Verfahrensgang
LG München I (Entscheidung vom 09.12.2003) |
Tatbestand
Die Parteien streiten um Anwaltshonorar.
Der Beklagte beauftragte im August 2001 die Anwaltskanzlei R. und Dr. Ri. (nachfolgend: Zedentin) mit der Beratung bzw. Vertragsüberprüfung in einer Erbangelegenheit. Hierüber wurde unter dem 1. Oktober 2001 mit dem Betrag von 1.276,64 EUR abgerechnet. Der Beklagte zahlte in der Folgezeit auch auf Mahnung nicht. Die Zedentin beauftragte daraufhin am 12. November 2001 [GA 41; BU 12] die Kläger mit der Durchsetzung ihrer Forderung nebst Mahnkosten und Zinsen. Mit schriftlicher Abtretungsvereinbarung vom 1. Dezember 2001 trat sie - ohne Zustimmung des Beklagten - ihre Forderungen an die Kläger ab.
Die daraufhin erhobene Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit der zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Das Berufungsgericht meint, die Abtretung einer anwaltlichen Honorarforderung an einen weiteren Rechtsanwalt sei auch nach Einführung des § 49b Abs. 4 Satz 1 BRAO nicht ohne Zustimmung des Mandanten erlaubt. Weder aus der Gesetzesgeschichte noch aus dem Wortlaut ergebe sich der eindeutige Gesetzeswille, daß ein Rechtsanwalt seine Honorarforderung auch ohne Einwilligung des Mandanten wirksam an einen anderen Rechtsanwalt abtreten könne. Das Gesetz regele lediglich, daß der die Abtretung empfangende Rechtsanwalt zur Verschwiegenheit verpflichtet sei. Entscheidend sei auch nicht, ob und welche Informationen die Kläger von der Zedentin vorher im Rahmen ihrer Mandatierung erhalten hätten.
II. Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Abtretung vom 1. Dezember 2001 ist nicht gemäß § 134 BGB, § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB unwirksam.
1. Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 11. November 2004 (IX ZR 240/03, WM 2004, 2505 f.) die Streitfrage, ob mit der gesetzlichen Neuregelung in § 49b Abs. 4 BRAO nur die "Weitergabe" der Verschwiegenheitspflicht an den Zessionar oder darüber hinaus auch die Zulässigkeit der Abtretung an einen Rechtsanwalt ohne Zustimmung des Mandanten geregelt worden ist (zum Streitstand vgl. BGH, aaO. S. 2506), nicht abschließend geklärt. Vielmehr hat er entschieden, daß jedenfalls in den Fällen, in denen ein Rechtsanwalt Honorarforderungen ohne Zustimmung des Auftraggebers an einen anderen Rechtsanwalt abtritt, der ihn zuvor außergerichtlich und im Kostenfestsetzungsverfahren (§ 19 BRAGO) vertreten und die Angelegenheit umfassend kennengelernt hat, die Zession nicht gemäß §§ 134 BGB, 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB unwirksam ist. Zur Begründung hat der Senat unter Hinweis auf frühere Rechtsprechung (BGH, Urt. v. 10. August 1995 - IX ZR 220/94, WM 1995, 1841) angeführt, daß in solchen Fällen der Zedent nicht gegen den objektiven Tatbestand des § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB verstößt, weil der Zessionar die Angelegenheit des Mandanten zuvor umfassend kennengelernt hatte.
2. Auf der Grundlage dieser Rechtsauffassung und des unstreitigen Parteivortrags braucht die Rechtsfrage auch im vorliegenden Fall nicht entschieden zu werden.
Unstreitig hatten die Kläger bereits vor der Abtretung von sämtlichen Umständen des Mandatsverhältnisses zwischen den Zedenten und den Beklagten Kenntnis erlangt. Die Kläger waren am 12. November 2001 von der Zedentin mandatiert worden, deren Gebührenforderungen gegen den Beklagten als Prozeßvertreter gerichtlich geltend zu machen. Im Zusammenhang damit haben sie sämtliche hierfür notwendige Informationen erhalten [GA 41, 42; 82, 83; 92]. Bei der nachfolgenden Abtretung vom 1. Dezember 2001 sind keine weiteren Informationen erteilt worden, so daß die Zedentin den Klägern zu diesem Zeitpunkt nicht ein ihr anvertrautes oder sonst bekannt gewordenes Geheimnis des Mandanten unbefugt offenbart hat (vgl. § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB). Ein Rechtsanwalt darf seine Honorarforderung gegen den Auftraggeber geltend machen (§ 19 BRAGO), selbst wenn dies die Bekanntgabe von Mandantengeheimnissen erfordert, weil der Anwalt sonst insoweit rechtlos stünde (BGHZ 122, 115, 120). Demjenigen, der rechtmäßig eine fremde Angelegenheit umfassend kennengelernt hat, kann diese nicht mehr im Sinne des § 203 Abs. 1 StGB unbefugt offenbart werden (BGH, Urt. v. 11. November 2004 aaO. S. 2506).
III. Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden. Der Erfolg der Klage hängt davon ab, ob es sich bei der von der Zedentin durchgeführten Beratung um eine sogenannte Erstberatung (§ 20 Abs. 1 Satz 2 BRAGO) oder um eine darüber hinausgehende Vollberatung (§ 20 Abs. 1 Satz 1 BRAGO) gehandelt hat. Das wird das Berufungsgericht zu prüfen haben.
Fundstellen