für Zwecke der wirtschaftlichen Umstrukturierung in den neuen Bundesländern verwendet werden soll.
b) Namentlich dann, wenn die Verwirkung verschuldensabhängig gestaltet ist, sind formularmäßige Vertragsstrafeversprechen gegenüber der Treuhandanstalt, bei denen die Strafe ihrer Höhe nach in einem angemessenen Verhältnis zum Gewicht des Verstoßes und zu dessen Folgen für den Vertragspartner steht, nicht wegen unangemessener Benachteiligung des Vertragspartners nach § 9 Abs. 1 AGBG unwirksam (Senat, Urt. v. 3. April 1998, V ZR 6/97, NJW 1998, 2600, 2602; BGH, Urt. v. 9. Februar 2000, aaO). Dieses Verhältnis bleibt insbesondere unter Berücksichtigung der verfolgten strukturpolitischen Zwecke gewahrt, wenn die Höhe der Strafe an den Umfang der geschuldeten Leistung, deren Erfüllung sie sichern soll, anknüpft und durch ihn nach oben begrenzt wird (Senat, Urt. v. 3. April 1998, aaO). Hinsichtlich der hier vereinbarten Arbeitsplatzgarantie trifft das zu; denn die Beklagten schulden bei Verwirkung der Vertragsstrafen wirtschaftlich nicht mehr, als sie bei gehöriger Erfüllung der übernommenen Verpflichtungen hätten aufwenden müssen. Mit dem für jeden nicht besetzten Arbeitsplatz vereinbarten Betrag von monatlich 2.000 DM geht die Vertragsstrafe jedenfalls nicht über das bei einer Anstellung geschuldete Arbeitsentgelt hinaus.
c) All dies gilt auch dann, wenn das Vertragsstrafeversprechen für die gegebene Situation verschuldensunabhängig ausgestaltet ist, also mit dem Berufungsgericht davon ausgegangen wird, daß die Modifizierung des allgemeinen Verschuldensmaßstabs (vgl. Senat, Urt. v. 3. April 1998, aaO, 2601) unter 5.3 des Kaufvertrages nur bei wesentlichen Abweichungen von dem unter 5.1 des Kaufvertrages beschriebenen Investitionsvorhaben gelten soll. Trotz des dann vorliegenden Abweichens vom Leitbild des § 339 BGB hielte die Klausel einer Inhaltskontrolle nach § 9 AGBG stand. Die Vertragsstrafe dient zur Sicherung der bereits geschilderten volkswirtschaftlichen, sozial- und strukturpolitischen Zielsetzungen, die von der Klägerin mit der Grundstücksveräußerung und damit auch bei Erteilung ihrer Zustimmung zum Weiterverkauf an die Beklagten im Allgemeininteresse verfolgt wurden. Wegen der öffentlichen und gesamtwirtschaftlichen Bedeutung der Umstrukturierung der Wirtschaft in den neuen Bundesländern, der notwendigen Abschreckungswirkung von Vertragsstrafen sowie der typischen Schwierigkeiten einer Klärung der Verschuldensfrage liegen gewichtige Gründe vor, die das Abweichen vom gesetzlichen Leitbild rechtfertigen und die Unwirksamkeitsvermutung des § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG ausräumen (BGHZ 141, 391, 397 f; BGH, Urt. v. 29. September 1999, aaO).
d) Der Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall steht nicht etwa – wie die Revision meint – entgegen, daß die Beklagten für ihr Projekt keine Fördermittel der öffentlichen Hand in Anspruch nehmen konnten. Hierbei wird außer acht gelassen, daß Beschäftigungs- und Investitionszusagen in der hier vereinbarten Art regelmäßig Hauptleistungspflichten der Käuferseite begründen, die neben die Zahlungspflicht treten und bei der Bemessung des Kaufpreises berücksichtigt wurden, mithin im weiteren Sinne kaufpreisersetzende Funktion haben (vgl. BGHZ 141, 391, 398). Den Beklagten konnten auf diesem Weg die Vorteile zufließen, die die Klägerin zur Verwirklichung ihrer Zielsetzungen zu leisten bereit war. Damit unterscheidet sich bei wirtschaftlicher Betrachtung des Gesamtvorgangs die Situation der Beklagten nicht von der einer Erwerberin, die unmittelbar mit der Klägerin oder der Treuhandanstalt einen vergleichbaren Kaufvertrag geschlossen hatte.
Ebensowenig ist es von Bedeutung, daß sich die Beklagten nicht zur Erhaltung bereits vorhandener, sondern zur Schaffung neuer Arbeitsplätze verpflichteten. Die Zielsetzung der Klägerin insbesondere auf sozialpolitischem Gebiet und die Methode zur ihrer Verwirklichung unterscheiden sich in beiden Fällen nicht. Zwar mögen sich aus Sicht der Investoren bei der Besetzung neuer Arbeitsplätze Schwierigkeiten wegen der Suche nach qualifiziertem Personal ergeben können. Das rechtfertigt jedoch keine unterschiedliche Behandlung, weil diese Besonderheit bereits bei Vereinbarung der Arbeitsplatzgarantie bekannt war.
e) Eine unangemessene Benachteiligung der Beklagten ergibt sich auch nicht aus dem zugunsten der Klägerin vereinbarten Recht, die Rückübertragung des Kaufgegenstandes für den Fall der Nichterfüllung der Arbeitsplatzgarantie zusätzlich zur Vertragsstrafe verlangen zu können. Diese Koppelung war im Hinblick auf das verfolgte Ziel zweckdienlich und sachgerecht. Bei Vereinbarung nur des Rückforderungsrechts wäre das wirtschaftliche Unternehmerrisiko von den Beklagten auf die Klägerin verlagert worden; denn der Klägerin bliebe bei einem Scheitern des Vorhabens lediglich die Möglichkeit, das Grundstück zurückzunehmen (Senat, Urt. v. 3. April 1998, aaO). Entgegen der Auffassung der Revision stellt sich diese Regelung zudem nicht deshalb als unangemessen dar, weil die Klägerin auch für die Zeit nach Rückgabe des Grundstücks weiterhin die Zahlung der Vertragsstrafe fordern könnte. Wie die Verweisung unter 5.9 der Vertragsurkunde zeigt, sollen für die Rückabwicklung des Kaufvertrages die Vorschriften des Rücktrittsrechts gelten. Nach diesen ist aber für die Zeit nach wirksamer Ausübung des Rücktrittsrechts ein Strafverfall ausgeschlossen (vgl. Staudinger/Rieble, BGB [2001], § 340 Rdn. 58).
2. Die Voraussetzungen für die Verwirkung der Vertragsstrafe sind erfüllt; denn die Zahl der Beschäftigen erreichte unstreitig nicht den vereinbarten Umfang. Ebenfalls außer Streit ist die Zahl der insgesamt 150 Arbeitsplätze, die während des für die vorliegende Teilklage maßgeblichen Zeitraums – jeweils berechnet auf einen Monat – nicht besetzt waren. An der Verwirkung einer Vertragsstrafe in der zuerkannten Höhe ändert sich selbst dann nichts, wenn diese verschuldensabhängig vereinbart worden war.
a) Der Senat hat bereits für eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Treuhandanstalt, nach der eine Vertragsstrafe bei „dringenden betrieblichen Erfordernissen” nicht verwirkt war, entschieden, daß der Verpflichtete hierdurch nicht von den typischen Risiken eines Investors befreit werde (Senat, Urt. v. 3. April 1998, aaO, 2602; vgl. auch BGH, Urt. v. 9. Februar 2000, aaO, 924; OLG Stuttgart, VIZ 1999, 751, 753; Ebbing, Die Verkaufspraxis der Treuhandanstalt, 1995, S. 278; ders., NZG 1998, 893, 896). Zu demselben Ergebnis führt auch die hier unter 5.3 der Vertragsurkunde gewählte Formulierung, nach der die Vertragsstrafe verwirkt bleibt, wenn vorhersehbare Umstände zur Nichterfüllung der Arbeitsplatzzusage führten. Auch wenn sich im voraus ihr Eintritt und ihre Auswirkungen nicht im einzeln einschätzen lassen, zählen die üblichen unternehmerischen Risiken doch zu dem, was ein verständiger Investor bei seiner Entscheidung über ein Projekt in Rechnung stellt und mit den Chancen für einen erfolgreichen Verlauf abwägt. Für die typischen Risiken eines Vorhabens kann demnach deren Vorhersehbarkeit nicht in Frage stehen. Ebensowenig entfällt die Vorhersehbarkeit wegen des Umfangs, um den die Nachfrage nach Rehabilitationsleistungen zurückgegangen sein soll. Hierbei kommt es – wegen der Abhängigkeit vom individuellen unternehmerischen Geschick – nicht etwa auf den Grad der Auslastung an, der für das konkrete Objekt mit angeblich nur etwa 10 % zu erreichen war. Entscheidend kann vielmehr nur der gesamte Nachfragerückgang auf dem Markt stationärer medizinischer Rehabilitationsleistungen sein, den die Kläger selbst mit 34,4 % angegeben haben. Dieser Rückgang ist zwar erheblich, erreicht aber keinen derart außergewöhnlichen Umfang, daß eine Vorhersehbarkeit dieser Entwicklung ausgeschlossen wäre.
b) Die Beklagten haben sich entschieden, zum Angebot medizinischer Rehabilitationsleistungen auf einem Markt zu investieren, bei dem sie – nach ihrem eigenen Vortrag – im wesentlichen nur Sozialversicherungsträgern als Nachfragern gegenüberstehen. Da es sich bei der Sozialversicherung um eine staatlich organisierte, öffentlich-rechtliche Versicherung handelt (vgl. Gitter/Schmitt, Sozialrecht, 5. Aufl., § 4 Rdn. 6), unterscheidet sich dieser Bereich des Wirtschaftslebens von anderen Märkten. Hieraus ergeben sich für die Beklagten als Investoren Vorteile, insbesondere in Gestalt eines Nachfrageverhaltens, das wegen des weitreichenden Versicherungszwangs und staatlicher Zuschüsse an die Sozialversicherungsträger weniger vom Verlauf der allgemeinen Wirtschaftsentwicklung abhängig ist, mithin eine sicherere Amortisation der gemachten Aufwendungen verspricht. Um solcher Vorzüge willen, müssen Investoren aber auch die Nachteile einer staatlich organisierten Versicherung hinnehmen. Solche ergeben sich aus Sicht der Beklagten daraus, daß auf dem Weg einer detaillierten Sozialgesetzgebung die Nachfrage von Sozialversicherungsträgern nach Leistungen an ihre Versicherten sowohl mittelbar durch Beeinflussung des Antragsverhaltens der Versicherten – wie hier durch die Anrechnung von Rehabilitationszeiten auf den Erholungsurlaub (§ 10 BUrlG in der zwischen dem 1. Oktober 1996 und dem 31. Dezember 1998 geltenden Fassung) oder die Erhöhung der Zuzahlungen der Versicherten auf 25 DM für jeden Kalendertag (§ 40 Abs. 5 SGB V in der zwischen dem 1. Januar 1997 und dem 31. Dezember 1998 geltenden Fassung) – als auch unmittelbar durch Begrenzung der Versicherungsleistung – wie hier durch die Beschränkung der stationären Behandlung in einer Rehabilitationseinrichtung auf regelmäßig drei Wochen ab dem 1. Januar 1997 (§ 40 SGB V, § 15 SGB VI) – gesteuert werden kann. Ursache für den Rückgang der Nachfrage von Sozialversicherungsträgern nach Leistungen medizinischer Rehabilitationsrichtungen, auf den sich die Beklagten für die Nichterfüllung der von ihnen übernommenen Arbeitsplatzverpflichtung berufen, ist nach alledem nichts anderes als die Verwirklichung eines der typischen Risiken eines Investors auf diesem von sozial- und finanzpolitischen Entscheidungen des Gesetzgebers besonders abhängigen Markt.
3. Auch mit dem Einwand, die Klägerin handele bei ihrem Verlangen nach Zahlung der Vertragsstrafe treuwidrig (§ 242 BGB), kann die Revision nicht durchdringen.
a) Den in § 162 BGB enthaltenen allgemeinen Rechtsgedanken, daß niemand aus einer von ihm treuwidrig herbeigeführten Lage Vorteile ziehen soll (BGHZ 88, 240, 248), können die Beklagten der Klägerin nicht entgegenhalten. Da der Vorteil der Klägerin in der verwirkten Vertragsstrafe gesehen werden soll, müßte dem – an die Grundsätze des Vertrauensschutzes gebundenen (vgl. MünchKomm-BGB/Roth, 4. Aufl., § 242 Rdn. 95) – Gesetzgeber wegen der erwähnten Gesetzesänderungen und des durch sie bedingten Rückgangs der Nachfrage nach Rehabilitationsleistungen ein zu beanstandendes Verhalten zur Last fallen. Umstände, die einen Verstoß des Gesetzgebers gegen Grundsätze des Vertrauensschutzes begründen könnten, haben die Beklagten indessen nicht vorgetragen.
b) Die Klägerin handelt auch nicht wegen widersprüchlichen Verhaltens treuwidrig. Ein widersprüchliches Verhalten stellt sich erst dann als rechtsmißbräuchlich dar, wenn für den anderen Teil ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden ist (BGHZ 32, 273, 279; 94, 344, 354) oder wenn andere besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen (vgl. BGH, Urt. v. 5. Dezember 1991, IX ZR 271/90, NJW 1992, 834). An diesen Voraussetzungen fehlt es selbst dann, wenn der Klägerin bei der Teilnahme am Privatrechtsverkehr die Entscheidungen des (Bundes-)Gesetzgebers zugerechnet werden könnten. Insbesondere durften die Beklagten auf Grund der Forderung der Klägerin nach Übernahme strafbewehrter Investitions- und Arbeitsplatzgarantien nicht darauf vertrauen, die Nachfragesituation hinsichtlich medizinischer Rehabilitationsleistungen werde künftig nicht durch gesetzgeberische Maßnahmen beeinflußt werden. Auch besondere Umstände, aus denen im Einzelfall eine Treuwidrigkeit des Verhaltens der Klägerin folgen könnte, haben die Beklagten nicht vorgetragen. Die Klägerin hat nicht etwa, wie die Revision ausführt, durch gesetzgeberische Maßnahmen ihre Strafgeldzuflüsse selbst geregelt. Vielmehr entschied sich der Gesetzgeber auf der Grundlage wirtschafts- und finanzpolitischer Überlegungen für eine Reduzierung der Kostenbelastung des Sozialversicherungssystems, was nicht zielgerichtet, sondern nur mittelbar Auswirkungen auf die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung einer Vertragsstrafe hatte. Gegen die Treuwidrigkeit des Verhaltens der Klägerin spricht im Gegenteil, daß durch die Vertragsstrafe eine Parität der beiderseitigen Leistungspflichten wiederhergestellt wird, die durch die – in den Risikobereich der Beklagten fallende – Nichterfüllung der Investitions- und Beschäftigungszusagen als eines Teils der Hauptleistungspflichten gestört worden war.
4. Die Beklagten, auch der aus der Gesellschaft ausgeschiedene Beklagte zu 1 (vgl. § 736 Abs. 2 BGB i.V.m. § 160 Abs. 1 HGB in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung), sind trotz der Weiterveräußerung des Anwesens an die Fachklinik Ostseebad Z. GmbH & Co. Beteiligungs KG weiterhin zur Zahlung der Vertragsstrafe verpflichtet. Selbst wenn der notarielle Kaufvertrag vom 20. Dezember 1996 auch hinsichtlich der Vertragsstrafe eine befreiende Schuldübernahme durch die Erwerberin zugunsten der Beklagten enthalten sollte, scheitert deren Wirksamkeit doch an der fehlenden Genehmigung der Klägerin (§ 415 Abs. 1 BGB). Zwar kann die erforderliche „Genehmigung” auch in Form einer vorherigen Zustimmung erfolgen (BGH, Urt. v. 25. Oktober 1995, IV ZR 22/95, NJW-RR 1996, 193, 194), die Erklärung der Klägerin vom 29. Mai 1995 reicht hierfür aber nicht aus. Die Klägerin machte nämlich ihre Zustimmung davon abhängig, daß deren Erteilung ein „wichtiger Grund nicht entgegensteht.” Angesichts der strengen Anforderungen, die für die Annahme einer Einverständniserklärung zu stellen sind (vgl. BGH, Urt. v. 21. März 1996, IX ZR 195/95, WM 1996, 834, 835), kann dies noch nicht als Erklärung der Zustimmung, sondern allenfalls als Übernahme einer entsprechenden Verpflichtung für den Fall des Fehlens eines „wichtigen Grundes” verstanden werden.
5. Die geforderten Verzugszinsen stehen der Klägerin nach §§ 284 Abs. 1 Satz 1, 288 Abs. 1 Satz 1 BGB (in der bis zum 30. April 2000 geltenden Fassung) zu.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Wenzel, Tropf, Lemke, Gaier, Schmidt-Räntsch
Fundstellen
Haufe-Index 891991 |
DB 2003, 499 |
BuW 2003, 166 |
BGHR 2003, 315 |
BGHR |
VIZ 2003, 307 |
WM 2003, 839 |
ZfIR 2003, 306 |
MDR 2003, 320 |
NJ 2003, 311 |