Leitsatz (amtlich)
Widerruft der Darlehensnehmer wirksam seine auf Abschluss des Verbraucherdarlehensvertrags gerichtete Willenserklärung und stammt das gewährte Darlehen aus Fördermitteln der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), schuldet der Darlehensgeber, der nicht sämtliche vom Darlehensnehmer erlangten Leistungen ungekürzt an die KfW weitergeleitet hat, als Rückgewährschuldner die Herausgabe von Nutzungen, die er aus dem bei ihm verbliebenen Teil der Leistungen gezogen hat.
Normenkette
BGB § 357 Abs. 1 S. 1 (Fassung bis 12.6.2014), § 346 Abs. 1 Hs. 2
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 26. Zivilsenats des KG in Berlin vom 8.11.2017 im Kostenpunkt und im Ausspruch über die Feststellungsklage aufgehoben.
Auf die Anschlussrevision der Kläger wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen und unter Zurückweisung der weitergehenden Hilfsanschlussberufung der Beklagten der Ausspruch zur Hilfswiderklage dahin gefasst, dass die Kläger als Gesamtschuldner verurteilt werden, an die Beklagte 167.047,46 EUR nebst Zinsen aus 111.254,04 EUR zwischen dem 1.10.2017 und dem 31.8.2022i.H.v. 4,99 % p.a. und ab dem 1.9.2022i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz, höchstens jedoch Zinsen i.H.v. 4,99 % p.a., und Zinsen aus 55.793,42 EUR ab dem 1.10.2017i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz, höchstens jedoch Zinsen i.H.v. 4,30 % p.a., zu zahlen, und die Hilfswiderklage im Übrigen abgewiesen ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit des Widerrufs der auf den Abschluss zweier Verbraucherdarlehensverträge gerichteten Willenserklärungen der Kläger.
Rz. 2
Die Parteien schlossen im September 2007 einen Darlehensvertrag über 187.500 EUR mit einem bis zum 31.8.2022 festen Nominalzinssatz von 4,99 % p.a. (effektiv 5,11 %) und im Dezember 2007 einen weiteren Darlehensvertrag über 75.000 EUR aus Mitteln der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) mit einem bis zum 30.9.2017 festen Nominalzinssatz von 4,30 % p.a. (effektiv 5,05 %). Zur Sicherung der Ansprüche der Beklagten diente ein Grundpfandrecht über insgesamt 262.500 EUR. Bei Abschluss der Darlehensverträge belehrte die Beklagte die Kläger fehlerhaft über ihr Widerrufsrecht. Die Kläger erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen. Unter dem 26.11.2014 widerriefen sie ihre auf den Abschluss der Darlehensverträge gerichteten Willenserklärungen.
Rz. 3
Ihre Klage festzustellen, dass die Darlehensverträge aufgrund des Widerrufs "beendet" seien und die Beklagte von den Klägern aus beiden Darlehensverträgen lediglich noch insgesamt 135.646,55 EUR verlangen könne, hat das LG abgewiesen. Über eine Hilfswiderklage der Beklagten, mit der sie "für den Fall, dass das Gericht den Widerruf für wirksam" erachte, beantragt hat, die Kläger zu verurteilen, an die Beklagte insgesamt 200.598,11 EUR nebst Zinsen zu zahlen, hat das LG nicht erkannt. Auf die Berufung der Kläger und die Hilfsanschlussberufung der Beklagten hat das Berufungsgericht festgestellt, dass die Darlehensverträge "in Rückgewährschuldverhältnisse umgewandelt" worden seien, und die Kläger nach übereinstimmender teilweiser Erledigungserklärung betreffend die Hilfswiderklage als Gesamtschuldner verurteilt, an die Beklagte 167.047,46 EUR nebst Zinsen i.H.v. 4,99 % p.a. aus 111.254,04 EUR und 4,30 % p.a. aus 55.793,42 EUR ab dem 1.10.2017 zu zahlen. Im Übrigen hat es die Hilfsanschlussberufung zurück- und die Hilfswiderklage abgewiesen. Über den einen geringeren Rückabwicklungssaldo betreffenden negativen Feststellungsantrag der Kläger, den die Parteien hilfsweise für den Fall, dass das Berufungsgericht über die Hilfswiderklage in der Sache entscheiden sollte, übereinstimmend für erledigt erklärt haben, hat es nicht erkannt. Die Revision hat es zu der Frage zugelassen, ob der Antrag auf Feststellung der Umwandlung der Darlehensverhältnisse in Rückgewährschuldverhältnisse zulässig sei. Im Umfang dieser Zulassungsentscheidung erstrebt die Beklagte eine Zurückweisung der Berufung der Kläger mit der Maßgabe, dass dieser Feststellungsantrag als unzulässig abgewiesen werde. Mit der Anschlussrevision wenden sich die Kläger gegen ihre Verurteilung i.H.v. mehr als 117.604,39 EUR.
Entscheidungsgründe
A. Revision der Beklagten
Rz. 4
Die wirksam auf die Zulässigkeit der Feststellungsklage beschränkte (BGH, Urt. v. 12.4.2011 - XI ZR 341/08 WM 2011, 1437 Rz. 10), im Umfang dieser Zulassungsbeschränkung statthafte und auch im Übrigen zulässige Revision der Beklagten hat Erfolg.
I.
Rz. 5
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung (KG, Urt. v. 8.11.2017 - 26 U 109/16, juris) - soweit für die Revision der Beklagten von Bedeutung - im Wesentlichen ausgeführt:
Rz. 6
Es komme nicht darauf an, ob der Feststellungsantrag nach § 256 Abs. 1 ZPO zulässig sei. Jedenfalls sei er als Zwischenfeststellungsklage i.S.d. § 256 Abs. 2 ZPO zulässig. Die Entscheidung darüber, ob sich die Darlehensverträge in Rückgewährschuldverhältnisse umgewandelt hätten, sei sowohl für den weiteren, hilfsweise übereinstimmend für erledigt erklärten Feststellungsantrag der Kläger als auch für die Hilfswiderklage vorgreiflich.
II.
Rz. 7
Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
Rz. 8
Die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, die die Umwandlung der Darlehensverträge in Rückgewährschuldverhältnisse betreffende Feststellungsklage sei zulässig, steht in Widerspruch zur Rechtsprechung des Senats. Für den Antrag festzustellen, der Darlehensvertrag habe sich aufgrund des Widerrufs in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt, fehlt, wie der Senat wiederholt näher ausgeführt hat (vgl. zuletzt nur Senat, Urt. v. 27.11.2018 - XI ZR 174/17, BKR 2019, 243 Rz. 11; v. 26.3.2019 - XI ZR 321/17, juris Rz. 14), das Feststellungsinteresse. Die Feststellungsklage ist auch nicht nach den Maßgaben des Senatsurteils vom 24.1.2017 ( WM 2017, 766 Rz. 16) ausnahmsweise zulässig. Im konkreten Fall steht im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats über die Feststellungsklage nicht fest, dass der Rechtsstreit die Meinungsverschiedenheiten der Parteien endgültig bereinigen wird (vgl. BGH, Urt. v. 10.10.2017 - XI ZR 456/16, WM 2017, 2254 Rz. 13 und - XI ZR 457/16 WM 2017, 2256 Rz. 21 sowie v. 15.5.2018 - XI ZR 199/16, juris Rz. 12). Im Gegenteil streiten die Parteien noch in dritter Instanz über die aus dem Rückgewährschuldverhältnis resultierenden Rechtsfolgen.
Rz. 9
Darauf, ob die Kläger mit der Folge, dass ihnen eigene Ansprüche aus einem Rückgewährschuldverhältnis nicht mehr zustehen, wirksam aufgerechnet haben, was die Beklagte in erster Instanz unter Verweis auf §§ 396 Abs. 2, 367 Abs. 2 BGB bestritten hat, kommt es nicht an. Die positive Feststellungsklage wäre im Lichte dieser Behauptung nicht nur unzulässig, sondern auch unschlüssig (Senat, Urt. v. 27.11.2018 - XI ZR 174/17, BKR 2019, 243 Rz. 11; v. 26.3.2019 - XI ZR 321/17, juris Rz. 14 sowie - XI ZR 341/17, juris Rz. 14; Senat, Beschl. v. 10.7.2018 - XI ZR 674/16, juris Rz. 2). Die mangels Feststellungsinteresses unzulässige Feststellungsklage gem. § 256 Abs. 1 ZPO kann unabhängig von den prozessualen Besonderheiten des hier zur Entscheidung gestellten Falls auch nicht, wie der Senat nach Erlass des Berufungsurteils näher ausgeführt hat (BGH, Urt. v. 17.4.2018 - XI ZR 446/16 WM 2018, 1358 Rz. 15 ff.; v. 19.2.2019 - XI ZR 225/17, juris Rz. 11), in eine zulässige Zwischenfeststellungsklage gem. § 256 Abs. 2 ZPO umgedeutet werden.
III.
Rz. 10
Das Berufungsurteil unterliegt mithin, soweit das Berufungsgericht auf die Berufung der Kläger eine entsprechende Feststellung getroffen hat, der Aufhebung (§ 562 ZPO), weil es sich nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 561 ZPO). Der Senat kann die Berufung nicht mit der Maßgabe zurückweisen, dass der Feststellungsantrag der Kläger als unzulässig abgewiesen wird, weil den Klägern vorab Gelegenheit gegeben werden muss, einen zulässigen Antrag zu stellen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
B. Anschlussrevision der Kläger
Rz. 11
Die Anschlussrevision der Kläger hat dagegen nur zu einem geringen Teil Erfolg.
I.
Rz. 12
Über die Anschlussrevision der Kläger ist zu entscheiden, obwohl sie allein die Hilfswiderklage der Beklagten betrifft, die unter einer innerprozessualen Bedingung steht, deren Eintritt noch ungewiss ist.
Rz. 13
Die Beklagte hat die Verurteilung der Kläger hilfsweise "für den Fall" beantragt, "dass das Gericht den Widerruf für wirksam" halten sollte. Diese Bedingung, die der Senat als Prozesserklärung selbst auslegen kann und die so zu verstehen ist, sie sei für den Fall einer dem Feststellungsantrag stattgebenden Entscheidung gestellt, ist noch nicht endgültig ausgefallen, weil über den Feststellungsantrag aus den oben genannten Gründen nicht abschließend entschieden werden kann. Weil noch die Möglichkeit besteht, dass die Kläger mit der Folge der Zulässigkeit ihres Feststellungsbegehrens in einer wiedereröffneten Berufungsverhandlung die Abrechnung der Beklagten unstreitig stellen, kann die Bedingung noch eintreten. Sollte dies geschehen und das Berufungsgericht dem Feststellungsantrag stattgeben, würde der Ausspruch des Berufungsgerichts zum Hilfsantrag der Beklagten wirksam. Entsprechendes gölte, wenn die Kläger nach § 264 Nr. 2 ZPO zur Leistungsklage übergingen. Die Bedingung, unter die die Hilfswiderklage gestellt ist, erfasst auch die Stattgabe einer solchen Leistungsklage. Der Ausspruch zur Hilfswiderklage unterliegt daher der revisionsrechtlichen Nachprüfung (vgl. BGH, Urt. v. 14.12.1988 - IVa ZR 209/87, BGHZ 106, 219, 220 f.; v. 26.1.2016 - NJW 2016, 2504 Rz. 38).
II.
Rz. 14
Die Anschlussrevision ist nur zu einem geringen Teil begründet.
Rz. 15
1. Das Berufungsgericht hat - soweit für die Anschlussrevision der Kläger von Bedeutung - ausgeführt:
Rz. 16
Die Hilfswiderklage sei i.H.v. 167.047,46 EUR begründet. Aus dem Rückgewährschuldverhältnis resultiere ein Anspruch des Darlehensgebers auf Rückgewähr der Darlehensvaluta und auf Wertersatz für Gebrauchsvorteile. Dieser Wertersatz richte sich nach dem vertraglichen Nominalzinssatz, sofern der Darlehensnehmer nicht einen geringeren Gebrauchsvorteil nachweise. Dazu sei der Verweis auf die MFI-Zinsstatistik ungeeignet, soweit der Vertragszins nicht um mehr als einen Prozentpunkt von dem dort angegebenen Wert abweiche. Für die Berechnung maßgeblich sei ohne Rücksicht auf die Vereinbarung einer anderslautenden Zinsberechnungsmethode im Darlehensvertrag die actual/365-Methode. Geschuldet seien Gebrauchsvorteile nur für den tatsächlich noch überlassenen Teil der Darlehensvaluta. Der Darlehensnehmer könne Rückgewähr der von ihm erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen verlangen. Außerdem habe er Anspruch auf Nutzungsersatz, bei Immobiliardarlehensverträgen wiederum nach Maßgabe der actual/365-Methode, wobei nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung davon auszugehen sei, dass die Darlehensgeberin, soweit sie lediglich erlangte Zahlungen an die KfW weiterreiche, keine eigenen Nutzungen gezogen habe. Ein Abzug wegen des Anfalls von Kapitalertragsteuer nebst Solidaritätszuschlag und ggf. Kirchensteuer sei nicht zu machen. Aufgrund einer Berechnung nach diesen Grundsätzen ergäben sich zum 1.10.2017 zugunsten der Beklagten Ansprüche in Höhe der (Rest-)Darlehensvaluten von 111.254,04 EUR und 55.793,42 EUR. Auf diese Beträge schuldeten die Kläger ab dem 1.10.2017 Zinsen.
Rz. 17
2. Diese Ausführungen, die auf der zutreffenden Annahme beruhen, die bedingte Anschließung der Beklagten im Berufungsverfahren sei zulässig (vgl. BGH, Urt. v. 21.3.1997 - V ZR 355/95 WM 1997, 1155, 1157), halten einer revisionsrechtlichen Prüfung überwiegend stand.
Rz. 18
a) Zutreffend hat das Berufungsgericht der Beklagten dem Grunde nach Wertersatz für Gebrauchsvorteile nach den Vorschriften des Rücktrittsrechts für die Zeit nach dem Wirksamwerden des Widerrufs bis zum Ende der vereinbarten Zinsbindungsfrist zugesprochen. Entgegen den Einwänden der Anschlussrevision hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei gesehen, dass sich die Ansprüche der Beklagten auf Herausgabe der von den Klägern erlangten Gebrauchsvorteile für die vor dem Wirksamwerden des Widerrufs überlassene Darlehensvaluta auch für die Zeit danach nach § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB in der bis zum 12.6.2014 geltenden Fassung (künftig: a.F.) i.V.m. § 346 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 BGB (nicht nach § 818 BGB) und nach dem Vertragszins richten (BGH, Urt. v. 12.3.2019 - XI ZR 9/17 WM 2019, 917 Rz. 18; BGH, Beschl. v. 19.2.2019 - XI ZR 362/17 WM 2019, 538 Rz. 6). Insoweit gilt im Ergebnis nichts anderes, als § 357a Abs. 3 BGB im Falle des Widerrufs von Verbraucherdarlehensverträgen für das geltende Recht bestimmt. Eine "Zurückweisung" des Widerrufs durch den Darlehensgeber ist darauf entgegen der Rechtsmeinung der Anschlussrevision ohne Einfluss.
Rz. 19
Zwar konnte das Berufungsgericht entgegen seiner Annahme bei der Ermittlung der Gebrauchsvorteile nur dann die actual/365-Methode zugrunde legen, sofern die Parteien in den Darlehensverträgen diese Zinsberechnungsmethode vereinbart hatten (BGH, Urt. v. 4.7.2017 - XI ZR 741/16 WM 2017, 1602 Rz. 23). Für die Ermittlung des Wertersatzes nach § 346 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 BGB ist nicht nur der vertragliche Nominalzins, sondern auch die vertraglich vereinbarte Zinsberechnungsmethode maßgeblich. Da die Anschlussrevision allerdings eine abweichende vertragliche Vereinbarung nicht geltend macht, beruht das Berufungsurteil nicht auf einer rechtsfehlerhaften Auslegung des § 346 Abs. 2 Satz 2 BGB.
Rz. 20
b) Das Berufungsgericht ist wiederum richtig davon ausgegangen, ein Anspruch der Beklagten auf Wertersatz für Gebrauchsvorteile bestehe auch, soweit sie das Darlehen aus Fördermitteln zur Verfügung gestellt habe. Insoweit können die Kläger sich nicht mit Erfolg darauf berufen, soweit die Beklagte für an die KfW "durchgereichte" Leistungen die Herausgabe von Nutzungen nicht schulde, gelte dies spiegelbildlich auch für ihre Wertersatzansprüche gegen die Kläger. Die Herausgabe von Nutzungen nach § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. i.V.m. § 346 Abs. 1 Halbs. 2 BGB schuldet der Darlehensgeber in Fällen, in denen er erwirtschaftete Zins- und Tilgungsleistungen an die KfW weitergibt, nicht, weil er selbst als Rückgewährschuldner keine Nutzungen zieht (BGH, Urt. v. 25.4.2017 - XI ZR 573/15 WM 2017, 1004 Rz. 24). Durch die weitere Überlassung der Darlehensvaluta sind die Darlehensnehmer dagegen ohne Rücksicht auf die Herkunft der Darlehensmittel imstande, Gebrauchsvorteile zu ziehen.
Rz. 21
c) Das Berufungsgericht hat auch rechtsfehlerfrei und in Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung angenommen, die Kläger könnten einen gegenüber dem Vertragszins geringeren Gebrauchsvorteil nicht allein durch einen Verweis auf die MFI-Zinsstatistik darlegen. Ausweislich der MFI-Zinsstatistik, die den marktüblichen Zins nicht betragsscharf abbilden will und kann, betrug der durchschnittliche effektive Jahreszins für Wohnungsbaukredite an private Haushalte mit anfänglicher Zinsbindung in dem maßgeblichen Monat des ersten Vertragsschlusses - hier: mit einer Zinsbindungsfrist von über 10 Jahren im September 2007 - 5,08 % und in dem maßgeblichen Monat des zweiten Vertragsschlusses - hier: mit einer Zinsbindungsfrist von 5 bis 10 Jahren im Dezember 2007 - 5,03 %. Der in den Darlehensverträgen zugrunde gelegte anfängliche effektive Jahreszins lag mit 5,11 % bzw. 5,05 % weniger als einen Prozentpunkt über diesen Werten. In diesem Fall geht die Rechtsprechung des BGH davon aus, dass ein Kredit zu für Grundpfandkredite üblichen Bedingungen ausgereicht worden ist (BGH, Urt. v. 19.1.2016 - XI ZR 103/15, BGHZ 208, 278 Rz. 18; v. 18.12.2007 - XI ZR 324/06 WM 2008, 967 Rz. 29). Bei einem zu üblichen Bedingungen ausgereichten Kredit kommt eine Herabsetzung der Gebrauchsvorteile allein aufgrund der MFI-Zinsstatistik nicht in Betracht (vgl. BGH, Beschl. v. 12.9.2017 - XI ZR 365/16 WM 2017, 2146 Rz. 11).
Rz. 22
d) Die Verfahrensrüge der Anschlussrevision, das Berufungsgericht habe unter Verstoß gegen § 286 Abs. 1 ZPO erhebliches Vorbringen und ein erhebliches Beweisangebot der Kläger dazu übergangen, der Marktzins sei für beide Darlehen geringer gewesen, greift nicht durch. Die Kläger haben die der Beklagten zugestandenen Gebrauchsvorteile zuletzt auf der Grundlage der Annahme berechnet, der Beklagten stehe - ohnehin nur bis zum Widerruf - eine anhand der von der Deutschen Bundesbank veröffentlichten Zeitreihen SUD 118 und SUD 119 zeitabschnittsweise berechnete Nutzungsentschädigung zu. Dieser Vortrag gründete auf einer bestimmten (unzutreffenden) Rechtsbehauptung, die nicht Gegenstand des von den Klägern unterbreiteten Beweisangebots war. Dass die Kläger im Sinne einer Staffelung des eventualiter zur Entscheidung gestellten Sachvortrags hilfsweise anderes Vorbringen aufrechterhalten wollten, legt die Anschlussrevision nicht in einer § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO genügenden Weise dar.
Rz. 23
e) Keinen Erfolg hat die Anschlussrevision auch mit ihrer weiteren Verfahrensrüge, das Berufungsgericht habe unter Verstoß gegen § 286 Abs. 1 ZPO Vorbringen der Beklagten zu einer Weiterleitung der von den Klägern erlangten Leistungen an die KfW als unstreitig behandelt und deshalb einen Anspruch auf Herausgabe von Nutzungen unberechtigt aberkannt. Auch insoweit ist die Verfahrensrüge nicht gem. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO ordnungsgemäß ausgeführt, weil die Kläger an der von der Anschlussrevision bezeichneten Stelle in der "Berufungsreplik" die Weiterleitung von Zahlungen an die KfW durch die Beklagte tatsächlich als unstreitig bezeichnet haben. Eine Verpflichtung aus § 139 ZPO, die Kläger zu anderslautendem Vortrag aufzufordern, traf das Berufungsgericht nicht.
Rz. 24
Auf der vom Berufungsgericht in diesem Zusammenhang kundgegebenen fehlerhaften Rechtsansicht beruht das Berufungsurteil nicht. Zwar hat das Berufungsgericht verkannt, dass in Fällen, in denen das Darlehen aus Fördermitteln der KfW stammt, der Darlehensgeber aber nicht sämtliche vom Darlehensnehmer erlangten Leistungen ungekürzt an die KfW weiterleitet, er als Rückgewährschuldner die Herausgabe von Nutzungen schuldet, die er aus dem bei ihm verbliebenen Teil der Leistungen zieht. Insoweit bleibt es dabei, dass diese Leistungen aus dem Darlehensvertrag erlangt sind. Dass der Einbehalt einer "Marge" auf einer Vereinbarung des Darlehensgebers mit der KfW basiert, ändert daran entgegen der Rechtsmeinung des Berufungsgerichts nichts. Weil die Anschlussrevision die Würdigung des Prozessstoffs durch das Berufungsgericht dahin, die Beklagte habe sämtliche der von den Klägern erlangten Leistungen an die KfW weitergeleitet, indessen nicht erheblich mit einer Verfahrensrüge angreift, kann sich dieser Rechtsfehler nicht zum Nachteil der Kläger ausgewirkt haben.
Rz. 25
f) Das Berufungsurteil erweist sich zu Lasten der Kläger nur betreffend den Zinsausspruch als teilweise fehlerhaft. Aus §§ 291 Satz 2, 288 Abs. 3 BGB und § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. i.V.m. § 346 Abs. 2 BGB ergibt sich das vom Berufungsgericht gefundene Ergebnis nur in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang, weil die Zinsbindung für das aus KfW-Mitteln gewährte Darlehen zum 30.9.2017 auslief und für das weitere Darlehen zum 31.8.2022 auslaufen wird.
III.
Rz. 26
Das Berufungsurteil unterliegt betreffend die Hilfswiderklage mithin nur insoweit der Aufhebung (§ 562 ZPO), als das Berufungsgericht der Beklagten einen geringfügig zu hohen Zinsanspruch zuerkannt hat (§ 563 Abs. 3 ZPO).
Rz. 27
Sollte das Berufungsgericht allerdings zu dem Ergebnis kommen, die Klage bleibe unzulässig, wird es den Ausspruch zur Hilfswiderklage zur Klarstellung aufzuheben haben (vgl. zur Entscheidung über die Hilfsaufrechnung BGH, Urt. v. 28.1.2014 - XI ZR 424/12, BGHZ 200, 121 Rz. 36).
Fundstellen
Haufe-Index 13572440 |
BB 2020, 2 |
DStR 2020, 12 |