Entscheidungsstichwort (Thema)
Privathaftpflichtversicherung. Risikoausschluss für gefährliche Berufe. Beweislast beim Versicherer. Haftung für relevanten Fremdschaden
Leitsatz (amtlich)
a) Soweit Nr. 1 der Risikobeschreibungen, Erläuterungen und Besonderen Bedingungen (BBR) für die Privathaftpflichtversicherung die Gefahren eines Berufes vom Versicherungsschutz ausnimmt, handelt es sich um einen Ausschlusstatbestand, dessen Voraussetzungen der Versicherer darzulegen und zu beweisen hat.
b) Der Risikoausschluss der ungewöhnlichen und gefährlichen Beschäftigung in Nr. 1 der BBR setzt voraus, dass die schadenstiftende Handlung im Rahmen einer allgemeinen Betätigung erfolgt, die ihrerseits ungewöhnlich und gefährlich ist. Das ist nur dann der Fall, wenn sich das Risiko für einen in der Haftpflichtversicherung allein relevanten Fremdschaden erhöht, für den der Versicherungsnehmer haften müsste.
Normenkette
BBR Nr. 1
Verfahrensgang
OLG Frankfurt am Main (Urteil vom 12.06.2003) |
LG Frankfurt am Main |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des OLG Frankfurt am Main v. 12.6.2003 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger begehrt wegen eines Tauchunfalls von der Beklagten Deckungsschutz aus einer Privathaftpflichtversicherung.
Dem zwischen den Parteien geschlossenen Versicherungsvertrag liegen "Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHB)" der Beklagten sowie deren "Risikobeschreibungen, Erläuterungen und Besondere Bedingungen zum Versicherungsschein/Nachtrag" (BBR) zu Grunde. Unter Nr. 1.1 der BBR ist bestimmt:
"Versichert ist im Rahmen der AHB --
die gesetzliche Haftpflicht des Versicherungsnehmers als
Privatperson
aus den Gefahren des täglichen Lebens - mit Ausnahme der Gefahren eines Betriebes, Berufes, Dienstes, Amtes (auch Ehrenamtes), einer verantwortlichen Betätigung in Vereinigungen aller Art oder einer ungewöhnlichen und gefährlichen Beschäftigung - ..."
Der Kläger war bis 1997 als Krankenpfleger tätig. Ab Oktober 1998 arbeitete er als Praxishilfe in der Krankengymnastikpraxis seiner Lebensgefährtin; seit 2001 ist er wieder in einem Krankenhaus beschäftigt.
Er betrieb eine besondere Form des Tauchsports, nämlich das Apnoe-Tieftauchen (Freitauchen ohne Sauerstoffgerät). Bei den Tauchgängen lässt sich der Taucher von einem an einem sog. Grundseil geführten, bleibeschwerten Schlitten in die Tiefe ziehen.
Am 14.8.1999 wollte der Kläger im Bodensee einen Tiefenweltrekord über 90m aufstellen. Als einer von mehreren Sicherungstauchern nahm auch der spätere Geschädigte an diesem Tauchgang teil. Zusammen mit einem Schiedsrichter des internationalen Tauchsportverbandes sollte er den Kläger an der Rekordmarke in 90m Wassertiefe erwarten. Als sich der Tauchgang, der einem genauen Zeitplan unterlag, infolge technischer Probleme verzögerte, begann der Geschädigte in der irrigen Annahme, der Versuch sei abgebrochen, mit dem langsamen Aufstieg. Entgegen den Durchführungsbestimmungen bewegte er sich dabei nahe dem Grundseil. Währenddessen ließ sich der Kläger am Schlitten nach unten ziehen. In 28m Tiefe kam es zur Kollision, wobei der Geschädigte am Kopf getroffen wurde und danach benommen und desorientiert war. Der Kläger zog ihn deshalb in Richtung Wasseroberfläche, bis der Verletzte durch den eigenen Auftrieb nach oben getragen wurde. Durch den zu schnellen Aufstieg erlitt der Geschädigte einen Dekompressionsschaden, der zu schweren Nervenschäden im Rückgrat und an den Gliedmaßen und in der Folge zur Berufsunfähigkeit führte. Der Unfallversicherer des Geschädigten hat ggü. dem Kläger Regressansprüche von mehr als 2,6 Mio. EUR angemeldet.
Der Kläger hält die Beklagte in Höhe der vertraglichen Deckungssumme von 2 Mio. DM für eintrittspflichtig. Die Beklagte hat eine Leistungspflicht abgelehnt, weil der Kläger gewerbsmäßig, damit beruflich und deshalb nicht privat im Sinne der Versicherungsbedingungen gehandelt habe. Außerdem liege eine ungewöhnliche und gefährliche Beschäftigung vor, für die nach den BBR kein Versicherungsschutz bestehe.
Während das LG die Klage abgewiesen hat, hat das Berufungsgericht ihr in vollem Umfang stattgegeben. Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg.
I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, bei der beruflichen Tätigkeit im Sinne von Nr. 1.1 der BBR handele es sich um einen Ausnahmetatbestand vom zugesagten Versicherungsschutz. Berufe sich der Versicherer darauf, müsse er beweisen, dass der Versicherungsnehmer einen Schaden in Ausübung einer beruflichen Tätigkeit verursacht habe. Die Beklagte habe diesen Beweis nicht erbracht.
Es sei bereits zweifelhaft, ob das Apnoetauchen auf Dauer ausgeübt werden könne, wie das für einen Beruf kennzeichnend sei. Es unterliege keiner geregelten Zeitplanung. Dass der Kläger mit dem Tauchen Einnahmen erzielt habe, zwinge ebenso wenig zur Annahme eines Berufs wie deren steuerliche Deklaration als Einnahmen aus Gewerbebetrieb. Die erzielten Gewinne seien so gering gewesen, dass der Kläger seinen Lebensunterhalt aus ihnen mit Sicherheit nicht habe bestreiten können. Unter Aufgabe seiner früheren Rechtsauffassung habe das Finanzamt dem Kläger inzwischen bescheinigt, dass die durch das Apnoetauchen erzielten Einnahmen weder gewerblich noch sonst Einkünfte im Sinne des Einkommensteuergesetzes seien. Anderes ergebe sich weder aus der Korrespondenz der Parteien noch daraus, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers im Ermittlungsverfahren den Tauchsport als berufliche Existenz des Klägers bezeichnet und der Kläger selbst an anderer Stelle von einer Zerstörung seiner Karriere gesprochen habe.
Die Beklagte könne den Deckungsschutz auch nicht deshalb verweigern, weil der Schaden bei einer ungewöhnlichen und gefährlichen Tätigkeit im Sinne der Versicherungsbedingungen eingetreten sei. Denn dieser Haftungsausschluss greife nach Sinn und Zweck von Haftpflichtversicherungsbedingungen nur dort ein, wo eine Gefahr für Dritte drohe. Das sei für das Apnoetauchen im Regelfall zu verneinen. Der streitgegenständliche Vorfall habe sich ereignet, weil der Geschädigte regelwidrig in der Nähe des Grundseiles aufgestiegen sei.
II. Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung in allen Punkten stand.
1. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt, trifft die Beklagte die Beweislast dafür, dass der Kläger beim Unfall in Ausübung seines Berufs tätig war, weil es sich insoweit um einen Risikoausschluss handelt.
Das ergibt - entgegen einer in der Literatur teilweise vertretenen Ansicht (Wussow, AHB, 8. Aufl., § 1 Anm. 103; Kuwert/Erdbrügger, Privat-Haftpflichtversicherung, 2. Aufl., Rz. 3017) - die Auslegung der Nr. 1.1 BBR. Mit der Klausel wird der Umfang der Versicherung durch die Aufzählung negativer Komponenten des Haftpflichtrisikos beschrieben (BGH v. 11.12.1980 - IVa ZR 29/80, BGHZ 79, 145 [148] = MDR 1981, 299). Das dient zunächst dem bildhaften Verständnis des Versicherungsumfangs, soweit etwa der Bereich des Privaten durch die Aufzählung all derjenigen Bereiche definiert wird, die nicht als "privat" im Sinne der Bedingungen anzusehen sind (Betrieb, Beruf, Dienst, Amt, verantwortliche Betätigung in Vereinen). Auf die gleiche Weise werden die "Gefahren des täglichen Lebens" dadurch umschrieben, dass ihnen "ungewöhnliche und gefährliche Beschäftigungen" entgegengesetzt werden, die nicht vom Versicherungsschutz umfasst sein sollen (BGH v. 25.6.1997 - IV ZR 269/96, BGHZ 136, 14 [145] = MDR 1997, 940), die vielmehr wie die anderen zuvor genannten Gefahrenbereiche vom Versicherungsschutz ausgenommen werden (BGH, Urt. v. 17.1.1996 - IV ZR 86/95, MDR 1996, 1129 = VersR 1996, 495, unter II 2a). Mit anderen Worten: Der Schutzbereich der Haftpflichtversicherung ist durch die Wendung "als Privatperson aus den Gefahren des täglichen Lebens" zunächst erkennbar weit abgesteckt, wird aber durch die genannten Ausnahmetatbestände nicht nur erläutert, sondern zugleich eingeschränkt. Soweit also vom Versicherungsschutz etwa die Gefahren des Berufes ausgenommen werden, handelt es sich um einen Ausschlusstatbestand, dessen Voraussetzungen der Versicherer darzulegen und zu beweisen hat. Insoweit gilt nichts anderes als vom Senat für den Ausnahmetatbestand "verantwortliche Tätigkeit in einem Verein" (BGH, Urt. v. 6.2.1991 - IV ZR 49/90, MDR 1991, 1145 = VersR 1991, 803 [804]) oder für die Ausnahme einer ungewöhnlichen und gefährlichen Beschäftigung bereits entschieden worden ist (BGH, Urt. v. 26.3.1956 - II ZR 209/54, VersR 1956, 283, unter 3; Urt. v. 17.1.1996 - IV ZR 86/95, MDR 1996, 1129 = VersR 1996, 495, unter II 2a; so auch u. a. OLG Hamm v. 9.12.1977 - 20 W 29/77, VersR 1980, 1037 [1038]; VersR 1991, 652; OLG Oldenburg OLGReport Oldenburg 1994, 261 [262]; OLG Köln v. 23.12.1993 - 5 U 237/92, OLGReport Köln 1994, 87 = VersR 1994, 1056; Späte, Haftpflichtversicherung PrivH, Rz 3; Voit in Prölss/Martin, VVG, 26. Aufl., Nr. 1 Privathaftpfl. Rz. 7).
2. Dass das Berufungsgericht den Beweis für eine berufliche Tätigkeit des Klägers als nicht erbracht angesehen hat, begegnet revisionsrechtlich keinen Bedenken.
a) In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BGH ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass Beruf im Sinne der BBR zu verstehen ist als eine auf Dauer angelegte, zumeist dem Erwerb des Lebensunterhaltes dienende Tätigkeit, die im Gegensatz zu Hobby- und Freizeitbeschäftigung steht (BGH v. 11.12.1980 - IVa ZR 29/80, BGHZ 79, 145 [152] = MDR 1981, 299; v. 19.12.1990 - IV ZR 212/89, MDR 1991, 949 = VersR 1991, 293 unter 1). Weiter trifft es zu, dass dabei der Bezug eines Entgelts für sich genommen kein geeignetes Kriterium für die Abgrenzung darstellt (BGH v. 11.12.1980 - IVa ZR 29/80, BGHZ 79, 145 [150] = MDR 1981, 299).
b) Die Angriffe der Revision gegen die vom Berufungsgericht auf dieser Grundlage vorgenommene Würdigung der Indizien und Beweise decken keine Rechtsfehler auf. Die Beweiswürdigung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Sie kann vom Revisionsgericht nur darauf hin überprüft werden, ob sie in sich widersprüchlich ist, den Denkgesetzen oder allgemeinen Erfahrungssätzen zuwider läuft, Teile des Beweisergebnisses ungewürdigt lässt oder Verfahrensvorschriften verletzt. Derartige Fehler werden von der Revision nicht aufgezeigt; die Möglichkeit einer anderen Würdigung macht das Berufungsurteil nicht rechtsfehlerhaft.
3. Zu Recht hat das Berufungsgericht auch das Vorliegen einer ungewöhnlichen und gefährlichen Beschäftigung im Sinne der Nr. 1.1 der BBR verneint.
a) Wie bereits aus dem Wortlaut der Klausel folgt, müssen beide Merkmale zugleich vorliegen, die Beschäftigung muss also ungewöhnlich und zugleich gefährlich im Sinne der BBR sein. Das ist nach gefestigter Rechtsprechung nicht bereits dann der Fall, wenn die schadenstiftende Handlung selbst ungewöhnlich und gefährlich ist. Sie muss vielmehr im Rahmen einer allgemeinen Betätigung erfolgen, die ihrerseits ungewöhnlich und gefährlich ist und deshalb in erhöhtem Maße die Gefahr der Vornahme schadenstiftender Handlungen in sich birgt (BGH, Urt. v. 26.3.1956 - II ZR 209/54, VersR 1956, 283, unter 4; v. 11.12.1980 - IVa ZR 29/80, BGHZ 79, 145 [156] = MDR 1981, 299; Urt. v. 17.1.1996 - IV ZR 86/95, MDR 1996, 1129 = VersR 1996, 495, unter II 2a).
Gefährlich im Sinne der Klausel ist - für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer erkennbar - eine Beschäftigung aber nur dann, wenn aus ihr eine Risikoerhöhung für einen in der Haftpflichtversicherung allein relevanten Fremdschaden resultiert (OLG Hamm r+s 1996, 96). Ob der handelnde Versicherungsnehmer durch die Beschäftigung sein Eigentum und/oder seine Gesundheit gefährdet, ist deshalb unerheblich. Seine Beschäftigung muss vielmehr die erhöhte Gefahr der Schädigung fremder Rechtsgüter und der daraus resultierenden gesetzlichen Haftpflicht in sich bergen.
b) Dies zu Grunde gelegt hat das Berufungsgericht das Eingreifen des Ausschlusstatbestandes zutreffend verneint. Zwar mögen beim Apnoetauchen in große Tiefen auf Grund der Druckverhältnisse, der schlechten Sicht und der dadurch im Unglücksfall erschwerten Hilfeleistung besonders hohe Risiken bestehen. Eine Beweisaufnahme darüber war aber entgegen der Rüge der Revision nicht geboten. Denn diese Risiken trafen zunächst vorwiegend den Kläger selbst. Demgegenüber hat die Beklagte nicht ausreichend dargelegt, dass mit dem Tauchversuch des Klägers auch eine erhöhte Gefährdung Dritter einherging, für die der Kläger aus Rechtsgründen einzustehen gehabt hätte. Allein mit dem Hinweis auf den konkreten Geschehensablauf, für den ein regelwidriges Verhalten des Geschädigten eine maßgebliche Ursache gesetzt hat, kann dieser Nachweis nicht erbracht werden. Die Beklagte hätte vielmehr dartun müssen, ob und inwieweit bei solchen Tauchgängen üblicherweise besondere Gefahren für Dritte bestehen, die eine Haftung des Klägers auslösen könnten. Eine solche Verantwortlichkeit des Klägers ist nicht aufgezeigt. Insbesondere hat die Beklagte auch nichts dafür vorgebracht, dass er etwa als Veranstalter des Weltrekordversuchs anzusehen wäre und ihn deshalb aus dem Gesichtspunkt eines Organisationsverschuldens besondere Schutzpflichten ggü. allen Teilnehmern getroffen hätten.
Fundstellen
Haufe-Index 1132069 |
BuW 2004, 385 |
BGHR 2004, 867 |
EBE/BGH 2004, 135 |
EBE/BGH 2004, 2 |
NJW-RR 2004, 831 |
MDR 2004, 937 |
VersR 2004, 591 |
ZfS 2004, 327 |
IVH 2004, 113 |
JWO-VerbrR 2004, 140 |