Leitsatz (amtlich)

Eine Bürgschaft nach § 7 MaBV, die als Sicherheit dafür vereinbart wird, dass der Bauträger nach Baufortschritt geschuldete Zahlungen entgegen nehmen darf, ohne dass die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2-4 MaBV vorliegen, sichert keine Ansprüche des Erwerbers auf Ersatz von Aufwendungen für die Beseitigung von Baumängeln.

 

Normenkette

BGB § 765; MaBV §§ 3, 7

 

Verfahrensgang

KG Berlin (Urteil vom 24.04.2009; Aktenzeichen 9 U 65/08)

LG Berlin (Urteil vom 09.04.2008; Aktenzeichen 84 O 55/07)

 

Tenor

Die Revision der Kläger gegen das Urteil des 9. Zivilsenats des KG vom 24.4.2009 wird zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Revisionsverfahrens.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Rz. 1

Die Kläger verlangen von dem Beklagten zu 2) (im Folgenden: Beklagter) Schadensersatz wegen der Verletzung von Notaramtspflichten.

Rz. 2

Der Beklagte beurkundete als amtlich bestellter Notarvertreter des früheren Beklagten zu 1) am 28.10.1999 einen Grundstückskauf- und Werkvertrag, mit dem sich die P. GmbH & Co. KG (im Folgenden: Bauträger) ggü. den Klägern zur schlüsselfertigen Errichtung eines Wohnhauses auf einem sodann zu übereignenden Grundstück in L. gegen Zahlung eines Erwerbspreises von 599.000 DM verpflichtete. Abschnitt VII. des Vertrages enthält u.a. folgende Regelungen:

"1. Die erste Rate des Kaufpreises i.H.v. 96,5 % ist binnen 14 Tagen nach Mitteilung des Notars über das Vorliegen folgender Voraussetzungen fällig: a) Rechtswirksamkeit des notariellen Kaufvertrages; b) Eintragung einer Auflassungsvormerkung zugunsten des Erwerbers; c) Sicherung der Lastenfreiheit gem. § 3 Abs. 1 Nr. 3 MaBV; d) Vorliegen sämtlicher zum Vollzug dieses Vertrages erforderlicher Genehmigungen, nicht jedoch die steuerliche Unbedenklichkeitsbescheinigung; e) Bezugsfertigkeit des Kerngrundstücks einschließlich Erbringung der Fassadenarbeiten. ... 2. Liegen die Voraussetzungen der Ziff. 1 lit. b) bis d) zu demjenigen Zeitpunkt, an dem die Voraussetzung gem. Ziff. 1 lit. e) eintritt, nicht vor, ist die erste Rate des Kaufpreises gleichwohl fällig Zug um Zug gegen Übergabe einer unbefristeten, selbstschuldnerischen und unwiderruflichen Bankbürgschaft einer deutschen Großbank oder Sparkasse in voller Höhe des Kaufpreises, welche den Anforderungen des § 7 MaBV zu entsprechen hat. Die Bürgschaft wird bei dem Notar hinterlegt, der sie treuhänderisch für den Erwerber bzw. - sofern der Erwerber den aufschiebend bedingten Anspruch auf Kaufpreisrückzahlung und somit die Rechte aus der Bürgschaft an eine finanzierende Bank abgetreten hat - für diese verwahrt. Der Erwerber erteilt dem Notar hierzu Vollmacht. Der Notar ist verpflichtet, die Bürgschaft jederzeit auf Verlangen dem Erwerber bzw. dem finanzierenden Kreditinstitut auszuhändigen. Die Bürgschaft ist zurückzugeben zugleich mit dem Eintritt der letzten der in Ziff. 1 lit. b) bis d) genannten Bedingungen. 3. Die Bürgschaft sichert sämtliche Ansprüche des Erwerbers auf Rückzahlung des Kaufpreises. ... 4. Die zweite Rate des Kaufpreises i.H.v. 3,5 % des Kaufpreises ist fällig binnen 14 Tagen nach Mitteilung des Notars, dass das Bauvorhaben vollständig fertiggestellt ist. ..."

Rz. 3

Die Landesbank B. übernahm die nach Abschnitt VII. Ziff. 2. Satz 1 des notariellen Vertrages vorgesehene "Bürgschaft gem. § 7 MaBV". In der Bürgschaftsurkunde, in der auf den notariellen Bauträgervertrag Bezug genommen ist, heißt es:

"Zur Sicherung aller etwaigen Ansprüche der Erwerber gegen den Bauträger auf Rückgewähr oder Auszahlung der vorgenannten Vermögenswerte, die der Bauträger erhalten hat oder zu deren Verwendung er ermächtigt ist, übernehmen wir, die Landesbank B. hiermit die selbstschuldnerische Bürgschaft unter Verzicht auf die Einreden der Anfechtbarkeit, der Aufrechenbarkeit und der Vorausklage bis zum Höchstbetrag von 599.000 DM einschließlich Zinsen und Kosten mit der Maßgabe, dass die Landesbank B. aus dieser Bürgschaft nur auf Zahlung von Geld und nur bis zu dem Betrag in Anspruch genommen werden kann, der von dem Erwerber auflagefrei auf dem für den Bauträger geführten Konto ... bei der ... zur Verfügung gestellt worden ist. Im Fall einer Inanspruchnahme werden wir auf erstes Anfordern leisten."

Rz. 4

Der Beklagte nahm die Bürgschaftsurkunde in Verwahrung. Am 12.7.2000 fand ein Abnahmetermin statt, bei dem Mängel festgestellt und protokolliert wurden. Zugleich bestätigte der von den Vertragsparteien gem. Abschnitt XI. Ziff. 1. des Vertrages hinzugezogene Sachverständige die Bezugsfertigkeit des Objekts. Mit Schreiben vom 14.2.2001 teilte der Beklagte den Klägern mit, dass er die von ihm treuhänderisch verwahrte Bürgschaftsurkunde gem. Abschnitt VII. Ziff. 2. des Vertrages an die Landesbank B. zurückgesandt habe. Das LG verurteilte den Bauträger auf Antrag der Kläger zur Beseitigung von Baumängeln. Dazu kam es nicht, weil das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Bauträgers eröffnet wurde.

Rz. 5

Mit der vorliegenden Klage begehren die Kläger die Feststellung, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihnen den Schaden zu ersetzen, der dadurch entstandenen ist oder noch entsteht, dass er als amtlich bestellter Notariatsvertreter/Notariatsverwalter des früheren Beklagten zu 1) die in Vollziehung des notariellen Vertrages vom 28.10.1999 in seine Verwahrung gegebene Urkunde über die von der Landesbank B. gestellte Bürgschaft vorzeitig und ohne ihre erforderliche Zustimmung an diese zurückgegeben hat. Das LG hat den Beklagten durch Teilurteil antragsgemäß verurteilt und ihm im Schlussurteil Kosten auferlegt. Auf seine hiergegen gerichtete Berufung hat das Berufungsgericht beide Urteile aufgehoben und die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihr Klagebegehren weiter.

 

Entscheidungsgründe

Rz. 6

Die Revision ist nicht begründet.

I.

Rz. 7

Das Berufungsgericht meint, den Klägern stehe ein Amtshaftungsanspruch gegen den Beklagten aus § 19 Abs. 1 BNotO i.V.m. § 39 Abs. 4 bzw. § 46 BNotO nicht zu. Dem Beklagten sei allerdings eine Amtspflichtverletzung im Zusammenhang mit der Verwahrung der Bürgschaftsurkunde (§ 24 BNotO) vorzuwerfen, weil er die Urkunde ohne eine entsprechende Weisung der Kläger an die Bürgin zurückgegeben habe. Es sei davon auszugehen, dass sie auf die pflichtgemäße Anfrage des Beklagten eine entsprechende Weisung nicht erteilt hätten. Ob ihnen trotz pflichtwidriger Rückgabe der Bürgschaftsurkunde die grundsätzlich mögliche Inanspruchnahme der Bürgin aus der fortbestehenden Bürgschaft zuzumuten sei, könne letztlich dahinstehen. Denn den Klägern sei schon deshalb kein ursächlich auf die Rückgabe der Bürgschaftsurkunde zurückzuführender Schaden entstanden, weil ihre auf Fertigstellung bzw. Mängelbeseitigung gerichteten Ansprüche gegen den Bauträger von der Bürgschaft nach § 7 MaBV nicht umfasst seien.

Rz. 8

Durch eine Bürgschaft nach § 7 MaBV würden Ansprüche des Erwerbers auf Rückgewähr seiner Vorauszahlungen gesichert. Der Erwerber solle einen angemessenen Ausgleich für die von ihm eingegangene Verpflichtung erhalten, die Vergütung für das zu erstellende Werk sofort und nicht entsprechend der gesetzlichen Regelung erst bei der Abnahme (§ 641 BGB) bzw. gem. § 3 Abs. 2 MaBV in Raten nach dem Baufortschritt entrichten zu müssen. Dementsprechend seien nach der Rechtsprechung des BGH die auf Geld gerichteten Mängelansprüche des Erwerbers gegen den Bauträger von der Bürgschaft nach § 7 MaBV in der Höhe umfasst, in der dem Erwerber wegen seiner Vorauszahlungsverpflichtung die Möglichkeit genommen sei, im Hinblick auf das Vorhandensein von Baumängeln einen Teil der Vergütung durch Erhebung der Einrede nach § 320 BGB einzubehalten. Diese Rechtsprechung betreffe indes nur die Vorauszahlungsfälle, in denen unabhängig vom Baufortschritt die Vergütung oder ein Teil davon im Voraus gegen Gestellung der Bürgschaft zu zahlen sei. Sie finde keine Anwendung, wenn, wie hier, die Vergütung nach Baufortschritt entrichtet werden müsse, der Erwerber also keine Vorauszahlungen, sondern lediglich Abschlagszahlungen zu leisten habe. Dann ergäben sich für den Erwerber im Hinblick auf seine Mängelansprüche keine Nachteile, weil er wegen vorhandener Mängel von seinem Leistungsverweigerungsrecht nach § 320 BGB Gebrauch machen und die Vergütung teilweise einbehalten könne. Vor diesem Hintergrund unterscheide sich der Sicherungszweck einer Bürgschaft, welche nur die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 MaBV ersetzen solle, grundlegend von einer solchen, die dem Bauträger abweichend von § 3 Abs. 2 MaBV die Entgegennahme von Zahlungen für (noch) nicht erbrachte Bauleistungen ermögliche. Für den erstgenannten Fall bestehe unter Berücksichtigung des Schutzzwecks der Bürgschaft gem. § 7 MaBV kein Anlass, den Sicherungsumfang der Bürgschaft auf Ansprüche wegen Sachmängeln zu erstrecken.

Rz. 9

Im vorliegenden Fall sei die vertraglich vereinbarte Vergütung entsprechend den Vorgaben des § 3 Abs. 2 MaBV in zwei Raten nach Baufortschritt zu entrichten gewesen. Hinsichtlich der im vertraglich vorgesehenen Fälligkeitszeitpunkt der Bezugsfertigkeit festgestellten Mängel hätten die Kläger einen entsprechenden Teil der Vergütung gem. § 320 BGB einbehalten dürfen. Hierdurch seien sie ausreichend gesichert gewesen. Die Geltendmachung eines mangelbedingten Leistungsverweigerungsrechts sei entgegen der Auffassung des LG durch die zwischen den Klägern und dem Bauträger getroffenen vertraglichen Abreden nicht ausgeschlossen. Abgesehen davon, dass ein solcher Ausschluss gem. § 11 Nr. 2a AGBG (nunmehr § 309 Nr. 2a BGB) unwirksam wäre, habe der Bauträger sich nicht deshalb zur Erbringung der Bürgschaft verpflichtet, um ein Zurückbehaltungsrecht der Kläger auszuschließen, sondern weil er nach den Regelungen der MaBV gewerberechtlich ohne das Vorliegen der Voraussetzungen des § 3 MaBV nicht zur Entgegennahme der ersten Rate der Vergütung berechtigt gewesen wäre.

II.

Rz. 10

Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung stand.

Rz. 11

1. Die Kläger möchten die Einstandspflicht des Beklagten für solche Schäden festgestellt wissen, die ihnen durch eine amtspflichtwidrige Rückgabe der Bürgschaftsurkunde an die Bürgin entstanden sind. Das setzt voraus, dass ihnen gerade durch die Rückgabe der Urkunde die Möglichkeit genommen worden ist, in zumutbarer Weise Ansprüche aus der Bürgschaft gegen die Bürgin durchzusetzen. Nur dann ist ihnen ein Schaden entstanden, der ursächlich auf die geltend gemachte Amtspflichtverletzung zurückzuführen ist. Zu Recht geht das Berufungsgericht davon aus, dass die Kläger einen solchen Schaden nicht erlitten haben. Denn die Inanspruchnahme der Bürgin hätte keinen Erfolg gehabt. Die von der Bürgin übernommene Bürgschaft nach § 7 MaBV umfasst die von den Klägern zur Begründung ihrer Bürgschaftsforderung herangezogenen Ansprüche auf Erstattung der Aufwendungen für die Beseitigung von Baumängeln nicht.

Rz. 12

2. Der Haftungsumfang der von der Bürgin übernommenen Bürgschaft ist durch Auslegung der Bürgschaftserklärung anhand ihres Wortlauts und des Schutzzwecks der Bürgschaft zu bestimmen (BGH, Urt. v. 18.6.2002 - XI ZR 359/01, BGHZ 151, 147 Rz. 19). Der Inhalt der Bürgschaftserklärung ist im Wesentlichen identisch mit dem der Anlage 7 der Musterverwaltungsvorschriften zum Vollzug des § 34c der Gewerbeordnung und der Makler- und Bauträgerverordnung (MaBVwV; abgedruckt bei Marcks, MaBV, 8. Aufl.). Weil deshalb davon auszugehen ist, dass die Bürgschaftserklärung typische, im Kreditgewerbe weithin gebräuchliche Formulierungen enthält, die bundesweit verwendet werden, kann der Senat diese Auslegung selbständig vornehmen (vgl. BGH, Urt. v. 21.1.1993 - VII ZR 221/91, BGHZ 121, 173 [178]).

Rz. 13

a) Der BGH hat sich bereits mehrfach mit Bürgschaftserklärungen befasst, deren Wortlaut im Wesentlichen dem der hier zu beurteilenden entspricht. Er hat dabei stets hervorgehoben, dass nach dem durch den Wortlaut gedeckten Schutzzweck derartiger Bürgschaften gem. § 7 MaBV zu den gesicherten Ansprüchen grundsätzlich auch solche zu zählen sind, die sich aus den auf Mängel gestützten Ansprüchen des Erwerbers gegen den Bauträger ergeben (BGH, Urt. v. 12.4.2007 - VII ZR 50/06, BGHZ 172, 63 Rz. 52; Urt. v. 29.1.2008 - XI ZR 160/07, BGHZ 175, 161 Rz. 17; Urt. v. 18.9.2007 - XI ZR 211/06, BGHZ 173, 366 Rz. 30; Urt. v. 18.6.2002 - XI ZR 359/01, BGHZ 151, 147 [151]; Urt. v. 11.3.2003 - XI ZR 196/02, BauR 2003, 1220; Urt. v. 22.10.2002 - XI ZR 393/01, BauR 2003, 243 = NZBau 2003, 98 = ZfBR 2003, 141; Urt. v. 14.1.1999 - IX ZR 140/98, BauR 1999, 659 = ZfBR 1999, 147). Diesen Entscheidungen lagen Fallkonstellationen zugrunde, in denen der Erwerber nach den vertraglichen Vereinbarungen mit dem Bauträger abweichend vom dispositiven Recht des § 641 Abs. 1 BGB und den Vorgaben des § 3 Abs. 2 MaBV Vorauszahlungen auf den Erwerbspreis zu erbringen hatte, ohne dass Bauleistungen erbracht worden waren. Dann entspricht es dem Zweck einer Bürgschaft gem. § 7 MaBV, die in den vertraglichen Abreden zwischen Erwerber und Bauträger angelegten Störungen des Gleichgewichts zwischen den (Voraus-) Zahlungen des Erwerbers und den Leistungen des Bauträgers umfassend aufzufangen und das entsprechende Vorauszahlungsrisiko des Erwerbers abzusichern (BGH, Urt. v. 29.1.2008 - XI ZR 160/07, BGHZ 175, 161 Rz. 16; Urt. v. 12.4.2007 - VII ZR 50/06, BGHZ 172, 63 Rz. 56).

Rz. 14

Dieser Zweck würde verfehlt, wenn der Sicherungsumfang der Bürgschaft auf solche Ansprüche beschränkt bliebe, die unmittelbar auf Rückgewähr bereits geleisteter Zahlungen gerichtet sind. Denn durch die Verpflichtung, Vorauszahlungen ohne entsprechenden Gegenwert erbringen zu müssen, ist dem Erwerber beim Auftreten von Mängeln die Möglichkeit genommen, den gem. § 3 Abs. 2 MaBV am Baufortschritt ausgerichteten Zahlungen sein gesetzliches Leistungsverweigerungsrecht gem. § 320 BGB entgegenzuhalten oder mit Ansprüchen auf Erstattung der Mängelbeseitigungskosten aufzurechnen (BGH, Urt. v. 18.6.2002 - XI ZR 359/01, BGHZ 151, 147 [152]; Urt. v. 14.1.1999 - IX ZR 140/98, BauR 1999, 659 [661] = ZfBR 1999, 147; Urt. v. 22.10.2002 - XI ZR 393/01, BauR 2003, 243 [244] = NZBau 2003, 98 = ZfBR 2003, 141). Er ist dann darauf angewiesen, diese Kosten beim Bauträger beizutreiben und muss sie im Falle einer Insolvenz des Bauträgers zusätzlich zum Erwerbspreis selber tragen. Vor diesem Hintergrund hat der BGH Bürgschaften gem. § 7 Abs. 1 MaBV allgemein als Vorauszahlungsbürgschaften angesehen, die sicherstellen sollen, dass der Erwerber bei einem Scheitern oder einer nicht vollständigen oder nicht ordnungsgemäßen Vertragsdurchführung seine nicht durch entsprechende Leistungen und damit Vergütungsansprüche des Bauträgers verbrauchten Vorauszahlungen zurückerhält (BGH, Urt. v. 29.1.2008 - XI ZR 160/07, BGHZ 175, 161 Rz. 16; vgl. auch BGH, Urt. v. 18.6.2002 - XI ZR 359/01, BGHZ 151, 147 [153]; Urt. v. 2.5.2002 - VII ZR 178/01, BauR 2002, 1390 [1391] = NZBau 2002, 499 = ZfBR 2002, 671).

Rz. 15

b) Der im Rahmen der Auslegung der Bürgschaftserklärung zu berücksichtigende Zweck der hier hingegebenen Bürgschaft gem. § 7 MaBV entspricht nicht dem, den der BGH bei der Entwicklung jener Grundsätze, an denen trotz kritischer Stimmen in der Literatur (vgl. Basty, DNotZ 2002, 567; Kanzleiter, DNotZ 2002, 819, jeweils m.w.N.) festzuhalten ist, zugrunde gelegt hat. Er wird entscheidend durch die vertraglichen Vereinbarungen in Abschnitt VII. des notariellen Vertrages vom 28.10.1999 beeinflusst, auf den die Bürgschaftserklärung Bezug nimmt und auf dessen Inhalt deshalb für die Bestimmung des Bürgschaftszwecks abzustellen ist (vgl. BGH, Urt. v. 14.1.1999 - IX ZR 140/98, BauR 1999, 659 [661] = ZfBR 1999, 147).

Rz. 16

Nach den in Abschnitt VII. unter Ziff. 1. des Vertrages getroffenen Regelungen sollten die Kläger die vertragliche Vergütung in Übereinstimmung mit den Vorgaben des § 3 Abs. 2 MaBV nach Baufortschritt entrichten, und zwar 96,5 % des Erwerbspreises bei sachverständig attestierter Bezugsfertigkeit des Kerngrundstückes und Fertigstellung der Fassadenarbeiten sowie die restlichen 3,5 % binnen 14 Tagen nach der Mitteilung des Notars über die vollständige Fertigstellung des Bauvorhabens. Darüber hinaus sollte die Fälligkeit der ersten Rate von den unter Ziff. 1. lit. b)-d) genannten Voraussetzungen (Eintragung einer Auflassungsvormerkung, Sicherung der Lastenfreiheit, Vorliegen sämtlicher zum Vollzug des Vertrages erforderlicher Genehmigungen) abhängen, die den in § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2-4 MaBV genannten entsprechen. Die Bürgschaft war nur für den Fall vorgesehen, dass der Baufortschritt für die erste Rate erreicht war, jedoch die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2-4 MaBV noch nicht vorlagen, und sollte mit Eintritt dieser Voraussetzungen zugleich zurückgegeben werden.

Rz. 17

Eine Verpflichtung, abweichend von § 3 Abs. 2 MaBV Vorauszahlungen auf nicht erbrachte Bauleistungen erbringen zu müssen, ergibt sich aus dem Vertrag nicht. Folglich entspricht es vorliegend auch nicht dem Zweck der Bürgschaft, die sich aus solchen Vorauszahlungen für den Erwerber ergebenden Risiken abzusichern.

Rz. 18

c) Der BGH hat bisher nicht entschieden, ob Mängelansprüche des Erwerbers auch dann durch eine Bürgschaft nach § 7 MaBV gesichert sind, wenn der Hingabe der Bürgschaft eine Vorauszahlungsvereinbarung, wie sie hier getroffen worden ist, zugrunde liegt. Das ist zu verneinen (im Ergebnis ebenso: Basty, Der Bauträgervertrag, 6. Aufl., Rz. 610; ders. in DNotZ 2002, 567 [570 f.], jeweils m.w.N; Kanzleiter DNotZ 2002, 819; a.A. Riemenschneider, ZfIR 2002, 949, 955 f.).

Rz. 19

aa) Entscheidender Gesichtspunkt für die Einbeziehung von Mängelansprüchen in den Haftungsumfang einer Bürgschaft nach § 7 MaBV ist das berechtigte Interesse des Erwerbers, von den Risiken freigestellt zu werden, die sich aus seiner vertraglich übernommenen Verpflichtung ergeben, unter Abweichung von § 3 Abs. 2 MaBV Zahlungen an den Bauträger leisten zu müssen, ohne dass diesen Zahlungen ein entsprechender, in der vertragsgerecht erbrachten Bauleistung repräsentierter Gegenwert gegenüber steht. Solche Vorleistungen dürfen ihm gem. § 7 Abs. 1 Satz 1 MaBV nur abverlangt werden, wenn der Bauträger eine Sicherheit stellt, die geeignet ist, das dem Erwerber aufgebürdete Vorleistungsrisiko angemessen auszugleichen. Gegenstand des so verstandenen Sicherungsinteresses des Erwerbers sind insb. seine auf Geldleistungen gerichteten Mängelansprüche, mit denen er andernfalls im Falle einer Insolvenz des Bauträgers ausfallen würde.

Rz. 20

Dieses Sicherungsinteresse besteht nicht, wenn der Erwerber, wie hier, die Vergütung entsprechend § 3 Abs. 2 MaBV nach Baufortschritt entrichten muss. Der BGH hat bereits darauf hingewiesen, dass eine Bürgschaft nach § 7 MaBV keine späteren Ansprüche des Erwerbers auf Ersatz von Aufwendungen für Mängelbeseitigung sichert, wenn er das Werk vom Unternehmer als mangelfrei abgenommen hat. Dann besteht kein Bedürfnis für eine Sicherung der Mängelansprüche mehr, weil der Erwerber, der die vorbehaltlose Abnahme der Bauleistung erklärt hat, auch nach der gesetzlichen Regelung oder nach § 3 MaBV verpflichtet wäre, den gesamten Erwerbspreis zu zahlen (BGH, Urt. v. 22.10.2002 - XI ZR 393/01, BauR 2003, 243 [245] = NZBau 2003, 98 = ZfBR 2003, 141). Entsprechendes gilt, wenn der Erwerber den Erwerbspreis gem. § 3 Abs. 2 MaBV in Raten nach Baufortschritt zu entrichten hat. Sind in einem solchen Fall die Bauleistungen, deren Bezahlung der Bauträger verlangt, mit Mängeln behaftet, so kann er in Ausübung seines gesetzlichen Leistungsverweigerungsrechts gem. § 320 BGB einen entsprechenden Teil der Vergütung einbehalten und ggf. mit Schadensersatzansprüchen aufrechnen, die sich aus der mangelhaften Erbringung der Bauleistung ergeben. Die Bereitstellung einer zusätzlichen, die verbleibenden Mängelrisiken betreffenden Gewährleistungssicherheit ist in dem sich aus §§ 3 Abs. 2, 7 Abs. 1 MaBV ergebenden Regelungssystem nicht vorgesehen.

Rz. 21

bb) Eine solche weitergehende Sicherheit wird nicht dadurch geschaffen, dass der Erwerber, wie hier, eine Bürgschaft nach § 7 MaBV erhält, mit der bestimmungsgemäß lediglich die Voraussetzungen nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2-4 MaBV ersetzt werden, unter denen der Bauträger Zahlungen entgegen nehmen darf.

Rz. 22

(1) Durch die dahingehenden Vereinbarungen in Abschnitt VII. Ziff. 1., Ziff. 2. Satz 1 des Vertrages sind die Kläger nicht gehindert gewesen, einen Teil der ersten Rate wegen der zu diesem Zeitpunkt festgestellten Baumängel gem. § 320 BGB einzubehalten. Ein Ausschluss dieses gesetzlichen Leistungsverweigerungsrechts ist den vertraglichen Vereinbarungen entgegen der von der Revision aufgegriffenen Auffassung des LG nicht zu entnehmen. Er findet insb. keinen Anklang in der Sicherungsabrede in Abschnitt VII. Ziff. 2. Satz 1 des Vertrages. Danach sollte die Fälligkeit der ersten Rate unabhängig von der Gestellung einer Bürgschaft in jedem Fall nicht vor dem Zeitpunkt eintreten, in dem der Sachverständige die Bezugsfertigkeit des Kerngrundstückes bestätigt hatte und die Fassadenarbeiten erbracht waren. Dass der Bauträger, wie es § 7 Abs. 1 Satz 1 MaBV zulässt, die unter Ziff. 1b) bis d) niedergelegten Fälligkeitsvoraussetzungen durch Gestellung einer Bürgschaft ersetzen durfte, steht in keinem erkennbaren Zusammenhang mit der Beschaffenheit des Bauobjekts und der am Bautenstand orientierten Fälligkeitsvoraussetzung. Folglich spricht nichts dafür, dass die Vertragsparteien durch die unzweifelhaft nicht auf die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 MaBV bezogene Sicherungsabrede das den Erwerbern wegen Baumängeln zustehende Leistungsverweigerungsrecht nach § 320 BGB beschränken oder gar ausschließen wollten.

Rz. 23

(2) Der Sicherungszweck einer Bürgschaft nach § 7 MaBV, mit der die Voraussetzungen für die Entgegennahme von Zahlungen nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2-4 MaBV ersetzt werden sollen, reicht nicht weiter als derjenige, der sich aus § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2-4 MaBV ergibt. Ausgeglichen werden sollen demnach nur diejenigen Risiken, die den Erwerb des unbelasteten Eigentums am Baugrundstück sowie die Beschaffung der für die Durchführung des Vertrages erforderlichen Genehmigungen, insb. der Baugenehmigung, betreffen. Scheitert die Vertragsdurchführung an einer dieser Voraussetzungen, sichert die Bürgschaft alle sich hieraus ergebenden Rückzahlungsansprüche des Erwerbers, ohne dass es dabei auf die Ausführung der Bauleistung und ihre Beschaffenheit ankommt. Weil demnach kein Zusammenhang zwischen eventuellen Ansprüchen des Erwerbers wegen Mängeln des Bauobjekts und dem Sicherungszweck einer Bürgschaft besteht, mit der nur die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2-4 MaBV ersetzt werden sollen, können auch die Vereinbarungen in Abschnitt VII. Ziff. 3. des notariellen Vertrages zum Sicherungsumfang der Bürgschaft und die darauf beruhende Bürgschaftserklärung nur in diesem Sinne verstanden werden.

Rz. 24

3. An dieser Auslegung ändert sich nichts durch die erstmalig in der mündlichen Revisionsverhandlung erhobene Behauptung, die Bürgschaft sei bereits vor Bezugsfertigkeit übergeben worden und die Kläger hätten gleichzeitig bereits den auf die Bezugsfertigkeit bezogenen Teil des Erwerbspreises bezahlt. Dabei kommt es nicht darauf an, dass das Berufungsgericht von einer Zahlung im Zeitpunkt der Bezugsfertigkeit ausgeht und eine Verfahrensrüge dagegen nicht erhoben worden ist, denn an dem Verständnis der Bürgschaftserklärung ändert sich ohne eine Abänderung des mit der Bürgschaft verfolgten Sicherungszwecks unter Einbeziehung des Bürgen nichts.

Rz. 25

4. Keiner Klärung bedarf, ob die zur Sicherung vereinbarten Regelungen im Bauträgervertrag unwirksam sind, wie die Revision geltend macht. Denn die Auslegung der Bürgschaftserklärung bleibt grundsätzlich davon unbeeinflusst (BGH, Urt. v. 6.5.2003 - XI ZR 33/02, BauR 2003, 1383 = ZfBR 2003, 758; Urt. v. 14.1.1999 - IX ZR 140/98, BauR 1999, 659 = ZfBR 1999, 518).

III.

Rz. 26

Die Kostenentscheidung ergeht gem. § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2598297

BGHZ 2011, 8

NJW 2011, 1347

NJW 2011, 6

BauR 2011, 510

EBE/BGH 2011

DNotI-Report 2011, 20

EWiR 2011, 197

IBR 2011, 88

JR 2012, 75

NZM 2011, 128

WM 2011, 215

WuB 2011, 241

ZIP 2011, 335

ZIP 2011, 6

ZfIR 2011, 239

DNotZ 2011, 351

MDR 2011, 154

NJ 2011, 7

NJ 2012, 71

VersR 2011, 809

ZfBR 2011, 243

BauSV 2011, 74

GWR 2011, 35

NJW-Spezial 2011, 45

NZBau 2011, 233

NotBZ 2011, 172

ZGS 2011, 105

ZNotP 2011, 64

BBB 2011, 60

BBB 2011, 61

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