Kein Schadensersatz für Leasingnehmer im Abgasskandal
In drei Entscheidungen hat der BGH seine bisherige Rechtsprechung fortgeführt, wonach Leasingnehmern von Dieselfahrzeugen, in denen eine die Prüfstandsituation erkennende Abgasmanipulationssoftware eingebaut war, im Unterschied zu Käufern, kein Anspruch auf Schadensersatz gegenüber dem Autohersteller zusteht.
Kläger forderten Schadensersatz wegen Abgasmanipulationssoftware
Gegenstand der drei vom BGH entschiedenen Verfahren waren Ansprüche der Kläger auf Schadensersatz wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung zur Reduktion des Stickoxidausstoßes in Dieselfahrzeugen des VW-Konzerns. Im Zentrum der Verfahren stand die bei der deliktischen Vorteilsausgleichung vorzunehmende Bemessung der gezogenen Nutzungsvorteile der Leasingnehmer.
Leasingnehmer klagten auf Rückzahlung der Leasingraten
In sämtlichen Verfahren kauften die jeweiligen Leasingnehmer die von ihnen geleasten Fahrzeuge nach Ende der Leasingzeit. Wegen der in den Fahrzeugen eingebauten Software zur Reduktion des Stickoxidausstoßes auf dem Rollenprüfstand forderten die Kläger vom Autohersteller Erstattung ihrer Leasingzahlungen unter Anrechnung der gezogenen Nutzungsvorteile. In den Vorinstanzen hatten die Klagen teilweise Erfolg.
Vorinstanzen sehen Differenz zwischen Leasingraten und Nutzungsvorteilen
Nach Auffassung der Vorinstanzen entsprachen die von den Klägern durch die Nutzung der Fahrzeuge erlangten Gebrauchsvorteile nicht den von den Klägern erbrachten Leasingzahlungen. Die Instanzgerichte waren u.a. der Auffassung, dass
- die Höhe der erbrachten Leasingraten nicht mit dem während der Leasingzeit eingetretenen Wertverlust der Fahrzeuge gleichzusetzen sei und
- die Höhe der Leasingraten nicht der für den Fahrzeugkauf anerkannten Berechnungsformel des BGH für den vom Fahrzeughersteller zu leistenden Schadensersatz unter Berücksichtigung von Fahrzeugpreis, Fahrstrecke und Laufleistungserwartung entspricht (zuletzt: BGH, Urteile v. 21.2.2022, VIa ZR 8/21 und VIa ZR 57/21).
Leasingverträge erfordern spezifische Schadensbeurteilung
Dies sah der BGH nun anders. Das Gericht stellte klar, dass im Rahmen der deliktischen Vorteilsausgleichung der Wert der während der Leasingzeit erlangten Nutzungsvorteile eines Kraftfahrzeuges den vertraglich vereinbarten Leasingzahlungen entspricht. Der Senat verwies auf ein früheres Urteil, in dem er bereits eine klare Unterscheidung zwischen Käufern von mit der Abgasmanipulationssoftware ausgestatteten Fahrzeugen und Leasingnehmern solcher Fahrzeuge getroffen hatte (BGH, Urteil v. 16.9.2021, VII ZR 192/20). Im Gegensatz zum Kauf sei Ziel des Leasingvertrages grundsätzlich nicht der Eigentumserwerb an einem Fahrzeug, vielmehr sei der Leasingvertrag nach seinem Wesen lediglich auf die Ermöglichung einer zeitlich begrenzten Fahrzeugnutzung gerichtet. Der Schadensbegriff sei daher beim Fahrzeugleasing ein völlig anderer als beim Fahrzeugkauf.
Leasingrate ist Äquivalent für die Fahrzeugnutzung
In seinen jetzigen Urteilen erteilte der Senat der Auffassung der Vorinstanzen eine klare Absage, der Wert der Nutzungen eines Leasingfahrzeuges sei nicht mit der Höhe der erfolgten Leasingzahlungen gleichzusetzen. Die Leasingzahlungen dienen nach Auffassung des Senats auch nicht dem Ausgleich des Wertverlustes während der Leasingzeit. Der BGH bewertet die vom Leasingnehmer aufzubringenden Leasingraten vielmehr als angemessenes Äquivalent für die Nutzungsmöglichkeit des Fahrzeugs in einem bestimmten Zeitraum. Wenn der Leasinggeber dem Leasingnehmer das Fahrzeug zur vertraglich vorgesehenen Nutzung zur Verfügung stelle, so entstehe dem Leasingnehmer – auch bei einem Fahrzeug mit eingebauter Abgasmanipulationssoftware – kein Schaden, da er den vollen vereinbarten Nutzungsvorteil erhalte.
Eventuell anders bei bereits anfänglich feststehender Erwerbsabsicht
Ausdrücklich offen ließ der BGH in seinen bisherigen Entscheidungen, ob die Schadensbeurteilung eine andere wäre, wenn ein Erwerb des Fahrzeugs durch den Leasingnehmer nach Ablauf der Leasingzeit bereits bei Abschluss des Leasingvertrages feststeht (BGH, Urteil v. 16.9.2021, VII ZR 389/21). Diese Frage konnte der BGH auch in den drei aktuellen Entscheidungen offenlassen, da nach Bewertung des Senats in keinem der Fälle der Leasingvertrag von vornherein auf den endgültigen Erwerb des Fahrzeugs ausgerichtet gewesen war. Die bloße Option eines späteren Erwerbs führt nach Auffassung des Senats nicht zu einer abweichenden Beurteilung.
Die Vertragsgestaltung ist maßgeblich
In einem der entschiedenen Fälle hatte der Leasingnehmer das Fahrzeug auf eigene Kosten einem Fahrwerkstuning unterzogen und ein Gewindefahrwerk einbauen lassen. Auch in diesem Fall sah der BGH keinen Anlass für eine abweichende Bewertung. Die Tuningmaßnahme lasse allenfalls auf eine rechtlich nicht abgesicherte Erwerbsabsicht des Leasingnehmers schließen. Diese einseitige Erwerbsabsicht sei nicht Gegenstand des Leasingvertrages geworden. Damit scheide auch hier die Annahme eines von vornherein auf den späteren Erwerb des Fahrzeuges ausgerichteten Leasingvertrages aus.
Kein Aufwendungsersatzanspruch für Sportfahrwerk
Auch einen Aufwendungsersatzanspruch für die Kosten des Sportfahrwerkes besteht nach der Entscheidung des BGH nicht, da es sich beim Einbau des Gewindefahrwerks nicht um eine ganz oder teilweise vergebliche, ersatzfähige Aufwendung handle.
Schadensersatzansprüche abgewiesen
Im Ergebnis steht damit keinem der klagenden Leasingnehmer der von ihnen begehrte Anspruch auf Schadensersatz gegen den Fahrzeughersteller Volkswagen AG zu.
(BGH, Urteile v. 21.4.2022, VII ZR 247/21; VII ZR 285/21 u. VII ZR 783/21)
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