Leitsatz (amtlich)
Bei vorzeitiger Beendigung eines Kraftfahrzeug-Leasingvertrags (hier aufgrund Diebstahls des Fahrzeugs) steht die den Wiederbeschaffungs- und den Ablösewert übersteigende Neuwertspitze einer Versicherungsleistung aus einer vom Leasingnehmer auf Neupreisbasis abgeschlossenen Vollkaskoversicherung nicht dem Leasinggeber, sondern dem Leasingnehmer zu (Fortentwicklung von BGH, Urt. v. 31.10.2007 - VIII ZR 278/05 NJW 2008, 989 Rz. 18; Bestätigung von BGH, Urt. v. 9.9.2020 - VIII ZR 389/18, zur Veröffentlichung bestimmt).
Normenkette
BGB §§ 285, 535
Verfahrensgang
OLG Düsseldorf (Urteil vom 26.02.2019; Aktenzeichen I-24 U 70/18) |
LG Düsseldorf (Urteil vom 04.09.2017; Aktenzeichen 9 O 443/16) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten zu 1) wird das Urteil des 24. Zivilsenats des OLG Düsseldorf vom 26.2.2019 - unter Zurückweisung der weitergehenden Revision - im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Beklagte zu 1) zur Zahlung von mehr als 10.132,46 EUR verurteilt worden ist.
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 9. Zivilkammer des LG Düsseldorf vom 4.9.2017 im vorbezeichneten Umfang abgeändert.
Die Beklagte zu 1) bleibt verurteilt, an die Klägerin 10.132,46 EUR zu zahlen.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz werden der Klägerin auferlegt.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens haben die Klägerin zu 6/7 und die Beklagte zu 1) zu 1/7 zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Klägerin (Leasinggeberin) und ihre Leasingnehmerin, die Beklagte zu 1) (nachfolgend nur: Beklagte), streiten darum, wem nach vorzeitiger Beendigung des Leasingvertrags aufgrund eines Diebstahls des Leasingfahrzeugs der sowohl den Wiederbeschaffungs- also auch den Ablösewert übersteigende Neuwertanteil der Versicherungsleistung aus einer von der Beklagten auf Neuwertbasis abgeschlossenen Vollkaskoversicherung zusteht.
Rz. 2
Am 7.8.2013 schlossen die Parteien für die Dauer von 36 Monaten einen Leasingvertrag über einen Neuwagen des Typs BMW M 6. Die Beklagte schloss für das Fahrzeug, wie vertraglich vorgesehen, eine Vollkaskoversicherung ab. Dabei handelte es sich um eine Versicherung auf Neuwertbasis, zu deren Abschluss die Beklagte insoweit nicht verpflichtet war.
Rz. 3
Das Fahrzeug wurde in der Nacht vom 1. auf den 2.12.2015 entwendet. Kurz darauf wurde es wieder aufgefunden und von der Klägerin in Besitz genommen. Die Klägerin kündigte nunmehr den Leasingvertrag. Der Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs zur Zeit des Diebstahls betrug 70.504,20 EUR netto. Der Betrag, der zur vollen Amortisation des Finanzierungsaufwands der Klägerin einschließlich ihres kalkulierten Gewinns notwendig ist (Ablösewert), belief sich auf 60.371,74 EUR, der (versicherte) Netto-Grundpreis auf 131.126 EUR bei einer Selbstbeteiligung von 500 EUR.
Rz. 4
Die Klägerin hat erstinstanzlich die Feststellung begehrt, dass ihr die Versicherungsleistung (130.626 EUR) uneingeschränkt zustehe. Das LG hat die Klage, die in erster Instanz auch gegen das Versicherungsunternehmen gerichtet war, abgewiesen.
Rz. 5
Zwischenzeitlich wurde in einem Rechtsstreit der hiesigen Beklagten gegen das Versicherungsunternehmen dieses rechtskräftig zur Zahlung von 70.254,26 EUR an die hiesige Beklagte sowie zur Zahlung von 60.371,74 EUR an die hiesige Klägerin verurteilt, im Hinblick auf letztere Zug um Zug gegen Übergabe des Fahrzeugs an das Versicherungsunternehmen.
Rz. 6
In zweiter Instanz hat die Klägerin daraufhin von der Beklagten die Zahlung von 70.254,26 EUR beantragt. Die Berufung der Klägerin hat Erfolg gehabt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Rz. 7
Die Revision hat überwiegend Erfolg.
I.
Rz. 8
Das Berufungsgericht (OLG Düsseldorf VersR 2019, 1505) hat zur Begründung seiner Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - im Wesentlichen ausgeführt:
Rz. 9
Die Berufung der Klägerin sei zulässig. Insbesondere sei die Berufungsbegründung ordnungsgemäß unterzeichnet worden (§§ 520 Abs. 5, 130 Nr. 6 ZPO). Zweifel an der Autorenschaft der Prozessbevollmächtigten der Klägerin bestünden nicht; auch die Beklagte habe Zweifel nicht geäußert. Der verwendete Schriftzug gleiche den Schriftgebilden, mit denen die Prozessbevollmächtigte der Klägerin ihre weiteren Schriftsätze im vorliegenden Verfahren unterzeichnet habe. Der Schriftzug sei zwar einfach strukturiert und einem starken Abschleifungsprozess unterlegen, aber dennoch so individuell ausgeführt, dass ihm der Charakter einer Unterschrift insgesamt nicht abgesprochen werden könne.
Rz. 10
Die Berufung sei auch begründet. Die Klägerin habe gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 70.254,26 EUR aus dem Leasingvertrag in Verbindung mit dem Rechtsgedanken der §§ 285 Abs. 1, 275 BGB.
Rz. 11
Aus den Regelungen des Leasingvertrags ergebe sich, dass der Klägerin auch die über den Wiederbeschaffungswert hinausgehende Versicherungsleistung zustehe. Dies ergebe sich, wie auch das OLG München in seinem Urteil vom 29.11.2018 (ZMR 2019, 235) entschieden habe, aus der Wertung des § 285 Abs. 1 BGB sowie daraus, dass die Klägerin rechtliche Eigentümerin des entwendeten Fahrzeugs sei. Auch soweit die Versicherungsleistung den Wiederbeschaffungswert übersteige, sei sie weiterhin das Surrogat für das entwendete Fahrzeug und nicht allein Folge davon, dass der Versicherungsvertrag eine solche Leistung vorsehe. Dies folge daraus, dass der Leasinggeber jedenfalls bei einem Vertrag mit Kilometer-Abrechnung als juristischer und wirtschaftlicher Volleigentümer des Leasingobjekts stets alleiniger Berechtigter hinsichtlich der Chancen und Risiken sei, die aus einer Wertsteigerung des Objekts resultierten. Es sei insoweit grundsätzlich Sache des Leasinggebers, wie er am Ende der Laufzeit des Leasingvertrags mit dem in seinem Eigentum stehenden Leasingobjekt verfahre. Wenn dieses bei einer Verwertung nicht den kalkulierten Erlös erziele, entstünde dem Leasinggeber eine Unterdeckung. Dann aber müsse er bei einer Übersurrogation alleiniger Berechtigter des Mehrerlöses sein.
Rz. 12
Dem stehe nicht entgegen, dass ein Schadensersatzanspruch des Leasinggebers durch sein Erfüllungsinteresse bei ordnungsgemäßer Vertragsdurchführung begrenzt sei. Denn die Klägerin mache keinen Schadensersatzanspruch geltend, sondern begehre die Versicherungsleistung als Ersatz für das entwendete Fahrzeug.
Rz. 13
Ein Übererlös könne allerdings anders zuzuordnen sein, wenn der Leasingvertrag dem Leasingnehmer die Chancen einer Wertsteigerung zuweise. Eine solche Vertragsgestaltung liege hier jedoch nicht vor. Das Verwertungsrecht stehe dem Leasinggeber zu. Nach den Allgemeinen Leasingbedingungen habe der Leasingnehmer das Fahrzeug nach Vertragsbeendigung an die Klägerin zurückzugeben. Ein Erwerb des Leasingfahrzeugs durch den Leasingnehmer sei ausdrücklich ausgeschlossen.
Rz. 14
Auch die Tatsache, dass die Beklagte lediglich zum Abschluss einer Vollkaskoversicherung verpflichtet gewesen sei, hier jedoch überobligatorisch der Grundpreis des Fahrzeugs versichert worden sei, rechtfertige keine abweichende Beurteilung. Die Beklagte habe nicht hinreichend dargelegt, dass sie höhere Prämien zu zahlen gehabt hätte. Zudem sei zu berücksichtigen, dass auch ein durch Rechtsgeschäft, insb. durch den Verkauf des Fahrzeugs, von dem Schuldner erzieltes Entgelt in voller Höhe herauszugeben sei, selbst wenn der Verkehrswert des Fahrzeugs geringer sei. Es sei auch nicht erkennbar, aus welchem Grund die Beklagte eine Neuwertversicherung abgeschlossen habe.
Rz. 15
Etwas anderes ergebe sich schließlich auch nicht aus der Vereinbarung "Leasing-Extra bei Totalschaden oder Diebstahl". Auch die Beklagte trage nicht vor, dass die Voraussetzungen für einen Verzicht der Klägerin auf die Differenz zwischen dem Ablöse- und dem Wiederbeschaffungswert vorlägen. Die Abrechnungsvorschriften, auf die verwiesen werde, normierten aus den oben dargelegten Gründen gerade keine Obergrenze.
II.
Rz. 16
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung zum überwiegenden Teil nicht stand.
Rz. 17
1. Entgegen den von der Revision geäußerten Bedenken ist die Berufung allerdings zulässig. Zu Recht hat das Berufungsgericht die Berufung der Klägerin nicht gem. § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO mit der Begründung verworfen, die Berufungseinlegungs- sowie die Begründungsschrift seien nicht ordnungsgemäß unterzeichnet und die Berufung damit nicht form- und fristgerecht eingelegt worden.
Rz. 18
Die vorinstanzliche Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat - was der Senat von Amts wegen zu prüfen hat (BGH, Urt. v. 12.10.2016 - VIII ZR 103/15, BGHZ 212, 224 Rz. 16; Beschlüsse v. 17.4.2018 - , juris Rz. 11; v. 22.10.2019 - VI ZB 51/18, juris Rz. 10; jeweils m.w.N.) - bei der Unterzeichnung der Berufungseinlegungs- und Begründungsschrift einen individuellen, nicht nur als Handzeichen oder Paraphe anzusehenden, sondern einen den Anforderungen der §§ 519 Abs. 4, 520 Abs. 5, 130 Nr. 6 ZPO an eine Unterschrift genügenden handschriftlichen Schriftzug verwendet.
Rz. 19
Unschädlich ist, dass die Unterschrift der vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Klägerin, wie die Revision beanstandet, "durch eine nach links unten geführte Linie, einen Bogen nach rechts und eine dann nach rechts oben geführte Linie" gebildet wird. Denn auch ein nicht lesbarer Namenszug ist, wovon das Berufungsgericht zu Recht ausgegangen ist, als Unterschrift anzuerkennen. Dabei ist insb. von Bedeutung, ob der Unterzeichner - wie vorliegend die Prozessbevollmächtigte der Klägerin - auch sonst in gleicher oder ähnlicher Weise unterschreibt (BGH, Beschl. v. 26.4.2012 - VII ZB 36/10 NJW-RR 2012, 1140 Rz. 8; v. 16.7.2013 - VIII ZB 62/12, NJW-RR 2013, 1395 Rz. 11; v. 9.7.2015 - V ZB 203/14, NJW 2015, 3104 Rz. 7; v. 29.11.2016 - VI ZB 16/16 NJW-RR 2017, 445 Rz. 7; v. 17.4.2018 - , a.a.O.; jeweils m.w.N.).
Rz. 20
Danach ist den Anforderungen an eine Unterschrift im Sinne der vorgenannten Bestimmungen Rechnung getragen. Der in der Berufungseinlegungs- und in der Begründungsschrift verwendete Schriftzug findet sich auch in den anderen Schriftsätzen der Prozessbevollmächtigten der Klägerin in diesem Verfahren und auch in den Parallelverfahren VIII ZR 389/18 und VIII ZR 255/19, ohne dass Zweifel an der Urheberschaft bestehen. Dem Sinn und Zweck des Unterschriftenerfordernisses aus §§ 519 Abs. 4, 520 Abs. 5, 130 Nr. 6 ZPO, die Identifizierung des Urhebers der schriftlichen Prozesshandlung zu ermöglichen und dessen unbedingten Willen zum Ausdruck zu bringen, die Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes zu übernehmen (vgl. BGH, Beschl. v. 29.11.2016 - VI ZB 16/16, a.a.O., Rz. 14 v. 22.10.2019 - VI ZB 51/18, a.a.O., Rz. 8), ist damit Genüge getan.
Rz. 21
2. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht einen vertraglichen Zahlungsanspruch der Klägerin als gegeben erachtet, soweit es den über den Wiederbeschaffungswert hinausgehenden Neuwertanteil der Vollkaskoversicherung betrifft. Zwar steht der Klägerin nicht nur der ihr bereits zuerkannte vertragliche Ablösewert (60.371,74 EUR), sondern der höhere Wiederbeschaffungswert (70.504,20 EUR) zu, so dass die Klägerin weitere 10.132,46 EUR zu beanspruchen hat und die Revision der Beklagten insoweit unbegründet ist. Soweit die Versicherungsleistung (130.626 EUR) den Wiederbeschaffungswert übersteigt, also im Umfang von 60.121,80 EUR, hat die Revision der Beklagten jedoch Erfolg. Denn diese Neuwertspitze steht im Verhältnis der Leasingvertragsparteien zueinander bei interessengerechter Auslegung des Leasingvertrags dem Leasingnehmer zu. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist daher die Differenz von 60.121,80 EUR zu der von der Beklagten zum Neuwert von 130.626 EUR abgeschlossenen Vollkaskoversicherung nicht der Klägerin, sondern dem Leasingnehmer zuzuweisen.
Rz. 22
a) Im Schrifttum ist diese Frage allerdings bisher umstritten. Nach einer - vom Berufungsgericht geteilten - Auffassung steht eine entsprechende Differenz grundsätzlich allein dem Leasinggeber zu. Als juristischer und wirtschaftlicher Eigentümer des Leasingobjekts sei er stets alleiniger Berechtigter hinsichtlich der Chancen, die aus einer Wertsteigerung des Objektes resultierten, es sei denn, der Leasingvertrag enthalte eine ausdrücklich hiervon abweichende Regelung (vgl. Moseschus, EWiR 2005, 203, 204; Zahn in Graf von Westphalen, Der Leasingvertrag, 7. Aufl., Rz. O 158 ff.; ; Weber, NJW 2008, 992; Nitsch, NZV 2011, 14, 15; Jahnke in Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 26. Aufl., § 249 BGB Rz. 143c).
Rz. 23
Nach anderer Ansicht steht der Neuwertanteil dem Leasingnehmer zu, wenn der Kaskoversicherer den Versicherungsfall auf Neuwertbasis abrechnet und die Versicherungsleistung infolgedessen über den Wiederbeschaffungswert hinausgeht. Die Wertung des § 285 Abs. 1 BGB, wonach dem Eigentümer der untergegangenen Leasingsache das Surrogat als Leistung zuzuerkennen sei, komme hier nicht zum Tragen. Soweit die Versicherungsleistung den Wiederbeschaffungswert übersteige, sei sie kein Surrogat für das zerstörte oder entwendete Fahrzeug, sondern allein die Folge davon, dass der Versicherungsvertrag eine solche Leistung vorsehe (vgl. Reinking/Hettwer in Reinking/Eggert, Der Autokauf, 14. Aufl., Rz. L 595; Koch in MünchKomm/BGB, 8. Aufl., Finanzierungsleasing (Anh. § 515 BGB) Rz. 100; BeckOGK/BGB/Ziemßen, Stand: 1.7.2020, § 535 Rz. 1130.1; Heß/Höke in Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch, 3. Aufl., § 30 Rz. 20; Müller-Sarnowski, DAR 2008, 147, 148).
Rz. 24
b) Der Senat hat bisher lediglich - für den Fall einer vorzeitigen Beendigung eines Leasingvertrags, der eine Restwertgarantie des Leasingnehmers und ein Andienungsrecht des Leasinggebers, aber keine Mehrerlösbeteiligung des Leasingnehmers vorsieht - entschieden, dass eine von der Kaskoversicherung auf den Wiederbeschaffungswert eines beschädigten oder entwendeten Fahrzeugs gezahlte Entschädigung dem Leasinggeber auch dann uneingeschränkt zusteht, wenn es dadurch zu einem Mehrerlös kommt, der Leasinggeber also einen über den zur vollen Amortisation erforderlichen Ablösebetrag hinausgehenden Erlös realisiert (BGH, Urt. v. 31.10.2007 - VIII ZR 278/05 NJW 2008, 989 Rz. 16 ff.; vgl. auch BGH, Urt. v. 21.9.2011 - VIII ZR 184/10 NJW 2011, 3709 Rz. 17). Die Frage, wem im Verhältnis zwischen Leasinggeber und Leasingnehmer eine noch weitergehende Versicherungsleistung aus der Neuwertversicherung gebührt, hat er hingegen ausdrücklich offen gelassen (BGH, Urt. v. 31.10.2007 - VIII ZR 278/05, a.a.O., Rz. 18).
Rz. 25
c) Der Senat entscheidet die Frage nunmehr im Sinn der zuletzt genannten Literaturmeinung.
Rz. 26
Die vorgenannte Rechtsprechung des Senats, dass eine auf den Wiederbeschaffungswert erbrachte Versicherungsleistung in den betreffenden Fallgestaltungen auch dann dem Leasinggeber zusteht, wenn er dadurch einen über sein Amortisationsinteresse hinausgehenden Erlös realisieren kann, lässt sich nicht auf eine darüberhinausgehende Neuwertspitze übertragen. Denn diese repräsentiert bei der gebotenen wertenden Betrachtung nicht das (dem Leasinggeber als Eigentümer zugewiesene) Sacherhaltungsinteresse im Sinne eines Erhalts oder einer Absicherung des im Zeitpunkt des Versicherungsfalls bestehenden Fahrzeugwerts. Es geht auch nicht um die Verwirklichung der Chance, dass es zu einer Wertsteigerung des Fahrzeugs gegenüber der zu Vertragsbeginn vorgenommenen Kalkulation (etwa aufgrund geänderter Marktpräferenzen) kommt. Vielmehr beruht die Neuwertspitze auf der Eigenart einer Versicherung zum Neuwert, die in bestimmten Konstellationen - wie auch hier - zu einer Entschädigungsleistung der Versicherung führt, die sowohl über den Fahrzeugwert im Zeitpunkt der Beschädigung oder des Verlusts als auch über den von Leasinggeber bei vorzeitiger Vertragsbeendigung beanspruchten Ablöse- bzw. Wiederbeschaffungswert hinausgeht. Ein solcher "Übererlös" aufgrund der vom Leasingnehmer abgeschlossenen und von ihm finanzierten Kaskoversicherung ist nach der Interessenlage aber dem Leasingnehmer zugewiesen.
Rz. 27
aa) Die Neuwertversicherung dient, soweit sie über den Ersatz des Ablöse- und Wiederbeschaffungswerts im Zeitpunkt des Versicherungsfalls hinausgeht, dem Sachersatzinteresse des Versicherungsnehmers, sich durch Einsatz der Versicherungsleistung wieder ein Neufahrzeug beschaffen zu können (vgl. BGH, Urt. v. 31.10.2007 - VIII ZR 278/05, a.a.O., Rz. 16 m.w.N.). Einem fabrikneuen Fahrzeug kommt nach der Verkehrsauffassung eine besondere Wertschätzung zu, die sich auch darin widerspiegelt, dass es in den ersten ein oder zwei Jahren seit der Anschaffung und Ingebrauchnahme einen überproportionalen Wertverlust erleidet. Der Versicherungsnehmer, der das Fahrzeug nicht über ein Leasinggeschäft finanziert hat und deshalb sowohl Fahrzeughalter als auch Eigentümer ist, kann mit Hilfe der Versicherungsleistung aus der Neuwertversicherung wiederum ein vergleichbares Neufahrzeug anschaffen. Er muss dann nicht zusätzliche eigene Mittel für die Anschaffung eines Neufahrzeugs einsetzen oder sich damit zufriedengeben, mit einer in Höhe des Wiederbeschaffungswerts gezahlten Versicherungsleistung nur ein Gebrauchtfahrzeug zu erwerben.
Rz. 28
bb) Beim Leasingvertrag fallen allerdings Fahrzeughalter und Fahrzeugeigentümer auseinander. Das Interesse, mit Hilfe einer Neuwertentschädigung wiederum ein Neufahrzeug anschaffen und nutzen zu können, liegt aber im Rahmen eines Leasingvertrags beim Leasingnehmer und nicht beim Leasinggeber. Denn dem Interesse des Leasinggebers wird schon dadurch in vollem Umfang entsprochen, als er dem Leasingnehmer nach der (auch hier erfolgten) vorzeitigen Kündigung des Leasingvertrags den Ablösewert in Rechnung stellen kann. Der Ablösewert wird in diesem Fall unter Berücksichtigung des vom Leasingnehmer garantierten Restwerts ermittelt und führt zur vollen Amortisation des Leasingvertrags.
Rz. 29
Entgegen der von der Revisionserwiderung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat geäußerten Auffassung besteht insoweit kein Unterschied zwischen dem hier abgeschlossenen Leasingvertrag mit Kilometerabrechnung und einem Vertrag mit Restwertgarantie. Denn auch der zwischen den Parteien abgeschlossene Leasingvertrag sieht in Ziff. 2 bei vorzeitiger Kündigung eine Abrechnung nach dem von der Leasinggeberin kalkulierten und vom Leasingnehmer (nur) für den Fall der vorzeitigen Kündigung garantierten Restwert vor. Darüber hinaus steht dem Leasinggeber - wie im hier gegebenen Fall - ohnehin auch ein etwa den Ablösewert übersteigender Wiederbeschaffungswert zu (vgl. BGH, Urt. v. 31.10.2007 - VIII ZR 278/05, a.a.O., Rz. 16 ff.).
Rz. 30
(1) Die weitergehende Neuwertspitze, um die es hier allein geht, wäre für den Leasinggeber ein - im Sacherhaltungsinteresse oder im Sachwert des Fahrzeugs nicht begründeter - zusätzlicher Gewinn. Entgegen der von der Revisionserwiderung in der mündlichen Verhandlung geäußerten Auffassung ist ein berechtigtes Interesse der Klägerin daran, nach Vollamortisation des vorzeitig beendeten Leasingvertrags die Neuwertspitze als Übererlös zu vereinnahmen und für den Erwerb eines neuen Leasingfahrzeugs einzusetzen, nicht ersichtlich. Denn die Klägerin nutzt die Leasingfahrzeuge nicht selbst, sondern finanziert sie speziell für den jeweiligen Leasingnehmer und kalkuliert die Amortisation ihrer Leistungen einschließlich eines Gewinnanteils dabei jeweils ein.
Rz. 31
Ob eine andere Beurteilung in Betracht kommt, wenn der Leasinggeber die Neuwertspitze im Rahmen eines neuen oder bei Fortführung des bisherigen Leasingvertrags mit einem Neufahrzeug gutbringt, kann dahinstehen. Dahingehende Feststellungen hat das Berufungsgericht nicht getroffen; übergangenen Sachvortrag zeigt die Revisionserwiderung nicht auf. Vielmehr hat die Klägerin im vorliegenden Verfahren die Neuwertspitze durchgehend als Übererlös für sich beansprucht und die Auffassung vertreten, insoweit handele es sich um eine Chance, die als Wertsteigerung des Sachwerts des Fahrzeugs zu verstehen oder zumindest ebenso zu behandeln sei.
Rz. 32
(2) Die Beklagte, die den Versicherungsvertrag geschlossen hat, hat demgegenüber ein berechtigtes Interesse daran, die Neuwertspitze dafür einzusetzen, zu vergleichbaren Konditionen wieder in den Genuss der Nutzung eines Neufahrzeugs zu kommen, etwa durch Einsatz dieses Betrags für die Sonderzahlung eines (neuen) Leasingvertrags über ein Neufahrzeug.
Rz. 33
d) Aus der vom Berufungsgericht und auch von der Revisionserwiderung herangezogenen Wertung des § 285 Abs. 1 BGB ergibt sich nichts anderes.
Rz. 34
Erlangt der Schuldner - hier die Beklagte - infolge eines Umstands, aufgrund dessen er die Leistung nach § 275 Abs. 1 bis 3 BGB nicht zu erbringen braucht, für den geschuldeten Gegenstand einen Ersatz oder einen Ersatzanspruch, so kann nach § 285 Abs. 1 BGB der Gläubiger - hier die Klägerin - die Herausgabe des als Ersatz Empfangenen oder Abtretung des Ersatzanspruchs verlangen. Sind die Voraussetzungen dieser Bestimmung erfüllt, hat der Schuldner das herauszugeben, was er für den Gegenstand erlangt hat, auch wenn der Wert des Erlangten den Wert des Gegenstands übersteigt (vgl. BGH, Urt. v. 10.2.1988 - IVa ZR 249/86 NJW-RR 1988, 902 unter 1c; v. 17.4.1958 - II ZR 335/56, NJW 1958, 1040 unter I; insoweit in BGHZ 27, 123 nicht abgedruckt).
Rz. 35
aa) Diese Bestimmung will nach ihrem Regelungszweck die Vermögenswerte, die im Laufe wirtschaftlicher Vorgänge Personen zugeflossen sind, welchen sie nach den maßgebenden Beziehungen zu anderen Personen nicht zukommen, denjenigen zuführen, denen sie gebühren. Die Vorschrift ist dazu bestimmt, eine unrichtig gewordene tatsächliche Verteilung der Vermögenswerte auszugleichen. Es handelt sich um einen vom Gesetzgeber aus Erwägungen der Billigkeit und mit Rücksicht auf den vermuteten Parteiwillen in das Gesetz aufgenommenen Anspruch (BGH, Urt. v. 10.2.1988 - IVa ZR 249/86, a.a.O.; v. 15.10.2004 - V ZR 100/04 NJW-RR 2005, 241 B II 2c; v. 10.5.2006 - XII ZR 124/02, BGHZ 167, 312 Rz. 25; vgl. auch Urt. v. 4.3.1955 - V ZR 56/54, WM 1955, 1000 unter 2e; jeweils m.w.N. [zu § 281 BGB a.F.]). Soweit es vertragliche Schuldverhältnisse betrifft, stellt die Vorschrift eine gesetzlich geregelte ergänzende Vertragsauslegung dar (BGH, Urt. v. 19.6.1957 - IV ZR 214/56, BGHZ 25, 1, 9 [zu § 281 BGB a.F.]) und beruht auf dem Gedanken, dass sich der Verpflichtungswille des Schuldners zur Herausgabe einer Sache auch auf die Übertragung eines infolge des Untergangs der Sache erhaltenen Surrogats bezieht (BGH, Urt. v. 30.1.1987 - V ZR 32/86, BGHZ 99, 385, 388 [zu § 281 BGB a.F.]).
Rz. 36
bb) Nach dieser Maßgabe sind die Voraussetzungen der unverändert in § 285 BGB übernommenen Vorschrift, die nach den Gesetzesmaterialien zum Schuldrechtsmodernisierungsgesetz vom 26.11.2001 (BGBl. I 3138) Ausdruck eines offenkundigen Gerechtigkeitsgedankens ist (vgl. BT-Drucks. 14/6040, 144), aufgrund der leasingtypischen Interessenlage nicht gegeben. Denn die Klägerin hat den Neuwertanteil der Vollkaskoversicherung nicht für den geschuldeten Gegenstand erlangt, weil die Rückgabe eines neuwertigen Fahrzeugs an die Beklagte leasingvertraglich nicht geschuldet war.
Rz. 37
cc) Entgegen der Auffassung der Klägerin ist ihr die Neuwertspitze auch nicht unter dem Gesichtspunkt zugewiesen, dass es sich dabei um eine dem Eigentümer gebührende Chance der Wertsteigerung des Fahrzeugs handele. Denn selbst nach regulärem Vertragsablauf konnte sie mit einer Verwertung des Fahrzeugs zum Neupreis nicht rechnen, erst recht nicht bei vorzeitiger Vertragsbeendigung nach einem Diebstahl des Fahrzeugs.
Rz. 38
dd) Schließlich ist es - entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung - für die Zuweisung der Neuwertspitze auch nicht auschlaggebend, dass es sich bei einer Kfz-Kaskoversicherung für geleaste Fahrzeuge im Kern um eine Versicherung für fremde Rechnung handelt (§§ 43 ff. VVG). Denn die Neuwertspitze dient, was die Revisionserwiderung verkennt, dem Interesse des Leasingnehmers, wieder in den Genuss der Nutzung eines Neufahrzeugs zu gelangen. Demgegenüber durfte die Klägerin, die nicht Vertragspartnerin des Versicherungsvertrags ist, redlicherweise nicht damit rechnen, nach voller Amortisation des vorzeitig gekündigten Vertrags einen weiteren, nicht im Wiederbeschaffungswert des Leasingfahrzeugs begründeten Mehrerlös zu realisieren.
Rz. 39
Es wäre daher unter Abwägung der berechtigten Interessen der Parteien des Leasingvertrags unbillig, der Klägerin bei vorzeitiger Vertragsbeendigung die über ihr Sacherhaltungsinteresse hinausgehende Neuwertentschädigung zuzuweisen. Auch der Gerechtigkeitsgedanke des § 285 Abs. 1 BGB würde in sein Gegenteil verkehrt, wenn der Leasinggeber den überschießenden Betrag, der auf der vom Leasingnehmer auf den Neuwert erweiterten Vollkaskoversicherung und den zugrunde liegenden Versicherungsprämien beruht, vereinnahmen dürfte.
Rz. 40
e) Auch aus den von der Klägerin formularmäßig verwendeten Vertragsbestimmungen erschließt sich nicht, dass ihr der Neuwertanteil der Vollkaskoversicherung zugewiesen wäre. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht insb. angenommen, anhand der mit "Leasing-Extra bei Totalschaden oder Diebstahl" bezeichneten Regelung werde deutlich, dass die Klägerin auch einen Übererlös aus einer Neuwertversicherung beanspruche. Dort heißt es:
"Der Leasinggeber verzichtet im Falle eines Diebstahls des Fahrzeugs oder eines Totalschadens auf die Differenz zwischen Ablösewert und Wiederbeschaffungswert, wenn die Versicherungsleistung binnen drei (3) Monaten (ab Schadenstag) bei ihm eingeht. [...] Anderenfalls verbleibt es bei der Fälligkeit des Ablösewertes gemäß Abs. X Ziff. 6 i.V.m. Abs. XV der AGB. Erfolgt die Auszahlung der Versicherungsleistung noch zu einem späteren Zeitpunkt, erstattet der Leasinggeber die Differenz zwischen Ablösewert und Wiederbeschaffungswert an den Leasingnehmer zurück. Der Verzicht auf die Differenz zwischen Ablösewert und Wiederbeschaffungswert gilt nur dann, wenn (1) für das Fahrzeug kein Kasko-Versicherungsschutz mit einer Neupreis- oder Kaufpreisregulierung oder eine anderweitige GAP-Deckung (= Versicherung für das Risiko einer Differenz zwischen Ablösewert und Wiederbeschaffungswert) besteht und (2) der Leasingnehmer einen neuen Vertrag über das Leasing bzw. die Finanzierung eines Fahrzeugs mit [der Klägerin] schließt."
Rz. 41
Danach verzichtet die Klägerin unter den vorgenannten - hier nicht vorliegenden - Umständen im Fall eines Diebstahls oder eines Totalschadens des Fahrzeugs auf die Differenz zwischen dem Ablösewert und dem Wiederbeschaffungswert (sog. GAP). Im Streitfall geht es jedoch nicht um die vorgenannte Differenz, sondern um die davon zu unterscheidende Differenz zwischen dem Wiederbeschaffungswert und dem Neuwert.
Rz. 42
Für den Fall, dass die Voraussetzungen eines Verzichts auf die Differenz zwischen Ablösewert und Wiederbeschaffungswert nicht gegeben sind, heißt es weiter: "Anderenfalls verbleibt es bei der Fälligkeit des Ablösewertes gemäß Abs. X Ziff. 6 i.V.m. Abs. XV der AGB." Auch daraus ergibt sich nichts zugunsten der Klägerin. Zwar enthält der Leasingvertrag keine Aussage darüber, dass der Ablösewert die Ansprüche der Klägerin aus der Abwicklung des Leasingvertrags abschließend im Sinne einer Obergrenze regelt (vgl. BGH, Urt. v. 21.9.2011 - VIII ZR 184/10, a.a.O., Rz. 19). Er enthält umgekehrt aber auch keine Aussage, dass die Klägerin den Neuwertanteil der Versicherungsentschädigung für sich beansprucht. Dies ist dem Wortlaut der Abrechnungsbestimmung nicht zu entnehmen und auch sonst nicht ersichtlich.
Rz. 43
In Anbetracht dessen bedarf es im gegebenen Fall keiner Entscheidung, ob vom Leasinggeber verwendete Formularbestimmungen, die diesem auch die Neuwertspitze einer vom Leasingnehmer auf Neupreisbasis abgeschlossenen Vollkaskoversicherung zuweisen, einer AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle am Maßstab des § 307 Abs. 1, 2 Nr. 1 BGB standhielten.
Rz. 44
f) Danach steht der beklagten Leasingnehmerin die den Wiederbeschaffungswert, der hier höher als der Ablösewert ist, übersteigende Neuwertspitze der von ihr abgeschlossenen Vollkaskoversicherung zu. Anders als es im Berufungsurteil anklingt, ist es unerheblich, dass der Leasingnehmer, dem die interne Kalkulation des Versicherers nicht zugänglich ist, keinen (oder keinen ausreichenden) Sachvortrag zum Umfang der auf den Neuwertanteil entfallenden Versicherungsprämie gehalten hat. Ohne Bedeutung ist es auch, ob der Versicherer die Vollkaskoversicherung ohne zusätzlichen Prämienanteil allein aus Wettbewerbsgründen mit einem Neuwert ausstattet, ebenso die Frage, ob die Tarifstruktur des Versicherers überhaupt einen anderen Versicherungsumfang vorsieht. Es kommt auch nicht darauf an, ob der Leasingnehmer bei Abschluss des Versicherungsvertrags Kenntnis davon hatte, dass er die Vollkaskoversicherung als Neuwertversicherung abschließt, und welche Gründe ihn ggf. dazu veranlasst haben. All diese Gesichtspunkte sind zur Beurteilung des Vorbringens des Leasingnehmers nicht erforderlich, weil sie für die Rechtsfolge nicht von Bedeutung sind (vgl. BGH, Urt. v. 30.10.2019 - VIII ZR 177/18 NJW 2020, 459 Rz. 19 m.w.N.).
III.
Rz. 45
Nach alledem kann das Urteil des Berufungsgerichts in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang keinen Bestand haben; es ist daher insoweit aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Senat entscheidet in der Sache selbst, da es weiterer Feststellungen nicht bedarf und die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Dies führt auf die Berufung der Klägerin zur Abänderung und Neufassung des erstinstanzlichen Urteils in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang.
Fundstellen