Entscheidungsstichwort (Thema)
Fehlender Tatbestand in Berufungsurteil
Leitsatz (redaktionell)
Das Fehlen des Tatbestands in einem Berufungsurteil stellt einen zur Aufhebung des Urteils führenden, von Amts wegen zu berücksichtigenden Mangel dar.
Normenkette
ZPO a.F. § 543 Abs. 2; ZPO § 540
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 20. Februar 2002 aufgehoben.
Die Gerichtskosten des Revisionsverfahrens werden gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 GKG nicht erhoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die übrigen Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Dem Streit der Parteien liegt der Kauf eines Bauunternehmens zugrunde, mit dem auch zwei Bauverträge mit einem Volumen von je 250.000 DM mitübertragen wurden. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. In dem Berufungsurteil ist ausgeführt, auf das angefochtene Urteil werde Bezug genommen. Der Beklagte habe in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ergänzend erklärt, daß er den Zahlungsanspruch in Höhe von 5.000 DM in erster Linie darauf stütze, daß er von dem Bauherrn F. den zweiten Auftrag nicht erhalten habe, und hilfsweise darauf, daß der Vertrag mit dem Bauherrn M. nicht zustande gekommen sei.
Einen eigenen Tatbestand enthält das Berufungsurteil nicht. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten hat der Senat die Revision zugelassen.
Entscheidungsgründe
I.
Das Rechtsmittel des Beklagten führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
Gemäß § 26 Nr. 5 EGZPO sind für das Berufungsverfahren im vorliegenden Fall die am 31. Dezember 2001 geltenden Vorschriften der ZPO anwendbar, weil die mündliche Verhandlung, auf die das angefochtene Urteil des Landgerichts ergangen ist, am 5. April 2001 geschlossen worden ist. Für die Abfassung des Berufungsurteils gilt folglich § 543 ZPO a.F.
Die Rüge des Beklagten, das gänzliche Fehlen eines Tatbestandes verletze § 543 Abs. 2 ZPO a.F., greift durch. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist ein Berufungsurteil, gegen das nach bisherigem Recht die Revision stattfindet, grundsätzlich aufzuheben, wenn es keinen Tatbestand enthält; denn einem solchen Urteil kann in der Regel nicht entnommen werden, welchen Streitstoff das Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, so daß diese einer abschließenden Überprüfung in der Revisionsinstanz nicht zugänglich ist. Von einer Aufhebung kann zwar ausnahmsweise abgesehen werden, wenn das Ziel, die Anwendung des Rechts auf den festgestellten Sachverhalt nachzuprüfen, im Einzelfall erreicht werden kann, weil sich der Sach- und Streitstand aus den Entscheidungsgründen in einem für die Beurteilung der aufgeworfenen Rechtsfrage ausreichenden Umfang ergibt (BGHZ 73, 248, 250 f.; BGH, Urteil vom 6. Juli 1995 – I ZR 20/93, BGHR ZPO § 543 Abs. 2 – Tatbestand, fehlender 12; BGH, Urteil vom 1. Februar 1999 – II ZR 176/97, NJW 1999, 1720 unter I 1). Ein solcher Ausnahmefall scheidet hier aber aus. Aus den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils läßt sich kein ausreichendes Bild von dem Sach- und Streitstand gewinnen. Da das Berufungsurteil keinen Tatbestand enthält und nicht einmal die Anträge der Parteien bezüglich Klage und Widerklage und die Berufungsanträge, auch nicht sinngemäß, wiedergegeben werden, wird das angefochtene Urteil den Anforderungen des § 543 Abs. 2 ZPO a.F. nicht gerecht.
Der Anwendung der genannten Grundsätze steht nicht entgegen, daß das Berufungsurteil, da die Revision nicht zugelassen wurde, nach neuem Revisionsrecht zunächst nur mit der Nichtzulassungsbeschwerde angegriffen werden kann (§ 544 ZPO, § 26 Nr. 7 EGZPO). Ein Verstoß gegen die Vorschriften über die in einem Berufungsurteil erforderlichen tatsächlichen Angaben (vgl. jetzt § 540 ZPO) stellt weiterhin einen zur Aufhebung des Urteils führenden, von Amts wegen zu berücksichtigenden Mangel dar, auch soweit das Urteil der Revision aufgrund einer statthaften Nichtzulassungsbeschwerde unterliegen kann.
II.
Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben, und die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, daß gegen die Rechtsausführungen des Berufungsgerichts Bedenken bestehen. Bei § 252 Satz 2 BGB handelt es sich um eine im Rahmen des § 287 ZPO liegende Beweiserleichterung. Ist ersichtlich, daß der Gewinn nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte, wird vermutet, daß er gemacht worden wäre; dem Ersatzpflichtigen obliegt dann der Beweis, daß der Gewinn nach dem späteren Verlauf oder aus irgendwelchen anderen Gründen dennoch nicht gemacht worden wäre (BGH, Urteil vom 16. März 1959 – III ZR 20/58, NJW 1959, 1079 unter I 3). Dieser Beweis ist aber nicht schon dann geführt, wenn lediglich die ernsthafte Möglichkeit besteht, daß der Gewinn nicht erzielt worden wäre.
Unterschriften
Dr. Deppert, Dr. Hübsch, Dr. Beyer, Dr. Leimert, Dr. Frellesen
Fundstellen
Haufe-Index 1115565 |
BGHR 2003, 896 |