Zweitbeschluss über Hausgeldvorschüsse ist zulässig
Hintergrund: Zweitbeschlüsse über Vorschüsse nach Wirtschaftsplan
Die Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft hatten in den Eigentümerversammlungen der Jahre 2015 bis 2018 unter anderem die Wirtschaftspläne für die Jahre 2016 bis 2018 beschlossen. Zu diesen Versammlungen war die Eigentümerin von 44 Tiefgaragenstellplätzen nicht geladen worden. Sie hielt die Beschlüsse über die Wirtschaftspläne daher für nichtig und zahlte die Hausgelder nicht. Daraufhin klagte die Gemeinschaft auf Zahlung. Der Rechtsstreit endete mit einem Vergleich. Im Jahr 2021 verkaufte die Eigentümerin einen der Stellplätze.
In einer Eigentümerversammlung im Jahr 2022 fassten die Eigentümer folgenden Beschluss:
"Die Eigentümer genehmigen die Vorschüsse auf die Kosten und die Rücklage auf Grund des vom Verwalter erstellten Wirtschaftsplanes für das Jahr 2016 mit Druckdatum vom 17.05.2022. Noch offene Forderungen auf die beschlossenen Vorschüsse werden zur sofortigen Zahlung in voller Höhe fällig gestellt. Bereits geleistete Zahlungen werden in voller Höhe auf die Vorschüsse für das Jahr 2016 verrechnet."
Gleichlautende Beschlüsse wurden in derselben Versammlung für die Jahre 2017 und 2018 gefasst.
Die Eigentümerin der Stellplätze und die Erwerberin des verkauften Stellplatzes haben gegen diese Beschlüsse Anfechtungsklage erhoben. Sie meinen, die Eigentümergemeinschaft habe keine Beschlusskompetenz für Zweitbeschlüsse über die Wirtschaftspläne und könne nachträglich keine Vorschusspflichten begründen.
Entscheidung: Zweitbeschlüsse sind möglich
Die Anfechtungsklage hat keinen Erfolg. Wohnungseigentümer haben die Kompetenz, auch nach Ablauf des Wirtschaftsjahres Zweitbeschlüsse über Vorschüsse zu fassen.
Die für die Entscheidung über Vorschüsse nach Wirtschaftsplan erforderliche Beschlusskompetenz ergibt sich aus § 28 Abs. 1 WEG, und zwar sowohl für Erst- als auch für Zweitbeschlüsse.
Wohnungseigentümer sind grundsätzlich befugt, erneut über bereits geregelte gemeinschaftliche Angelegenheiten zu beschließen, unabhängig von den Gründen für eine erneute Beschlussfassung. Diese autonome Beschlusszuständigkeit setzt allerdings eine bestehende Beschlusskompetenz voraus, die nur in Angelegenheiten gegeben ist, über die nach dem Wohnungseigentumsgesetz oder einer Vereinbarung per Beschluss entschieden werden darf. Eine gesetzliche oder vereinbarte Beschlusskompetenz umfasst sowohl die erste Beschlussfassung als auch erneute Beschlussfassungen über die bereits geregelte Angelegenheit.
Zweitbeschluss muss ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen
Ob mehrfach über dieselbe Angelegenheit entschieden werden darf, ist keine Frage der Beschlusskompetenz, sondern betrifft die ordnungsgemäße Verwaltung.
Für die vor der WEG-Reform geltende Rechtslage hatte der BGH entschieden, dass der Wirtschaftsplan nach der Beschlussfassung über die Jahresabrechnung in einem folgenden Wirtschaftsjahr durch einen bestätigenden Zweitbeschluss ersetzt werden kann, wenn Zweifel an seiner Wirksamkeit bestehen. Allerdings sollte ein wegen eines materiellen Beschlussmangels für ungültig erklärter Beschluss nur dann erneut gefasst werden können, wenn der Beschlussmangel behoben worden ist oder sich die tatsächlichen oder rechtlichen Umstände geändert haben. Diese Einschränkung gilt auch nach der WEG-Reform.
WEG-Reform lässt Beschlusskompetenz nicht entfallen
An der Beschlusskompetenz für einen Zweitbeschluss über die Vorschüsse aufgrund des Wirtschaftsplans hat sich durch die WEG-Reform nichts geändert. Zwar ist nicht mehr der Wirtschaftsplan selbst Gegenstand der Beschlussfassung, sondern nur noch die Vorschüsse. Inhaltliche Änderungen, die einer Beibehaltung der bisherigen Rechtsprechung entgegenstehen, sind mit der Neufassung des Gesetzes aber nicht verbunden. Nach altem Recht gehörten zum Wirtschaftsplan die Einzelwirtschaftspläne, aus denen sich die Vorschüsse der einzelnen Eigentümer ergeben. Dem entspricht nach neuem Recht in § 28 Abs. 1 Satz 1 WEG die Festlegung der Vorschüsse auf der Grundlage des Wirtschaftsplans.
Beschlusskompetenz bleibt trotz Eigentümerwechsels bestehen
Die Beschlusskompetenz für einen Zweitbeschluss über die Vorschüsse nach dem Wirtschaftsplan ist auch nicht durch den zwischenzeitlichen Eigentümerwechsel entfallen.
Zwar haftet ein rechtsgeschäftlicher Erwerber eines Wohnungseigentums nicht schon von Gesetzes wegen für die Hausgeldrückstände seines Rechtsvorgängers. Eine Haftung kann auch nicht durch Mehrheitsbeschluss, sondern nur durch Vereinbarung begründet werden.
Hier geht es jedoch nicht darum, durch die angefochtenen Zweitbeschlüsse eine Haftung für rückständige Hausgeldzahlungen eines Rechtsvorgängers zu begründen. Vielmehr wurden die Vorschusspflichten auf Grundlage der Wirtschaftspläne der Jahre 2016 bis 2018 insgesamt neu beschlossen. Das erlaubt § 28 Abs. 1 WEG. Eine etwaige Erwerberhaftung ist lediglich mittelbare Folge des Zweitbeschlusses.
Landgericht muss erneut prüfen
Das Landgericht, an das der BGH die Sache zurückverwiesen hat, muss nun prüfen, ob berechtigte Zweifel an der Wirksamkeit der Erstbeschlüsse bestanden und ob die angefochtenen Zweitbeschlüsse ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen.
(BGH, Urteil v. 20.9.2024, V ZR 235/23)
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