Leitsatz (amtlich)
a) Alleinige Inhaberin des Anspruchs auf Zahlung des Wohngeldes ist die Wohnungseigentümergemeinschaft.
b) Erfüllt ein Wohnungseigentümer seine Verpflichtung zur Zahlung des Wohngelds nicht, kommen gegen ihn nur Schadensersatzansprüche der Wohnungseigentümergemeinschaft, nicht aber der einzelnen Wohnungseigentümer in Betracht.
Normenkette
BGB § 280 Abs. 1; WEG § 21 Abs. 4, § 28 Abs. 2, 5
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Urteil vom 15.06.2016; Aktenzeichen 5 S 61/15) |
AG Saarbrücken (Urteil vom 22.05.2015; Aktenzeichen 42 C 252/10 (10)) |
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil der 5. Zivilkammer des LG Saarbrücken vom 15.6.2016 aufgehoben.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des AG Saarbrücken vom 22.5.2015 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Rechtsmittelverfahren trägt der Kläger.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Parteien sind Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Wohngeldschulden des Beklagten aus der von den Wohnungseigentümern genehmigten Jahresabrechnung 2009 und aus den ebenfalls genehmigten Wirtschaftsplänen 2010 und 2011 betrugen 14.341,68 EUR. Weil die Verwaltervergütung nicht gezahlt worden war, legte die Verwalterin der Wohnungseigentümergemeinschaft ihr Amt zum 31.12.2011 nieder. Der Rückstand für die Lieferung des Allgemeinstroms belief sich für das Jahr 2012 auf 443 EUR. Zur Abwendung der angekündigten Sperrung der Wasserversorgung verhandelte der Kläger mit dem Versorgungsunternehmen und erreichte eine Stundung der rückständigen Wasserkosten um 50 % mit der Folge, dass der Wasserversorger gegen Zahlung von 2.197,22 EUR bereit war, von der Sperre der Wasserversorgung abzusehen. Die von dem Kläger daraufhin unter den Wohnungseigentümern durchgeführte Sammlung, an der sich der Beklagte mit einem Betrag von 315 EUR beteiligte, erbrachte lediglich einen Gesamtbetrag von 1.260 EUR. Der Kläger überwies den Betrag am 26.3.2012 an den Wasserversorger. Vor April 2012 stellten die Versorgungsunternehmen die Lieferung von Allgemeinstrom und Wasser wegen Zahlungsrückständen der Wohnungseigentümergemeinschaft ein.
Rz. 2
Der Kläger, der seine Eigentumswohnung vermietet hatte, verlangt von dem Beklagten gestützt auf die Behauptung, ihm seien im Zeitraum April 2012 bis August 2012 wegen der Sperrung der Wasserversorgung Mieteinnahmen von 1.300 EUR entgangen, Schadensersatz in entsprechender Höhe. Das AG hat die Klage abgewiesen, das LG hat ihr auf die Berufung des Klägers stattgegeben. Hiergegen wendet sich der Beklagte mit der von dem LG zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Kläger beantragt.
Entscheidungsgründe
I.
Rz. 3
Das Berufungsgericht meint, der Beklagte habe dadurch, dass er die von ihm geschuldeten Wohngelder nicht entrichtet habe, seine Pflicht zur Mitwirkung an einer ordnungsmäßigen Verwaltung verletzt und sei dem Kläger deshalb schadensersatzpflichtig. Zwischen den Wohnungseigentümern bestehe ein gesetzliches Schuldverhältnis, aus dem diese verpflichtet seien, zur ordnungsgemäßen Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums zusammenzuwirken. Diese Verpflichtung umfasse auch die Zahlung der zur Finanzierung der gemeinschaftlichen Aufwendungen erforderlichen Wohngelder. Die Pflichtverletzung des Beklagten habe den geltend gemachten Schaden des Klägers auch verursacht. Hätte der Beklagte seine Wohngeldschuld von über 14.000 EUR auf das damals noch bestehende Girokonto der Wohnungseigentümergemeinschaft überwiesen, wäre die Sperrung des Allgemeinstroms und der Wasserversorgung unterblieben, so dass davon auszugehen sei, dass der Mieter des Klägers keinen Grund zur Minderung des Mietzinses gehabt hätte.
II.
Rz. 4
Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Ein Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 und 2 BGB i.V.m. § 286 BGB - der einzigen ernsthaft in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage - setzt voraus, dass der Beklagte durch die Nichtzahlung der Wohngelder eine Pflicht gegenüber dem Kläger verletzt hat. Dies ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht der Fall.
Rz. 5
1. Der Kläger hat(te) gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung der Rückstände i.H.v. 14.341,68 EUR an die Wohnungseigentümergemeinschaft. Hiervon geht - wenn auch unausgesprochen - das Berufungsgericht zutreffend aus.
Rz. 6
a) Haben die Wohnungseigentümer - wie hier für die Jahre 2010 und 2011 - einen Wirtschaftsplan beschlossen (§ 28 Abs. 5 WEG), sind sie gem. § 28 Abs. 2 WEG verpflichtet, nach Abruf des Verwalters dem Wirtschaftsplan entsprechende Vorschüsse zu leisten. Mit einer solchen Beschlussfassung entsteht die konkrete Beitragspflicht der Wohnungseigentümer. Eine weitere Zahlungspflicht entsteht durch den Beschluss über die Jahresabrechnung - hier für das Abrechnungsjahr 2009 -, soweit der in der Einzelabrechnung ausgewiesene Betrag die im Einzelwirtschaftsplan für das abgelaufene Jahr beschlossenen Sollvorschüsse übersteigt (sog. Abrechnungsspitze, vgl. BGH, Urt. v. 1.6.2012 - V ZR 171/11, NJW 2012, 2797 Rz. 20, 23).
Rz. 7
b) Der Anspruch auf Zahlung dieses sog. Haus- oder Wohngeldes steht jedoch nicht den einzelnen Wohnungseigentümern zu. Vielmehr ist alleinige Inhaberin dieses Anspruchs die Wohnungseigentümergemeinschaft; der Anspruch ist Teil des Verwaltungsvermögens des teilrechtsfähigen Verbands (vgl. § 10 Abs. 7 Satz 1 und Satz 3). Dass die Vorschuss- bzw. Nachschusspflicht nur gegenüber der rechtsfähigen Gemeinschaft besteht, hat der Senat bereits vor der Reform des Wohnungseigentumsrechts entschieden (Beschl. v. 2.6.2005 - V ZB 32/05, BGHZ 163, 154, 174 f.). Hieran hat sich nach der Anerkennung der Teilrechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft durch den Gesetzgeber in § 10 Abs. 6 Satz 1 und 2 WEG nichts geändert (vgl. BT-Drucks. 16/3843, 24; BGH, Beschl. v. 11.12.2015 - V ZB 103/14, NZM 2016, 446 Rz. 4).
Rz. 8
c) Der Senat hat ebenfalls bereits entschieden, dass der einzelne Wohnungseigentümer nicht nach den Grundsätzen der gesellschaftsrechtlichen actio pro socio zur Geltendmachung der Wohngelder im eigenen Namen befugt ist (Beschl. v. 20.4.1990 - V ZB 1/90, BGHZ 111, 148, 152).
Rz. 9
2. Durch die Nichtzahlung der Wohngelder hat der Beklagte auch nicht seine Pflichten aus dem zwischen den Wohnungseigentümern bestehenden gesetzlichen Schuldverhältnis verletzt. Die gegenteilige Auffassung des Berufungsgerichts ist rechtsfehlerhaft.
Rz. 10
a) Zutreffend ist allerdings sein rechtlicher Ausgangspunkt. Unter allen Wohnungseigentümern besteht ein gesetzliches Schuldverhältnis, aus dem u.a. die Pflicht des einzelnen Wohnungseigentümers erwächst, an einer ordnungsmäßigen Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums mitzuwirken. Sie korrespondiert mit dem Anspruch der anderen Wohnungseigentümer aus § 21 Abs. 4 WEG auf eine ordnungsgemäße Verwaltung (BGH, Urt. v. 22.4.1999 - V ZB 28/98, BGHZ 141, 224, 228). Da die interne Willensbildung des Verbands den Wohnungseigentümern obliegt, ist eine auf § 21 Abs. 4 WEG gestützte Klage gegen die übrigen Wohnungseigentümer zu richten, wenn deren Mitwirkung an einer ordnungsmäßigen Verwaltung verlangt wird. Entspricht - ausnahmsweise - nur die sofortige Vornahme einer bestimmten Maßnahme ordnungsmäßiger Verwaltung und wird diese von einem Wohnungseigentümer gem. § 21 Abs. 4 WEG verlangt, der anderenfalls Schäden an seinem Sondereigentum erleidet, ergibt sich die Mitwirkungspflicht der übrigen Wohnungseigentümer aus der gegenseitigen Treuepflicht. Diejenigen Wohnungseigentümer, die schuldhaft entweder untätig geblieben sind oder gegen die erforderliche Maßnahme gestimmt bzw. sich enthalten haben, sind unter den Voraussetzungen von § 280 Abs. 1 und 2 BGB i.V.m. § 286 BGB zum Schadensersatz verpflichtet (BGH, Urt. v. 17.10.2014 - V ZR 9/14, BGHZ 202, 375 Rz. 21).
Rz. 11
b) Zu der Treuepflicht, die zwischen allen Wohnungseigentümern besteht, gehört auch die Pflicht, Beschlüsse zu fassen, die dem Verband die finanzielle Grundlage zur Begleichung der laufenden Verpflichtungen verschaffen. Dies betrifft insb. die Beschlussfassung über einen entsprechenden Wirtschaftsplan, seine Ergänzung (Sonderumlage) und die Jahresabrechnung (vgl. BGH, Beschl. v. 2.6.2005 - V ZB 32/05, BGHZ 163, 154, 175).
Rz. 12
c) Um die Verletzung einer solchen Mitwirkungspflicht der Wohnungseigentümer im Rahmen der internen Willensbildung des Verbands geht es hier jedoch nicht. Vielmehr haben die Wohnungseigentümer entsprechende Beschlüsse über die Jahresabrechnung 2009 und die Wirtschaftspläne 2010 und 2011 gefasst. Nach der von dem Wohnungseigentumsgesetz in §§ 10 Abs. 7 Satz 3, 16 Abs. 2 und § 28 Abs. 2 und 5 WEG angeordneten Kompetenzverteilung hat - wie oben ausgeführt - mit entsprechender Beschlussfassung ausschließlich der Verband einen Anspruch auf Zahlung der Wohngelder. Der Verband, vertreten durch den Verwalter oder durch alle übrigen oder einzelne Wohnungseigentümer (§ 27 Abs. 3 Satz 2 und 3 WEG), hat für die Einziehung der Gelder zu sorgen. Nur gegenüber dem Verband besteht demgemäß auch eine Zahlungsverpflichtung der einzelnen Wohnungseigentümer.
Rz. 13
d) Mit dieser von dem Gesetz vorgesehenen Kompetenzverteilung zwischen Verband und Wohnungseigentümern wäre es unvereinbar, wenn die Pflicht zur Zahlung des Wohngeldes als Bestandteil der gegenseitigen Treuepflicht der Wohnungseigentümer - sei es als Hauptpflicht oder als Nebenpflicht - qualifiziert würde und die Nichtzahlung Schadensersatzansprüche nicht nur des Verbandes, sondern auch der einzelnen Wohnungseigentümer zur Folge haben könnte. Dass (auch) diese ein Interesse an der rechtzeitigen Erfüllung der Wohngeldforderungen haben, vermag die mit einer Schadensersatzverpflichtung verbundene - in größeren Wohnungseigentümergemeinschaften u.U. unkalkulierbare - Haftungserweiterung des säumigen Wohnungseigentümers nicht zu rechtfertigen.
Rz. 14
3. Auf die Grundsätze der sog. Drittschadensliquidation kann sich der Kläger entgegen der von seinem Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vertretenen Auffassung nicht berufen. Für deren Zulassung ist der Gesichtspunkt maßgebend, dass der Schädiger keinen Vorteil daraus ziehen soll, wenn ein Schaden, der eigentlich bei dem Vertragspartner eintreten müsste, zufällig aufgrund eines zu dem Dritten bestehenden Rechtsverhältnisses auf diesen verlagert ist (vgl. BGH, Urt. v. 14.1.2016 - VII ZR 271/14, NJW 2016, 1089 Rz. 27; Urt. v. 11.2.1983 - V ZR 300/81, WM 1983, 416, 417). An einer solch zufälligen Schadensverlagerung fehlt es. Erfüllt ein Wohnungseigentümer seine Verpflichtung zur Zahlung des Wohngelds nicht, kommen gegen ihn von vornherein nur Schadensersatzansprüche der Wohnungseigentümergemeinschaft, nicht aber der einzelnen Wohnungseigentümer in Betracht. Erleidet ein Wohnungseigentümer aufgrund einer Versorgungssperre einen Schaden und beruht dies auf der schuldhaft unterbliebenen oder verspäteten Durchsetzung der beschlossenen Wohngeldansprüche, kann ihm allerdings ein Schadensersatzanspruch gegen den Verband zustehen (vgl. BGH, Urt. v. 13.7.2012 - V ZR 94/11, NJW 2012, 2955 Rz. 17 ff. zu der unterbliebenen Umsetzung eines bereits gefassten Sanierungsbeschlusses; zur dogmatischen Begründung s. BGH, Beschl. v. 17.10.2014 - V ZR 9/14, BGHZ 202, 375 Rz. 25).
Rz. 15
In der Regel wird es zu einer Versorgungssperre allerdings nicht kommen. Entsteht infolge von Zahlungsausfällen eine Deckungslücke in einer Höhe, dass - wie hier - eine Versorgungssperre droht, muss der Verwalter dafür sorgen, dass eine Änderung des laufenden Wirtschaftsplans beschlossen und auf diese Weise die Pflicht zur Zahlung weiterer Beträge gem. § 28 Abs. 2 WEG begründet wird, um die Deckungslücke zu schließen (sog. Sonderumlage, vgl. hierzu BGH, Beschl. v. 15.6.1989 - V ZB 22/88, BGHZ 108, 44, 47). Ist - wie hier - kein Verwalter bestellt, kann der einzelne Wohnungseigentümer eine solche Beschlussfassung auf der Grundlage seines Anspruchs aus § 21 Abs. 4 WEG erzwingen.
III.
Rz. 16
Das Berufungsurteil kann danach keinen Bestand haben. Der Senat hat in der Sache selbst zu entscheiden, weil es keiner weiteren Feststellungen be-
Rz. 17
darf und die Sache zur Entscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Das führt zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Rz. 18
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.
Fundstellen