Verfahrensgang
OLG Dresden (Urteil vom 22.12.1999) |
LG Zwickau (Urteil vom 19.05.1999) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 22. Dezember 1999 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als der Klage (Feststellungsantrag) stattgegeben, die Widerklage abgewiesen und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Zwickau vom 19. Mai 1999 insoweit zurückgewiesen worden ist.
Der Rechtsstreit wird im Umfang der Aufhebung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Revisionsverfahrens – an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen ein Mietvertrag besteht und um Ansprüche aus diesem Mietverhältnis.
Die Klägerin mietete mit schriftlichem Vertrag vom 10./12. Februar 1992 von der M. GmbH (im folgenden M. GmbH) Gewerberäume mit einer Laufzeit von 15 Jahren. § 15 des Mietvertrages lautet:
„Der Vermieter ist jederzeit berechtigt, mit schuldbefreiender Wirkung seine Rechte und Pflichten aus diesem Vertrag ganz oder teilweise auf einen Dritten zu übertragen.”
Zwischen den Parteien besteht Streit, ob die M. GmbH im Jahre 1992 ihre Rechte und Pflichten aus dem Mietvertrag auf die B. KG (im folgenden B. KG) übertragen hat und die Beklagte, die B. OHG, Rechtsnachfolgerin dieser Gesellschaft ist.
Am 13. Januar 1998 wurde die M. GmbH wegen Vermögenslosigkeit im Handelsregister gelöscht. Deshalb kündigte die Klägerin jeweils mit Schreiben vom (richtig) 15. Oktober 1998 gegenüber der M. GmbH fristlos sowie gegenüber der B. KG und der Beklagten zum 30. Juni 1999. Die Beklagte hält die Kündigungen für unwirksam und macht hilfsweise geltend, der Mietvertrag sei am 30. Juni 1999 von zwei Treuhändern der in Liquidation befindlichen M. GmbH aufgrund eines Treuhandvertrages aus dem Jahre 1988 auf sie übertragen worden.
Die Klägerin hat Feststellung begehrt, daß zwischen den Parteien kein Mietverhältnis bestehe, hilfsweise, daß ein etwa bestehendes Mietverhältnis am 30. Juni 1999 geendet habe. Außerdem hat sie 10.000 DM aus einem selbständigen Schuldversprechen der Beklagten geltend gemacht.
Die Beklagte hat mit ihrer Widerklage Mietnebenkosten in Höhe von 24.553,44 DM verlangt. Das Landgericht hat der Feststellungsklage stattgegeben und im übrigen die Klage und die Widerklage abgewiesen.
Die Berufung der Klägerin, die ihre Leistungsklage um 15.421,25 DM erweitert hat, und die Berufung der Beklagten blieben ohne Erfolg. Dagegen wendet sich die Beklagte mit der Revision, mit der sie ihre Berufungsanträge weiterverfolgt.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten führt im Umfang der Aufhebung zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.
1. Das Oberlandesgericht hat ausgeführt, für die Annahme eines selbständigen Schuldversprechens durch die Beklagten fehle es an einem eindeutigen Sachvortrag der Klägerin. Es sei nicht auszuschließen und sogar wahrscheinlich, daß die Beklagte die behauptete Erklärung nur für den Fall habe abgeben wollen, daß sie als Vermieterin angesehen werde. Ein Anspruch auf Schadensersatz bestehe schon deshalb nicht, weil ein Mietvertrag mit der Beklagten nicht geschlossen sei. Eine Vertragsübertragung von der M. GmbH auf die B. KG im Jahre 1992 scheitere schon daran, daß der Geschäftsführer der Komplementärin der B. KG nicht alleinvertretungsberechtigt gewesen sei. Im übrigen sei der Beklagten der Nachweis einer Übertragungsvereinbarung nicht gelungen.
Die Wirksamkeit der Treuhandverträge und der Vereinbarung vom 30. Juni 1999 könne dahinstehen, weil die bereits am 15. Oktober 1998 gegenüber der M. GmbH erklärte fristlose Kündigung des Mietvertrages wirksam sei. Ein Vermieterwechsel habe deshalb am 30. Juni 1999 nicht mehr stattfinden können. Mietverträge könnten nach § 242 BGB außerordentlich gekündigt werden, wenn einer Partei die Fortsetzung nicht mehr zugemutet werden könne. An die Feststellung der Unzumutbarkeit seien strenge Anforderungen zu stellen. Bei der gebotenen Gesamtbetrachtung sei der Klägerin ein Festhalten am Vertrag nicht mehr zumutbar gewesen. Die Klägerin habe am 18. Mai 1998 erfahren, daß die M. GmbH – allenfalls bis auf ihre Mietzinsansprüche gegen die Klägerin – vermögenslos geworden und deswegen im Handelsregister gelöscht worden sei. Die zwischen den Parteien streitige Vermögenslosigkeit könne offenbleiben. Zumindest aus der Sicht der Klägerin zum Zeitpunkt ihrer Kündigung habe die akute Gefahr bestanden, daß ihre Vermieterin, die M. GmbH, als Gesellschaft bereits voll beendet und nicht mehr existent gewesen sei. Die Planungssicherheit der Klägerin sei deshalb in unzumutbarer Weise beeinträchtigt gewesen. Auf Vermieterseite habe eine verantwortliche Person oder ein für die Verbindlichkeiten haftendes Stammkapital nicht mehr existiert. Hinsichtlich der beklagten OHG, die angeblich durch Umwandlung aus der KG entstanden sei, sei der Klägerin auf Nachfrage vom 3. Juli 1998 mit Schreiben des Rechtsanwalts H. vom 8. Juli 1998 mitgeteilt worden, die Beklagte existiere nicht. Der Klägerin sei somit nicht nur die angebliche Vertragsübertragung im Juli 1992 nicht mitgeteilt worden, sie sei auch über die Vorgänge der nunmehr behaupteten Umwandlung unrichtig informiert worden. Damit sei auch die Vertrauensgrundlage zerstört. Die Widerklageforderung sei unbegründet. Da zwischen den Parteien kein Vertragsverhältnis bestehe, habe die Beklagte keinen Anspruch auf Nebenkostenzahlung.
2. Die Entscheidung des Berufungsgerichts hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Es steht nicht fest, daß die Beklagte nicht durch Vertragsübernahme in die Rechtsstellung der Vermieterin eingetreten ist.
a) Die Revision nimmt es hin, daß das Berufungsgericht eine wirksame Vertragsübertragung der M. GmbH an die B. KG im Jahre 1992 verneint hat. Aus Rechtsgründen ist diese Entscheidung des Berufungsgerichts auch nicht zu beanstanden.
b) Das Oberlandesgericht geht jedoch zu Unrecht davon aus, daß der Mietvertrag mit der M. GmbH im Oktober 1998 wirksam gekündigt worden ist. Zwar ist es im Ausgangspunkt zutreffend, daß ein befristeter Mietvertrag auch bei Fehlen der Voraussetzungen des § 554 a BGB a.F. gekündigt werden kann, wenn infolge des Verhaltens des anderen Vertragsteils die Durchführung des Vertrages wegen der Zerstörung der das Schuldverhältnis tragenden Vertrauensgrundlagen derart gefährdet ist, daß sie dem Kündigenden auch bei Anlegung eines strengen Maßstabes nicht mehr zuzumuten ist. Grundlage für dieses Kündigungsrecht ist § 242 BGB (BGH, Urteil vom 21. Dezember 1977 – VIII ZR 119/76 – WM 1978, 271, 273).
Der Begriff „wichtiger Grund” ist ein Rechtsbegriff. Die für seine Feststellung nötige Würdigung aller Umstände obliegt dem Tatrichter. Das Revisionsgericht hat aber sowohl die richtige Anwendung des Rechtsbegriffs als auch die Frage nachzuprüfen, ob alle für die Entscheidung wesentlichen Umstände berücksichtigt sind (BGH, Urteil vom 21. Dezember 1977 aaO).
Das Oberlandesgericht hat die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung allein deshalb bejaht, weil die M. GmbH von Amts wegen im Handelsregister wegen Vermögenslosigkeit gelöscht worden und die Klägerin über die Umwandlung der B. KG in die B. OHG nicht richtig informiert worden sei. Damit hat das Oberlandesgericht zu geringe Anforderungen an das Vorliegen eines wichtigen Grundes gestellt und den gebotenen strengen Maßstab für die Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung nicht ausreichend beachtet.
aa) Bei Vermögensverfall einer Mietvertragspartei gewährt das Gesetz dem Vertragspartner jedenfalls im Grundsatz kein Recht, sich vom Vertrag zu lösen. Die Rechtsfolgen aus der enttäuschten Erwartung der Mietvertragsparteien, die Vermögensverhältnisse des Vertragsgegners würden sich nach Abschluß des Mietvertrages nicht wesentlich verschlechtern, sind ausschließlich in § 321 BGB a.F. geregelt. Danach kann der aus dem Mietvertrag Vorleistungspflichtige seine Leistung solange zurückhalten, bis die Gegenleistung bewirkt ist, wenn sie durch eine nach Mietvertragsabschluß eintretende wesentliche Vermögensverschlechterung gefährdet ist. Weitere Rechte stehen ihm nicht zu (Bub in Bub/Treier Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete 3. Aufl. II. Rdn. 631). Nach dem hier noch anwendbaren § 21 KO blieb selbst der Konkurs des Vermieters ohne Auswirkungen auf die Wirksamkeit des Mietvertrages, sofern das Mietobjekt dem Mieter bei Konkurseröffnung bereits überlassen war (Staudinger/Emmerich BGB 13. Bearb. §§ 535, 536 Rdn. 168). Die Ansprüche des Mieters sind auf seiten des Vermieters Masseverbindlichkeiten (Belz in Bub/Treier aaO Kap. VII B Rdn. 171). Nach neuem Recht besteht bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Vermieters das Mietverhältnis fort (§ 108 InsO). Ein Sonderkündigungsrecht für den Mieter gibt es nicht (Schmidt-Futterer/Blank Mietrecht 7. Aufl., § 564 BGB Rdn. 123).
bb) Auch die Löschung der GmbH wegen Vermögenslosigkeit nach § 2 LöschG (seit 1. Januar 1999: § 141 a FGG, § 60 Abs. 1 Nr. 7 GmbHG) hat keine rechtsgestaltende Wirkung in dem Sinne, daß sie die GmbH endgültig erlöschen läßt. Stellt sich nach der Löschung heraus, daß die GmbH doch noch Vermögen hat, wird nunmehr eine Abwicklung durchgeführt. Die GmbH kann in diesem Stadium weiter am Rechtsverkehr teilnehmen (BGHZ 48, 303, 307; Rowedder-Rasner GmbHG 3. Aufl. Anh. nach § 60 Rdn. 18). Erfüllt sie ihre mietvertraglichen Verpflichtungen, so ist die Fortsetzung des Mietverhältnisses für den Mieter nicht unzumutbar. Erfüllt sie ihre Verpflichtungen nicht mehr, so kann der Mieter sein gesetzliches Kündigungsrecht aus § 542 BGB a.F. ausüben und ist auf ein außerordentliches Kündigungsrecht nach § 242 BGB nicht angewiesen. Wegen ihrer Rechte aus dem Mietvertrag mit der Klägerin war die M. GmbH nicht vermögenslos und bestand deshalb trotz Löschung im Handelsregister weiter.
cc) Die Gefährdung der notwendigen wirtschaftlichen Planungssicherheit, von der das Berufungsgericht ausgegangen ist, rechtfertigt im zu entscheidenden Fall eine nach § 242 BGB gestützte Kündigung nicht. Das Mietobjekt war der Klägerin seit Jahren überlassen und konnte von ihr ohne Schwierigkeiten genutzt werden. Anhaltspunkte dafür, daß die Vermieterin der Klägerin dieses verwehren würde, sind nicht ersichtlich. Nur wenn sich abzeichnete, daß die Vermieterin ihre Verpflichtung aus dem Mietvertrag nicht mehr erfüllen würde, wäre die Klägerin nach § 242 BGB zur außerordentlichen Kündigung berechtigt. Das ist aber nicht der Fall. Die Beklagte, die mit der M. GmbH personenidentisch ist, hat noch vor der Kündigung der Klägerin dieser gegenüber geltend gemacht, daß sie den Mietvertrag übernommen habe und auf jeden Fall am Mietvertrag festhalten wolle. Die Übernahme der Vermieterstellung durch die Beklagte hätte die vertragliche Position der Klägerin sogar verbessert. Im Gegensatz zur M. GmbH, die vermietete, ohne Eigentümerin zu sein, war die Beklagte nach den Feststellungen des Berufungsgerichts Eigentümerin des Grundstücks und konnte damit der Klägerin eine sicherere Rechtsstellung einräumen. Damit war die Gefahr gering, daß die Klägerin wegen der finanziellen Situation der Vermieterin einen Schaden erlitt.
dd) Die falsche Auskunft des Rechtsanwalts H. vom 8. Juli 1998, daß eine B. OHG nicht existiere, rechtfertigt ein nach § 242 BGB gestütztes Kündigungsrecht ebenfalls nicht. Zwar hat sich die B. KG mit Vertrag vom 20. Dezember 1995 in die B. OHG umgewandelt und war am 25. Januar 1996 als B. OHG ins Handelsregister eingetragen worden. Die Umwandlung änderte aber an der Identität der Gesellschaft nichts (Koller/Roth/Morck HGB 2. Aufl. § 105 Rdn. 55). Der Klägerin drohte weder durch die Umwandlung, noch durch deren Verschweigung noch durch die – offensichtlich versehentlich – falsche Angabe des Rechtsanwalts ein gravierender Nachteil. Sie ging davon aus, daß die Gesellschaft als Verwalterin für die Vermieterin tätig war, während sich die Gesellschaft selbst als Vermieterin sah. Die Rechtsform der Beklagten war für die Klägerin von untergeordneter Bedeutung.
3. Da die außerordentliche Kündigung vom 15. Oktober 1998 das zwischen der Klägerin und der M. GmbH bestehende Mietverhältnis nicht wirksam beendet hat, kann das Urteil mit der vom Oberlandesgericht gegebenen Begründung nicht bestehenbleiben. Der Senat ist auch nicht in der Lage, abschließend selbst zu entscheiden. Denn für die Beklagte, die mit ihrer Widerklage für sich Rechte aus dem Mietvertrag herleiten will und dazu vorträgt, der Mietvertrag sei am 30. Juni 1999 auf sie übertragen worden, kommt es auf den von der Klägerin bestrittenen Umstand an, ob der Treuhandvertrag von 1988 bestand und ob die Treuhänder auf der Grundlage dieses Vertrages die Vermieterstellung der M. GmbH wirksam auf die Beklagte übertragen konnten. Das Oberlandesgericht hat diese Fragen – aus seiner Sicht folgerichtig – dahinstehen lassen. Daher ist die Sache an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen, damit es – gegebenenfalls nach weiterem Vortrag der Parteien – die notwendigen Feststellungen zu den näheren Umständen der Übertragung treffen kann.
Unterschriften
Hahne, Gerber, Wagenitz, Fuchs, Ahlt
Fundstellen
NJW-RR 2002, 947 |
JurBüro 2002, 555 |
NZM 2002, 525 |
NJ 2003, 27 |