Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 28. Juli 2000 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des Beklagten erkannt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Kläger kauften mit notariellem Vertrag vom 6. November 1991 ein in D. gelegenes Hausgrundstück zum Preis von 325.000 DM. Für diesen Vertrag erteilte das Landratsamt des beklagten Landkreises mit Bescheid vom 7. Januar 1992 die Genehmigung nach der Grundstücksverkehrsverordnung. Dabei blieb unberücksichtigt, daß die früheren Grundstückseigentümer bereits mit Schreiben vom 29. August 1990 vermögensrechtliche Ansprüche angemeldet hatten.
Am 4. März 1993 wurden die Kläger als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen. Mit Bescheid vom 23. März 1993 lehnte das Landratsamt den Rückgabeantrag der Alteigentümer ab. Der dagegen eingelegte Widerspruch wurde mit Bescheid vom 29. August 1995 zurückgewiesen.
Das Kaufgrundstück wurde auf Betreiben der den Kaufpreis kreditierenden Bank 1997 zwangsversteigert.
Die Kläger verlangen von dem Beklagten Schadensersatz wegen Amtspflichtverletzung. Sie machen geltend, daß sie von dem Kauf des Grundstücks Abstand genommen und so die letztlich vergeblichen Aufwendungen für den Eigentumserwerb und die Renovierung erspart hätten, wenn der Beklagte im Hinblick auf das ihm vorliegende Anmeldungsschreiben der Alteigentümer von einer sofortigen Genehmigung des notariellen Vertrags abgesehen und das Genehmigungsverfahren bis zum Abschluß des nach dem Vermögensgesetz durchzuführenden Restitutionsverfahrens ausgesetzt hätte. Ein Verkauf des Grundstücks zum Preis von 518.000 DM sei 1993 wegen des anhängigen Restitutionsverfahrens gescheitert.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das der Klage dem Grunde nach stattgebende Urteil des Oberlandesgerichts hat der erkennende Senat mit Urteil vom 4. März 1999 (III ZR 29/98 – WM 1999, 1124) aufgehoben. Nach erneuter Verhandlung hat das Oberlandesgericht den Beklagten unter Abweisung der weitergehenden Klage verurteilt, die Kläger von den Restforderungen aus den zum Erwerb des Hausgrundstücks abgeschlossenen Darlehensverträgen in Höhe von insgesamt 187.979,82 DM nebst Zinsen freizustellen und an den Kläger zu 2 weitere 3.831,31 DM nebst Zinsen zu zahlen.
Mit der Revision verfolgt der Beklagte seinen Antrag auf vollständige Klageabweisung weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils, soweit zum Nachteil des Beklagten erkannt worden ist, und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Nach § 6 Abs. 2 der Verordnung über die Anmeldung vermögensrechtlicher Ansprüche in der hier maßgeblichen Fassung der Bekanntmachung vom 11. Oktober 1990 (BGBl. I S. 2162) hätten die Bediensteten des beklagten Landkreises den notariellen Kaufvertrag vom 6. November 1991 nicht sofort genehmigen dürfen; sie hätten vielmehr das Genehmigungsverfahren aussetzen müssen und ihre Entscheidung erst nach dem Eintritt der Bestandskraft der Entscheidung über den Rückgabeantrag der Alteigentümer treffen dürfen. Die – schuldhaft verletzte – Amtspflicht, die nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a der Grundstücksverkehrsverordnung in der im Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung geltenden Fassung der Bekanntmachung vom 18. April 1991 (BGBl. I S. 999) notwendige Genehmigung des Kaufvertrags bei Vorliegen einer Anmeldung vermögensrechtlicher Ansprüche nicht sogleich zu erteilen, bestand auch den Klägern in ihrer Eigenschaft als Grundstückskäufer gegenüber. Diese sollten davor bewahrt werden, im Vertrauen darauf, daß zum Zeitpunkt der Genehmigungserteilung kein Restitutionsverfahren anhängig war und deshalb gegen die Gültigkeit bzw. Durchführbarkeit des Kaufvertrags keine Bedenken bestanden, Aufwendungen zu machen und Dispositionen zu treffen, die sich später als nutzlos oder schädlich herausstellen. Dabei geht es nur darum, den Käufer vor den spezifischen „Restitutions-Risiken” zu schützen, nicht aber darum, ihn vor allen denkbaren wirtschaftlichen Nachteilen zu bewahren, die ihm bei der Durchführung des Kaufvertrags erwachsen können (vgl. das in dieser Sache ergangene Senatsurteil vom 4. März 1999 aaO S. 1126 f).
Das insoweit schützenswerte Vertrauen des Käufers wird in haftungsrechtlich relevanter Weise nicht nur dann verletzt, wenn – was vorliegend gerade nicht der Fall war – der Eigentumserwerb verzögert oder vereitelt wird, sondern auch dann, wenn – wie die Kläger geltend machen – das erworbene Grundstück wegen der noch nicht abschließend ausgeräumten „Restitutions-Risiken” nicht wie beabsichtigt verwertet werden kann (Senatsurteil aaO S. 1128).
II.
1. Nach Auffassung des Berufungsgerichts hat sich dadurch, daß die Kaufinteressentin L. von einem Erwerb des Grundstücks abgesehen hat, das spezifische Restitutions-Risiko realisiert. Hierzu hat es ausgeführt: Die Zeugin L. habe glaubwürdig und nachvollziehbar ausgesagt, daß das Vorliegen der Anmeldung entscheidend dafür gewesen sei, die mit den Klägern begonnenen Kaufvertragsverhandlungen abzubrechen. Hieran ändere auch nichts die Aussage der Zeugin, der avisierte Kaufpreis von 518.000 DM sei zu hoch gewesen. Dies schließe die von den Klägern behauptete Mitursächlichkeit des laufenden Restitutionsverfahrens nicht aus. Anderes würde nur dann gelten, wenn die Interessentin ausschließlich wegen der Preisforderungen der Kläger und ohne jede Rücksicht auf das anhängige Restitutionsverfahren von einem Kauf des Grundstücks abgesehen hätte.
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
2. Das Berufungsgericht geht davon aus, daß die Zeugin L. nicht bereit gewesen wäre, den von den Klägern verlangten Preis von 518.000 DM zu bezahlen. Damit steht unabhängig davon, welche Gründe letztendlich für den Abbruch der Vertragsverhandlungen den Ausschlag gegeben haben, zugleich fest, daß ein Kaufvertrag mit dem von den Klägern behaupteten Inhalt auch dann nicht zustande gekommen wäre, wenn das Hausgrundstück nicht „restitutionsbelastet” gewesen wäre.
Bei dieser Sachlage hätte sich, wie die Revision zu Recht rügt, das vorhandene „Restitutions-Risiko” nur dann verwirklicht, wenn es zumindest als überwiegend wahrscheinlich (§ 287 ZPO) angesehen werden kann, daß ohne das Vorliegen eines Restitutionsantrags die Kaufgespräche weitergeführt worden und die Verhandlungspartner dabei trotz ihrer unterschiedlichen Preisvorstellungen über die Höhe des zu zahlenden Entgelts einig geworden wären. Hierzu verhält sich das Berufungsgericht nicht. Das ist nachzuholen.
III.
Für die weitere Verhandlung und Entscheidung weist der Senat auf folgendes hin:
1. Bei der Beurteilung der Frage, ob und gegebenenfalls zu welchem Preis die Kläger und die Kaufinteressentin L. handelseinig geworden wären, ist das Vorbringen des Beklagten beachtlich, ein Verkauf habe sich auch deshalb nicht verwirklichen lassen, weil die kreditgebende Bank, auf deren Mitwirkung die Kläger angesichts der vorhandenen Belastungen mit Grundpfandrechten im Buchwert von 570.000 DM angewiesen waren, ihrerseits zu hohe Preisvorstellungen gehabt habe. Träfe dies zu, so hätte sich das allgemeine – vom Schutzzweck der verletzten Amtspflicht gerade nicht erfaßte – Risiko verwirklicht, daß sich ein nicht über ausreichende Eigenmittel verfügender Käufer von seinem Kreditgeber abhängig macht und damit seinen eigenen Verhandlungsspielraum einengt. Dies betrifft also die Frage des Anspruchsgrundes und nicht, wie das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft gemeint hat, den Mitverschuldenseinwand nach § 254 BGB.
2. Sofern sich die Zeugin L. angesichts des frühzeitigen Abbruchs der Vertragsverhandlungen keine hinreichend konkreten Vorstellungen über den aus ihrer Sicht (noch) akzeptablen Kaufpreis gemacht haben sollte, dürfte der damalige Verkehrswert des Grundstücks, der im Zwangsversteigerungsverfahren vom Amtsgericht aufgrund eines am 28. August 1995 erstellten Gutachtens auf 464.000 DM festgesetzt worden war, einen Anhalt für den erzielbaren Preis geben.
3. Nähere Feststellungen über die Höhe des erzielbaren Kaufpreises müssen auch deshalb getroffen werden, weil sich nur auf diese Weise die Höhe des ersatzfähigen Schadens ermitteln läßt. So besteht ein Freistellungsanspruch in der vom Berufungsgericht zuerkannten Höhe nur dann, wenn es den Klägern gelungen wäre, das Grundstück 1993 zu einem Preis zu veräußern, der ausgereicht hätte, die damals noch offenen, zur Finanzierung des Grundstückserwerbs eingegangenen Restdarlehensverbindlichkeiten der Kläger – diese beliefen sich zum Versteigerungstermin auf mehr als 492.000 DM – vollständig zu tilgen. Dabei ist zu berücksichtigen, daß nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein auf Freistellung gerichteter Schadensersatzanspruch voraussetzt, daß der Geschädigte tatsächlich mit dieser Verbindlichkeit beschwert ist (Urteile vom 10. Dezember 1992 – IX ZR 54/92 – NJW 1993, 1137, 1138 f; vom 24. März 1988 – IX ZR 114/87 – NJW 1988, 3013, 3015). Dies hat das Berufungsgericht bei seinen Ausführungen zur Berechnung der noch offenen Kreditschuld durch die finanzierende Bank nicht hinreichend beachtet.
4. Das Berufungsgericht erhält außerdem Gelegenheit, sich mit den sonstigen von der Revision erhobenen Rügen auseinanderzusetzen, auf die näher einzugehen der Senat im derzeitigen Verfahrensstadium keine Veranlassung hat.
Unterschriften
Rinne, Streck, Schlick, Kapsa, Galke
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 10.05.2001 durch Freitag Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
BGHR 2001, 690 |
VIZ 2001, 488 |
NJ 2002, 33 |